Die
industrielle
Von Theodore J. Kaczynski Das "Unabomber-Manifest"
Erzwungene Veröffentlichung in:
Washington
Post und
New
York Times
Deutsche
Übersetzung |
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detopia-2021:
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1 Die Folgen der Industriellen Revolution haben sich für die Menschheit als eine Katastrophe erwiesen. Unsere Lebenserwartung ist dadurch in den "fortgeschrittenen" Ländern bedeutend gestiegen, gleichzeitig aber trat infolgedessen eine Destabilisierung der Gesellschaft ein, das Leben wurde unerfüllt, die Menschen gerieten in eine unwürdige Abhängigkeit, diese Entwicklung hat zu weit verbreiteten psychischen Problemen geführt (in der Dritten Welt auch zu organischen Krankheiten) und der Natur wurde unermeßlicher Schaden zugefügt. --- Die kontinuierliche Entwicklung der Technologie wird die Lage weiter verschlimmern. Mit Sicherheit wird die Menschheit in noch größerem Maße abhängig werden und es werden noch gewaltigere Naturschäden auftreten. Wahrscheinlich werden sich die soziale Entwurzelung und die psychologischen Probleme noch verstärken und schließlich auch in den "fortgeschrittenen" Ländern zu einem Anstieg von Krankheiten führen.
2 Das industriell-technologische System wird entweder überleben oder zusammenbrechen. Wenn es überlebt, KÖNNEN möglicherweise mit seiner Hilfe physische und psychische Krankheiten verringert werden, jedoch erst, nachdem das System eine lange und schmerzhafte Periode der Anpassung durchgemacht hat, und nur auf Kosten einer permanenten Verringerung der Bevölkerung und vieler anderer Lebensformen. --- An ihre Stelle treten dann manipulierte Produkte, die nur noch Rädchen in der gesellschaftlichen Maschinerie sind. Überdies werden die Folgen unvermeidlich sein, wenn das System überleben sollte: das System kann nicht durch Reformen verändert oder modifiziert werden, um dadurch zu verhindern, daß die Würde und Autonomie der Menschheit verschwindet.
3 Aber auch wenn das System zusammenbricht, werden die Folgen sehr schmerzhaft sein. Je stärker aber das System sich entwickelt, um so katastrophaler werden die Folgen des Zusammenbruchs sein. So wäre ein schneller Zusammenbruch des Systems wünschenswerter als zu einem späteren Zeitpunkt.
4 Deshalb treten wir für eine Revolution gegen das industrielle System ein. Diese Revolution kann mit oder ohne Gewalt durchgeführt werden, sie kann plötzlich auftreten oder sich in einem längeren Prozeß über mehrere Jahrzehnte vollziehen. Wir sind nicht in der Lage, das vorauszusagen. Aber wir werden ganz allgemein die Maßnahmen skizzieren, damit die Gegner des industriellen Systems den Weg für eine Revolution gegen diese Form der Gesellschaft vorbereiten können. Es handelt sich dabei nicht um eine POLITISCHE Revolution. Das Ziel wird nicht darin bestehen, Regierungen zu stürzen, sondern die wirtschaftliche und technologische Basis der gegenwärtigen Gesellschaft zu zerstören.
5 In dieser Abhandlung werden wir nur einige der negativen Entwicklungen darstellen, die durch das industriell-technologische System entstanden sind. Andere Entwicklungen werden wir nur andeuten oder gar nicht darauf eingehen. Das bedeutet aber nicht, daß wir diese Entwicklungen für unwichtig halten. Nur aus praktischen Gründen müssen wir unsere Erörterung auf die Gebiete beschränken, die bisher ungenügende öffentliche Aufmerksamkeit erhielten oder über die wir etwas neues zu sagen haben. So gibt es inzwischen sehr aktive Umwelt- und Naturschutz-Bewegungen, so daß wir nicht viel über Umweltzerstörung und -beschädigung geschrieben haben, obwohl wir gerade diese für außerordentlich wichtig halten.
