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   6. Der erste Sommer des 3. Jahrtausends  

 

Es gibt kein Gesetz der Geschichte, dem zufolge ein neues Jahrhundert zehn oder zwanzig
 Jahre vorher beginnen muß, aber es hat sich herausgestellt, daß es so ist. 
- Thomas Wolfe

  

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Am Sonntag, dem 10.7.1988, betrug die Tagestemperatur — der Wetterstation des New Yorker Central Park zufolge — 37°C. Die relative Luftfeuchtigkeit lag um ein Uhr morgens bei dreiundneunzig Prozent. Es war eine der heißesten Wochen seit Menschengedenken gewesen. Die Taxifahrer konnten förmlich fühlen, wie die Reifen ihrer Wagen im Asphalt einsanken. In der ganzen Stadt versagten die Klimaanlagen.

Auch der Strand bot keine Erleichterung. Die Küsten Long Islands und New Jerseys waren von zurückflutendem Abwasser und Abfall überschwemmt. Am Wasser spielende Kinder fanden leere klinische Blutbeutel, Latexhandschuhe und mit dem AIDS-Virus verseuchte Spritzen.

Für die Stadtpolizei und die Kriminalbeamten bedeuten mehrere aufeinanderfolgende Tage mit Temperaturen über 32 Grad eine vorhersagbare Zunahme der Gewaltverbrechen. In jener Woche war es am Mittwoch dreiunddreißig, am Donnerstag vierunddreißig, am Freitag sechsunddreißig und am Samstag einunddreißig Grad heiß gewesen. Am Wochenende wurden in den fünf Stadtbezirken mehr als drei Dutzend Menschen erschossen, erstochen, zu Tode geprügelt oder stranguliert.

Im Süden verbrannte die Hitze die Baumwolle. Im Mittelwesten vernichtete die Trockenheit Weizen, Mais und Sojabohnen — es war der schlimmste Sommer seit der Dust Bowl der dreißiger Jahre. Einige kleine Städte in Iowa gingen im Sommer 1988 bankrott.

Im ganzen Land vernichteten die verheerendsten Brände seit Menschengedenken etwa 2,4 Millionen Hektar Wald. Dreißigtausend Feuerwehrleute und viele Strafgefangene, die unter Bewachung aus kalifornischen Gefängnissen eingeflogen worden waren, bekämpften sie.

Bis auf fünf Prozent führten alle großen Flüsse der USA Niedrigwasser. Das Wasser des Mississippi fiel in jenem Sommer sechs Meter unter seinen normalen Stand (ein weiterer Rekord), setzte Tausende von Flußschiffen aufs Trockene und legte alte Schiffswracks frei: Schaufelraddampfer aus der guten alten Zeit und drei Schiffe aus dem Bürgerkrieg: die Dot, die Charm und die Paul Jones, die 1863 während des Rückzugs der Konföderierten aus Vicksburg versenkt worden war.

Weizen verdarb in Kanada und der Sowjetunion, Reis in der Volksrepublik China. China (wo 1988 das Jahr des Drachen war) verlor mehr als zehntausend Menschen und eine halbe Million Häuser durch Dürren, Fluten, Wirbelstürme und plötzliche Hagelwetter. In Schanghai war die Situation im Juli sogar noch schlimmer als in New York, mehr als eine Million Menschen wurden durch die Hitze krank.

Auf der Halbinsel Yucatan fegte der Hurrikan Gilbert, der heftigste Sturm des Jahrhunderts, ganze Dörfer und Strände ins Meer. Es gab sintflutartige Regenfälle und Überschwemmungen in Indien, Nigeria, Gambia, Mali und im Sudan. In Bangladesch wurden mehr als drei Viertel des Landes überflutet. Im September rief der Leiter des Hilfsprogramms der Vereinten Nationen zu Nahrungsmittelspenden in Höhe von dreihunderttausend Tonnen auf, um der beispiellosen Serie ökologischer Notfälle zu begegnen.

Am stärksten wirkte sich die Trockenheit in Nordamerika aus. Es war die schlimmste Dürre seit fünf Jahrzehnten. Wieder einmal starrten Farmer in Montana, Nebraska, Norddakota, Kansas und Texas auf die dunklen Wolken am Horizont: ihr fruchtbarer schwarzer Mutterboden wurde fortgeblasen. Der Agriculture Department Soil Conservation Service schätzte, daß fast fünf Millionen Hektar Boden durch Winderosion vernichtet worden waren — und das bereits am 1. Juni. Preisrinder und trächtige Kühe mußten an Schlachthöfe verkauft werden, weil die Weiden sie nicht mehr ernähren konnten (es gab kaum genug Gras für die Grashüpfer, wie die Farmer sagten). 

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In der ersten Juliwoche war es im Mittelwesten so heiß und trocken, daß, als in Kansas City, Missouri, während eines Spiels der Kansas City Royals gegen die Chicago White Socks ein paar Tropfen fielen, die dreiundzwanzigtausend Fans im Stadion den Regen nicht ausbuhten. Sie standen auf und applaudierten.* 

* Die Hitze machte sogar den Baseball in jenem Sommer gefährlicher. Eine Studie von Psychologen der Universität Michigan zeigt, daß mehr Pitcher mehr Batter verprügeln, wenn die Temperatur im Stadion zweiunddreißig Grad Celsius übersteigt.

Die Dürre der dreißiger Jahre hatte die Wanderarbeiter nach Kalifornien getrieben und John Steinbecks <Früchte des Zorns> und möglicherweise auch T. S. Eliots »Little Gidding« inspiriert:

Staub in der Luft den Ort bestimmt 
Der dieser Geschichte den Fortgang nimmt. 
Staubgesättigt war jedes Haus 
Die Mauer, das Holz und die Maus. 
Verzweiflung und der Hoffnung Gruft 
Begleiten den Tod der Luft.

Im Juli ließ sich Präsident Reagan inmitten der großen Dürre in einem Maisfeld in Illinois fotografieren. Der Mais, der ihn hätte überragen müssen, reichte ihm nur bis zur Hüfte. In der Nähe der Stadt Vicksburg durchsuchten ein Farmer und sein Sohn im austrocknenden Mississippi die Wracks der Konföderierten­schiffe nach Gold. Sie krochen unter den Weiden am Ufer des Big Black River am Rande ihrer Farm umher, fanden aber nichts als ein paar Rohre und eine Medizinflasche mit der Aufschrift »Antifiebermittel«. 

Die Menschen wußten, daß sie die Zeugen eines historischen Notstands waren. In Custer County, Montana, nahm John L. Moore seine beiden kleinen Kinder mit auf einen Berg und zeigte ihnen drei großflächige Brände, die im Ödland südlich von Milex City schwarzen Rauch aufsteigen ließen. »Erinnert euch an diesen Tag«, sagte er zu ihnen. »Davon könnt ihr einmal euren Kindern erzählen.« Aber der August war der grausamste Monat des Sommers 1988. Die monatliche Zusammenfassung des Wetterdienstes lautete:

Die außergewöhnliche Hitze dauert an. Am 3. August kletterte die Quecksilbersäule mit 33 Grad Celsius zum siebzehnten Mal in diesem Jahr über die 32-Grad-Marke und brach damit den Rekord von 1936... Die neuen Temperaturrekorde im August: 38 Grad am 1. ... 37 Grad am 2. ... 37 Grad am 16.

Am schlimmsten Tag in jenem August legten einige Detroiter Fabriken ihre Fließbänder still. Die Harvard University ließ zum ersten Mal in ihrer 352jährigen Geschichte Sommervorlesungen wegen Hitze ausfallen. 

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In New York City (wo das Quecksilber bis Mitte August an zweiunddreißig Tagen über zweiunddreißig Grad geklettert war) wurden zweihundert Menschen ermordet, eine fünfundsiebzigprozentige Steigerung gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahrs und zugleich ein weiterer Rekord. Die Amerikaner gaben im August eine halbe Milliarde Dollar mehr als üblich aus, um ihre freongekühlten Klimaanlagen zu betreiben.

Die Chubb Corporation stritt sich in diesem Monat mit Farmern über »Regenversicherungen«. Sie ließ Tausende neuer Anträge und Prämienschecks, die von Farmern eingeschickt worden waren, zurückgehen und bot jedem, der schon eine Versicherung mit ihnen abgeschlossen hatte und sie wieder kündigte, zweitausendfünfhundert Dollar.

Reagan stiftete einen Fond zur Unterstützung von Farmen in Höhe von 3,9 Milliarden Dollar und äußerte sich bei dieser Gelegenheit lobend über den »unbezwingbaren Geist« der Farmer. Die Firma Pioneer Hi-Bred International Inc., die größte Saatgesellschaft der Welt, beeilte sich, neue Saatmaisfelder anzulegen — hauptsächlich in Südamerika —, um den Verlust mit der Ernte des nächsten Jahres auszugleichen. Auf der landwirtschaftlichen Ausstellung des Staates Illinois in Springfield verlieh Joe Beall, ein sehr strenger Schiedsrichter, blaue Bänder für die besten von Kindern gebrachten Tomaten, Kohlköpfe, Karotten und Auberginen. »In einem normalen Jahr«, sagte er zu einem Reporter außer Hörweite der Kinder, »wäre dieses Zeug nicht einmal geerntet worden.«

In diesem August kamen im Yellowstonepark die durch Windgeschwindigkeiten von achtzig Stundenkilometern vorangetriebenen Feuer dem Old-Faithful-Geysir bis auf acht Kilometer nahe. Die Flammen verschonten das Old Faithful Inn, aber zwei Dutzend andere Gebäude im Park brannten ab. Insgesamt verbrannten oder versengten in diesem Sommer in Yellowstone etwa vierhunderttausend Hektar — fast die Hälfte des Parks und über fünfundvierzigmal mehr als in allen bisher aufgezeichneten Jahren.

