Theodora Colborn und a.
Die
bedrohte
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1996 400 Seiten
Wikipedia
Autorin detopia: Ökobuch |
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"Im Dokumentarfilm <Underkastelsen> bezeichnete Colborn
die von hormonaktiven Substanzen ausgehende Gefahr als größere Bedrohung, als
die Folgen des Klimawandels." (wikipedia-2024)
detopia-2024: Das finde ich "populistisch". Alle Dinge beeinflussen sich doch
gegenseitig, sie verstärken sich oder schwächeln gemeinsam.
Ist das Plastik in meinem Körper weniger schlimm als die zusätzlichen Hormone?
Glaubrecht-2019 meint: "Das Artensterben ist der neue Klimawandel".
Auch "populistisch". Aber m. E. alles real (und unoptimistisch).
Our Stolen Future. How We Are Threatening Our Fertility, Intelligence and Survival. Are We Threatening Our Fertility, Intelligence, and Survival?
A Scientific Detective Story. Verlag
Dutton-Penguin, 1996. Theodora Emily Decker Colborn (* 28. März 1927 in Plainfield, New Jersey;[1] † 14. Dezember 2014[2] in Paonia, Colorado)[3] war eine US-amerikanische Zoologin, die als Professorin für Zoologie an der University of Florida in Gainesville tätig war. Ihr Arbeitsgebiet waren hormonaktive Substanzen und deren Auswirkungen auf die Gesundheit.
Colborn war Gründerin und Präsidentin der
Organisation The Endocrine Disruption Exchange (TEDX).[4] |
Our Stolen Future: A Scientific Detective Story. en.wikipedia Our_Stolen_Future Übersetzung in 18 Sprachen
Underkastelsen Dokumentarfilm mit Theo Colborn youtube.com/watch?v=cb_bmp0E8tc |
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Lesebericht 1996 https://berlingeschichte.de/lesezei/blz96_09/text35.htm
Berliner
LeseZeichen, Ausgabe 09/1996 In seinem Vorwort gibt US-Vizepräsident Al Gore mit einem treffenden Satz den Inhalt dieses Buches wieder:
Er stellt fest, daß die Forschungsergebnisse, die dem Buch zugrunde liegen, "dringende und unumgängliche Fragen aufwerfen, mit denen man sich auseinandersetzen muß", und weist darauf hin, daß die Nationale Akademie der Wissenschaften der USA eine Expertenkommission gebildet hat, die sich mit der von den Chemikalien ausgehenden Bedrohung befassen soll. Hierzu nur diese in Fachkreisen unbestrittenen Fakten: Rund 100.000 synthetische Chemikalien sind weltweit auf dem Markt. Jahr für Jahr kommen etwa 1.000 neue Substanzen hinzu, in den meisten Fällen ohne hinreichende Tests und Gutachten. Allein in den USA werden derzeit dreißigmal so viele synthetische Pestizide eingesetzt wie im Jahr 1945 — es sind jetzt knapp vier Kilogramm pro Kopf der Bevölkerung. Rund 35 Prozent der in den USA konsumierten Lebensmittel enthalten nachweislich Rückstände von Pestiziden. Für die aufsehenerregende Publikation, die eine Fülle solcher bedrohlichen Tatsachen wiedergibt und wertet, haben sich zwei Frauen und ein Mann zusammengetan:
Das dreifache Ergebnis sind fachliche Kompetenz, Zugänglichkeit des Textes für jeden normal gebildeten und interessierten Laien sowie eine komplexe Sicht, darauf gerichtet, die Umwelt mit den auf sie und in ihr wirkenden Faktoren weitgehend einzubeziehen. In den 14 Kapiteln geht es letztlich um den Menschen, sein Überleben. Aber wie ein roter Faden zieht sich durch die Darstellung das Wissen, die Aufforderung: Seht auf die Tiere — was ihnen geschieht, setzt auch den Menschen Warnzeichen! Anomalien und Krankheiten bei Tieren sind oft, ja meist die langfristig eintretenden Folgen menschlichen Einwirkens auf die Natur, gewollten und in seinen Folgen nicht zu Ende bedachten Einwirkens zum angeblichen Besten des Menschen wie auch umweltschädigender Nachlässigkeit. Niedergang und Verschwinden von Tierpopulation, so die Autoren, werden oftmals der Zerstörung des natürlichen Lebensraums