#2 Die Psychologie des heutigen Leftismus
detopia-2023: Inzwischen hat sich der "Leftismus" in den USA, auch in Europa, weiter ausgebreitet ("Triggerwarnung", "Woke", Gendern", usw.) Ebenso ist eine moderner "Rightismus" entstanden. (Kapitolstum 2021, Trump, Religiöse Rechte, Teaparty, Waffen usw.)6. Wohl jeder wird mit uns übereinstimmen, daß wir gegenwärtig in einer zutiefst beunruhigten Gesellschaft leben. Eine der verbreitetsten Erscheinungen unserer wahnwitzigen Welt ist der Leftismus.
Deshalb soll die Psychologie des Leftismus diskutiert werden und die Erörterung der Probleme der modernen Gesellschaft einleiten.7. Während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnte man Leftismus etwa mit Sozialismus gleichsetzen. Heute ist die Bewegung zersplittert und es ist nicht mehr deutlich, wen man eigentlich als Linken bezeichnen kann.
Wenn wir in dieser Abhandlung über Linke sprechen, dann meinen wir vor allem Sozialisten, Kollektivisten, "politically correct"-Anhänger, Aktivisten im Bereich des Feminismus, der Homosexualität und der Behinderten, Verteidiger des Tierschutzes und dergleichen. Jedoch kann nicht jeder, der zu diesen Bewegungen gehört, als Linker bezeichnet werden.
Was wir versuchen wollen in die Erörterung einzubringen, ist nicht so sehr die Darstellung einer Bewegung oder Ideologie, sondern die Beschreibung eines psychologischen Typus, oder eher die Zusammenfassung von einander ähnlichen Charakteren.
Was wir unter "Leftismus" verstehen, wird sich im Verlauf unserer Erörterung über die linke Psychologie ergeben (vgl. § 227-230).8. Dennoch bleibt unsere Leftismus-Konzeption leider unverständlicher als wir uns wünschten, aber wir haben dafür keine Lösung gefunden. Wir können lediglich in groben Zügen und annähernd die beiden psychologischen Tendenzen umreißen, von denen wir glauben, daß sie die wichtigsten treibenden Kräfte des modernen Leftismus sind. Dabei behaupten wir keineswegs, daß es sich hier um die GANZE Wahrheit über Leftismus-Psychologie handelt. Außerdem gehen wir nur auf die heutige Form des Leftismus ein. Wir lassen die Frage offen, inwieweit unsere Erörterungen auch auf die Linken im 19. und 20. Jahrhundert bezogen werden können.
9. Die beiden psychologischen Strömungen, die dem modernen Leftismus zugrunde liegen, bezeichnen wir als "Minderwertigkeitsgefühle" (feelings of inferiority) und "Übersozialisierung" (oversozialisation). Minderwertigkeitsgefühle sind charakteristisch für den Leftismus in seiner Gesamtheit, während Übersozialisierung nur einen Teil des modernen Leftismus kennzeichnet: aber gerade dieser Teil ist besonders einflußreich.
10. Unter "Minderwertigkeitsgefühlen" verstehen wir nicht nur Minderwertigkeitsgefühle im engeren Sinne, sondern das gesamte Spektrum der damit verbundenen Charakterzüge: geringes Selbstwertgefühl, Gefühle der Machtlosigkeit, Niederlage, depressive Tendenzen, Schuldgefühle, Selbsthaß usw. Wir behaupten, daß die neuen Linken zu diesen Gefühlen neigen (möglicherweise mehr oder weniger verdrängt) und daß diese Gefühle entscheidend die Richtung des modernen Leftismus prägen.
11. Wenn jemand alles, was über ihn (oder über die Gruppierung, mit der er sich identifiziert) ausgesagt wird, als eine Herabwürdigung empfindet, schließen wir daraus, daß er Minderwertigkeitsgefühle oder ein geringes Selbstwertgefühl hat. Diese Neigung herrscht bei den Fürsprechern von Minderheiten vor, ganz gleich ob sie zu den Minderheiten gehören, deren Rechte sie verteidigen. Sie sind überempfindlich gegenüber Begriffen, die Minderheiten bezeichnen und gegenüber allen Äußerungen, die Minderheiten betreffen.
