Wilhelm von Humboldt

 

Ideen zu
einem Versuch, 
die Grenzen (Gränzen)
der Wirksamkeit des
Staats zu bestimmen.

 

 

1792 geschrieben (mit 25 Jahren)

1851 zuerst publiziert  

2022 im Gröls-Verlag, Hamburg

 

ca.200 Seiten, je nach Druck

 

1792   (1851)   ca. 200 Seiten


wikipe Wilhelm  *1767 in
Potsdam bis 1835 (68)

wikipe Alexander  *1769
in Berlin bis 1859 (89)


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detopia:  Umweltbuch

Utopiebuch

H.htm    Sterbejahr


Nozick    Grimm     Thoreau    Marsh

 

Mit einer Einleitung von Caroline Wolzogen

 

detopia-2005: Mit 25 Jahren geschrieben, aber erst 60 Jahre später veröffentlicht; 15 Jahre nach Tod; aber noch zu Lebzeiten des Bruders.

"Wenn man die merkwürdigsten Staatsverfassungen mit einander, und mit ihnen die Meinungen der bewährtesten Philosophen und Politiker vergleicht; so wundert man sich - vielleicht nicht mit Unrecht -, eine Frage so wenig vollständig behandelt, und so wenig genau beantwortet zu finden, welche doch zuerst die Aufmerksamkeit an sich zu ziehen scheint, die Frage nämlich: zu welchem Zweck die ganze Staatseinrichtung hinarbeiten und welche Schranken sie ihrer Wirksamkeit setzen soll?"


Der staatsphilosophische Essay entstand 1792 und wurde im selben Jahr veröffentlicht. Schwierigkeiten mit der preußischen Zensur und eigene Bedenken Humboldts, der 1791 aus dem preußischen Staatsdienst ausgeschieden war, führten dazu, dass das Werk nicht in Buchform erschien; es wurde 15 Jahre nach Humboldts Tod aufgefunden und 1851 von Eduard Cauer herausgegeben.


Ideen... :


weitere Literatur:

  • D. Benner: W. v. H.s Bildungstheorie. Eine problemgeschichtliche Studie zum Begründungszusammenhang neuzeitlicher Bildungsreform, 2003.

  • D. Spitta: Die Staatsidee W. v. H.s, 2004.

  • J. Kost: W. v. H. – Weimarer Klassik – bürgerliches Bewusstsein. Kulturelle Entwürfe in Deutschland um 1800, 2004.

 

Leseberichte auf amazon:


Ein leider wirkungsloses "Liberales Manifest"   ---   2004 Von Morgenländer, Bremen

Wilhelm v. Humboldt steht im Schatten bedeutenderer Philosophen wie Fichte und Hegel - das ist bedauerlich, denn er ist einer der wenigen genuin liberalen deutschen Denker. Die "Ideen", zu Humboldts Lebzeiten nicht veröffentlicht, hätten das Zeug zu einem "Liberalen Manifest" gehabt - nur gab es in Deutschland keine Liberalen, deren Manifest es hätte sein können. Denn die Verbürgerlichung des Deutschen Reiches stand im Zeichen des Nationalismus, nicht des Liberalismus.

v. Humboldts Schrift ist also - anders als die Lockes und Mills, seiner Brüder im Geiste - zu Deutschlands Schaden nie wirkmächtig geworden. Es ist aber ein Irrtum zu meinen, die Freiheit des Denkens, Glaubens und Handelns seien in Deutschland mit Inkrafttreten des Grundgesetzes "endgültig" durchgesetzt. Die Gespenster des Glaubenshasses und der Unduldsamkeit sind nie endgültig vertrieben. Es ist also zu wünschen, dass v. Humboldt doch noch seine Leser findet. 


Deutschlands Beitrag zum Liberalismus ---  2006 Von Kankin Gawain 

Ich muss sagen, ich bin außerordentlich erleichtert (nun endlich) zu wissen, dass auch Deutschland eine liberale Tradition hat - in Wilhelm von Humboldt nämlich. Kerngedanke seiner kleinen Schrift ist, dass der Mensch, wenn er durch äußeren Zwang, beispielsweise staatliche Gesetze und Verordnungen, zu moralischem Verhalten gezwungen wird, nicht eben besser wird, sondern sein Charakter eher Schaden nimmt, solange er dem Guten und Richtigen nicht aus eigenem Antrieb entgegenstrebt.