durch den Menschen angelastet, wobei Jagd und Fang einschließlich Überfischen hinzukommen. Neben diesen Ursachen aber sind, wie neuere Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen zeigen, vom Menschen ausgebrachte Stoffe — seien es eindeutige Schadstoffe, seien es hormonähnlich wirkende Substanzen — für Krankheiten und Tod von Tieren sowie schließlich das Aussterben ihrer Art verantwortlich. Die auf verschiedene Tiere bezogenen instruktiven Beispiele, seien es Wale oder Berglöwen oder Adler, lassen erkennen, auf welche Weise die Autoren sowie vor allem die Wissenschaftler, auf deren Forschungsergebnisse sie sich beziehen, die Fragestellung ausweiten, um zu einer differenzierteren Sicht und genaueren Resultaten zu kommen. In jedem Fall drängt sich, ohne daß dies dem Leser ausdrücklich nahegelegt wird, die Überlegung auf: Was den Tieren geschieht, wird auch den Menschen geschehen können, vielleicht mit Verzögerung, vielleicht mit einem durch Antibiotika bewirkten Aufschub, aber doch mit großer Wahrscheinlichkeit — und über eine Langzeitwirkung von Antibiotika über mehrere Generationen weiß man nichts. Es versteht sich, daß die im besten Sinne umtriebige Theo Colborn, der engagierte Umweltschützer Pete Nyers und die talentierte journalistische "Übersetzerin" Dianne Dumanowski sich nicht zufriedengeben konnten mit dem Zusammenstellen von Wirkungen und Ursachen, dem Zusammentragen von Skandalen und dem Beschreiben von Ängsten, dem Feststellen von aktuellen Umständen und wahrscheinlichen künftigen Zuständen. (Hierzu gehört nicht nur die fortschreitende Schwächung des vor Krankheiten schützenden Immunsystems, sondern auch die zunehmende Zeugungsunfähigkeit der Männer, exakt nachgewiesen an der deutlich verringerten Zahl lebensfähiger Spermien.) So ist ein besonderes Kapitel — "Wie wir uns schützen können" — der Notwendigkeit und den Möglichkeiten gewidmet, neue Störungen des menschlichen Hormonsystems zu verhindern sowie den Einfluß bereits in der Umwelt verbreiteter hormonell aktiver Substanzen so gering wie möglich zu halten. Dies reicht von der Aufforderung "Informieren Sie sich über Ihr Wasser" und dem Rat "Wählen Sie Ihre Ernährung sorgsam aus" bis zur Forderung "Bessere Verordnungen und Gesetze". Für die deutsche Ausgabe des Buches ist übrigens — von wem auch immer — die Rechtslage bei Trinkwasser in der Bundesrepublik Deutschland skizziert, so auch die Tatsache, daß der Verbraucher offiziell keinen Rechtsanspruch hat, die Ergebnisse der örtlichen Wasseranalysen zu erfahren, was in der Regel bedeuten dürfte, daß er durch die Medien jeweils nur die günstigen Resultate vermittelt bekommt. Das Buch stellt in der Tat neue, zudringliche, unbequeme Fragen zu den synthetischen Chemikalien, die auf der Erde — zu Lande, zu Wasser und in der Luft — verbreitet worden sind, in unglaublichen Mengen sowie in außerordentlicher Vielfalt, und noch verbreitet werden, denn zumindest im übertragenen Sinne sollen die Schornsteine der chemischen Industrie und der pharmazeutischen Werke auch künftig rauchen. Einige dieser Produkte sind inzwischen in Verruf gekommen und verboten worden, wenn auch keineswegs in allen Ländern. Hierzu gehört das einst als höchst wirksam, ja segensreich gepriesene DDT, dessen höchst negative Nebenwirkungen die Wissenschaft zweifellos eher hätte erkennen müssen, und dann hätten Politiker eher die Anwendung stoppen können. Bisher ist dies nur unvollständig geschehen — von den USA wurde DDT zumindest 1991 noch in erheblichen Mengen produziert und exportiert. Bei solchen Beispielen kommt der Leser von selbst zu dem Schluß, daß es letztlich nichts nützt, eine Gefahr außer Landes zu schaffen — durch den Kreislauf der Natur kommt das Gift irgendwann zurück. DDT steht, wie