In gewisser Hinsicht hatte das Feuer in Amerikas ältestem Nationalpark mit einem großen Brand beinahe hundert Jahre zuvor begonnen. Um die Jahrhundert­wende bot das Holz einer Unzahl gefällter Bäume Brennmaterial für Feuersbrünste in ganz Nordamerika. Ein Feuer im heißen, trockenen Jahr 1894 hatte alle Bewohner der Stadt Hinkley, Minnesota, in den Fluß getrieben, um ihr Leben zu retten. (»... der Himmel rötete sich«, schrieb ein Augenzeuge, »und die ganze Erde sah aus, als sei sie in Blut getaucht.«)

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Also verbrachte der <Forest Service> den größten Teil des 20. Jahrhunderts mit der Verhütung von Waldbränden. Aber die Wälder kamen durch seine Aktivitäten aus dem ökologischen Gleichgewicht. Weil keine raschen, kleinen Feuer mehr das untere Stockwerk der Nationalparks aufräumten, häufte sich jedes Jahr und auf jeweils achttausend Quadratmetern eine Tonne abgefallene Äste und verrottendes Laub an. In den frühen siebziger Jahren beschloß der Forest Service endlich, seine Politik zu ändern und kleinere Brände diesen Abfall beseitigen zu lassen, weil er eine große Feuersbrunst fürchtete — die sich 1988 dann ja auch einstellte.

Rauch zog von Westen nach Osten. In St. Louis sprachen die Vorhersagen von »rauchigem Sonnenschein«. In Chicago schuf der Rauch Jahrtausend-Sonnenuntergänge. Wenn man sich die Abendnachrichten ansah, konnte man den Eindruck gewinnen, der ganze Kontinent stünde in Flammen. In der Nähe von Livengood, Alaska, kam ein 130.000 Hektar bedeckendes Feuer bis auf zwölf Kilometer an die Trans-Alaska-Ölpipeline heran. In Montana raste ein Brand bis auf gut anderthalb Kilometer auf ein Silo mit nuklearen Fernlenkraketen zu, bevor er seine Richtung änderte.

Es heißt oft, bei einer globalen Erwärmung gäbe es Gewinner und Verlierer. Im Sommer 1988 gab es ein paar Gewinner. Es war ein guter Sommer für den sehr robusten Tabak und ein profitabler Sommer für die Wetterdienste. Es war auch ein guter Sommer für die Umweltschutzgruppen und ein großartiger Sommer für die amerikanischen Hersteller von Klimaanlagen — sie setzten vier Millionen Geräte ab und konnten mit der Nachfrage immer noch nicht Schritt halten.

Auch für Robert Haack, einen Insektenforscher an der US Forest Service's North Central Forest Experiment Station in East Lansing, Michigan, war es ein arbeitsreicher Sommer. Haack interessiert sich für die hochtonigen Laute, die Bäume bei anhaltender Dürre von sich geben. Die Wasserröhren, die normalerweise Grundwasser aufsaugen, beginnen zu »japsen«, und die Pflanzen schreien buchstäblich nach Wasser. Haack glaubte, daß dieses Geräusch schädliche Borkenkäfer anlockt. In Michigan standen ihm viele unter der Dürre leidende Bäume für seine Tonbandaufnahmen zur Verfügung.

Und auch für Käfer war der Sommer arbeitsreich. Eine Art Borkenkäfer vernichtete Zedern, Tannen und Pinien, eine andere Eichen und Birken. Die Raupen gediehen im welken Laub. Die Holzbohrer bohrten Millionen dieser langen verschlungenen Gänge, die man in den Wäldern unter der Rinde gefallener Bäume findet. Robert Haack faßt zusammen: »Die Wälder eines großen Teils des Landes wurden allmählich zu Tode genagt.«

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Robert H. Mohlenbrock, Botaniker an der Southern Illinois University, hatte von auffallenden Anpassungserscheinungen des Präriegrases während der Dust Bowl in den dreißiger Jahren gehört. Es gibt nicht mehr viel jungfräuliche Prärie in Illinois, aber im Sommer 1988 fuhr Mohlenbrock zu einem unberührten Gebiet in der Nähe von Joliet hinaus, um zu sehen, wie sich das Präriegras verhielt. Er stellte fest, daß sich die Blätter der einheimischen Gräser zusammengefaltet oder eingerollt hatten. Die Poren waren alle auf der eingerollten Seite, und die Blätter minderten ihren Wasserverlust so um nicht weniger als fünfundneunzig Prozent. Das Präriegras verhielt sich »vernünftig«. Trotzdem war nicht mehr viel Präriegras übrig.

Selbst für Spinnmilben war es ein guter Sommer, weil die Hitze den Schimmelpilz tötete, der sie normalerweise in Schach hält, und sie konnten sich eine schöne Zeit in Iowas Sojabohnen machen.

Der Sommer verursachte den stärksten Schwund an Samenvorräten, den es jemals innerhalb eines Jahres gegeben hatte, und deshalb war es ein guter Sommer für diejenigen Landwirte, die das Wetter verschont hatte. Dank der in die Höhe schnellenden Weltpreise für Samen verdiente der Milliardär Olacyr de Moraes in Sao Paulo, der größte Sojabohnenfarmer der Welt, 1988 fünfzig Prozent mehr als im Vorjahr. Die Farmer Argentiniens verdienten so gut, daß die Einnahmen des Landes um fast hundert Prozent stiegen. An einer Stelle im nordwestlichen Iowa gab es genug Regen. Die dortigen Farmer erhielten bei den Silos einen Extradollar für jeden Scheffel Mais, den sie einlieferten.

Schließlich war es ein guter Sommer für trockenen Humor. Roger Welsch, ein Folklorist in Nebraska, grub alte Witze aus, die in den dreißiger Jahren während der <Dust Bowl> von Mitarbeitern des <Federal Writers Poject> gesammelt worden waren. Die Herausgeber der Zeitschrift <Natural History> druckten sie ab. Um nur ein Beispiel zu geben: »Ich hatte am Dienstag sieben Zentimeter Regen. Alle sieben Zentimeter einen Tropfen.«

Es war nicht nur das heißeste je verzeichnete Jahr des Planeten, es war auch das erste Jahr, in dem wir alle uns ernsthaft fragten, ob wir den Treibhauseffekt schon spüren konnten. Wenn die Modelle korrekt waren, erlebten wir einen typischen Sommer des 21. Jahrhunderts, und man könnte 1988 im Rückblick als den ersten Sommer des dritten Jahrtausends bezeichnen.

Am 23. Juni betrug die Temperatur in Washington D.C. achtunddreißig Grad Celsius. Klimaexperten aus aller Herren Länder hatten sich in einer gut klimatisierten Halle unter dem Dom des Capitols versammelt. Die Halle war voller Reporter. Drei Fernsehkameras rollten umher. Der Vorsitzende, ein Senator aus Louisiana, eröffnete die Sitzung:

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Im letzten November hatten wir einführende Hearings über die globale Erwärmung und den Treibhauseffekt. Wir haben mit einer Mischung aus Unglauben und Besorgnis gehört, das zu erwartende Ergebnis des Treibhauseffekts sei eine Austrocknung des Südostens und des Mittelwestens. Heute... ist daraus nicht nur [eine Quelle der] Sorge, sondern des Alarms geworden. Wir haben nur diesen einen Planeten. Wenn wir ihn zugrunde richten, bleibt uns kein Ort, an den wir gehen könnten.

Ein Senator aus Norddakota sagte, er habe das Wochenende in seinem Staat verbracht, und die Weiden hätten wie eine Mondlandschaft ausgesehen. Ein anderer teilte dem Publikum mit, daß James Hansen von der NASA, einer der Wissenschaftler, die vor kurzem bewiesen hätten, daß sich der Planet schon seit hundert Jahren aufwärmt, als erster sprechen solle.

Hansen bot im Anschluß daran eine Rückschau auf die Hinweise für eine globale Erwärmung. Dann sprach er es aus: »Wenn man sie alle berücksichtigt, ergeben diese Hinweise meiner Meinung nach... einen sehr starken Beweis dafür, daß der Treibhauseffekt entdeckt wurde und in diesem Augenblick unser Klima verändert.«

Manche Forscher hatten das privat auch schon gesagt. Aber dies war das erste Mal, daß ein vertrauenswürdiger Wissenschaftler diese Auffassung in aller Öffentlichkeit vertrat. Vor diesem Publikum und in dieser Stimmung hatte Hansens Äußerung die Wirkung einer weltweiten Verkündung. Auf der Titelseite der New York Times stand: »Globale Erwärmung hat begonnen, erklären Experten vor dem Senat.« Der Philadelphia Inquirer verkündete: »Wissenschaftler: Treibhauseffekt eingetreten«. Und im Providence Journal hieß es: »Der Treibhauseffekt ist da.«

Millionen von Menschen hatten seit Beginn der Dürre vom Treibhauseffekt gehört. Er wurde wie eine Drohung in naher Zukunft behandelt. »<Bevorstehend>, <zukünftig>, <vorhergesagt>, <prophezeit>, <erwartet> — das sind Wörter, die in Science-fiction-Artikel gehören, aber doch nicht in die Abendnachrichten«, bemerkte der Autor Bill McKibben.

 Bill McKibben bei detopia 

Nach Hansens Aussage wurde der Treibhauseffekt in jeder neuen Ausgabe der Zeitungen und allen Wetterberichten immer wieder erklärt. Er hörte auf, eine zukünftige Bedrohung zu sein, und wurde zu einer gegenwärtigen Sorge. Eine globale Veränderung wurde Wirklichkeit. Was für ein Unterschied zwischen einer zukünftigen heißen Welt und der Hitze, die wir auf der Haut spüren können! 