Das ist gewissermaßen die Vorwegnahme der späteren, in der Psychologie gebräuchlichen, Konstrukte der intrinsischen und extrinsischen Motivation. Dass Humboldt darüber hinaus in einem ganz wunderbaren Deutsch schreibt, muss ich wohl nicht eigens erwähnen (und habe es soeben dennoch getan)! Zusammen mit Kants Kritik der reinen Vernunft und Schillers Briefen über die Ästhetische Erziehung des Menschen würde ich Humboldts Gedanken zu jenen drei Werken der deutschen Philosophie zählen, mit denen wir uns auch im Ausland (z.B. England mit seiner großen Tradition des Liberalismus) blicken lassen können! 


Plädoyer für den Minimalstaat   ---   2008 Von Frank Reibold

Der Autor versucht in seinem Buch, die Grenzen der Staatstätigkeiten aus dem Naturrecht abzuleiten. Dazu lässt er Ideen von Goethe, Rousseau, Kant und Ferguson einfließen. Die Hauptaufgabe des Staates liegt darin, für Freiheit sowie "Mannigfaltigkeit der Situationen" zu sorgen. Dazu müssen die Bürger Sicherheit haben. Der Autor kommt zu folgenden Schlüssen:

- der Staat darf nur "negative Rechte" (Eigentum, Freiheit, Sicherheit) gewährleisten 
- wenn der Staat auch "positive Rechte" (materielles Wohlergehen, z. B. Wohnrecht oder Sozialhilfe) leisten soll, zerstört er dadurch die Freiheit 
- Ungleichheit der Menschen ist für die Dynamik der Gesellschaft notwendig 
- staatliche Regulierung und öffentliche Erziehung machen aus Menschen "Maschinen" 
- staatliche Sozialpolitik ist nutzlos, erzeugt aber Abhängigkeit (der Autor vergleicht dies mit einem Arzt, der seine Patienten absichtlich nicht heilt, um so die Krankheit endlos zu verlängern) 
- sofern dies möglich ist, sollen die Angelegenheiten der Bürger über Verträge geregelt werden und nicht über staatlichen Zwang 
- was Erwachsene freiwillig tun, soll der Staat nicht verbieten (Kinder und Rechtsunfähige brauchen jedoch ggf. einen Vormund; für sie können auch gesetzliche Beschränkungen der Geschäftsfähigkeit gelten) 
- da der Staat das Gewaltmonopol hat, ist es schädlich, wenn ihm Unternehmen gehören 
- es soll keine Religion vorgeschrieben oder bevorzugt werden 
- für Ärzte und Rechtsanwälte sollte der Staat im Sinne der Qualitätssicherung eine Prüfung anbieten; diese muss jedoch freiwillig sein und darf keine Voraussetzung für das Ausüben des Berufes darstellen 
- Schutzzölle sind schädlich 
- der Staat muss sich somit auf die innere und äußere Sicherheit der Bürger sowie das Rechtswesen beschränken

Wie man sieht, läuft Humboldts Argumentation auf den libertären Minimalstaat hinaus, wie ihn z. B. Rand und Nozick vertreten. Die Argumente ähneln denen moderner "neoliberaler" Denker wie Friedman und Hayek. Mir hat das Buch gut gefallen, weil die Aussagen nach wie vor relevant sind und das Wichtigste in Merksätzen zusammen gefasst wird. Es ist gut zu wissen, dass Deutschland doch einen freiheitlichen Denker hatte, der den Staat nicht verherrlichte (sonst liest man immer nur das Gegenteil).


 

 

Wenn man die merkwürdigsten Staatsverfassungen mit einander und mit ihnen die Meinungen der bewährtesten Philosophen und Politiker vergleicht, so wundert man sich vielleicht nicht mit Unrecht, eine Frage so wenig vollständig behandelt und so wenig genau beantwortet zu finden, welche doch zuerst die Aufmerksamkeit an sich zu ziehen scheint, die Frage nämlich: zu welchem Zweck die ganze Staatseinrichtung hinarbeiten und welche Schranken sie ihrer Wirksamkeit setzen soll.