die Autoren belegen, auch für andere Chemikalien einschließlich Arzneimittel, deren erschreckende Wirkungen sogar relativ rasch aufgetreten sind. Hierzu gehören das von Frauen als Beruhigungsmittel sowie gegen schwangerschaftsbedingte Übelkeit eingenommene Contergan (Thalidomid) und das synthetische Östrogen DES mit seinen ebenfalls verheerenden Wirkungen. Aus diesen Zusammenhängen ergibt sich, daß man das Buch in den Vorständen der Chemie- und Pharmakonzerne zweifellos sehr aufmerksam zur Kenntnis nehmen wird (es ist nicht nur in Deutschland noch frisch, auch der Originaltitel Our Stolen Future ist in den USA erst 1996 erschienen); eine Reihe von ihnen dürfte dabei durchaus gemischte Gefühle haben. Ebenso ist zu erwarten, daß eine stets dienstbereite Lobby, zu der erfahrungsgemäß auch Journalisten gehören, bereits zum Abwiegeln rüstet, einige hoffnungsvolle Passagen des Buches könnten dafür durchaus mißbraucht werden, wenn man sie ihres wohlüberlegten Zusammenhangs beraubt. Andererseits verleiht das Vorwort des US-Vizepräsidenten dieser Publikation zusätzliche Autorität, und das zunehmende Gesundheitsbewußtsein — auch wenn es gegen Fast Food einen schweren Stand hat — ist ein wichtiger Faktor, um den dargelegten Erkenntnissen Nachdruck zu verschaffen. Verbreitung und Schubkraft brauchen sie allemal, nicht zuletzt in Deutschland, wo die Großchemie mit ihren heilenden und ihren giftigen Wurzeln eine besondere Tradition hat. Rund 40 Seiten Anmerkungen und Register zeugen von Akribie und umfassendem Quellenstudium, unerläßlich für eine seriöse Publikation, die in populär-wissenschaftlichem Gewand einherkommt und wissenschaftlichen Anspruch erhebt. Sie wird diesem Anspruch gerecht. # |
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Lesebericht von Johannes Kaiser 03.03.1998 Die bedrohte Zukunft - Gefährden wir unsere Fruchtbarkeit und Überlebensfähigkeit? https://www.deutschlandfunk.de/die-bedrohte-zukunft-100.html Die Indizienkette ist lang und reicht bis in die fünfziger Jahre zurück. Immer wieder waren Biologen in den letzten zwei Jahrzehnten auf merkwürdige Phänomene in der Tierwelt gestoßen: Wale, die weibliche und männliche Geschlechtsorgane aufwiesen, Möwen-Küken, die nach dem Schlüpfen zahlreiche Mißbildungen zeigten und binnen kurzem dann ausdorrten und starben, Möwen-Weibchen, die statt mit Männchen gemeinsam mit anderen Weibchen brüteten, plötzlich von Viren dahingeraffte ganze Populationen von Seehunden und Delphinen. An anderen Orten verschwanden bis dahin vorhandene Tierarten, wie z.B. die Otter in England, vollständig. Es ist vor allem das Verdienst der amerikanischen Biologin Theo Colburn gewesen, hinter den zahlreichen Einzelergebnissen allmählich ein Grundmuster erkannt zu haben. Sie entdeckte bei ihren jahrelangen Recherchearbeiten für den WWF, den Worldwide Fund for Nature, daß die Mißbildungen der Tiere allesamt auf Störungen des Hormonsystems zurückzuführen sind und diese durch chemische Verbindungen ausgelöst wurden. Der Vorgang ist immer derselbe. Eine körperfremde Chemikalie maskiert sich als körpereigenes Hormon, schlüpft an dessen Stelle in eine Körperzelle und besetzt dort dessen Platz. Je nach Beschaffenheit löst der Eindringling zwei völlig verschiedene Köperreaktionen aus: entweder verhindert die Fremdchemie die Bildung neuer Hormone, obwohl diese von einigen Körperorganen dringend benötigt werden, und es kommt zu dramatischen Mängelsituationen, oder aber der Eindringling regt die Bildung neuer Hormone an, obwohl der Körper gar keine gebrauchen kann. In beiden Fällen löst der Ersatz, das Imitat Mißbildungen, Funktionsstörungen, fehlgesteuerte Entwicklung aus. Auch wenn die Forschung bei der Suche nach solchen den Körper täuschenden künstlichen Verbindungen erst ganz am Anfang steht, so lassen sich doch einige Hauptverdächtige schon beim Namen nennen, wie dem jetzt auf deutsch erschienenen Report „Die bedrohte Zukunft“ von Theo Colburn, Dianne Dumanoski und John Peterson Meyers zu entnehmen ist. Dazu Autorin Dianne Dumanoski:
