Dr. Götz Fenske

Fortschritte in die Katastrophe 

Die Weltzivilisation nach dem Scheitern
der UN-Klima-Konferenz in Kopenhagen

2009

 

Autor: *1939, Dermatologe

Seit 1958 in der Natur­schutz­bewegung aktiv
Mitbegründer des Landes­verbandes 
Bayern der Grünen Aktion Zukunft (GAZ)

2009

 

Bing.Artikel

Quelle:
herbert-gruhl.de 

 

detopia: 

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Klimabuch  

 

Marko Ferst 

Mike Davis 

 

 

Die physikalische Grundlage der Klimaproblematik ist einfach zu verstehen: Es sind die Materialeigenschaften der klimawirksamen Spurengase. Nehmen wir das wichtigste, CO2: Es absorbiert die Wärmestrahlung — wie man im Labor schon im 19. Jahrhundert gemessen hat (Svante Arrhenius ) — und es läßt die kurz­welligere Strahlungsenergie der Sonne hindurch, so dass die Erde weniger Wärme in den Weltraum abstrahlt und auf diese Weise sich aufheizt, wenn die CO2-Konzentration in der Lufthülle zunimmt, die Strahlungsenergie der Sonne aber unverändert bleibt.

Unsere technische Zivilisation, die so unglaublich komplizierte Naturphänomene auszunutzen versteht (wenn es dem kurzfristigen Nutzen dient), scheitert an der Berücksichtigung einer so einfachen Materialeigenschaft.

Der 19. Dezember 2009, Zeitpunkt des Endes der Kopenhagener UN-Klimaschutzkonferenz, steht für dieses Scheitern und ist so von herausragender Bedeutung für die Geschichte der technischen Zivilisation.

Dieses Scheitern folgt der Logik der kurzfristigen Partikularinteressen. China beispielsweise zeigt sich nur am Wirtschaftsaufschwung interessiert und das Agieren des US-Kongresses und des US-Präsidenten versteht man am besten, wenn man weiß, daß allein die amerikanische Finanzindustrie im vergangenen Jahrzehnt 1,7 Milliarden Dollar für politische Einflußnahme in Washington aufgewandt hat. “Pflege der politischen Landschaft“ hieß das einmal in der Bundesrepublik. Dazu kommt noch einmal die doppelte Summe für politische Lobbyarbeit.

Die Kopenhagener Konferenz ist gescheitert, und das hat unübersehbare Konsequenzen für die Überlebenschancen der Menschheit, aber es hat auch entscheidende gesellschaftspolitische Konsequenzen. 

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Staatliche Legitimität gründet nach modernem Verständnis darauf, dass der Staat als Institution den allgemeinen Volkswillen ermittelt und dann vollzieht und die Interessen aller Bürger berücksichtigt.

Das Weltklimaproblem kann [aber] nur von allen Völkern gemeinsam gelöst werden; insofern wäre hier die gesamte Weltbevölkerung der Souverän. Es müßten also die Interesssen aller berücksichtigt werden: die Interessen der Bewohner der Küsten und Inseln, der Bewohner der Hochebenen, die Interessen der Bewohner des Südens und des Nordens, der Alten und der Jungen und so fort. 

Daran ist Kopenhagen gescheitert, und wenn dieses Scheitern nicht korrigiert wird — was leider anzunehmen ist — bedeutet dies eine ganz entscheidende Delegitimation der beteiligten Nationalstaaten und der UNO.

Dies festzustellen bedeutet keineswegs auf eine weltpolitische Petitesse hinzuweisen; es ist ein Faktum, das die Überlebensmöglichkeiten der Generation unserer Kinder und Enkel genauso schwer tangieren wird wie die ökologische Devastierung der Biosphäre. Und die Bedrohung durch Terror und Krieg wird sie eher erreichen, als die blanke materielle Not.     wikipedia  Devastierung    wikipedia  Petitesse

Die Klimakatastrophe wird Hunderte von Millionen Menschen ihrer Lebensgrundlage berauben und diese werden mit Recht sagen: "Man hat uns unserer Lebensrechte beraubt und hat dies schuldhaft getan." Die Folgerung wird dann vielfach lauten: “Laßt uns zur Gewalt greifen, um uns zu nehmen, was uns zusteht!“  

Delegitimierung staatlicher Institutionen durch Ideologien (s. RAF oder Rote Brigaden) oder religiöse Überzeugungen (Islamismus) ist die Voraussetzung für Terror und Krieg.

Deswegen läßt sich sicher prognostizieren, dass die im Falle der Klima­katastrophe einsetzende Explosion der Gewalt die RAF und die islamistisch motivierten Gewalttäter heutiger Zeit als eine idyllische Zwergentruppe wird erscheinen lassen. 

