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Zukunftsfähige Arbeit in einem neuen Wirtschaftssystem

Marko Ferst

 

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Daß die Werkzeuge zur Arbeitstätigkeit die wichtigsten lnsignien des frühen Menschen wären und den sich aus dem archaischen Zustand heraus entwickelnden Menschen charakterisieren, wird immer wieder zu Unrecht angenommen. Sehr viel wahrscheinlicher ist, die sozialen Aktivitäten des Rituals, der Sprache trugen weit mehr zur Entwicklung der Gattung Mensch bei, als der Gebrauch von Werkzeugen.

Lewis Mumford meint, die Herstellung und Verwendung von Werkzeugen blieb für lange Zeit, im Vergleich zu zeremoniellen Handlungen und der Sprachentwicklung, rückständig. Soziale Solidarität spielte eine große Rolle'. Friedrich Engels behält sicher nach wie vor recht, wenn er rohe urkommunistische Züge feststellt. Analoge Hinweise erhält man auch aus der Matriarchatsforschung, wie sie z.B. von Heide-Göttner-Abendroth vorgestellt wird. Die heutigen Gesellschaften gingen aus diesen Formationen von Gentilordnung ja ursprünglich hervor.

Die Tragik der Zivilisation besteht darin, die Proportionen völlig umgekehrt zu haben. Die Entwicklung der Technosphäre, des ursprünglichen Benutzens von Werkzeugen nahm ein Maß an, nicht zuletzt im zurückliegenden )ahrhundert, das die Balance zwischen technisch-materieller Infrastruktur und den menschlichen, den seelisch-kulturellen Eigenressourcen in erheblichem Maße zerstört hat. Die geistige Entwicklung, die Kompetenzen der Solidarität sind gegenüber denen der Technosphäre weitgehend zurückgeblieben, haben sich in weit geringerem Maße erneuert, sind möglicherweise in manchen Punkten auch rückläufig, worauf Erich Fromm zu Recht aufmerksam macht."

Die Problematik der Arbeit ruht auf dieser Grundsituation auf. Der Mensch mußte auf das heutige Arbeiten im Laufe der Geschichte erst zugerichtet werden, durch diejenigen, die über ausreichend Vermittlungsmacht verfügten in den real existierenden sozioökonomischen Bedingungen. Der Erfolg dieser Auffassung von Arbeit konnte sich aber nur etablieren, weil er auch durch die einzelnen Menschen selbst, in ihrer Mehrzahl jedenfalls, mitgetragen wurde, und nicht völlig gegen sie durchgesetzt werden mußte. Das eigene Interesse am finanziellen Erfolg, an der Absicherung der eigenen Familie, sorgte vermutlich sehr stark dafür, daß diese Option an Boden gewann.

Wer sich die Konflikte am Ausgang des Mittelalters in Europa anschaut, wird sehr schnell feststellen, die Erfahrungen der bisherigen Arbeitsrhythmen ließen sich nur sehr zögerlich abbauen. Man kann dies sehr schön daran sehen z. B., wie schwer es war, genauere Zeiteinteilungen für zu leistende Arbeit einzuführen. Mit dem Aufkommen kapitalistischer Wettbewerbswirtschaft beginnt sich unser moderner Zeitbegriff zu entwickeln, die Minuten wurden kostbar. Man betrachtete die allzuvielen Feiertage als Unglück, die Arbeit stieg zum höchsten Wert auf, die Tüchtigkeit zählte immer mehr.(3)

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Jedoch setzte sich dieser Zug nicht widerstandslos durch, erst die Wirkmächtigkeit der neuen kapitalgetriebenen Produktivkräfte vermittelte ihm im Laufe der Zeit die nötige Schubkraft. Ein Blick auf die chinesische Feudalordnung macht darauf aufmerksam; ihr fehlte beispielsweise dieses Zusammenspiel gesellschaftlicher Kräfte und Ereignisse, das in Europa den Weg für die kapitalistische Formation bahnte.

All dies zeigt, unsere Auffassungen zum Thema Arbeit findet schon von dem geschichtlichen Hervorgehen aus gesehen, vielerlei „Umstellungen" und „Verstellungen", von denen wir uns so weit wie möglich frei machen sollten, wenn wir befragen, wie wir in einer zukünftigen Gesellschaftsordnung Arbeit und die politökonomische Einfassung optimal verortet sehen wollen, welche systemischen Varianten denkbar sind. Heute setzt uns die ökologische Stabilität den Rahmen, innerhalb derer Arbeitstätigkeit überhaupt noch stattfinden darf und vor allen Dingen welche Arbeit noch Legitimität im Sinne von Zukunftsfähigkeit besitzt.

Über das Maß für ökologisches Arbeiten und Wirtschaften herrscht heute mehr Konfusion als Klarheit, wenn wir von einigen allgemeinen Eckdaten, wie Kohlendioxidreduktion, weniger Bodenversiegelung oder Verringerung des Energie- und Rohstoffeinsatzes beim Herstellungsprozeß mal absehen wollen. Die erforderlichen quantitativen Veränderungen werden dann doch sehr verschieden eingeschätzt.