Die Begriffe "negro" (Afrikaner), "oriental" (Asiat), "handicapped" (behindert), oder "chick" ("Hühnchen") für einen Afrikaner, einen Asiaten, einen Behinderten, eine Frau hatten ursprünglich keine abwertende Nebenbedeutung. "broad" und "chick" waren lediglich die weiblichen Formen zu "guy" (Kerl, Kumpel), "dude" (Geck) oder "fellow" (Kamerad, Bursche).
Die negative Nebenbedeutung haben diese Aktivisten ihnen selbst beigelegt. Einige Tierschutzverteidiger gehen soweit, daß sie die Bezeichnung "pet" (zahmes Tier, Haustier) ablehnen und auf dem Ersatzbegriff "animal companion" (Tier-Gefährte) bestehen.
Linke Anthropologen vermeiden es meistens, irgend etwas über primitiven Völkern auszusagen, das negativ interpretiert werden könnte. Sie ersetzen das Wort "primitiv" durch "schriftlos". Unter allen Umständen wollen sie scheinbar den Eindruck vermeiden, daß eine primitive Kultur unserer eigenen unterlegen wäre. (Wir unterstellen nicht, daß primitive Kulturen unserer eigenen unterlegen sind. Es liegt uns nur daran, die Übersensibilität der linken Anthropologen deutlich zu machen.)
12. Diejenigen die besonders empfindlich hinsichtlich einer "politically incorrect"-Terminologie reagieren, sind nicht die durchschnittlichen schwarzen Ghettobewohner, die asiatischen Einwanderer, die mißhandelten Frauen oder behinderte Menschen, sondern eine Minderheit von Aktivisten, die meistens keiner dieser "unterdrückten" Gruppen angehören , sondern aus privilegierten Gesellschaftsschichten kommen. Die Mehrheit der Anhänger einer <political correctness> besteht aus Universitätsprofessoren, die sichere Arbeitsplätze und ein gutes Einkommen haben, die meisten von ihnen sind heterosexuelle männliche Weiße aus Mittel- bzw. Oberklasse-Familien.
13. Viele Linke identifizieren sich stark mit den Problemen von Gruppen, die als schwach (Frauen), unterdrückt (Indianer), abstoßend (Homosexuelle) oder anderweitig minderwertig angesehen werden. Diese Linken empfinden diese Gruppen als minderwertig. Zwar würden sie diese Gefühle niemals zugeben, aber genau deswegen, weil sie diese Gruppen als minderwertig ansehen, identifizieren sie sich mit ihren Problemen. (Wir wollen damit nicht behaupten, daß Frauen, Indianer usw. minderwertig sind, sondern lediglich die linke Psychologie charakterisieren).
14. Feministen unternehmen große Anstrengungen nachzuweisen, daß Frauen genauso stark und fähig sind wie Männer. Dahinter steckt deutlich die Angst, es könnte sich herausstellen, daß Frauen vielleicht NICHT so stark und fähig wie Männer sind.
15. Die Linken neigen dazu, alles zu hassen, was irgendwie stark, gut, erfolgreich ist. Sie hassen Amerika, sie hassen die westliche Zivilisation, sie hassen weiße Männer, sie hassen Rationalität. Die von den Linken behaupteten Gründe für ihren Haß auf den Westen etc. stimmen nicht mit ihren wahren Motiven überein. Sie SAGEN, daß sie den Westen hassen, weil er kriegslüstern, imperialistisch, sexistisch, ethnozentrisch usw. wäre.
Aber wo diese gleichen Mißstände in sozialistischen Ländern oder primitiven Kulturen auftreten, wird der Linke dafür Erklärungen finden, oder höchsten WIDERWILLIG eingestehen, daß sie vorhanden sind, wo er doch BEGEISTERT (und oft weit übertrieben) diese Mißstände überall in der westlichen Zivilisation anprangert.