Man könnte hier einwenden, spätere Konferenzen könnten die Versäumnisse von Kopenhagen ja noch ausgleichen. Dass aber die notwendigen tiefen Einschnitte getroffen werden, ist wenig wahrscheinlich. Was sagte Carl Amery im Hinblick auf internationale Umweltkonferenzen? Sie seien Farcen. — Dem ist nichts hinzuzufügen.

Die Situation ist verfahren wie man auch aus zwei Fakten sehen kann:

1. Angenommen, die Weltgemeinschaft brächte das Kunststück fertig, die Emissionen klimawirksamer Gase bis auf das von dem internationalen Wissenschaftler­gremium IPCC geforderte Maß zu senken (dies hieße, die Industriestaaten müßten bis 2050 ihre Klimagasemissionen um 80-95 Prozent senken). Wäre dann das Weltklima wirklich gerettet? Wäre die berühmte 2-Grad-C-Grenze der weltweiten Temperaturerhöhung dann sicher eingehalten? Leider nein. Die Wahrscheinlichkeit hierfür läge lediglich bei 66 Prozent! Es könnten also alle Bemühungen umsonst sein, weil man in der Vergangenheit unbesorgt drauflos gewirtschaftet hat!

2. Ein Führungszirkel aus Forschern aus dem IPCC hat folgende Rechnung aufgemacht: 

Es wurden alle klimawirksamen Spurengase, deren Emission der Mensch verursacht hat, in CO2-Äquivalente umgerechnet. Nun ist es ja so, dass die Berechnungen ergeben, wenn man die zitierte 2-Grad-C-Grenze einhalten wollte, dürfte eine Gesamtkonzentration von 450 ppm CO2 in der Lufthülle der Erde nicht überschritten werden. Errechnet man nun die zusätzlichen CO2 Äquivalente, wie oben erwähnt aus den anderen klimawirksamen Spurengasen, so kommt man tatsächlich auf eine klimawirksame CO2-Konzentration von 465 ppm. Es wäre also der Grenzwert von 450 ppm deutlich überschritten. 

Dazu erklären diese Klimaforscher: Diese heutige Konzentration von klimawirksamen Gasen ist bereits völlig ausreichend, um einen Temperaturanstieg um 2 bis 2,4 Grad C zu verursachen. Zweitens erklären diese Forscher: Das vielzitierte Ziel, zwei Grad Temperaturanstieg nicht zu überschreiten, kann daher unmöglich eingehalten werden, weil man die Emissionen nicht von heute auf morgen beenden kann, selbst wenn man alles zur Einsparung unternimmt, was möglich ist. Man könne jetzt nur noch auf mehr CO2-Senken hoffen, z.B. neu anzupflanzende Wälder.

 

Nun könnte man einwenden, tatsächlich sei aber heutzutage der Temperaturanstieg noch längst nicht soweit gediehen. Das ist richtig, aber kein Widerspruch zu diesen Berechnungen. Wir haben einerseits durch Ruß und Staub in der Atmosphäre ein wärmedämmendes Phänomen, global dimming genannt (die entsprechenden Staubeinträge erfolgen vor allem in den Ballungsgebieten der Schwellen- und Entwicklungsländer). Weiterhin haben die Weltmeere, die eine große Wärmeaufnahme­kapazität haben, einen gewissen Verzögerungseffekt für den Temperaturanstieg der Lufthülle der Erde.

Die Menschheit müßte, um aus dem selbstgeschaffenen Dilemma herauszukommen, eine radikale Änderung ihres Lebensstils vornehmen. Das gilt für die Industrie­länder und die Schwellenländer, die ihnen in dieser Hinsicht auf den Fersen sind.

Und das Wachstum der Weltbevölkerung müßte radikal gestoppt werden, denn die Zahl der Erdbewohner wird bis 2050 noch einmal um fast 50 Prozent ansteigen. Hier wären zusätzlich auch die Entwicklungsländer gefordert. Dies ist leider ein tabuisiertes Problem.

Es ist sinnlos, die gesamte Situation durch einen aufgesetzten Optimismus aufzuhübschen. Die Klimakatastrophe scheint nicht mehr aufzuhalten. Und trotz der Dimension der Gefahr wird das Menschen­mögliche unbegreiflicherweise eben doch nicht getan. Ökologisch versierte Zeitanalytiker haben dies schon Ende-80er/Anfang-90er vorausgesagt. Sie hatten Recht — wie wir heute sehen.  

 

Ende

 

 

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Götz Fenske (2009) Fortschritte in die Katastrophe - Die Weltzivilisation nach dem Scheitern der UN-Klima-Konferenz in Kopenhagen