Dabei können wir selbstverständlich z.B. die amerikanische Extremposition, etwa von Präsident Bush Junior, getrost als eine Politik staatlich organisierter Kriminalität ignorieren. Obwohl die USA weltweit für 25% der Kohlendioxidemissionen verantwortlich sind, scheint man dort weiter auf dem Negativtitel „Land der unbegrenzten Energieverschwendung" zu beharren, um dem eigenen Wirtschaftsfundamentalismus zu frönen. Bush läßt wissen: Das Gewinnstreben der nationalen Wirtschaft geht vor Umweltvorsorge. Allerdings, selbst wenn das Kiotoprotokoll zum Klimaschutz ohne ein ganzes Arsenal von Schlupflöchern beschlossen worden wäre, und real die Welt 2012 5,2% weniger Kohlendioxid ausstoßen würde, so wäre dies auch nur ein rein symbolischer Fortschritt. Der unheilvolle Gang in die Katastrophe ist damit nicht aufzuhalten.

Die Schwierigkeit beginnt dort, wo wir über Selbstbegrenzung zu reden haben und deren Ausmaße, bezogen auf das globale Ganze und dann natürlich auch aufgegliedert auf die einzelnen Produkte und ihre Herstellungsorte. Die Studie „Zukunftsfähiges Deutschland" hält fest, in den reichen Ländern hätten wir bis 2050 90% des Treibhausgases CO2 zu reduzieren und ebenfalls um 90% den Verbrauch von nicht erneuerbaren Ressourcen. Dabei wird davon ausgegangen, in Ländern, wo elementar soziales Elend herrscht, muß zumindest soviel Entwicklungsraum sein, dieses zu beseitigen, ohne das westliche Entwicklungsmodell jedoch nachzubauen. Berücksichtigt werden muß auch das starke Bevölkerungswachstum in vielen „Drittewelt"staaten.

Unterm Strich kommt man global gesehen auf eine Kohlendioxidreduktion von 50 bis 60%. Nun ist die spannende Frage, wird das ausreichen? Jeden Tag schicken wir um die 100 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre, und was davon bis in die oberen Luftschichten gelangt, bleibt dort ungefähr 100 Jahre klimawirksam.

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Wir packen also auf die bestehende Last jedes Jahr noch ein gigantisches Paket an Klimagasen drauf. Es ist wenig überzeugend, wenn wir nun in 50 Jahren erst nach und nach nur noch 40 bis 50 Millionen Tonnen CO2 jeden Tag in die Luft blasen, daß dies uns ökologische Stabilität garantieren könnte. Diese Sicht dürfte sich als sehr blauäugig herausstellen.

Dies ist nur eines von vielen Indizien, daß wir es uns nicht zu einfach machen dürfen, wenn wir uns über die Begrenzung unserer Arbeitsgesellschaft und die Abmaße dabei verständigen wollen.

Aber was bedeutet ökologische Krise bezogen auf die Arbeitsgesellschaft?

Wir müssen sehen, daß jede Arbeitstätigkeit mit nicht erwünschten Effekten verbunden ist, also zum Beispiel die Klimakatastrophe vorbereitet, das Waldsterben fördert und den Artenschwund weiter vorantreibt. Beim Joghurt oder Käse wird, vermittelt über die Massentierhaltung, das hochwirksame Treibhausgas Methan freigesetzt. Werden die Waren quer durch die Republik gefahren oder gar quer durch die Europäische Union, hängt ebenfalls das Klimathema und das Waldsterben daran.

Fast alle Güter, die wir heute im Geschäft oder bei einer Firma kaufen können, die also vorher in einem Arbeitsprozeß hergestellt wurden, haben ihren spezifischen ökologischen Rucksack, jedes Arbeitsprodukt in der Industriegesellschaft ist mit ökologischen Zerstörungskapazitäten verkoppelt, wenngleich das Ausmaß sehr verschieden sein kann. Wird das Fernsehgerät insgesamt im eigenen Land hergestellt, statt in China, Japan und USA zugleich, verbunden mit enormen Transportwegen, kann die ökologische Bilanz des im eigenen Lande fabrizierten Geräts sehr deutlich günstiger ausfallen. Nur darf man sich aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch diese Geräte enorme Belastungen für die Naturkreisläufe darstellen, ebenso wie die Autoflut und die vielen anderen Dinge, die wir aufgrund unseres Lebensstandards beim Arbeiten und Konsumieren vernutzen.

Die Grundlast unserer Industriegesellschaft ist um mehrere Größenordnungen zu hoch. Friedrich Schmidt-Bleek spricht davon, wir müßten unsere Gesellschaft um etwa den Faktor zehn dematerialisieren, mit der Option, diesen Prozeß über viele weitere Jahrzehnte hinweg fortzuschreiben.(4) Überdies brauchen wir im Energiebereich etwa ähnlich drastische Einsparungen und müssen die gesamte Energie, die noch benötigt wird, über solare Energieerzeugung, wie Photovoltaik, Wasser- und Windkraft sowie in begrenztem Maße über Biomasse gewinnen. Auf einen ausgewogenen Mix kommt es an. Das alles bedeutet natürlich einschneidende Konsequenzen für unsere Arbeitsgesellschaft.

Klar hervorgehoben sei noch mal: Wenn es nicht gelingt, im Laufe der nächsten Jahrzehnte eine ökologische Zeitenwende als gesellschaftlichen Prozeß zu etablieren, haben wir keine Chance mehr, eine Ordnung mit humanistischen Eckpfeilern zu erhalten. Wir werden dann damit zu tun haben, die schlimmsten Auswüchse von krisendurchsetzten Entwicklungen abzuwehren. Barbarische Formen von Arbeitsverhältnissen sind vorstellbar, ebenso wie die Aufgabe jeglicher ordnenden Funktion des Gemeinwesens.

