Max FrischStillerGantenbeinHomo FaberFragebogen 1966 |
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Der Fragebogen 1966
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wikipedia Der_Mensch_erscheint_im_Holozän
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Zum hundertsten Geburtstag von Max Frisch
wurde der Fragebogen neu ausgefüllt - in der FAZ 2011:
faz autoren/antworten-auf-max-frisch-was-fehlt-uns-zum-glueck
1. Sind Sie sicher, dass Sie die Erhaltung des Menschengeschlechts, wenn Sie und alle Ihre Bekannten nicht mehr sind, wirklich interessiert?
Jonathan Franzen: Nein und ja.
Alexander Kluge: Ich bin sicher.
2. Warum?
Jonathan Franzen: Nein, weil ich nicht glaube, dass man unserer Spezies die Verantwortung über unseren Planeten anvertrauen kann, ich glaube vielmehr, dass wir ihn am Ende komplett verschrotten werden. Ja, weil unsere Spezies darin einzigartig ist, ein Bewusstsein zu haben, und etwas an unserem Schicksal, die Wesen zu sein, durch welche das materielle Universum seiner selbst bewusst wird, wunderschön ist – in der aufeinander abgestimmten Komplexität von Universum und menschlichem Gehirn. Persönlich gibt es mir als Autor ein größeres Gefühl von Bedeutung, wenn ich mir vorstelle, dass etwas, das ich geschrieben habe, jemandem immer noch gefallen oder Trost spenden könnte, wenn jeder, den ich kenne und liebe, längst tot ist.
Alexander Kluge: Warum? Zum Menschengeschlecht zählen z. B. meine Vorfahren und meine Kinder. Auch viele Tote, die ich liebe und die Eideshelfer dafür sind, dass etwas an den Menschen, einem Mangelmutanten, sich eventuell noch verbessern lässt und überleben sollte.
3. Wie viele Kinder von Ihnen sind nicht zur Welt gekommen durch Ihren Willen?
Jonathan Franzen: Falls ich Kinder haben sollte – und ich bin mir ziemlich sicher, dass dem nicht so ist –, wurden sie sicher nicht absichtlich gezeugt.
Alexander Kluge: Die Frage habe ich mit Max Frisch direkt aufgrund einer Szene aus dem Film „Abschied von gestern“ ausgetauscht. Es ist keine Sache der Öffentlichkeit.
4. Wem wären Sie lieber nie begegnet?
Jonathan Franzen: Ganz ehrlich: niemanden.
Alexander Kluge: Allen Funktionären der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft.
5. Wissen Sie sich einer Person gegenüber, die nicht davon zu wissen braucht, Ihrerseits im Unrecht und hassen Sie eher sich selbst oder die Person dafür?
Jonathan Franzen: Ich bin mir bewusst, fast jedem gegenüber zumindest ein bisschen im Unrecht zu sein, aber „Hass“ würde ich nicht nennen, was ich da empfinde. „In der Schuld“ trifft es vielleicht besser.
Alexander Kluge: Ich hasse mich selbst dafür.
6. Möchten Sie das absolute Gedächtnis?
Jonathan Franzen: Ja, wenn „absolut“ nicht „total“ heißt. Ein absolutes Gedächtnis gewährte mir anschaulichen Zugang zu jeder nützlichen Information, die ich je gelernt habe, und jeder interessanten Erfahrung, die ich je erlebt habe – unter Ausschluss aller schrecklichen Texte und Melodien von Popsongs, die ansonsten mein Hirn verstopfen.
Alexander Kluge: Nein. Das absolute Gehör hätte ich gern.
7. Wie heißt der Politiker, dessen Tod durch Krankheit, Verkehrsunfall usw. Sie mit Hoffnung erfüllen könnte? Oder halten Sie keinen für unersetzbar?
Jonathan Franzen: Es liegt mir nicht, anderen Leuten Krankheit oder Tod zu wünschen, obwohl ich mir vorstellen könnte, dass es so wäre, wenn ich in einem weniger begünstigten Land leben würde.
Alexander Kluge: Manche halte ich für ersetzbar. Auf das Ende der Amtszeit von George W. Bush habe ich gewartet. Über den Tod von Menschen, sagt der Vatikan, darf man sich aber nie freuen.
Max Frisch