Somit ist deutlich, daß diese Mißstände nicht die eigentliche Beweggründe des Linken für seinen Haß auf Amerika und den Westen sind. Er haßt Amerika und den Westen, weil sie stark und erfolgreich sind.
16. Begriffe wie "Selbstvertrauen", "Zuversicht", "Initiative", "Unternehmungsgeist", "Optimismus" usw. spielen im linken und liberalen Vokabular eine geringe Rolle. Der Linke ist anti-individualistisch und pro-kollektivistisch eingestellt. Die Gesellschaft soll alle Probleme jedes einzelnen lösen, jedermanns Bedürfnisse erfüllen, für jeden sorgen. Er hat kein inneres Vertrauen zu seinen eigenen Fähigkeiten, um damit seine eigenen Schwierigkeiten zu bewältigen und seine Bedürfnisse zu erfüllen. Der Linke lehnt das Wettbewerbskonzept ab, weil er sich tief in seinem Innern als Verlierer fühlt.
17. Kunstformen, die moderne linke Intellektuelle ansprechen, konzentrieren sich auf Schäbigkeit, Niederlage und Verzweiflung, oder aber sie nehmen einen orgiastischen Ton an, indem sie jede rationale Kontrolle aufgeben, als ob man durch rationale Berechnung nichts zustande bringen könnte und nichts bleibt, als sich den Empfindungen des Augenblicks vollständig anheim zu geben.
18. Moderne linke Philosophen lehnen Vernunft, Wissenschaft, objektive Realität ab und insistieren, daß alles vom kulturellen Umfeld abhängt. Es ist richtig, daß man die Grundlagen wissenschaftlicher Erkenntnis ernsthaft hinterfragen kann, auch auf welche Weise die Idee einer objektiven Realität zu definieren wäre.
Offenbar sind moderne linke Philosophen keine kühlen Logiker, die die Grundlagen der Erkenntnis systematisch analysieren. Ihr Hauptanliegen besteht vor allem darin, die Wahrheit und Wirklichkeit zu attackieren. Ihre eigenen psychologischen Bedürfnisse sind der Grund für diese Angriffe. Hauptsächlich sind ihre Angriffe ein Ventil für die Feindseligkeit, und soweit sie damit erfolgreich sind, befriedigt es ihren Machttrieb.
Von größerer Bedeutung ist, daß der Linke Wissenschaft und Rationalität ablehnt, weil damit verschiedene Ansichten als wahr (i.e. erfolgreich, überlegen) und andere Ansichten als falsch ( i.e. mißlungen, unterlegen) klassifiziert werden. Der Linke hat seine Unterlegenheitsgefühle so tief verinnerlicht, daß er eine Einteilung der Dinge als erfolgreich, überlegen und andere als mißlungen und unterlegen, nicht ertragen kann. Die Ablehnung, die viele Linke dem Konzept von mentalen Krankheiten und der Nützlichkeit von IQ-Testen entgegenbringen, beruht ebenfalls darauf.
Eine genetische Erklärung für menschliche Fähigkeiten und Verhaltensnormen wird von den Linken zurückgewiesen, weil solche Erklärungen notwendigerweise dazu führen, Menschen als überlegen oder unterlegen gegenüber anderen zu kategorisieren. Dagegen neigen Linke dazu, die Gesellschaft für individuelle Fähigkeiten oder Versagen verantwortlich zu machen. Demnach ist jemand "minderwertig" nicht aus eigenem Verschulden, sondern weil die Gesellschaft bei seiner Erziehung versagt hat.
19. Der durchschnittliche Linke mit seinen Minderwertigkeitskomplexen ist kein Angeber, Egoist, Maulheld oder skrupelloser Konkurrent, denn solche Menschen haben nicht völlig den Glauben an sich selbst verloren. Sie haben lediglich ein Defizit an Eigenvertrauen in ihre Kräfte und Selbstwertgefühle, können sich aber vorstellen, daß sie die Fähigkeit besitzen, stark zu sein.