Die ökologische Tragekapazität zu erhalten, ist die entscheidende Vorbedingung, damit sinnerfülltes Arbeiten möglich wird. Heute haben wir eine Situation, wo der materielle Charakter unserer Arbeitstätigkeit sich wie ein tödliches Netz über alle Lebensfunktionen der Gesellschaft legt.

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Von diesem Gefangensein müssen wir uns befreien, und da stehen alle geistigen und materiellen Strukturen zur Debatte, die die Rettung unserer Kultur verhindern und verzögern. Das bedeutet, wir müssen uns auf eine radikale Umgestaltung unserer Lebenszusammenhänge einstellen und diesen Prozeß selbst aktiv befördern.

In einem nächsten Schritt sei die seelisch-geistige Dimension des Arbeitens betrachtet.

Über eine Milliarde Menschen sind auf dem Erdball arbeitslos,(5) wenn wir in konventionellen Kategorien von Arbeitstätigkeit argumentieren. Aber ist es wirklich die Lösung des Problems, wenn wir fast alle in abhängiger Beschäftigung eingebunden sind und eine kleine Minderheit sich daran bereichert, selbst wenn der Staat einiges umverteilt? Wie wollen wir arbeiten, welche Arbeitswelten fördern seelische Gesundheit und erhalten uns die biosphärische Stabilität? Führen wir die Arbeit aus, die unserem eigenen Wesen angemessen ist, ihm entspricht?

Festhalten kann man und frau in jedem Fall: Zukunftsfähige Arbeit muß auf inneren Frieden gegründet sein und die Vitalität des Menschseins einschließen können. Eine menschlichere Arbeitswelt beginnt mit innerer Arbeit an uns selbst, mit dem Einwohnen in eine Bewußtseinsverfassung, die uns näher an das eigene Selbst bringt. Meister Eckhart, ein Dominikaner, eine zentrale Gestalt der deutschen Mystik im Mittelalter, schreibt: „Das äußere Werk kann niemals klein sein, wenn das innere groß ist, und das äußere Werk kann niemals groß sein oder gut sein, wenn das innere klein oder von geringem Wert ist. Das innere Werk umfaßt stets alle Größe, alle Breite und alle Länge."(6)

Eine Zivilisation, die dabei ist, sich blindlings auf die eigene Richtbank zu führen, wird es schwer haben, über das niedrige eigene Werk hinauszukommen, sich selbst zu übersteigen im geistigen Horizont. Aber die jetzigen Generationen müssen diesen Steigpfad leisten, wir müssen uns auf eine Arbeit einrichten, die aus einer Aufklärung nach Innen (Rudolf Bahro) hervortritt.

Meister Eckhart schreibt an anderer Stelle:

„Geschäftigkeit ist ein äußerliches Getue; aber Tätigkeit, das ist, was man von innen her ausübt. Nur diese Menschen, die geziemender Weise so neben den Dingen stehen und nicht in ihnen, sind rechte Menschen. Sie stehen nahe zu dem ihrigen, sie verwalten das ihrige wohl recht, aber sie halten es nicht anders, als stünden sie dabei jederzeit am Rande der Ewigkeit. Denn alles Geschaffene ist nur ein Mittel."(7)

Kann man die heutige Arbeitsgesellschaft schärfer in die Kritik nehmen, als mit diesen Zeilen, die sieben Jahrhunderte alt sind? Heute müssen wir uns die Würde der Arbeit, das bei-ihr-selbst-sein, neu beleben und dies auch aus neuformierten Gesellschaftsstrukturen heraus versuchen elementar mit abzusichern. Wir brauchen eine Emanzipation des Menschen von überlebten Arbeitswelten. In der bestehenden Wettrenn-Kultur wird dies immer nur in kleinen Sektoren möglich sein. Versucht werden muß, zu einer Verfassung zu kommen, in der dem Menschen die Ergebnisse der eigenen Arbeit nicht als fremde Macht gegenübertreten. Selbst der Unternehmer wird ja noch von den Zwängen seiner Fabrikation gefangen genommen.

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Natürlich kann auch entfremdete Arbeit Spaß machen, wenn das Betriebklima gut ist, man Hand in Hand arbeitet und äußere Lieferzwänge, Konditionen usw. den eigenen Spielraum nicht erpressen, jedenfalls nicht soweit, daß immer aufs neue die Firma in der man arbeitet, auf dem Spiel steht, oder andere existentielle betriebliche Probleme bestehen. Man stelle sich vor, es lägen „nicht entfremdete" Arbeitszusammenhänge vor, aber die einzelnen sehen dem nächsten Tag mit Mißmut entgegen und sehnen sich nach dem Wochenende, weil jeder mit jedem auf der Arbeitsstelle in beständigem Streit und Konflikt liegt, wie immer im einzelnen die Problemlagen auch aussehen mögen.

Allerdings stellte Karl Marx seinerzeit schon fest, daß die Entfremdung des Menschen sich in dem Verhältnis ausdrückt, in welchem der Mensch zu anderen Menschen steht und das würde unsere Ebene hier erst mal nicht ausschließen,8 selbst wenn sie hier von ihm nicht mitgemeint gewesen sein sollte.