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Es ist kaum überraschend, daß die Menschen auf der Straße — bei einer Temperatur von achtunddreißig Grad Celsius — bald anfingen, von einem »Gefühl drohenden Unheils«, vom »nahen Weltuntergang« zu sprechen. Der Gedanke, daß wir selbst das heiße Wetter verursacht haben könnten, machte die Hitze noch weit drückender. Denn wenn wir es selbst verschuldet hatten, stellte es eine Art Bestrafung dar.

In den USA gesellte sich die Hitze zum schlimmsten Smog in der Geschichte, zu den schmutzigsten Stränden der neueren Zeit und außerdem zu einer dringenden Warnung vor dem Gas Radon in geschlossenen Räumen, die von der EPA* ausgesprochen wurde. Der Sommer machte aus allen Leuten Umweltschützer, zumindest, solange die Hitzewelle andauerte. Es war ein Wahljahr, und die Umwelt war in diesem Jahrzehnt zum ersten Mal ein heißes politisches Eisen. Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten hielten Reden über den Treibhauseffekt. George Bush sagte am 31. August im Erie Metropark, Michigan: »Wer glaubt, wir seien dem >Treibhauseffekt< gegenüber machtlos, rechnet nicht mit dem >Weißen-Haus-Effekt<. Ich habe nämlich vor, als Präsident einiges in dieser Richtung zu unternehmen.«

Bush versprach, im ersten Jahr seines Amtes im Weißen Haus eine Umweltkonferenz einzuberufen. 

»Wir werden über die globale Erwärmung sprechen. Wir werden über den sauren Regen sprechen. Wir werden über die Rettung unserer Ozeane sprechen und darüber, wie wir den Verlust der tropischen Regenwälder verhindern. Und wir werden handeln«, sagte er. »1988 ist in gewisser Hinsicht das Jahr, in dem die Erde antwortete.«

<Newsweek> widmete der Umwelt zwei Titelgeschichten, eine den verschmutzten Stränden und eine dem Treibhauseffekt. Ende 1988 ernannte <Time>, statt den »Mann des Jahres« zu küren, die Erde zum »Planeten des Jahres«. 

Die Angst vor dem Treibhauseffekt hatte geholfen, die Umwelt­schutzbewegung in den Vereinigten Staaten neu zu beleben. Die vorherige Bewegung, die sich 1980 größtenteils aufgelöst hatte, hatte sich mit anderen Problemen befaßt. Die jetzige Bewegung begann mit dem Treibhauseffekt (und wenn sich die Vorhersagen in bezug auf die globale Erwärmung bewahrheiten, wird die Bewegung noch lange gemeinsam mit dem Treibhauseffekt stärker werden.) 

Ein Senator aus Montana bemerkte bei dem Hearing des Komitees in jenem Juni: »Ich glaube, wir sind Zeugen einer größeren Verschiebung. Es ist wie eine tektonische Plattenverschiebung.« Unglücklicherweise waren ein verbreitetes Mißverständnis in bezug auf den Treibhauseffekt sowie der Sommer 1988 Teile dieses tektonischen Drucks.

* Environmental Protection Agency = Umweltschutzbehörde (Anm. d. Übers.)

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Bei dem Senatshearing am 23. Juni wollte Tim Wirth aus Colorado eine möglichst dramatische Aussage hören, denn er hatte eine größere Gesetzes­vorlage eingebracht, die der Treibhauserwärmung entgegenwirken sollte. Wirth suchte nach einem schlagenden Beweis dafür, daß es der Treibhauseffekt war, der alle Leute draußen ins Schwitzen brachte.

Senator Wirth: Ich denke, die Frage, die sich heute jeder stellt, angesichts der Hitze und all dessen, was im Mittelwesten und Südwesten passiert, lautet: Hängen die augenblickliche Hitzewelle und Trockenheit mit dem Treibhauseffekt zusammen? Und eine Nebenfrage ist, wie sicher Sie sich Ihrer Verantwortung dafür sind. [Gelächter]

Nun, Hansen hatte nicht gesagt, daß der Sommer 1988 durch den Treibhauseffekt verursacht worden war. Er hatte über die Temperaturerhöhungen im 20. Jahrhundert und über den sehr deutlichen Temperaturanstieg in den letzten drei Jahrzehnten gesprochen.

Dr. Hansen: Also, ich erwähnte in meiner Ausführung, daß Sie den Treibhauseffekt nicht für eine bestimmte Dürreperiode verantwortlich machen können. Was man sagen kann, ist — zumindest scheint das aus unserem Klimamodell hervorzugehen —, daß der Treibhauseffekt die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer Dürre beeinflußt.

Wirth versuchte es noch einmal.

Senator Wirth: Sie würden also sagen, die Hitzewelle und die Trockenheit hängen mit dem Treibhauseffekt zusammen. Ist das richtig?

Dr. Hansen: Ja. Wenn Sie sich die Anzahl der Dürren anschauen, die in einer Periode von sagen wir zehn Jahren auftreten, sieht es so aus, als wäre sie durch den Treibhauseffekt größer geworden. Aber ob Sie in einem bestimmten Jahr eine Dürre haben werden, das hängt von der besonderen Wetterlage ab, die zu Beginn der Jahreszeit herrscht, und daneben hängt es von so vielen Faktoren ab, daß sie im Prinzip nicht voraussagbar ist. Ich kann Ihnen also nicht sagen, ob es im nächsten Jahr eine Dürrezeit geben wird. Alles, was wir sagen können, ist, daß die Wahrscheinlichkeit dafür ein wenig größer ist als noch vor wenigen Jahrzehnten.

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Das reichte dem Senator nicht. Er wandte sich an Michael Oppenheimer vom <Environmental Defense Fund>:

Senator Wirth: Dr. Oppenheimer, möchten Sie etwas dazu sagen? Oder möchte sonst jemand diese Frage beantworten? Das ist doch eine völlig verständliche Frage, oder nicht? Schließlich will die Öffentlichkeit eine Antwort. Es wird sehr, sehr warm... Haben wir die Dürre wegen dieses Treibhauseffekts? Mir scheint, als wären wir in der Lage, ja oder nein zu sagen.

Dr. Oppenheimer: Ich möchte lieber nur rekapitulieren, was bereits gesagt worden ist, daß nämlich kein Ereignis, keine einzelne Dürre, keine Hitzewelle allein dem Treibhauseffekt zugeschrieben werden kann, so daß sich die Frage nur mit »vielleicht« beantworten läßt.

Oppenheimer faßte zusammen: Hundert Jahre der Erwärmung; vier Weltrekorde in den letzten acht Jahren gebrochen.

Dr. Oppenheimer: ... also ist es vernünftig anzunehmen, daß es den Treibhauseffekt gibt. Die Erwärmung hat tatsächlich eingesetzt. Aber ich glaube, daß niemand, der bei Sinnen ist, sagen würde, dieses klimatische Ereignis wäre auf den Treibhauseffekt zurückzuführen.

 

Am nächsten Morgen beugten sich fünfzig Millionen Menschen über ihre Tageszeitungen. Es war sieben Uhr dreißig, schon siebenundzwanzig Grad Celsius warm, und die Schlagzeilen lauteten: »Globale Erwärmung hat begonnen.« Als die Menschen zur Arbeit gingen — die Temperatur war inzwischen auf neunundzwanzig Grad gestiegen —, mußten sie denken: »Der Treibhauseffekt ist also schuld.« Die Hearings hatten genau die von den Senatoren gewollte Sensation hervorgerufen.

Inzwischen lasen auch Hansens Kollegen im ganzen Land ihre Zeitungen und gelangten zu der Überzeugung, daß sich der Wissenschaftler hatte aufspielen wollen. Hansen hatte über den Anstieg der Temperaturen in diesem Jahrhundert gesagt: »Die Wahrscheinlichkeit einer zufallsbedingten Erwärmung dieser Größenordnung beträgt etwa ein Prozent. Also können wir mit neunundneunzigprozentiger Sicherheit davon ausgehen, daß die gegenwärtige Erwärmung einem tatsächlichen Trend der Temperaturen entspricht.«

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Die meisten Klimaexperten mißverstanden diese Äußerung und begriffen nicht, worauf sich die von Hansen erwähnte »neunundneunzigprozentige Sicherheit« bezog. Sie meinten, Hansen habe gesagt, der Treibhauseffekt habe einen hundertjährigen Erwärmungstrend eingeleitet; oder den dreißigjährigen Erwärmungstrend; oder den heißen Sommer 1988.

Nun kann die Erwärmung des Planeten reiner Zufall sein — und die meisten Klimaexperten ahnen, daß die Wahrscheinlichkeit einer rein zufallsbedingten Erwärmung dieser Größenordnung erheblich höher ist als ein Prozent. Berücksichtigt man nur die Temperaturstatistiken und läßt alles andere außer acht, muß die Wahrscheinlichkeit, daß die Erwärmung des Planeten mit dem Treibhauseffekt zusammenhängt, weniger als neunundneunzig Prozent betragen.

