William L.
"Will" Steffen

 

Global Chance
and the Earth System:
A Planet under Pressure

Buch-2005
333 Seiten

wikipedia  Autor  *1947 in
Nebraska bis 2023 (75, Kr) 

en wikipedia Autor  

DNB Buch 

 

detopiaKlimabuch  

S.htm   Sterbejahr

H.Schellnhuber  Mike Davis 

Jim.Hansen   Tim.Flannery 

Jared Diamond 

Will Steffen auch im Planetenfilm 2006

 

Mit: 

Steffen, Will - Sanderson, Angelina - Tyson, Peter - Jäger, Jill - Matson, Pamela - Moore, Berrien - Oldfield, Frank - Richardson, Katherine - Schellnhuber, Hans-Joachim - Turner, Billie - Wasson, Robert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Chemiker

Direktor des <Australian-National-University-Climate-Chance-Institutes>

From 1998 to 2004, he was the executive director of the
International-Geosphere-Biosphere-Programme
,
a co-ordinating body of national environmental change organisations based in Stockholm.

en.wikipedia.org/wiki/International_Geosphere-Biosphere_Programme 

 

Interview mit Will Steffen

im Haus der Kulturen der Welt im Januar 2013, Interview: Bert Rebhandl

tip-berlin.de/kultur-und-freizeit-stadtleben-und-leute/interview-mit-will-steffen-uber-das-anthropozan-projekt-im- 

 

Herr Steffen, Sie werden am 10. Januar in Berlin über das Anthropozän sprechen. Damit ist in etwa gemeint: das Erdzeitalter, das vom Menschen geprägt wird. Wie kam es zu diesem Begriff, auf den das Haus der Kulturen der Welt in den kommenden zwei Jahren einen Programmschwerpunkt aufbaut?

Der Begriff stammt ursprünglich von meinem Kollegen Paul Crutzen, einem Atmosphärenwissenschaftler und Meteorologen. 2000 hatten wir ein Meeting in Mexiko, bei dem wir uns mit Klimaveränderungen in der Vergangenheit beschäftigten. Ich war damals Direktor eines internationalen Forschungsprogramms in Stockholm mit dem Titel IGPB, International Geosphere-Biosphere Program. Bei diesem Meeting rief Paul plötzlich an irgendeinem Punkt aus: „Hört endlich auf, vom Holozän zu sprechen!“ Das ist das Erdzeitalter, in dem wir uns nach traditioneller Lehrmeinung befinden. Die Blicke wandten sich ihm zu und nun musste er natürlich einen anderen Begriff vorschlagen. Und damals warf er das spontan zum ersten Mal in die Runde: Anthropozän.

Was ist daran neu, im Vergleich zu älteren Meilensteinen ökologischer Bewusstseinsbildung wie den Berichten des Club of Rome?

Anthropozän kristallisiert eine Menge Wissenschaft in ein Wort und dieses Wort fördert das Verständnis für das Ganze. Veränderungen des Klimas, der Biodiversität, der Landverwendung, der Fischpopulationen und vieles mehr werden dadurch zusammenhängend betrachtbar. Die Rede vom Anthropozän etabliert einen Perspektiv­wechsel. Die Menschen sind jetzt so mächtig, dass sie die Erde geologisch verändern.

Aber es gab auch schon vor 100 Jahren Ansätze zu einer solchen Denkweise.

Schon im 19. Jahrhundert versuchte sich der amerikanische Geograf und Politiker George Perkins Marsh an einer Darstellung: „The Earth as Modified by Human Action“. Begriffe wie Noosphäre gehen schon in die Richtung eines heutigen Verständnisses. Niemand hat das aber jemals auf das Holozän bezogen. Erst jetzt gibt es eine Menge neuerer Forschung, um unser Verständnis der menschlichen Aktivitäten zu unterstreichen. Das Satellitenzeitalter gab uns zudem ein neues Bild von der Erde: Wir kennen sie jetzt als einen isolierten, blauen, sehr interessant aussehenden, aber eben auch sehr endlichen Planeten. Das trug auch zum Aufschwung des Anthropozän-Denkens bei.