Aber was hat es mit dieser ominösen Entfremdung überhaupt auf sich? Kalter Kaffee von vor mehr als hundert Jahren? Hegel hatte den Begriff philosophisch in seiner „Phänomenologie des Geistes" eingeführt, bei Marx erfuhr die Konzeption eine weitaus stärkere Vielschichtigkeit. Max Weber wird ein stahlhartes Gehäuse der ökonomisch-technischen Strukturen diagnostizieren, die der Kapitalismus und die Bürokratisierung hervorgebracht haben. Die Mitstreiter der Frankfurter Schule befaßten sich mit der Entfremdung und viele andere.

Offenbar ist es doch so, daß je mehr die abhängig Beschäftigten ihre Arbeit gegen Einkommen tauschen im geschichtlichen Weiterkommen, desto mehr bauen sie sich mit der von ihnen vergegenständlichten Arbeit, in die Infrastruktur der Megamaschine ein. Diese tote Arbeit, dieser tote Geist zwingt sie in Strukturen, in denen sie nicht mehr sie selbst sind, sondern eine Person aus sich herausstellen, die sie nicht sein würden, wenn sie eine freiere Selbstentwicklung hätten sich ermöglichen können, bzw diese von den gesellschaftlichen Verhältnissen zugelassen worden wäre.

Davon weiß der gemeine Mensch natürlich nichts mehr, weil er die Freiheit zu etwas anderem nicht mehr kennt, sie eher in Frage stellt, da es sich um ein realitätsfernes Unterfangen handelt und am Ende gar der eigene Kontostand gefährdet ist. Wir haben also zusätzlich noch mit einer kulturellen Blockade zu rechnen. Natürlich sind die heutigen Lebenskulturen sehr unterschiedlich und ein Abweichen ist innerhalb von Grenzen zumindest möglich. Das was man da aber riskieren kann, trägt oft genug die Schattenspuren der Entfremdung noch in sich.

Marx schreibt:

„Der Arbeiter legt sein Leben in den Gegenstand, aber nun gehört es nicht mehr ihm, sondern dem Gegenstand. Je größer also diese Tätigkeit, um so gegenstandsloser ist der Arbeiter.... Die Entäußerung des Arbeiters hat die Bedeutung, nicht nur daß seine Arbeit zu einem Gegenstand, zu einer äußern Existenz wird, sondern daß sie außer ihm, unabhängig, fremd von ihm existiert und eine selbständige Macht ihm gegenüber wird, daß das Leben, was er dem Gegenstand verliehen hat, ihm feindlich und fremd gegenübertritt."(9)

Die Beschreibung des Marketingcharakters von Erich Fromm ist eigentlich eine tiefergehende Beschreibung des Marxschen Entfremdungsgedankens, bezogen auf die heutigen Erfahrungen im Arbeitsleben, dort jedenfalls fällt er besonders stark ins Gewicht. Wir müssen strukturelle Gesellschaftsänderungen fördern, die darauf hinauslaufen, den Menschen nicht mehr als Ware Arbeitskraft, als Tauschwert zu verhandeln.

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Fromm vermerkt, das oberste Ziel von Menschen mit Marketing-Charakter ist die vollständige Anpassung, um unter allen Bedingungen des Persönlichkeitsmarktes begehrenswert zu sein.(10) Der Mensch wird zum psychisch abhängigen Objekt der Wirtschaftsmaschinerie, der Bürokratien usw. Er nimmt sich selbst gefangen. Für eine neue politökonomische Ordnung ist eine entscheidende Qualitätsanforderung, den Menschen nicht in Strukturen hineinzuzwängen, die ihn zu einem pathologischen Konformismus drängen, ihn in seiner Selbstwerdung behindern, emanzipatorische Entwicklungen unterminieren.

Selbst wenn wir auf eine Halbierung der heutigen Arbeitszeiten hinwirken im regulären Sektor, so mag das Problem weniger drängend sein, nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, wie es zu erreichen sein könnte, eine Arbeitswelt mit menschlichem Maß, ohne psychische Deformation hinzubekommen. Andre Gorz meint, die persönliche Selbstentfaltung und die eigenen Ziele sind in der Freizeit zu realisieren, und können nicht in die Arbeitsphäre eingebracht werden, jedenfalls kann die Fremdbestimmung niemals völlig zugunsten der Autonomie abgeschafft werden in unseren hocharbeitsteiligen Gesellschaften."

Man muß sich allerdings schon damit auseinandersetzen, wie man im Arbeitsprozeß das autonome Individuum stärken kann, und da würde ich sagen, wir brauchen einen grundlegenden Umbau in unserer Sozialökonomie, um dafür die Voraussetzungen zu verbessern.

In der Politik sind im vergangenen Jahrhundert immer mehr demokratische Verkehrsformen in vielen Ländern durchgesetzt worden. Nicht daß wir da schon alle Probleme gelöst hätten, wenn man etwa an die ausstehende Einführung von Volksentscheiden denkt. Doch im Bereich der Wirtschaft grassiert in Sachen Demokratie „tiefster Feudalismus", wenn man so will. Da ist ein Zustand etabliert, der eigentlich unerträglich ist, von vielen aber als nicht veränderungsmöglich eingeschätzt wird. Hier wäre aber eine grundsätzliche Transformation der heutigen ökonomischen Verhältnisse angezeigt. Die Wirtschaft muß gegenüber der politischen Gesellschaft aufholen und ihre gravierenden demokratischen Defizite abbauen. Dabei ist natürlich ohne Frage klar, daß die Mehrheitsmeinung nicht immer die beste Option sein muß, sondern vorausschauende Vorsorge mit dazu gehört. Meist kommen diese Hinweise aus kleinen Minderheiten, die die Möglichkeit haben müssen, sich auch artikulieren zu können.