Die meisten Forscherkollegen Hansens stimmten mit ihm überein, daß die Erwärmung wahrscheinlich begonnen hatte. Fast alle nahmen an, daß die Erwärmung vermutlich zunehmen wird, und fast alle waren der Meinung, daß die Welt schon längst hätte aufwachen müssen. Und sie sprachen es auch aus — im privaten Bereich. So mag es seltsam erscheinen, daß sie sich auf diese »neunundneunzig Prozent« versteiften. Aber Wissenschaftler wägen Wahrscheinlichkeiten auf dieselbe Art ab, wie Keeling das Kohlendioxid abwägte. Hansens »neunundneunzig Prozent« wurden zum geflügelten Wort. Professoren aller Fächer konnten in jenem Sommer mit einem Lacher ihrer Kollegen rechnen, wenn sie sagten: »Natürlich bin ich nicht zu neunundneunzig Prozent sicher.«

Trotzdem war Hansen froh, es gesagt zu haben. Nach dem Hearing erklärte er einem Reporter der New York Times: »Es ist an der Zeit, nicht mehr soviel drumherumzureden und offen zu sagen, daß die Hinweise das Eintreten des Treibhauseffekts zur Genüge bestätigen.«

 

Hansen, Stephen Schneider und andere benutzen häufig die Würfelmetapher. Werfen Sie ein Würfelpaar. Niedrige Zahlen bedeuten kühle Sommer, hohe Zahlen stehen für heiße Sommer. In früheren Zeiten wäre es möglich gewesen, zwei Einsen für einen sehr kühlen und zwei Sechsen für einen sehr heißen Sommer zu würfeln. Aber die zusätzlichen Treibhausgase in der Luft wirken sich aus, als wären die Würfel manipuliert. Wir können immer noch ab und zu eine niedrige Zahl würfeln, doch es wird immer wahrscheinlicher, daß wir zwei Sechsen werfen, für einen langen, heißen Sommer.

Jedes Jahr manipulieren wir die Würfel ein wenig mehr. Jeder Mensch auf dem Planeten beeinflußt die Würfel mit ungefähr fünf Tonnen Kohlenstoff im Jahr. In den Vereinigten Staaten ist es, es sei denn, man ist sehr arm, fast unmöglich, nicht kräftig dabei mitzuhelfen. Der Wagen eines Durchschnittsamerikaners bläst alljährlich sein eigenes Gewicht an Kohlendioxid in die Atmosphäre.

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Also werden wir wahrscheinlich immer häufiger zwei Sechsen würfeln; und die Temperaturkurve wird in den kommenden Jahrzehnten wahrscheinlich immer weiter steigen.

Angenommen, wir wollten ein Würfelpaar manipulieren. Wie sollten wir, wenn wir es noch nie getan haben, wissen, wann wir es richtig gemacht haben? Wenn wir die Würfel versuchsweise sechsmal würfeln und vier dieser Würfel ergäben zwei Sechsen, könnten wir annehmen, daß die Würfel richtig beeinflußt wären. Aber auch dieses Ergebnis könnte zufällig sein. Ein vorsichtiger Statistiker würde sagen: Laßt uns die Würfel noch zehn- oder zwanzigmal werfen.

Und so standen die Dinge 1988. Bei den ungefähr hundert vorangegangenen Würfen waren zwei Sechsen etwas häufiger vorgekommen — oft genug, um die Durchschnittstemperatur des Planeten um ein halbes Grad zu erhöhen. Das entspricht in etwa dem, was man von einer schrittweisen Manipulation der Würfel erwarten könnte. Während der achtziger Jahre waren vier von acht Jahren die heißesten in der überlieferten Geschichte gewesen. Das sah zwar nach präparierten Würfeln aus. Aber es konnte immer noch Zufall gewesen sein. »Um in wissenschaftlicher Hinsicht vollkommen sicher zu sein«, wie Schneider es ausdrückte, »müssen wir weitere warme Jahre abwarten.«

Das Jahr 1988 hat sich als das bisher heißeste erwiesen (mit einem »Zielfotovorsprung« vor 1987). Trotzdem kann man nicht sagen, daß der Treibhauseffekt im Sommer dieses Jahres offenbar geworden sei — ebensowenig, wie man nach einem einzigen Wurf sagen könnte, daß die Würfel manipuliert sind. Nach dem Hearing erläuterte John Maddox, der Herausgeber der Zeitschrift Nature, diesen Punkt nochmals in einem Leitartikel seines Journals. »Der Kongreß und wir müssen begreifen, daß es nie möglich sein wird, die Frage: >Ist dies das Jahr, in dem der Treibhauseffekt einsetzte?< mit Sicherheit zu bejahen. Wir können im besten Fall hoffen, im nachhinein nachweisen zu können, daß die eine oder andere klimatische Erscheinung wahrscheinlich auf diese oder jene Ursache zurückzuführen ist.«

Noch bevor das Jahr vorbei war, begann Kevin E. Trenberth, Leiter der Abteilung für Klimaforschung der NCAR den Aufsatz »Die Ursachen der Dürre von 1988 in Nordamerika« vorzubereiten.

Der Analyse Trenberths zufolge war die Dürre Teil eines Tanzes zwischen der Atmosphäre und der Hydrosphäre. Alle fünf oder sechs Jahre drängt das Zusammenspiel von Winden und Strömungen große Mengen ungewöhnlich warmen Wassers an die südamerikanische Pazifikküste.

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Dieser Warmwasserfleck heißt El Nino, Der Knabe, weil er die Küste Perus häufig um Weihnachten herum erreicht. Das warme Wasser scheint eine Art Druckpunkt im globalen Zirkulationssystem zu berühren — vielleicht, weil es sich genau am Äquator befindet, wo die Winde der nördlichen und der südlichen Hemisphäre aufeinandertreffen. Auf jeden Fall ist El Nino oft kräftig genug, um das Wetter der ganzen Welt zu bestimmen.

El Nino hat auch einen Zwilling. Manchmal taucht ein Fleck ungewöhnlich kalten Wassers an derselben Stelle auf. 1988 war diese Entdeckung noch so neu, daß niemand so recht wußte, wie man das kalte Wasser nennen sollte — vielleicht La Nifia, Das kleine Mädchen. La Nina kann ebenfalls den Druckpunkt berühren, und dann beeinflußt es die globale Hauptzirkulation auf ihre Art.

Trenberth zufolge geschah 1988 folgendes: 

Der Kaltwasserfleck vor Peru verschob den normalen Treffpunkt der Winde aus den beiden Hemisphären nach Norden. Die Winde trafen südöstlich von Hawaii aufeinander — wo das Wetter normalerweise heiter ist — und erzeugten starke Unwetter. Es gab heftige Stürme, die sogar die Passatwinde unterbrachen. Dadurch wurde der Strahlstrom* der nördlichen Hemisphäre weiter nach Norden abgedrängt.

Üblicherweise ist dieser Strahlstrom der gute Hirte, der dem nordamerikanischen Kontinent die Frühjahrs- und Sommerregen beschert. Aber in diesem Jahr verlagerte sich der Strahlstrom so weit nach Norden, daß ein heißes, trockenes Hochdruckgebiet weiter von Süden her aufzog, sich mitten über dem Kontinent festsetzte und den Regen monatelang abblockte.

Trenberth betonte ausdrücklich, daß dieses Szenario nicht dem Treibhauseffekt widersprach. Er schrieb in seinem Aufsatz, der Treibhauseffekt »könnte das Gleichgewicht derart stören, daß das Eintreten der Bedingungen für Dürre- und Hitzeperioden wahrscheinlicher würde«. Trenberth hatte nur versucht, der langen Kettenreaktion im Wasser- und im Luftozean nachzuspüren, die für diese spezielle Trockenzeit verantwortlich war.

Aber den ganzen Sommer über hatten die Menschen geglaubt, die Wissenschaftler meinten, der Treibhauseffekt sei schuld. Als Trenberths Aufsatz in Science erschien, änderte sich der Tenor der Schlagzeilen und Leitartikel im ganzen Land: Treibhauseffekt unschuldig an der Dürre. Wissenschaftler führen die Dürre auf natürlichen Zyklus im tropischen Pazifik zurück. Treibhauseffekt war diesmal nicht schuld, erklären Forscher übereinstimmend.

 

* Sehr kräftige Luftströmung in der oberen Troposphäre oder unteren Stratosphäre, nach den Hemisphären unterteilt in den Subtropenjet über dem subtropischen Hochdruckgürtel und den Polarfrontjet der gemäßigten Breiten (Anm. d. Übers.)

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Jeder, der die Metapher der manipulierten Würfel begreift, erkennt den in diesen Schlagzeilen enthaltenen Irrtum.

Um einen Würfel zu beeinflussen, unterlegt der Betrüger die von ihm bevorzugte — gewöhnlich die Sechs — mit einem kleinen Bleigewicht. Wenn dieser Würfel geworfen wird, bestimmt der Zufall die Seite, auf der er landet. Er rollt über die Kanten von einer Seite auf die andere, tausend und eine Kraft kommen ins Spiel — nicht nur das Gewicht in dem Würfel, sondern auch Beschleunigungsmoment und Bahn sowie die kleinen Unebenheiten auf dem Spieltisch, ja sogar der leiseste Windstoß oder Luftwirbel im Raum.

Angenommen, die Angestellten eines Spielkasinos filmten die Bahn der manipulierten Würfel in Zeitlupe mit fünfzig Kameras aus fünfzig verschiedenen Richtungen, und die Würfel zeigten immer wieder die Sechs. Wenn sie die Würfel eines Falschspielers untersuchten, könnte er einwenden, daß das Bleigewicht sehr wenig mit den Sechsern zu tun habe — ein Sandkorn sei viel wichtiger dabei gewesen. Und er hätte recht. Bei einem einzelnen Wurf ist das kleine Gewicht nie allein ausschlaggebend dafür, daß der Würfel am Ende eine Sechs zeigt. Immer sind andere Faktoren wichtiger. Um es noch einmal zu sagen, nur wenn der Würfel immer wieder geworfen wird und die Sechs öfter als alle anderen Zahlen zeigt, könnten die Kasinoangestellten mit Sicherheit behaupten, daß an ihm manipuliert worden ist.