Als Konzept geht das Anthropozän deutlich über die Einzelwissenschaften hinaus. Sind Sie noch Forscher oder schon hauptsächlich Wissenschaftsvermittler?

Ich bin ursprünglich Chemiker, heute würde ich sagen: Ich arbeite in den Earth System Sciences. Ich spreche viel mit Sozialwissen­schaftlern, Historikern, manchmal sogar mit Philosophen, denn es geht um ein neues Wissen, um neue Konzepte und das geht tatsächlich weit über die Naturwissenschaften hinaus. Es geht wohl um das Übersetzen in eine größere Erzählung. Genau. Seit ungefähr 2004, 2005 verwende ich viel mehr Zeit auf diese Aspekte. Ich versuche ein breiteres Publikum damit zu erreichen.

Wann begann das Anthropozän eigentlich?

Dazu gibt es eine weitere und eine engere Definition. Eine klassische Auffassung besagt: Es begann mit dem industriellen Zeitalter, als es damit anfing, dass in großem Stil fossile Brennstoffe verwendet wurden. Ich würde aber einer engeren Definition das Wort reden. So richtig begann die Sache erst mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Damals begann vieles von dem, was wir heute als Globalisierung wahrnehmen. Der Planet vernetzte sich in einem Maß, das bis dahin ungeahnt war. Marco Polo kam auch schon nach China, aber er war langsam und er gehörte zu einer Elite der damaligen Gesellschaft. Heute sind alle Menschen rund um die Welt verbunden und auch die wichtigen Prozesse sind weltweit, denken wir an das Finanzwesen. Wir nennen diese Periode die „great acceleration“, die große Beschleunigung. Das alles hat dazu geführt, dass die Menschheit insgesamt als globale geologische Kraft wahrgenommen werden kann. Inzwischen gibt es für diese Sichtweisen auch Verständnis über die wissenschaftliche Community hinaus. Das Konzept des An­thropozäns hat in den letzten zwei, drei ­Jahren die Massenpresse erreicht, von „Le Monde“ bis „National Geographic“ oder zum „Economist“. Wir sind nun in einer Phase, in der wir als Spezies erkennen, was wir tun.

Ist Anthropozän dann nicht einfach ein anderes Wort für Globalisierung?

Das ist nicht ganz so einfach, wie es scheint. Ich würde anstelle von Globalisierung lieber von Netzwerken sprechen. Unsere Wirksamkeit lässt sich in einer einfachen Gleichung ausdrücken: Bevölkerung mal Reichtum mal Technologie ergibt in Summe ein Maß für den Impact, den eine Gesellschaft auf die Erde hat. Der Faktor Bevölkerung ist dabei vielleicht der am wenigsten wichtige, denn der Konsum wächst davon unabhängig. Und hier kommt die Globalisierung ins Spiel, denn sie bringt uns mit so vielen Konsum­optionen in Verbindung. Das führt zu höherem Wachstum, das aber wiederum auf mehr Konsum beruht.

Was sagt uns das Wetter über das Klima?

Es gilt generell, dass das Wetter uns nur bedingt etwas über das Klima erzählt. In Australien haben wir extremere Muster. Wir haben sehr lange, intensive Trockenzeiten, die in sehr extreme Regenfälle übergehen. Wir haben Buschfeuer, die inzwischen die Städte bedrohen. Die Vororte von Canberra waren schon betroffen und 2009 gab es ein Feuer in Victoria, das wichtige Wälder vernichtete und auch zahlreiche Todesopfer forderte. Ein weiterer Punkt, der für Australien wichtig ist: Wir leben vorwiegend an der Küste, der Meeresspiegel steigt, Überschwem­mungen nehmen zu. Leute beziehen diese Erfahrungen auf den Klimawandel.

 

Bewegen wir uns menschheitlich gesehen auf einen Kollaps zu, wie es Jared Diamond in einem sehr populären Sachbuch in Aussicht stellt?

Die gegenwärtige Situation bringt ein größeres Interesse am Schicksal von Zivilisationen mit sich. Auch ich arbeite an entsprechenden Projekten wie IHOPE mit, in denen es um Vergleichsmodelle geht, vor deren Hintergrund sich die Frage beantworten ließe: Werden wir kollabieren? 