Die Ursache ihres unangenehmen Verhaltens liegt in der Anstrengung, diese Stärke zu erlangen.[1] Davon ist der Linke weit entfernt. Seine Unterlegenheitsgefühle sind so tief eingewurzelt, daß er sich nicht als stark und wertvoll begreift. Daher der Kollektivismus des Linken. Nur als Mitglied einer großen Organisation oder einer Massenbewegung, mit der er sich identifizieren kann, fühlt er sich stark.
20. Bemerkenswert ist die masochistische Tendenz linker Vorgehensweisen. Linke protestieren, indem sie sich vor Autos auf den Boden legen, sie provozieren absichtlich die Polizei oder Rassisten, sie zu mißhandeln, usw. Diese Taktiken sind oftmals wirkungsvoll, werden aber von vielen Linken nicht als Mittel zum Zweck angewendet, sondern weil sie masochistisches Verhalten BEVORZUGEN. Selbsthaß ist ein Charakterzug des Linken.
21. Die Linken behaupten, daß die Motivation ihres Aktivismus sich von Mitgefühl oder moralische Prinzipien herleiten, und in der Tat spielen moralische Prinzipien eine Rolle für den überangepaßten Linken. Jedoch sind Mitgefühl und moralische Prinzipien keineswegs ein Hauptmotiv linker Unternehmungen. Ein hervorragender Bestandteil linker Verhaltensweise sind Feindseligkeit (hostility) und Machttrieb (drive for power). Überdies sind linke Verhaltensformen meistens nicht rational auf das Wohlergehen der Menschen ausgerichtet, denen die Linken angeblich helfen wollen. Wenn jemand beispielsweise glaubt, daß man Schwarze unterstützen sollte, welchen Sinn hat es dann, dies in einer feindseligen oder dogmatischen Terminologie zu fordern?
Es wäre wesentlich hilfreicher, gegenüber den Weißen, die sich durch solche Forderungen selbst diskriminiert fühlen, eine diplomatische und versöhnliche Sprache der Annäherung zu führen. Aber die linken Aktivisten wollen keine Annäherung, weil das ihre emotionalen Bedürfnisse nicht befriedigen würde. Ihr eigentliches Ziel ist nicht, den Schwarzen zu helfen. Stattdessen dienen ihnen Rassenprobleme als Vorwand, um ihrer Feindseligkeit und dem eigenen enttäuschten Machtbedürfnis (need for power) Ausdruck zu verleihen. Damit aber schaden sie den Schwarzen, weil die feindliche Haltung der Aktivisten gegenüber der weißen Mehrheit den Rassenhaß noch intensiviert.
22. Würde es in unserer Gesellschaft keine sozialen Probleme geben, müßten die Linken diese Probleme ERFINDEN, um auf diese Weise einen Vorwand zu haben, sich über etwas aufregen zu können.
23. Wir betonen nachdrücklich, daß das Vorhergehende nicht auf alle zutrifft, die sich als Linke ansehen. Es ist nur eine grobe Andeutung einer allgemein verbreiteten Tendenz des Leftismus.
Anmerkung: [1] (§ 19) Wir behaupten, daß ALLE, oder jedenfalls die meisten Angeber und rücksichtslosen Streber unter Minderwertigkeitsgefühlen leiden.
Überanpassung (Oversocialisation)
24. Mit dem Begriff der "Sozialisierung" kennzeichnen Psychologen jenen Erziehungsprozeß, durch den Kinder in ihrem Denken und Handeln den Anforderungen der Gesellschaft angepaßt werden. Jemand, der sich den moralischen Normen seiner Gesellschaft anpaßt, an sie glaubt und als ein Teil dieser Gesellschaft funktioniert, wird als gut sozialisiert bezeichnet.
Insofern scheint es sinnlos, zu behaupten, daß viele Linke überangepaßt wären, da der Linke als Aufrührer gegen die Gesellschaft angesehen wird. Dennoch kann diese Behauptung aufrecht erhalten werden. Viele Linke sind nicht solche Rebellen, wie es den Anschein hat.