Schließlich wirft das Bleigewicht den Würfel nicht. Der Würfel kommt nur aufgrund der Energie, die der Spieler in den Wurf legt, ins Rollen. Ohne all diese anderen Faktoren — die Hand, den Wurf, den Tisch — würde der Würfel nicht rollen. Er würde auf dem Tisch liegen und absolut nichts tun.

Also behauptet der Spieler, unschuldig zu sein — aber er ist so schuldig wie der Teufel.

Ebenso ist es mit dem Wetter. Der Treibhauseffekt rollt die Troposphäre nicht. Die Troposphäre rollt und wirbelt aufgrund der Sonnenwärme, der Temperatur von Meer und Land. Die Gase, die wir in die Luft blasen, manipulieren die Troposphäre nur und machen es der Theorie entsprechend wahrscheinlicher, daß sie eine bestimmte »Seite« zeigt. Diese Erklärung ist für die Presse natürlich zu umständlich. Wir schätzen es, wenn unsere Nachrichten schwarz und weiß gehalten sind. Solange die Hitze in den Vereinigten Staaten, der Sowjetunion und China andauerte, lautete die Frage der Stunde: »Ist der Treibhauseffekt schuld?« 

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Und die Menschen glauben, die Antwort hätte ja sein müssen. Jetzt, da der Herbst anbrach und die Möglichkeit kühlen Nachdenkens bot, wurde es ebenso populär zu sagen, die Antwort habe nein gelautet. Das war der Tenor der neuen Schlagzeilen: »Wissenschaftler sagen, es war nicht der Treibhauseffekt.«

Während des Kongresses der American Geophysical Union im Herbst 1988 in San Francisco fand eine spezielle Sitzung über die Dürre statt. Einer der Redner war Jerome Namias, ein Meteorologe im Ruhestand, der dreißig Jahre lang Direktor der Abteilung für langfristige Wettervorhersage des amerikanischen Wetterdienstes gewesen war. Namias hatte während des größten Teils seines Berufslebens behauptet, wir könnten das weltweite Wetter vorhersagen, wenn wir mehr Zeit und Geld in die Beobachtung der kalten und warmen Stellen des Pazifik investieren würden. Nun sagte er, die von Trenberth erwähnte Kettenreaktion, welche durch den Kaltwasserschwall verursacht worden war, könne »die Vorgänge sehr befriedigend auch ohne den Treibhauseffekt erklären«.

Er bezeichnete die Dürre als »klassisches Beispiel für die Wechselwirkungen zwischen der Luft und dem Meer« und nannte den Treibhauseffekt einen »Sündenbock«. — »Es wird einen Treibhauseffekt geben, aber wir wissen nicht, wo oder wann«, erklärte Namias. »Ich bestreite, daß er bereits eingetreten ist.«

Die Stimmung im Saal war auf der Seite Namias'. Der Sommer war vorüber, die Köpfe waren zu neunundneunzig Prozent kühl. Die Experten wechselten einander in der Kritik an den globalen Temperatur- und Meeresspiegelstatistiken ab. (Niemand übt je an der Exaktheit der Kohlendioxidstatistiken Keelings Kritik.)

William Kellogg, ein kürzlich von der NCAR in den Ruhestand entlassener Klimaexperte, befand sich ebenfalls unter den Teilnehmern. Kellogg war wie Hansen ein Veteran der Erforschung des Treibhauseffekts auf der Venus. Er war einmal bei einem internationalen Treffen in Moskau mit dem Thema Klima­veränderungen gewesen, das von der World Meteorological Organization einberufen worden war. Die sowjetischen Klimaexperten hatten es damals für sehr wahrscheinlich erklärt, daß der Treibhauseffekt bereits eingetreten sei. Sie hatten die Neigung ihrer amerikanischen Kollegen, die Beweiskraft der darauf hindeutenden Merkmale zu leugnen, ziemlich verwunderlich gefunden.

Das war 1982 gewesen.

Kellogg betrachtete die Graphiken, die sein Kollege von den Warm- und Kaltwasserstellen, von El Nino und La Nina, angefertigt hatte, und mußte an die Hindufabel von den blinden Männern und dem Elefanten denken*. 

* Jeder der Blinden hält den Elefanten für etwas anderes, je nachdem, ob er den Schwanz, das Bein oder den Rüssel des Tiers befühlt. (Anm. d. Übers.) 

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Er wußte, daß die globale Erwärmung dazu führen mußte, daß jede künftige Hitzewelle schlimmer als ihre Vorgängerin werden würde, ob sie nun vom Knaben oder vom Mädchen oder wovon auch immer verursacht wurde. Damit war er sich genau über den Punkt im klaren, der den Treibhauseffekt letzten Endes so bedrohlich macht.

Mit den Sturmfluten ist es ebenso. Wenn eine Sturmflut bei Niedrigwasser auftritt, richtet sie wenig Schaden an. Kommt sie bei Hochwasser, ist der Schaden beträchtlich. Wenn sich der Meeresspiegel aber erhöht, vermag uns eine Sturmflut selbst bei Niedrigwasser gefährlich zu werden, und eine Sturmflut bei Hochwasser kann verheerend sein.

Kellogg erhob sich und erwähnte die Hinduparabel. Vielleicht sähe jeder der Forscher dieselbe Sache von einer anderen Seite. »Die Temperatur steigt; das ist kein Geheimnis«, sagte er. »Dieses Jahr mag typisch für die Jahre sein, die wir während einer globalen Erwärmung erleben...«

Protestrufe wurden laut. Kellogg verteidigte sich. Niemand erhob sich zu seiner Unterstützung. Am folgenden Tag gab es wieder neue Schlagzeilen in den Zeitungen, und die kalte Stelle im Pazifik störte für eine kurze Weile die Hauptströmung der Weltmeinung.

Ich rief Kellogg nach dem Kongreß an. Er war gutgelaunt. »Warum wir nicht sagen können, daß wir den vergangenen Sommer einer Kombination von Umständen zu verdanken hatten, weiß ich auch nicht«, sagte er. »So ist es immer mit dem Wetter.«

Noch 1986 sagten die meisten Computermodelle einen Temperaturanstieg von eher zwei oder drei Grad Celsius statt vier oder fünf Grad voraus**.

Die Leute hatten fast das Gefühl, durch diese Vorhersage betrogen worden zu sein. »Ich habe diese Zahl in Vorlesungen genannt«, erzählte mir ein Klimaexperte 1986. »Und die Zuhörer kamen danach zu mir und sagten: >Drei Grad? Das ist die Differenz zwischen Juni und Juli oder zwischen gestern und heute. Was soll das ausmachen?<«

** Die Temperaturen stiegen an, nachdem die Erbauer der Modelle ihre Darstellung von Wasserdampf und Wolken verbessert hatten. Wolken sind immer noch die Achillesferse der Klimaexperten. Bis sie die richtigen Wolken haben, können ihre Voraussagen steigen oder fallen, wenn die Wissenschaftler versuchen herauszufinden, wie heiß es werden kann.

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Aber sogar eine Veränderung von zwei oder drei Grad ist groß, wenn sie den gesamten Planeten betrifft und Jahrzehnte oder Jahrhunderte anhält. Drei Grad bedeuten eine so große Veränderung wie eine Eiszeit. Denn ein dauerhaftes Absinken der Temperatur um drei Grad würde eine neue Eiszeit einleiten.

Auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit vor zwanzigtausend Jahren war die Durchschnittstemperatur auf dem Planeten nur um fünf Grad geringer, als sie es heute ist. Das reichte aus, um den Osten Kanadas, Neuengland und einen beträchtlichen Teil des amerikanischen Mittelwestens mit einer anderthalb Kilometer dicken Eisdecke zu überziehen. Im westlichen Nordamerika bedeckte das Eis Teile Washingtons, Idahos und Montanas. In Europa begrub es Skandinavien und Schottland unter sich, den größten Teil Englands, Dänemarks, Frankreichs, des nördlichen Deutschlands und einen großen Teil Polens und der Sowjetunion. In der südlichen Hemisphäre kam das Eis bis Australien, Neuseeland und Argentinien. Auf Hawaii lag sogar Eis auf dem Mauna Loa. »Alles in allem«, schreibt der Klimatologe John Imbrie von der Brown University, »bedeckte das Eis rund neununddreißig Millionen Quadratkilometer Land, das heute eisfrei ist.« Die Meeresspiegel fielen um hundertzwanzig Meter.

Das alles geschah durch ein Absinken der Temperatur um nur fünf Grad Celsius. Und dabei handelte es sich sogar um eine besonders strenge Eiszeit.

 

Demnach lassen die Computermodelle erwarten, daß heute geborene Kinder möglicherweise eine Klimaveränderung vom annähernden Ausmaß einer Eiszeit erleben werden. Natürlich findet die Veränderung in der umgekehrten Richtung statt und wird ein Klima mit sich bringen, das gänzlich außerhalb der Erfahrung unserer Art ist. Der Homo-sapiens-sapiens, der doppelt weise Mensch, hat sich etwa vor fünfzigtausend Jahren entwickelt. Ein Anstieg der Temperatur um zwei oder drei Grad würde die Erde wärmer machen, als sie jemals in den letzten hunderttausend Jahren war — seit der Zeit vor Beginn der letzten Eiszeit. Ein Anstieg von nur fünf Grad würde sie sogar wärmer machen, als sie in den letzten drei Millionen Jahren war — vor Beginn des Pleistozän.