Den verschiedenen Anteil, welcher der Nation oder einzelnen ihrer Teile an der Regierung gebührt, zu bestimmen, die mannigfaltigen Zweige der Staatsverwaltung gehörig zu verteilen und die nötigen Vorkehrungen zu treffen, daß nicht ein Teil die Rechte des andren an sich reiße, damit allein haben sich fast alle beschäftigt, welche selbst Staaten umgeformt oder Vorschläge zu politischen Reformationen gemacht haben.

Dennoch müßte man, dünkt mich, bei jeder neuen Staatseinrichtung zwei Gegenstände vor Augen haben, von welchen beiden keiner ohne großen Nachteil übersehen werden dürfte: einmal die Bestimmung des herrschenden und dienenden Teils der Nation und alles dessen, was zur wirklichen Einrichtung der Regierung gehört, dann die Bestimmung der Gegenstände, auf welche die einmal eingerichtete Regierung ihre Tätigkeit zugleich ausbreiten und einschränken muß.

Dies letztere, welches eigentlich in das Privatleben der Bürger eingreift und das Maß ihrer freien ungehemmten Wirksamkeit bestimmt, ist in der Tat das wahre, letzte Ziel, das erstere nur ein notwendiges Mittel, dies zu erreichen. Wenn indes dennoch der Mensch dies erstere mit mehr angestrengter Aufmerksamkeit verfolgt, so bewährt er dadurch den gewöhnlichen Gang seiner Tätigkeit. Nach einem Ziele streben und dies Ziel mit Aufwand physischer und moralischer Kraft erringen, darauf beruht das Glück des rüstigen, kraftvollen Menschen.

Der Besitz, welcher die angestrengte Kraft der Ruhe übergibt, reizt nur in der täuschenden Phantasie. Zwar existiert in der Lage des Menschen, wo die Kraft immer zur Tätigkeit gespannt ist und die Natur um ihn her immer zur Tätigkeit reizt, Ruhe und Besitz in diesem Verstande nur in der Idee. Allein dem einseitigen Menschen ist Ruhe auch Aufhören einer Äußerung, und dem Ungebildeten gibt ein Gegenstand nur zu wenigen Äußerungen Stoff. Was man daher von dem Überdruß am Besitze, besonders im Gebiete der feineren Empfindungen, sagt, gilt ganz und gar nicht von dem Ideale des Menschen, welches die Phantasie zu bilden vermag, im vollesten Sinne von dem ganz Ungebildeten und in immer geringerem Grade, je näher immer höhere Bildung jenem Ideale führt.

Wie folglich, nach dem Obigen, den Eroberer der Sieg höher freut als das errungene Land, wie den Reformator die gefahrvolle Unruhe der Reformation höher als der ruhige Genuß ihrer Früchte, so ist dem Menschen überhaupt Herrschaft reizender als Freiheit oder wenigstens Sorge für Erhaltung der Freiheit reizender als Genuß derselben. Freiheit ist gleichsam nur die Möglichkeit einer unbestimmt mannigfaltigen Tätigkeit; Herrschaft, Regierung überhaupt zwar eine einzelne, aber wirkliche Tätigkeit.

Sehnsucht nach Freiheit entsteht daher nur zu oft erst aus dem Gefühle des Mangels derselben. Unleugbar bleibt es jedoch immer, daß die Untersuchung des Zwecks und der Schranken der Wirksamkeit des Staats eine große Wichtigkeit hat und vielleicht eine größere als irgendeine andre politische. Daß sie allein gleichsam den letzten Zweck aller Politik betrifft, ist schon eben bemerkt worden. Allein sie erlaubt auch eine leichtere und mehr ausgebreitete Anwendung.

Eigentliche Staatsrevolutionen, andre Einrichtungen der Regierung sind nie ohne die Konkurrenz vieler, oft sehr zufälliger Umstände möglich und führen immer mannigfaltig nachteilige Folgen mit sich.

Hingegen die Grenzen der Wirksamkeit mehr ausdehnen oder einschränken kann jeder Regent – sei es in demokratischen, aristokratischen oder monarchischen Staaten – still und unbemerkt, und...

 

 

 

 

 


Alexander:

      


 

 

 

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