25. Die moralische Norm unserer Gesellschaft ist dermaßen anspruchsvoll, daß niemand in völliger Übereinstimmung mit dieser Moral denken, fühlen und handeln kann. Beispielsweise sollen wir niemanden hassen, dennoch haßt jeder zu irgendeinem Zeitpunkt eine Person, ganz gleich ob er das zugibt oder nicht. Manche Menschen sind in einem Maße sozialisiert, daß der Versuch moralisch zu denken, zu fühlen und zu handeln für sie eine schwere Last bedeutet. Um Schuldgefühle zu vermeiden, müssen sie sich ständig über ihre eigenen Motive betrügen und moralische Erklärungen für Gefühle und Handlungen finden, die in Wirklichkeit einen nicht-moralischen Hintergrund haben. Wir benutzen den Begriff "überangepaßt" (oversocialized), um solche Menschen zu charakterisieren.[2]
26. Überanpassung kann zu geringer Selbstachtung führen, ein Gefühl von Machtlosigkeit, Niederlage, Schuld usw. verursachen. Eine der wichtigsten Bedeutungen, mit denen in unserer Gesellschaft Kinder sozialisiert werden, liegt darin, ihnen ein Schamgefühl über ihr Verhalten oder Sprechen zu vermitteln, sofern dies mit den gesellschaftlichen Erwartungen nicht übereinstimmt. Wenn das im Übermaß geschieht oder ein Kind besonders aufnahmefähig für solche Gefühle ist, führt dies letztlich dazu, daß es Scham vor SICH SELBST hat. Mehr noch, das Denken und das Verhalten eines überangepaßten Menschen wird von den gesellschaftlichen Erwartungen stärker eingeschränkt als es bei einer weniger angepaßten Person der Fall ist.
Die große Mehrheit der Menschen verstößt in ihrem Verhalten überwiegend gegen die Normen. Sie lügen, sie stehlen im Kleinen, sie übertreten Verkehrsgebote, sie faulenzen auf der Arbeit, sie hassen irgend jemanden, sie äußern sich abfällig oder verschaffen sich durch einen faulen Trick Vorteile gegenüber anderen. Der überangepaßte Mensch kann diese Dinge nicht tun, oder wenn er sie tut, wird er darüber mit Scham und Selbsthaß erfüllt. Er ist nicht zu Gedanken und Gefühlen fähig, die der allgemeinen moralischen Norm widersprechen, ohne daß dabei Schuldgefühle auftreten. Er kann keine "unreinen" Gedanken haben.
Und so ist Anpassung nicht im eigentlichen Sinne eine Sache der Moral. Wir werden der Anpassung unterzogen, damit wir zahlreichen Verhaltensnormen entsprechen, die nicht unter die Rubrik Moral fallen. Auf diese Weise wird der überangepaßte Menschen psychologisch im Zaum gehalten und sein ganzes Leben verläuft in den von der Gesellschaft vorgeschriebenen Bahnen. Dies verursacht bei vielen Menschen ein Gefühl von Zwang und Ohnmacht, was ein schweres Leiden verursachen kann. Unserer Meinung nach gehört Überangepaßtheit zu den schlimmsten Grausamkeiten, die Menschen angetan werden können.
27. Wir behaupten, daß Überangepaßtsein eine sehr wichtige und einflußreiche Komponente des modernen Linken ist und, daß diese Überangepaßtheit die Richtung des modernen Leftismus bestimmt hat. Der unter den Linken verbreitete überangepaßte Typus ist der Intellektuelle oder Angehörige der oberen Mittelschicht. Bemerkenswert ist, daß Intellektuelle mit Universitätsbildung[3] der am stärksten angepaßte Teil unserer Gesellschaft sind und gleichzeitig den Flügel der äußersten Linken darstellen.