Syukuro Manabe vom Geophysical Fluid Dynamics Laboratory in Princeton ist ein anerkannter Experte für Treibhausmodelle. Er hat die Voraussagen seit den sechziger Jahren überprüft und verbessert. Manabe wagt für den Fall einer Verdopplung des Kohlendioxidgehalts* acht Voraussagen, und diese scheinen seine Modelle allesamt zu bestätigen.**

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Erstens wird die Temperatur in der Troposphäre steigen und in der Stratosphäre fallen.

Zweitens wird die Erwärmung in den höheren Breitengraden zwei- oder dreimal höher ausfallen als in niederen. (Wegen der von Arrhenius vorausgesehenen Rückkopplung: Das Eis der Meere wird zurückweichen. Die Pole werden dunkler und schlucken deshalb mehr Sonnenwärme.) Das bedeutet nicht, daß der Äquator ungeschoren davonkommt. Die breite, heiße, bandförmige Zone tropischer Klimate wird sich bei einer durchschnittlichen globalen Erwärmung um drei Grad um etwa zwei Grad erwärmen. Eine solche Erwärmung wäre zum Beispiel für Indien sehr ernst. Die Länder der mittleren Breitengrade einschließlich Westeuropas und der nördlichen Vereinigten Staaten werden sich um fünf Grad erwärmen. In der nördlichen Hemisphäre könnte die Erwärmung oberhalb des Breitengrades von Stockholm und Anchorage weit mehr als zehn Grad Celsius betragen.

Drittens wird die Temperaturerhöhung über dem arktischen Ozean im Winter ein Maximum und im Sommer ein Minimum erreichen. Mit anderen Worten, die Winter dort werden viel wärmer, die Sommer nur etwas wärmer. (Die Arktis scheint in dieser Hinsicht eine Ausnahme zu bilden, schreibt Manabe; überall sonst auf der Erde werden alle Jahreszeiten deutlich wärmer.)

Viertens wird der globale Gezeitenzyklus hyperaktiv. Zur Zeit sind alljährlich fünfhunderttausend Kubikkilometer Wasser daran beteiligt. Während der Erwärmung wird jeden Tag mehr Wasser steigen und fallen; eine vorsichtige Schätzung nennt fünf Prozent mehr oder fünfundzwanzigtausend zusätzliche Kubikkilometer Wasser. Diese werden nicht gleichmäßig über der Planetenoberfläche abregnen. Einige Stellen werden viel feuchter, andere trocknen aus.

Fünftens werden die weißen Eiskappen über den polaren Meeren kleiner und dünner. Manabes neuestes Modell zeigt, daß dies in verblüffend unregelmäßigen Etappen geschehen könnte, sehr bald im Norden und sehr spät im Süden — in etwa fünfhundert Jahren.

 

* Die Verdopplung des Kohlendioxidgehalts (die irgendwann im 20. Jahrhundert eintreten dürfte) ist nur eine Station auf dem Weg. Eine größere Erwärmung ist schon vor der Verdopplung zu erwarten. Und im Boden befinden sich genug Kohle und Öl, um den Kohlendioxidgehalt zu verzehnfachen.

** Ironischerweise wäre es möglich, daß diese acht Voraussagen eher für das Jahr 2070 als für 2001 zutreffen. Unsere Kristallkugeln sind nicht besonders gut in der Voraussage der Übergangsperiode, in der wir zur Zeit leben.

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Sechstens wird der Schnee auf den Kontinenten jedes Jahr früher schmelzen.

Siebtem wird aus den Flußgebieten Sibiriens und Kanadas viel mehr Wasser ins arktische Meer fließen; etwa dreißig Prozent. Niemand weiß, welche praktischen Folgen das haben wird, aber es ist auf jeden Fall eine große Veränderung.

Achtens werden, weil der Winterschnee schneller schmilzt und die Frühlingsregen zukünftig früher einsetzen und aufhören, die Sommer in vielen Weltgegenden trocken werden. Das Innere eines Kontinents der nördlichen Hemisphäre wird mehr sommerlichen Trockenperioden ausgesetzt sein. Nicht jeder Sommer wird so schlimm wie der von 1988 werden. Aber wenn sich die Treibhauserwärmung den natürlichen Kreisläufen zugesellt, werden die Great Plains, die Präriegebiete der Vereinigten Staaten, häufiger so heiße und trockene Sommer wie 1988 oder in den dreißiger Jahren zur Zeit der Dust Bowl erleben.

 

Diese kurze Liste zeigt schon die gewaltige Wirkung, die selbst eine Erwärmung von nur drei Grad haben könnte. Die Änderung der globalen Wetterstruktur, die Manabe andeutet, ist äußerst vielschichtig. Sein Modell stimmt mit einigen anderen darin überein (und steht im Widerspruch zu wieder anderen), daß es für die Sommer weitaus trockeneres Erdreich in den mittleren kontinentalen Regionen Nordamerikas voraussagt, als es heute dort vorhanden ist. Chronische Sommerdürren werden oft auch für Westeuropa prophezeit.

Natürlich können einige Klimate die landwirtschaftlichen Bedingungen verbessern. »Kanada und Nordsibirien würden längere Reifeperioden erleben«, bemerkte Roger Revelle kürzlich. »Das für die Landwirtschaft günstige Klima wird sich weiter nach Norden verschieben.«

»Die Vereinigten Staaten könnten zum Getreideimporteur und die UdSSR zum Getreideexporteur werden«, sagte Walter Orr Roberts, ehemaliger Direktor der NCAR. »Zumindest fänden größere ökonomische, politische und soziale Verschiebungen statt.« — »Aber in diesem Fall«, bemerkt Revelle, »haben wir ein neues Problem, weil der Boden im Norden viel magerer ist. Den besten der Welt findet man in Iowa — herrlichen, fetten, strotzenden Mutterboden. Kanada hingegen hat einen kargen, sauren Boden.«

Ein wichtiger Punkt: 

Weil die Erwärmung dort am größten sein wird, wo auch die Abkühlung der Eiszeit am größten war — in hohen Breitengraden —, wird sich der Treibhauseffekt wie seinerzeit der Kühlhauseffekt um die Pole konzentrieren. Aber der Kühlhauseffekt hat diese Gegenden in zu schlechter Verfassung hinterlassen, als daß sie viel Nutzen von den Wohltaten des Treibhauseffekts haben könnten. Das Eis wusch den Erdboden fort, der von der Wärme profitieren könnte, und Eiszeitstürme luden ihn in Gegenden ab, die möglicherweise in den nächsten hundert Jahren nicht viel Regen abbekommen werden.

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Die Wetterstruktur, die Manabe aus seinem Modell ableitet, könnte die Wasserstände der Flüsse Westamerikas im Sommer um fünfzig oder sogar um fünfundsiebzig Prozent senken. »Der Schnee wird so viel früher im Jahr schmelzen«, sagte Manabe, »daß zu Sommerbeginn nicht viel Wasser von den Bergen kommt.« Bei dem heißen Wetter wird die Hälfte des Schmelzwassers verdunsten und versickern, bevor es die Flüsse erreicht. (Selbst vor den heißen achtziger Jahren verdunsteten, wie Revelle notierte, fünfundachtzig Prozent der Niederschläge, die im oberen Coloradogebiet fielen.)

Tatsächlich führen bereits jetzt alle westlichen Flüsse alarmierend wenig Wasser. Obwohl man das Grundwasser anpumpt, kommt es schon zu chronischem Wassermangel, und der Grundwasserspiegel sinkt rapide. Wenn die Treibhauserwärmung einen Teil der heute im Westen niedergehenden Regenfälle in nördlichere Breitengrade umlenkt, könnten umfangreiche Flußumleitungen erforderlich werden, um das Wasser wieder auf die Farmgebiete zu bringen, auf die der Regen vorher fiel und wo es Mutterboden gibt. Man hat den amerikanischen Westen als Cadillac-Wüste bezeichnet. Die Treibhauserwärmung könnte eine Menge verrosteter Cadillacs hinterlassen.

Revelle hat eine Liste größerer Flüsse angefertigt, die von der Auszehrung bedroht wären: Der Hwangho in China, der Amu-Darja und der Syr-Darja in der UdSSR, der Sambesi in Simbabwe und Sambia, und der Säo Francisco in Brasilien. Euphrat und Tigris, zwischen denen die Wiege der westlichen Zivilisation lag, die ehemalige Heimat der legendären hängenden Gärten von Babylon und vielleicht des Gartens Eden, trockneten aus. Zugleich würden dem Mekong und dem Brahmaputra so viel zusätzliches Wasser zufließen, daß sie furchtbare Überschwemmungen über Thailand, Laos, Kambodscha, Vietnam, Indien und Bangladesch bringen würden.

Nach Meinung des Klimaexperten Stephen Schneider wird die auffälligste Wirkung der globalen Temperaturänderungen die zunehmende Wahrscheinlichkeit extremer Ereignisse sein. Keine Frosteinbrüche natürlich, sondern Hitzewellen und Trockenperioden. »Wir Menschen als biologische Spezies spüren keine allmählich stattfindenen Klimaveränderungen«, erklärte er mir 1986. 