Die ökologische Situation weist uns darauf hin, daß wir sehr stark uns auf dezentrale ökonomische Strukturen in Zukunft stützen müssen, auf eine Ökonomie der kurzen Wege. Das bedeutet nun nicht, daß es gar keine zentralen Unternehmungen mehr gibt, für einen eher kleinen Bereich von Produkten wird dies sehr sinnvoll sein. Es kann nicht jede größere Region ihre eigenen Lokomotiven und Anhänger herstellen usw. Zugleich wird es hierzulande keine Erdbeeren aus Israel und Zwiebeln aus Neuseeland geben dürfen. Lebensmittel können wieder aus der unmittelbaren Umgegend kommen, und das gilt auch für viele andere Produkte. Stärker regional ausgerichtete Wirtschaftskreisläufe verbessern auch die Bedingungen für eine betriebliche Mitbestimmung, wenngleich damit nicht gesagt ist, daß größere Firmen nicht demokratisch gestaltet werden können. Bei Standorten an mehreren Punkten in der Welt werden solche Absichten jedoch gewiß nicht einfacher.

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Erich Fromm meint, es wäre falsch entgegenzusetzen, hier zentralisiertes und autoritäres Management und auf der anderen Seite ein planloses und unkoordiniertes Management der Beschäftigten. Und jetzt etwas durch mich präzisiert: Entscheidun-gen müssen gut durchlässig von oben nach unten und von unten nach oben fließen können und müssen sinnvoll kombiniert zentral und dezentral getroffen werden.(12) Jeder braucht natürlich über die Vorgänge, wichtige Funktionen und Probleme im Unternehmen genaue Informationen. Es ist zweifellos einfacher, wenn einer oder eine Gruppe von der Spitze herab das Geschehen dirigiert. An den Gedanken, daß der Betriebschef auf Zeit gewählt ist, wird man sich noch gewöhnen müssen. Der Einzug demokratischer Verkehrsformen in der Wirtschaft ist aber erst ein Teil der Lösung, wäre aber für sich genommen schon ein großer zivilisatorischer Gewinn. Der mißratene und in der Stalinzeit oder unter Mao in China höchst verbrecherische Scheinsozialismus, trug viel dazu bei, daß man es in der westlichen Hemisphäre leicht hatte, Verhältnisse zu legitimieren, wo ein Pol auf Kosten des anderen entwickelt wird. Man konnte immer gen Osten zeigen und die eigene leistungsfähigere Wirtschaft legitimierte in vielen Industriestaaten ökonomische Verhältnisse, die auf ungerechtfertigten Vorteilsnahmen beruhen.

Die ökologische Begrenzungskrise setzt derlei Selbstgerechtigkeit unbequemen Nachfragen aus. Wenn große Teile der Industriegesellschaft zurückgebaut werden müssen, wird man sich damit befassen müssen, wie eine sozial gerechte Verteilung des Wirtschaftsprodukts eingerichtet werden kann, weil einem sonst der ganze Laden früher oder später um die Ohren fliegt, in jedem Fall aber eine höchst asoziale Gesellschaft entsteht in der immer weniger Menschen sich einen sehr großen Anteil am Volksvermögen aneignen. Das ist dann das Ende halbwegs unbeschwerter Verhältnisse im bürgerlichen Westen und bringt Material auf die historische Tagesordnung, das in den reichen Staaten als längst überwunden geglaubt war.

358 Milliardäre verfügen über soviel Geld wie 2,5 Milliarden übriger Erdenmenschen, also knapp die Hälfte der Weltbevölkerung.(13) Wenn Reichtum solche Höhen erklimmen kann und dabei fatale soziale Ungerechtigkeiten produziert, dann kommt man um eine neue Verteilung nicht herum, wenn man nicht totalitären Regimen für die Zukunft das Wort reden will. Das gleiche Bild ergibt sich beim Landbesitz. Weltweit gehören 75 Prozent des Landes, das unter Privatbesitz fällt, nur 2,5 Prozent der Landbesitzer.14 Von 1983 bis 1989 stieg die Zahl der Einkommensmillionäre in der Bundesrepublik von 33000 auf 56000, um im größeren Deutschland bis 1996 nahe an 100000 heranzukommen. Über 1000 davon verdienen jährlich mehr als 10 Millionen Mark.15 Wenn die eine Bürgerhälfte 4 Prozent aller Geldvermögen besitzt und die zweite Bürgerhälfte 96 Prozent, dann bedarf es einschneidender Korrekturen, um diesen asozialen Zustand zu bereinigen.(16)

Sehr besorgniserregend ist auch der Entwicklungsgang der weltweiten kapitalistischen Finanzmärkte. Geld wird heute international nicht mehr umgetauscht, um den Warenverkehr oder die Investitionen zu finanzieren, sondern um kurzfristig spekulative Gewinne zu machen.