28. Dieser links orientierte überangepaßte Typus versucht sich der psychologischen Zwänge zu entledigen und seine Autonomie durch Auflehnung zu behaupten. Jedoch ist er meistens nicht stark genug, um sich gegen die Grundwerte der Gesellschaft aufzulehnen. Allgemein gesprochen, rufen die Ziele der heutigen Linken KEINEN Konflikt mit den bestehenden moralischen Normen hervor. Im Gegenteil, der Linke übernimmt die allgemein anerkannte moralische Norm und verinnerlicht sie als seine eigene, woraufhin er dann die Gesellschaft beschuldigt, diese Grundsätze zu verletzen. Beispiele dafür: Gleichheit der Rassen, Gleichheit der Geschlechter, Unterstützung der Armen, Frieden als Gegensatz zu Krieg, allgemeine Gewaltlosigkeit, Redefreiheit, Tierliebe.
Demnach ist es grundsätzlich die Pflicht des Individuums, der Gesellschaft zu dienen und die Pflicht der Gesellschaft, das Individuum zu schützen. Das sind seit langer Zeit tief verwurzelte Werte unserer Gesellschaft (oder zumindest der Mittel- und Oberklasse) [4]. Direkt oder indirekt finden diese Werte ihren Ausdruck, oder sie bilden die Grundlage in den meisten Darstellungen der allgemeinen Kommunikationsmedien sowie im Erziehungssystem. Besonders überangepaßte Linken lehnen sich nicht gegen diese Prinzipien auf, sondern rechtfertigen ihre gegensätzliche Einstellung zur Gesellschaft, indem sie (in gewissem Maße der Wahrheit entsprechend) behaupten, daß sich die Gesellschaft nicht nach diesen Prinzipien richtet.
29. Während der überangepaßte Linke vorgibt, sich gegen unsere Gesellschaft aufzulehnen, soll an einigen Beispielen gezeigt werden, wie sehr er in Wirklichkeit mit der konventionellen gesellschaftlichen Haltung verbunden ist. Viele Linke machen sich stark dafür, daß Schwarze beruflich in angesehene Positionen aufsteigen können, setzen sich für eine bessere Erziehung an schwarzen Schulen und für stärkere finanzielle Unterstützung solcher Schulen ein. Sie betrachten die Lebensbedingungen der schwarzen "Unterklasse" als eine gesellschaftliche Schande. Der schwarze Mensch soll in das System so integriert werden, damit er der weißen oberen Mittelschicht als Geschäftsmann, Anwalt, Wissenschaftler entspricht. Die Linken werden erwidern, daß sie nichts weniger wünschen, als aus dem Schwarzen die Kopie eines Weißen zu machen, vielmehr wollten sie die Afro-Amerikanische Kultur bewahren.
Aber worin besteht denn die Bewahrung der Afro-Amerikanischen Kultur? Sie kann praktisch nur darin bestehen, daß es eine typisch schwarze Küche, schwarze Musik, schwarze Mode und schwarze Kirchen bzw. Moscheen gibt. Anders gesagt, sie findet ihren Ausdruck nur in oberflächlichen Dingen. In allen WESENTLICHEN Beziehungen haben die meisten überangepaßten Linken das Ideal des Mittelklasse-Weißen, dem der Schwarze sich anpassen soll. Wenn es nach ihnen ginge, soll er Technik studieren, eine Ausbildung als Wissenschaftler bekommen, sein Leben damit verbringen, die Karriereleiter zu erklimmen und so nachweisen, daß die schwarzen Menschen genauso gut wie die Weißen sind. Schwarze Väter sollen sich "verantwortlich" fühlen, schwarze Banden sollen gewaltlos werden etc. Aber das sind genau die Werte des industriellen-technologischen Systems. Dem System ist es egal, welche Art von Musik jemand hört, wie er sich kleidet oder welche Religion er hat, so lange er die Schule besucht, einen angesehen Beruf ausübt, gesellschaftlich aufsteigt, verantwortlich in seiner Elternschaft ist, gewaltlos usw. Schließlich läuft es darauf hinaus, daß der überangepaßte Linke den schwarzen Menschen in das System integrieren will und von ihm verlangt, dessen Werte zu übernehmen.