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»Wir spüren nur extreme Ereignisse. Was allmähliche Veränderungen in Wahrheit für uns bedeuten, ist eine Zunahme der Wahrschein­lichkeit extremer Ereignisse. Das ist die Art, wie wir auf diese Veränderungen aufmerksam werden. Die Leute sagen: >Mein Gott, was ist geschehen?< Ein Grad Temperaturunterschied spüren sie nicht. Aber er hat bewirkt, daß Ereignisse, mit denen man bisher nur alle hundert Jahre rechnen mußte, plötzlich alle zwanzig Jahre eintreten, oder Ereignisse, die einmal in zwanzig Jahren geschahen, sich jetzt alle fünf Jahre wiederholen.«

Schneider und seine Kollegen am NCAR haben untersucht, was die Erwärmung für den »Maisgürtel« im nordamerikanischen Binnenland bedeuten könnte. Der Juli ist der Monat, in dem der Mais seine Narbenfäden ausbildet. Das Gedeihen der Pflanze hängt in diesem Stadium davon ab, daß die Temperatur nicht über fünfunddreißig Grad Celsius steigt, sonst wird sie versengt. Die Blüte dauert etwa fünf Tage; ist es an all diesen Tagen wärmer als fünfunddreißig Grad, kann die Jahresernte verdorben sein. Schneider und seine Kollegen haben sich die mutmaßlichen Folgen der Erwärmung für Des Moines in Iowa, Fargo in Norddakota sowie Berne und Evansville in Indiana angesehen. Sie kamen zu dem Ergebnis, daß dort eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur um eineinhalb Grad Celsius das Auftreten von Hitzewellen doppelt oder sogar sechsmal wahrscheinlicher macht.

Hansen von der NASA hat die Wahrscheinlichkeit von Hitzeperioden in Washington D.C. berechnet. Heute ist in der Hauptstadt durchschnittlich ein Tag pro Jahr heißer als achtunddreißig Grad. Bei einer Verdopplung des Kohlendioxidgehalts wird die Stadt diese Temperatur zwölfmal im Jahr erleben. Neunzig Tage pro Jahr werden heißer als zweiunddreißig Grad — statt bisher dreißig Tage. Was wir heute eine Hitzewelle nennen, wird dann erst der Anfang einer Hitzewelle sein.

Mit der Erwärmung der Atmosphäre steigen auch die Oberflächentemperaturen der Meere. Wenn sich das Meer erwärmt, könnten die in den verschiedenen Weltgegenden unter Namen wie Hurrikane, Taifune und Zyklone bekannten Stürme an Gewalt zunehmen. Diese Stürme beziehen einen Großteil ihrer Energie von der Wärme der Meeresoberfläche. Tatsächlich flauen sie häufig ab, bevor sie ihre volle Intensität entfaltet haben, nämlich wenn die Wirbelstürme kühleres Wasser aus größeren Meerestiefen aufwühlen.

Kerry A. Emanuel vom Center for Meteorology and Physical Oceanography am M.I.T. hat die Folgen einer Erwärmung der Meeresoberflächen in bezug auf die Hurrikane errechnet. Er glaubt, daß das nächste Jahrhundert ein Jahrhundert der Stürme wird. 

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Es wird eine allgemeine Erwärmung der oberen Meeresschichten stattfinden, und die gewaltigste zu erwartende Veränderung wäre Emanuels vorläufiger Schätzung zufolge für umschlossene Ozeanbecken wie den Golf von Mexiko und den Golf von Bengalen zu erwarten. An solchen Orten könnten die Hurrikane selbst nach einer leichten Erwärmung der Oberflächen der Ozeane in aller Welt um mehr als sechzig Prozent heftiger werden.

Der Sommer 1988 war ein Hurrikanrekordsommer. Einer ergriff Heuschreckenschwärme in Afrika, wirbelte sie über den ganzen Atlantik hinweg und ließ sie über Puerto Rico, den kleinen Antillen und Surinam niederregnen.

Hurrikane, Tornados, Unwetter, Hagelstürme, Sturmfluten, Blizzards, Hitzewellen, Dürreperioden, vorzeitige Fröste und Kälteeinfälle können einen Teil eines großen Landes heimsuchen, während sich andere Teile eines milden Sommerwetters erfreuen; davon kann sich jeder überzeugen, der die nationalen Wetter­vorhersagen in den USA verfolgt. 1983 zum Beispiel kosteten Wetterschäden die Bürger der Staaten Utah, Mississippi und Iowa rund fünfhundertmal so viel Geld wie die Bürger der Rhode Islands, Connecticuts, Massachusetts oder Hawaiis. Dieses Phänomen war schon den Menschen der Antike bekannt, die manchmal wegen einer Dürre auswandern mußten.

Durch die Erwärmung könnten einige Landesteile zu chronischen Sorgenkindern werden. Die Computer malen die Zukunft aber mit so breitem Pinselstrich, daß sie nicht zu sagen vermögen, welcher Staat oder welches Land gewinnen oder verlieren wird. Immerhin können wir sagen, daß die Bewohner der Küstenstreifen besonderen Anlaß zur Sorge haben. Nach einer vorsichtigen Schätzung Revelles wird sich in den nächsten hundert Jahren der Meeresspiegel vermutlich um sechzig Zentimeter heben. Ein Teil dieses Anstiegs wird stattfinden, weil die Gletscher auf dem Festland schneller schmelzen und ins Meer abfließen. Ein anderer Teil erklärt sich daraus, daß sich das Meerwasser wegen der Erwärmung ausdehnt.

Der Anstieg des Meeresspiegels ist eine unmittelbare Folge der Erhöhung der globalen Temperaturen. Schneider sagt dazu: 

»Es geschieht allein dadurch, daß sich die Ozeane aufheizen. Wenn Sie einen Glaszylinder mit Quecksilber erhitzen, steigt das Quecksilber in die Höhe; Sie nennen das ein Thermometer. Wenn Sie den Ozean erhitzen, steigt er in einem Gefäß, dessen Wände die Kontinentalsockel darstellen, und Sie sprechen von einem Sichheben des Meeresspiegels. Der Meeresspiegel ist heute schon etwa zehn Zentimeter höher, als er vor hundert Jahren war.«

Der Anstieg des Meeresspiegels ist zudem ein Prozeß, bei dem kleine globale Veränderungen in große lokale Veränderungen umgesetzt werden.

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»Ich verstehe es nicht«, rief Königin Juliana der Niederlande aus, als sie vor längerer Zeit einer Computerdemonstration in Amsterdam beiwohnte. »Ich verstehe nicht einmal die Leute, die es verstehen.« Hier aber haben wir es mit einer Voraussage zu tun, zu deren Verständnis man keine Computerkenntnisse braucht. Dort, wo eine Küstenlinie aus reinem Fels besteht, mag ein geringes Ansteigen des Meeresspiegels belanglos sein. Aber dort, wo der Uferstreifen nahezu eben ist, wie zum Beispiel in den Niederlanden oder Bangladesch, kann schon ein Anstieg des Meeresspiegels um den dritten Teil eines Meters eine Frage von Leben und Tod sein.

Viele Länder der Erde befinden sich bereits in der Lage der Niederlande: Wenn der Meeresspiegel steigt, geht Land verloren. Einer Schätzung zufolge würde ein Anstieg von nur fünfzehn Zentimetern den Staat Massachusetts viertausend Hektar Land kosten. Das entspräche in Italien dem Verlust der Stadt Venedig oder in Ägypten dem Verlust eines großen Teils des Nildeltas.

Allein Bangladesch ist von über hundert Millionen Menschen bevölkert, mit der enormen Dichte von achttausend Menschen pro Quadratkilometer. Bei der derzeitigen Wachstumsrate der Bevölkerung werden es irgendwann im nächsten Jahrhundert sechzehntausend Menschen pro Quadratkilometer sein. Und bevor der Meeresspiegel um auch nur sechzig Zentimeter angestiegen ist, müssen Millionen auswandern.

Mehr noch: 

Ein Ansteigen des Meeresspiegels um sechzig Zentimeter könnte genau denselben Effekt auf die Wellen des Ozeans haben, den ein Anstieg der Temperaturen um zwei Grad auf Hitzewellen hat. Es würde Naturkatastrophen alltäglich machen. Wenn heute ein Sturm mit Flutwasser zusammentrifft, treibt er die Wogen manchmal über Deiche und Wellenbrecher und ruft Katastrophen hervor, die wir Sturmfluten nennen. Ein Anstieg des Meeresspiegels um sechzig Zentimeter würde eine gewaltige Vergrößerung jeder Sturmflut in den nächsten hundert Jahren bewirken. 

»Die Leute meinen, na ja, ein guter halber Meter, das ist doch nichts«, sagt Schneider. »Aber es bedeutet eine dramatische Erhöhung der Wahrscheinlichkeit von Überschwemmungen. So würde eine Hundertjahresflut zu einer Zwanzigjahresflut und eine Zwanzigjahresflut zu einer Fünfjahresflut, und die Versicherung würde nicht zahlen.«

Mittlerweile ist der westliche Teil der antarktischen Eisdecke instabil geworden, weil sie sich als gigantisches Schelf über dem offenen Meer ausbreitet. Sie hängt nur an wenigen Inseln fest, die unter dem Eis und unterhalb des Meeresspiegels liegen. Man hat sie mit einem von ein paar Säulen gestützten Dach verglichen. 

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Ein Ansteigen des Meeres könnte sie zerbrechen lassen, denn zwei Millionen Kubikkilometer Eis dieses Schelfs liegen oberhalb des Wassers — ein Gutteil des Kontinents. Fällt dieses ganze Eis ins Wasser, würde das den globalen Meeresspiegel um ungefähr sechs Meter heben, New York und London überfluten und eine ungeheure Menge Ackerland in Holland, Bangladesch, Thailand, Kambodscha, Vietnam und China unter Salzwasser setzen. Die Hälfte des Staates Florida würde von der Landkarte verschwinden.