Diesen beunruhigenden Tatbestand fanden zwei Krebsforscher an der Tufts Medical School in Boston heraus, als sie danach fahndeten, warum ihre Krebstestkulturen plötzlich geradezu explosionsartig wuchsen. Als Ursache kam nur irgendeine östrogenähnliche Verschmutzung in Frage. Die fanden die Forscher schließlich in den Verschlüssen ihrer Teströhrchen. Die Plastikdeckel enthielten die als Weichmacher verwandte Chemikalie Nonylphenol und die zeigte eindeutige östrogene Wirkungen. Doch nicht nur Nonylphenol, auch die in Plastikflaschen und Konservendosenbeschichtungen eingesetzte Substanz Bisphenol-A imitiert Östrogen. Da beide chemischen Verbindungen weltweit in riesigen Mengen als Weichmacher benutzt werden, kann man davon ausgehen, daß wir sie mit der Nahrung in uns aufnehmen und im Körpergewebe speichern. Dort könnten sie fatale Folgen haben, denn man weiß aus der Krebsforschung, daß ein Überschuß an Östrogenen Brust-, Prostata und Dickdarmkrebs auslösen kann. Als besonders heimtückisch erweist sich dabei, daß sich bei erwachsenen Tieren oftmals keinerlei Wirkungen zeigen, erst in den folgenden Generationen körperliche Schäden auftreten. Falsche hormonelle Informationen können während des Wachstums im Mutterleib zu zahlreichen Fehlentwicklungen führen. Während man lange geglaubt hatte, die Plazenta wäre eine wirksame Barriere gegen Schadstoffe und würde den Fötus vor ihnen schützen, muß man jetzt erkennen, daß die hormonähnlichen Chemkalien genauso leicht wie die echten Hormone in den Körper des Ungeborenen gelangen können. Dort verursachen sie bereits in so winzigen Mengen wie wenigen Teilen pro Milliarde irreperable Schäden. Nun imitieren synthetische Substanzen aber nicht nur die weiblichen Hormone, die Östrogene. Sie beeinflussen auch die Entwicklung der männlichen Hormone, der Testosterone. Man weiß vom mehreren Pestiziden, daß sie deren Entstehung blockieren. Die drei Autoren vermuten hier ein Zusammenhang mit der auffällig angestiegenen männlichen Unfruchtbarkeit. Sie berichten von Untersuchungen, nach denen Männer heute deutlich weniger Spermien als früher produzieren. Dazu Dianne Dumanoski vom MIT:
So nahe die Vermutung liegt, daß hormonähnlich wirkende Chemikalien die Zeugungsfähigkeit der Männer mindern, ein endgültiger Beweis fehlt noch. Die bisherigen Forschungsergebnisse sind aber so beunruhigend, daß man sich nunmehr intensiv mit diesem Thema auseinandersetzt. Provokativ fragt denn auch die deutsche Ausgabe des amerikanischen Reports in ihrem Untertitel „Gefährden wir unsere Fruchtbarkeit und Überlebensfähigkeit?“ Doch es geht dem Autor und den beiden Autorinnen nicht nur um die weiblichen und männlichen Hormonimitate. Sorgen machen ihnen auch all jene Chemikalien, die die Schilddrüsenhormone beeinflussen, da diese bei der Entwicklung des Gehirns eine sehr wichtige Rolle spielen. Einige Studien legen die Vermutung nahe, daß manche Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern auf vorgeburtliche Störungen der Bildung von Schilddrüsenhormonen zurückzuführen sind. Dazu Dianne Dumanowski :
Es steht zu befürchten, daß unser leichtfertiger Umgang mit synthetischen Chemikalien noch einmal fatale Spätfolgen zeitigen wird. Für die Autoren steht denn auch außer Frage, daß wir weltweit schleunigst ein umfassendes Forschungsprogramm starten müssen, um aufzudecken, vor welchen Verbindungen wir uns schützen, welche wir nur noch eingeschränkt produzieren und welche wir gänzlich verbieten müssen. |