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Die Umsätze auf den internationalen Devisenmärkten betragen jeden Tag etwa 1600 Milliarden US-Dollar. Elmar Altvater führt aus, wenn man diese Zahlen in Verbindung setzt mit der realen Wirtschaftstätigkeit im Welthandel, dann kann man feststellen, daß etwa 97 Prozent der finanziellen Transaktionen in der Welt spekulativen Charakter tragen.(17) Die heutige Handhabung der Finanzaktivitäten komme einem globalen Spielcasino gleich, nur daß hier nicht der eigene Spieleinsatz verwendet wird, sondern von den Banken geliehenes Geld, schreibt Oskar Lafontaine. Über Investmentfirmen wird kurzfristig mit Summen operiert, die weit über das eigene Einlagekapital hinausgehen.(18)

Dieser ganze erbärmliche Parasitismus ist gebaut auf eine Produktionsweise, in der fremde Arbeitskraft und fremde Arbeitsprodukte im Wirtschaftsprozeß den Vermögenden zufließen. Die Aufhäufung dieser Kapitalien wird möglich, indem die abhängig Beschäftigten weniger verdienen, als sie im Gegenzug an Leistung erbracht haben. Mit zu diesem ökonomischen Kreislauf gehört natürlich auch, daß den Kunden beim Kauf eines Produktes immer mehr an Geld abverlangt wird, als das Produkt und sein Verkaufsprozeß in Wirklichkeit wert sind. Gänzlich ohne die Beimengung dieser Überschüsse würde die Vorfinanzierung des Produktionsprozesses erlahmen, nur sehen wir, es sammelte sich im Laufe des Industrialismus ein Quantum an Reichtum an, das im Zeitalter der ökologischen Weltkrise unser ganzes Haus zum Einsturz zu bringen droht, weil wir die materiell-technischen Aufschichtungen, die dafür nötig sind, sehr weitgehend zurücknehmen müssen.

Die große weltgeschichtliche Herausforderung ist, kann es uns gelingen, eine neue politökonomische Ordnung zu etablieren, die den Konflikt der Umverteilung von Arbeitsergebnissen entschärft, wo demokratische Strukturen in der Arbeitswelt Einzug halten und die Entfremdung von der eigenen Tätigkeit minimiert wird? Diese Struktur muß dann auf einer Ordnung der Selbstbegrenzung fußen, von ihr her bestimmt werden. Zudem darf die Eigeninitiative nicht erdrosselt werden, wie in den staatskapitalistischen Staaten des einstigen politischen Ostens.

Der Arbeitnehmer von morgen wird Mitunternehmer sein. Je zur Hälfte ist die Belegschaft und die Gesellschaft Eigentümer. Jeder Beschäftigte würde so an der Gewinnausschüttung beteiligt. Die Ergebnisse der Produktion schlagen sich in seinem Einkommen nieder. Einst hatte der abhängig Beschäftigte in seinem Betrieb nichts zu sagen. Er war gehalten, seine Arbeitsaufgaben gewissenhaft wahrzunehmen, als Person sollte er den Wünschen seines Vorgesetzten entsprechen, sonst konnte er sich seine Papiere abholen und beim Arbeitsamt anmelden. Was und wie gearbeitet wurde, entschied man über die Werktätigen hinweg. Dies würde sich in den neuen politöko-nomischen Verhältnissen gründlich ändern. Der Mensch wird an seiner Arbeitsstätte mehr und mehr ein ganzer Mensch, er agiert nicht wie früher als latenter Untertan, als Ware Arbeitskraft. Es ist ganz klar, daß dies eines völlig anderen Wirtschaftsrechts und praktisch-technischer Regularien bedürfte, als dies heute der Fall ist. Etwa bei der Polizei, im Schulwesen u.a. muß man natürlich nach modifizierten Modellen suchen. Jede Betriebseinheit wählt künftig ihren Vertreter oder ihre Vertreterin für den regionalen Wirtschaftsrat, der sehr weitgehend über die ökonomischen Perspektiven

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bestimmt. Er managt den gesellschaftlichen Bereich des Eigentums. Den Gemeinden und Städten sind dabei Mitspracherechte eingeräumt. Aus den regionalen Wirt-schaftsräten konstituiert sich der nationale Wirtschaftsrat. Dort sollten im übrigen auch die Verbraucher mitreden können. Das Ökologische Überhaus und das Bundesparlament bestimmen gegenüber den Wirtschaftsräten die Rahmenbedingungen für die ökonomischen Entwicklungen. Sie können dabei sehr weitgehende Rechte wahrnehmen.

Zur Erläuterung: das Ökologische Oberhaus ist eine politische Instanz, die auf eine Idee von Rudolf Bahro zurückgeht und die er in seinem zweiten Hauptwerk „Logik der Rettung" vorstellt. Ich versuchte dieses Konzept praxistauglich weiterzuentwik-keln und dabei einige Elemente auch neu zu fassen.(19)

Dieses Ethik- und Ökoparlament würde als oberstes Staatsorgan, als rahmengebende Institution für Bundestag und -rat etc. fungieren. Gegenwärtig lenkt der Verteilungskampf um Besitzstände die gesellschaftliche Perspektive. Für einen ökologischen Aufbruch der Gesellschaft ist diese Fehlfunktion verhängnisvoll. Das perspektivische Entscheidungsrecht soll deshalb einem Ökologischen Oberhaus übertragen werden. Dieses konstituiert sich durch eine demokratische Personenwahl. Parteien, Verbände etc. sind nicht berechtigt, in ihrem Namen Kandidatinnen aufzustellen.

Der politische Arm der Begrenzungsordnung gewinnt von diesem Oberhaus her das prägende Gesicht und hat für den nationalen Wirtschaftsrat Weisungsrechte, ohne daß aber die demokratische Willensbildung dort völlig negiert werden kann. Die Anforderungen des ökologischen Oberhauses und des Bundestags können jedoch nicht übergangen werden. In jedem Fall muß das Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft zurückgewonnen werden. Es ist ein kulturloser Zustand, wenn kurzfristige Wirtschaftsinteressen das langfristige Gemeinwohl an den Rand drücken.