Glaziologen, Eisforscher, die mit der Langsamkeit vertraut sind, mit der sich Veränderungen in der Sphäre des Eises vollziehen, glauben, daß der Zusammenbruch der westantarktischen Eisdecke noch Jahrhunderte auf sich warten lassen wird. Sollten sie recht behalten, wird sich der Meeresspiegel im nächsten Jahrhundert wahrscheinlich nur geringfügig heben. Stadtgebäude haben eine durchschnittliche »Halbwertzeit« von fünfzig bis hundert Jahren. Somit spielt sich die natürliche Rate ihres Verfallens und Ersetztwerdens in einem zeitlichen Rahmen ab, der sich leicht in Übereinstimmung mit dem allmählichen Ansteigen des Meeresspiegels bringen läßt. Wenn die Vermutung der Glaziologen zutrifft, können viele Küstenstädte genauso zurückweichen, wie sie sich auch ausgeweitet haben, nach und nach, Jahrzehnt um Jahrzehnt, ohne daß ein Gefühl der Katastrophe auftreten müßte.

Aber natürlich könnte uns das Eis auch überraschen. Die lange, allmähliche Erwärmung am Ende der letzten Eiszeit zog unerwartet kurzfristige Ereignisse nach sich. Eines der ersten Ereignisse war, daß vor fünfzehntausend Jahren das Barentseisschelf, eine riesige Eisplatte unmittelbar nördlich von Skandinavien, ins Meer stürzte. Es war so groß, und sein Zusammenbruch ging so rasch vonstatten, daß es gut mitgeholfen haben könnte, den größeren Kollaps der Kryosphäre auszulösen, der die Eiszeit beendete und die moderne geologische Epoche, das Holozän, einleitete.

1988 untersuchten Wissenschaftler an der Woods Hole Oceanographic Institution den Untergang des Barentseises indirekt durch eine genaue Analyse von Sedimenten aus dem norwegisch-grönländischen Meer. Der Kollaps des Barentseisschelfs scheint sich so rasch und zugleich so anhaltend vollzogen zu haben, daß sich der Meeresspiegel nahezu fünf Jahrhunderte lang um mehr als drei Meter pro Jahrhundert hob.

Wenn die Treibhausprophezeiungen zutreffen, erhöht sich der Meeresspiegel weltweit tatsächlich auf lange Sicht. Einer der ersten Wissenschaftler, die versucht haben, langfristig vorauszusehen, war Keeling. 

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Er berücksichtigte den Hubbert-Blip der Treibhausgase in der Luft und rechnete nach, wie lange die Gase brauchen würden, um wieder zu Boden zu gelangen. Wenn die Gase in die Stratosphäre aufgestiegen und gleich wieder aus ihr hinabgesunken wären, würde die Auswirkung der modernen Zivilisation auf die Luft in der Perspektive der Jahrtausende wie folgt ausgesehen haben:

 

 

 

Aber in Keelings Modell braucht das Kohlendioxid, das wir in die Luft geblasen haben, so lange, um vom Meer absorbiert zu werden, daß die Treibhausgase mindestens zehntausend Jahre lang in der Luft bleiben:

 

 

Wenn es wirklich so ist, erleben wir zur Zeit den Anbruch eines neuen Zeitalters auf dem Planeten, eines Treibhauszeitalters, dessen Dauer mit der einer Eiszeit vergleichbar ist. Die Fluorchlorkohlenwasserstoffe, die wir in die Luft geben, zerfallen in ein oder zwei Jahrhunderten, aber das Kohlendioxid wird die Temperatur der Erde für eine längere Zeit in die Höhe treiben, als je ein Reich oder eine Zivilisation bestanden hatbis so weit in die Zukunft, wie die Steinzeit hinter uns liegt.

Auf dem Höhepunkt der Eiszeit, vor zwanzigtausend Jahren, saß so viel Eis auf dem Land fest, und der Meeresspiegel fiel so tief, daß die zurückweichenden Wasser Küstenland von der Größe Afrikas freigaben. Heute existiert vergleichsweise wenig Eis auf diesem Planeten. Und wenn die Treibhausgase zehntausend Jahre lang bestehen bleiben, könnten sie dafür sorgen, daß dem Meer alles Eis zurückerstattet wird. Wir würden das Antlitz der Erde neu gestalten, indem wir Küstengebiete vom Gesamtumfang Europas vernichten. Nach uns die Sintflut.

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Kein Geowissenschaftler bezweifelt, daß der Treibhauseffekt eine Realität ist. Seit den Tagen Napoleons wissen die Forscher, daß die Atmosphäre einen Treibhauseffekt hat. Dieser Effekt ist so unvermeidlich wie nur irgend etwas in der Physik. Wie Schneider sagt, ist er so zuverlässig wie die Gravitation. Er ist nicht zu bestreiten. Und die meisten Geowissenschaftler sind der Ansicht, daß eine Anreicherung der Luft mit Treibhausgasen die Erde ein wenig mehr erwärmt. Auch das ist nicht zu bestreiten.

Tatsächlich glauben einige Experten, daß diese künstliche Erwärmung des Planeten wahrscheinlich genau zum jetzigen Zeitpunkt vor sich geht. Sie kritisieren Hansens Umgang mit Statistiken, aber seine Schlußfolgerungen bestreiten sie nicht. »Man kann mit gutem Gewissen behaupten, daß der Effekt nachgewiesen worden ist«, sagt Schneider, »und zwar durch eine Vielzahl von Belegen.«»Auch ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß die Treibhauserwärmung stattfindet«, erklärt Manabe. »Man kann diese Aussage voll vertreten.«

Dennoch sprechen wir alle vom Treibhauseffekt, als sei er umstritten, und was noch schockierender ist: Die einzigen wichtigen bislang unbeantworteten Fragen kann kein Mensch noch in diesem Jahrhundert beantworten. 

Wie schlimm wird es? 

Das muß strittig bleiben. Wir sprechen über ein beispielloses Experiment. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten — aber der Sommer 1988 stellte eine neuerliche Demonstration der Macht einiger weniger Grade dar. Der Unterschied zwischen dem Sommer von 1988 und einem normalen Sommer beträgt weit weniger als ein Grad Celsius. Wenn die derzeitige Theorie zutrifft, steigt die Temperatur eines durchschnittlichen Sommers schon zu unseren Lebzeiten um drei oder vier Grad. Es ist gefährlich, über solche Werte nachzudenken. Man könnte versucht sein, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen.

Und wann wird es so heiß, daß niemand mehr zweifelt? 

Auch das muß strittig bleiben. Die Erwärmung vollzieht sich so allmählich, daß Schneider, Manabe und mit ihnen die Mehrheit der Wissenschaftler in den Vereinigten Staaten die nächsten zwanzig Würfe der Würfel abwarten wollen.

Und doch waren sich Klimaexperten der Sowjetunion schon 1982 sicher. Der Unterschied ist zum Teil psychologisch erklärbar. Für die Sowjetunion könnte das Risiko geringer erscheinen, weil die Folgen dort weniger bedrohlich wirken. Die Sowjets können hoffen, Gewinner zu sein. (Zumal wenn man bedenkt, was eine Erwärmung für Sibirien bedeuten könnte.) Und ihr Land hat zwar einen größeren Anteil an der Entstehung des Treibhauseffekts, aber es ist immerhin nicht der Hauptverursacher.

In den Vereinigten Staaten dagegen scheint das Risiko höher zu sein, weil die Amerikaner bei einer globalen Erwärmung eine Menge zu verlieren haben. Außerdem waren die Vereinigten Staaten vom Verbrennen der Wälder im 19. Jahrhundert an bis zu den Kaminen und Fabrikschloten des 20. Jahrhunderts die Hauptproduzenten des Kohlendioxids auf diesem Planeten. Also ist es für einen verantwortungsbewußten amerikanischen Wissenschaftler ebenso schwer zu rufen: »Es geschieht tatsächlich!« wie »Haltet den Zug auf!«

 

Im späten 21. Jahrhundert werden sich nur Historiker daran erinnern, ob es 1988, 1998 oder 2008 begann. Bis dahin wird, wenn die derzeitige Theorie zutrifft, die neue Welt mit Macht präsent sein, ihre Probleme werden sich mit allem Nachdruck stellen, und alles, was für die Politiker der Welt zählt, wird die Frage sein, wie sie mit den neuen Zuständen und Bedingungen fertig werden.

Im späten 21. Jahrhundert wird den meisten Menschen das ungefähre Datum des Beginns genügen. Sie werden sagen: »Seit der Jahrhundertwende... In diesem Jahrtausend... In den letzten hundert Jahren...«.

Für uns allerdings ist das Datum des Beginns von größter Bedeutung. Solange noch Ungewißheiten bestehen, wird die Welt fortfahren, den Würfel mit jährlich mehr als fünf Milliarden Tonnen Kohlenstoff gegen sich selbst zu präparieren. Aus diesem Grund sind jene, die begreifen, wieviel auf dem Spiel steht und wieviel bekannt ist, verärgert darüber, daß sich die Amerikaner so sehr auf das konzentrieren, was unbekannt bleibt. »Die richtige Frage lautet nicht: War 1988 der Anfang?« sagt Richard Houghton vom Woods-Hole-Research-Center. »Die eigentliche Frage lautet: Hat Ihnen der Sommer 1988 gefallen?«

Ist das Wetter kühl, wenn Sie diese Worte lesen, und die Leute fragen: »Erinnern Sie sich noch daran, als sich alle wegen des Treibhauseffekts Sorgen machten?« Dann antworten Sie mit der Frage: »Erinnern Sie sich noch daran, als wir alle dachten, der Himmel würde herunterfallen?« 

Wie Dante im zwanzigsten Gesang des ersten Teils seiner Göttlichen Komödie schreibt:

Drum lehr ich dich: sollte es sich jemals fügen, 
Daß sie dich Mantuas Ursprung anders lehren, 
so laß entstellen Wahrheit nicht durch Lügen!

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The Next One Hundred Years / Die Klimakatastrophe