Das Imperium Romanum ist so eine Zivilisation, die da untersucht wird, oder die Maya in Meso-Amerika, aber auch große asiatische Zivilisationen und frühe Hochkulturen im Vorderen Orient. In allen Fällen geht es um das Verstehen von nicht kontrollierbaren Entwicklungen, die irgendwann auftraten und nicht mehr revidiert werden konnten.

Eine moderne Version eines Kollapses ist die Sowjetunion, als sie 1990 zusammenbrach. Im darauffolgenden Jahrzehnt verließen viele Menschen das Land, die Wirtschafts­leistung ging zurück, die Lebenserwartung sank. 

Die Zivilisation auf den Osterinseln ist ein besonders berühmtes Beispiel für einen Kollaps, weil die Rahmenbedingungen so genau definierbar sind: Dort gab es keinen Platz zum Ausweichen. 

Aber es gibt auch Gegenbeispiele. Nicht alle Zivilisationen kollabierten wegen ökologischer Stresssituationen, in Asien wurden etwa ausgeklügelte Bewässerungs­systeme entwickelt. Oder denken wir an den Südwesten der USA, wo es sehr widerstandsfähige Gruppen gibt. 

All das gibt uns Material zur Beantwortung der Frage: Was macht Widerstandsfähigkeit aus und wie macht sich eine Zivilisation verletzbar?

Sie sprechen von einer kritischen Dekade. Was meinen Sie damit?

Wir sind schon in der kritischen Dekade. Gemeint ist das Jahrzehnt bis 2020. Wenn wir den durchschnittlichen Temperaturanstieg auf zwei Grad beschränken wollen, müssen wir in diesem Jahrzehnt eine Menge tun, andernfalls haben wir keine Chance. Das bedeutet, dass Investitions­entscheidungen absolut entscheidend sind. Alles muss darauf hinauslaufen, dass die Kohlenstoffwirtschaft abgelöst wird. Und die reichen Länder müssen damit anfangen, um damit den entwickelnden Ländern einen Spielraum zu verschaffen.

Gärten sind im Moment ein großes Thema, auch im Haus der Kulturen der Welt wird es dazu eine Veranstaltung geben. Können wir aus dem blauen Planeten einen grünen machen?

Weltweit gesehen haben wir es offensichtlich mit einem Trend zu starker Urbanisierung zu tun. Die Menschen verlassen ihre Gärten, sie begeben sich in Umgebungen, in denen sie mit der Biosphäre nicht mehr in unmittelbarer Verbindung sind. Dabei wissen wir eigentlich: Wir hängen von Gärten ab. Dort wächst unsere Nahrung, von dort bekommen wir auch frisches Wasser. Früher waren die Menschen sehr eng mit anderen Lebewesen und auch mit den Pflanzen verbunden. Diese Verbindung sollte wieder hergestellt werden. Wenn wir von Gärten sprechen, dann meinen wir damit im Grunde nur: Das große Konzept des Anthropozäns hat viel mit kleinen Projekten, kleinen Phänomenen zu tun.

Was tun Sie denn persönlich, um Ihren ­„carbon footprint“ zu beschränken?

Unsere Familie ist aus den Suburbs von Canberra in die Stadt gezogen. Meine Tochter, meine Frau und ich können nun alle zu Fuß zur Arbeit gehen und wenn wir einmal irgendwo hinmüssen, nehmen wir den Bus. Wir haben auch 30, 40 Prozent Energie gespart, weil wir jetzt in einer kleineren Wohnung leben. Ja, ich fliege zu viel, das bringt mein Beruf mit sich. Ich muss natürlich mehr tun. Ich hoffe, dass es irgendwann eine Form des Fliegens gibt, die emissionsneutral ist, denn in Australien ist man ohne Flugverkehr doch sehr von der Welt abgeschnitten. Individuelles Handeln reicht aber nicht aus. Die großen Fragen, die gesamtgesellschaftlich zu beantworten sind, sind klar erkennbar: Wie gewinnen wir unsere Energie? Wie wollen wir wohnen? Ich arbeite intensiv mit Behörden und Politikern an Lösungsansätzen. Eines ist jedenfalls schon klar: Es wird chaotisch werden. 

 

 

 

 

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