Die zweite Achse des neuen politökonomischen Systems betrifft die Reichtumsbegrenzung auf allen Ebenen. Diese ist unabdingbar, wenn wir sozialökologisch stabile Verhältnisse auf Dauer erhalten wollen. Viel „haben" darf sich künftig nicht mehr lohnen. Eine ökologische Wirtschafts- und Lebensweise bedeutet, Maß zu halten und mit sehr wenig materiellen Mitteln viel Lebensqualität zu gestalten. Von daher muß auch der noch erhaltene kapitalistische Expansionsschub kulturell domestiziert werden. Das Gewinnmotiv in der Wirtschaft bleibt jedoch auf vielen Ebenen erhalten. Das führt z.B. nicht zu der weitgehenden Interesselosigkeit am hergestellten Produkt und Eigentum, wie im Scheinsozialismus des Ostens. Auf der anderen Seite versklavt das Profitmotiv nicht den gesamten Gesellschaftskörper, wie das in der westlichen Hemisphäre der Fall ist und wie das nach der Öffnung der Berliner Mauer weltweit unangefochtenen Einzug hielt.

Praktisch könnte man die Veränderungen so angehen: Schritt für Schritt würden überdurchschnittliche Einkommen immer stärker besteuert, ebenso lohnt sich innerhalb von zehn, zwanzig Jahren Geldbesitz über den gesellschaftlichen Durchschnitt nicht mehr. Gleiches passiert im Bereich des Landbesitzes. Weiterhin könnte jeder sein Haus auf eigenem Grund und Boden bauen, doch wer mehr besitzen will als die Masse der Leute, muß darauf hohe Steuern bezahlen.

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Landwirtschaftliche Flächen und Wälder gehören wieder der angrenzenden Gemeinde. Die Acker und Wiesen werden verpachtet. Dafür die Bedingungen zu schaffen, bedeutet natürlich eine völlige Abkehr von der kommerziellen Gewinnsucht als alles überragendes Prinzip im heutigen gesellschaftlichen Ambiente und setzt einen kulturellen Paradigmenwechsel voraus.

Bei dieser ganzen Konzeption ist natürlich immer noch vorausgesetzt, wir gehen von hoch arbeitsteiligen Strukturen aus, auch wenn sie kaum mehr über die regionalen Bedürfnisse hinauswachsen. Diese Strukturen sind in vielen Teilen der Welt nicht gegeben oder nur teilweise vorhanden. Insofern ist es zwingend mitzuberücksichtigen, daß es auch viele Arbeiten gibt, die in Subsistenz ausgeführt werden, Praktiken bis hin zu Tauschringen kommen ins Spiel. Genau genommen fällt auch der ganze Bereich, der nicht an bezahlte Arbeit gebunden ist, in den Subsistenzsektor, ist aber selbstverständlich genau so gesellschaftlich notwendig. Etwa die Kinder wollen betreut sein, die Pflege der Alten braucht ihre Zeit usw. Mit der Verkürzung der Arbeitszeit und den ökologischen Anforderungen wird Subsistenz auf jeden Fall eine größere Rolle spielen, nur denke ich nicht, daß es im gesellschaftlichen Schnitt sinnvoll wäre, ganz darauf zu orientieren, wie das zum Beipiel Maria Mies fordert.(20)

Wie soll die Arbeit in einer zukünftigen Gesellschaft gestaltet sein?

Heute haben wir 7 bis 8 Millionen Arbeitslose in Deutschland, wenn wir die Umschüler und diejenigen mitrechnen, die nichts mehr vom Arbeitsamt bekommen. Auf der anderen Seite wurden im Jahr 2000 1,9 Milliarden Überstunden geleistet. Eine Politik und Ökonomie, die so etwas zuläßt, kann jedenfalls keine humane Intelligenz für sich reklamieren. Langfristig muß es darum gehen, die reguläre Arbeitszeit zu halbieren. Das setzt ein Umdenken bei den Menschen voraus, und andererseits müssen darauf Rentensysteme und andere soziale Erfordernisse zugeschnitten werden. Franz Alt führt aus, wir brauchen eine Feminisierung unserer Arbeitszyklen, die männlichen Karrieremuster stehen zur Debatte. Die Männer müssen sich mehr auf Familien- und Beziehungsarbeit einlassen.(21) Überdies sind Schieflagen in der geschlechtlichen Arbeitsteilung grundlegend zu korrigieren. Es ist ein Unding, daß an unseren Universitäten fast ausschließlich Männer im Professorenstand dozieren, nur als Beispiel. Die Mehrfachbelastungen der Frauen durch Vereinbaren müssen von Beruf, Kindern und Haushalt, könnten längst abgebaut sein.
Marx und Engels hatten einst darauf aufmerksam gemacht, es sei nicht sinnvoll, eine ausschließliche Tätigkeit aufgedrängt zu bekommen.(22) In Anlehnung an sie könnte man formulieren: Von Montag bis Mittwoch stellt man Möbel her, am Donnerstag macht man einen Ausflug mit den Kindern und an sonstigen Tagen wird philosophiert, Karten gespielt, renoviert usw., und es findet sich vor allen Dingen auch wieder Raum für spirituelle Erneuerung. Das kann dann jeder nach seinen Akzenten etwas abwandeln.

Rudolf Bahro erläuterte in seiner Alternative, daß man darauf orientieren solle, die pyramidale Arbeitsteilung der Gesellschaft aufzuheben. Das scheint mir nach wie vor ein interessanter Gedanke, wenngleich Bahro die Universitätsbildung für alle später verworfen hat unter dem Gesichtspunkt, daß wir nicht Funktionäre der Megamaschine werden sollten. Dies schließt allerdings nicht aus, ein emanzipiertes Lernen nach wie vor für alle zu ermöglichen, die das wollen. Ihm ging es darum, daß jeder mal die Karre schiebt und jeder mal geistig tätig sein kann und überdies in die Lenkung des Gemeinwesens vollständig einbezogen ist. Ob wir von daher unsere Arbeitswelt neu organisieren wollen, das wäre schon noch mal ein gründliches Nachdenken wert.(23)

Wichtig ist mir hier jetzt, neue Gedanken anzustoßen, wie wollen wir in Zukunft arbeiten und daß wir vielleicht etwas davon abkommen, mit wohlgemeinter Kritik am Bestehenden die Götter des neoliberalen Olymp hintenrum doch anzubeten, ohne zu diskutieren, wie ein alternatives Wirtschaftssystem konkret und praxistauglich aussehen könnte.

Damit würde man neue Muster setzen. Damit beginnt jede große Veränderung. Ohne Pardon, es muß vieles kritisch hinterfragt werden, manche modifizierte Idee Eingang finden bzw. das Ganze weiterentwickelt werden. Das setze ich als selbstverständlich voraus.

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 1  Lewis Mumford; Mythos der Maschine. Kultur, Technik und Macht. Die umfassende Darstellung Entdeckung und Entwicklung der Technik, Frankfurt am Main, 1986, S.82

 2  Erich Fromm; Sich nicht vom Schein trügen lassen; in: Rainer Funk, Marko Ferst, Burkhard Bierhoff; Erich Fromm als Vordenker. Haben oder Sein im Zeitalter der ökologischen Krise, Berlin 2001

 3  Erich Fromm; Die Frucht vor der Freiheit, München, 1991, S.48

 4  Friedrich Schmidt-Bleek; Wieviel Umwelt braucht der Mensch? mips. Das Maß für ökologisches Wirtschaften, Berlin, Basel, Bosten, 1993, S.168, 228

 5  Matthew Fox; Revolution der Arbeit. Damit alle sinnvoll leben und arbeiten können, München, 1996, S. 14

 6  zitiert in: Matthew Fox; Revolution der Arbeit. Damit alle sinnvoll leben und arbeiten können, München, 1996, S.81

 7  Meister Eckhart; Vom Wunder der Seele. Eine Auswahl aus den Traktaten und Predigten, Stuttgart, 1989, S.31

 8  Karl Marx; Ökonomisch-philosophische Manuskripte (1844) MEW Ergänzungsband erster Teil, Berlin, 1968, S.518

 9  ebenda, S. 512

10 Erich Fromm; Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft, München, 1976, S.142

11 Andre Gorz; Kritik der ökonomischen Vernunft. Sinnfragen am Ende der Arbeitsgesell-schaft, Hamburg, 1989, S.136
12 Erich Fromm; Wege aus einer kranken Gesellschaft. Ein sozialpsychologische Untersuchung, München, 1955, S.272
13 Hans-Peter Martin, Harald Schumann; Die Globalisierungsfalle. Der Angriff auf Demokratie und Wohlstand, Hamburg, 1996, S.40
14 Ekkehard Launer; Datenhandbuch Süd-Nord, Göttingen, 1992, S.l 16
15 Gregor Gysi; Nicht nur freche Sprüche, Berlin, 1998, S. 19
16 Margrit Kennedy; Geld ohne Zinsen und Inflation. Ein Tauschmittel das jedem dient, München, 1991, S.8Ü/81 (Da die Angabe von 1983 stammt, muß man insbesondere durch die Angliederung der DDR damit rechnen, daß sich diese Proportion noch weiter in Richtung sozialer Ungleichheit verschoben haben dürfte. Aber auch der fortgesetzte Umverteilungsprozeß von Unten nach Oben wird eine solche Entwicklung stark befördert haben, wie dies auch im vorhergehenden Hinweis deutlich wird.)

17  Elmar Altvater in; Kapitalismus ohne Alternativen; Neu-Ulm, 1999, S.22

18  Oskar Lafontaine; Das Herz schlägt links, München, 1999, S.199-200

19 Rudolf Bahro; Logik der Rettung. Wer kann die Apokalypse aufhalten? Ein Versuch über die Grundlagen ökologischer Politik, Stuttgart,1990, S.490-494; Franz Alt, Rudolf Bahro, Marko Ferst; Wege zur ökologischen Zeitenwende. Reformalternativen und Visionen für ein zukunftsfähiges Kultursystem, Berlin, 2001, im Abschnitt: „Umbau des Regierungssystems"

20  vgl. z.B.: Maria Mies; Patriarchat und Kapital. Frauen in der internationalen Arbeitsteilung, Zürich, 1986
21  Franz Alt; Das ökologische Wirtschaftswunder. Arbeit und Wohlstand für alle, Berlin, 1997, S.123
22  Karl Marx, Friedrich Engels; Die deutsche Ideologie, MEW Band 3, Berlin, 1973, S.33
21  vgl in: Rudolf Bahro; Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus, Berlin, 1990

 

 

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