30. Wir behaupten nicht, daß überangepaßte Linke NIEMALS gegen grundsätzliche Werte unserer Gesellschaft aufbegehren. Mitunter tun sie das natürlich. Manche überangepaßten Linken sind soweit gegangen, daß sie mit physischer Gewalt gegen die wichtigsten Prinzipien der modernen Gesellschaft aufbegehrten. Nach eigener Einschätzung bedeutet Gewalt für sie eine Art von "Befreiung". Mit anderen Worten, sie benutzen Gewalt, um sich von den antrainierten psychologischen Zwängen zu befreien. Da sie überangepaßt sind, waren sie von diesen Zwängen stärker eingeengt als andere, daher ihr starkes Bedürfnis, sich davon zu befreien. Aber sie rechtfertigen ihre Auflehnung meistens in den üblichen Wertebegriffen. Wenn sie Gewalt anwenden, begründen sie das mit Kampf gegen den Rassismus oder ähnlichem.
31. Wir sind uns im Klaren darüber, daß es viele Einwände gegen die hier grob skizzierte linke Psychologie gibt. Die Situation ist vielschichtig, und etwas wie eine umfassende Beschreibung würde unter Einbeziehung aller Fakten mehrere Bände füllen. Wir wollten ganz allgemein die beiden wichtigsten Tendenzen der Psychologie des modernen Leftismus andeuten.
32. In den Problemen der Linken zeichnet sich die Problematik unserer gesamten Gesellschaft ab. Geringes Selbstwertgefühl, depressive Tendenzen und Niedergeschlagenheit sind nicht allein auf die Linken beschränkt. Wenn sie auch ein besonderes Charakteristikum der Linken sind, so sind sie auch in der gesamten Gesellschaft weitverbreitet. Die heutige Gesellschaft versucht uns in einem weitaus größeren Umfang anzupassen als irgendeine frühere. Experten bringen uns sogar bei, wie wir essen, uns bewegen, lieben und unsere Kinder erziehen sollen.
[2] (§ 25) Im Viktorianischen Zeitalter litten viele überangepaßte Menschen als Folge der Unterdrückung oder des Versuchs, ihre sexuellen Gefühle zu unterdrücken, an ernsthaften psychologischen Problemen. Die Theorien von Freud basieren offenbar auf diesem Menschentypus. Heute hat sich der Schwerpunkt der Anpassung von der Sexualität auf die Aggression verlagert.
[3] (§ 27) Nicht unbedingt dazu gehören die Spezialisten der sogenannten "harten" Wissenschaften [Naturwissenschaften].
[4] (§ 28) Viele Menschen der Mittel- und Oberklasse lehnen sich gegen einige dieser Werte auf, aber im allgemeinen ist ihre Auflehnung mehr oder weniger verdeckt. In den Massenmedien wird nur selten über solchen Widerstand berichtet. Die Hauptrichtung der Propaganda findet in unserer Gesellschaft zugunsten der genannten Werte statt. Die Hauptgründe, weshalb diese Werte in unserer Gesellschaft diesen Stellenwert bekommen haben, liegen darin, daß sie nützlich für das industrielle System sind. So wird Gewalt verurteilt, weil es das System empfindlich stört. Rassismus wird abgelehnt, weil ethnische Konflikte das System ebenfalls beeinträchtigen und Diskriminierung von Angehörigen der Minderheiten dem System abträglich sind, weil dadurch brauchbare Talente verloren gehen. Armut muß "ausgemerzt" werden, weil die [gesellschaftliche] Unterklasse dem System sonst Schwierigkeiten macht und Kontakte mit der Unterklasse die Moral der anderen Schichten schwächt. Frauen werden ermutigt, Karriere zu machen, weil ihre Begabungen dem System zugute kommen. Noch wichtiger ist die Tatsache, daß berufstätige Frauen sich besser in das System integrieren und ihm stärker verbunden sind als ihren Familien. Das trägt dazu bei, die Familiensolidarität zu schwächen.
(Die Führer des Systems behaupten, sie wollten die Familie stärken, in Wirklichkeit aber benutzen sie die Familie als effektives Werkszeug zur Sozialisierung von Kindern, zum Nutzen des Systems. Wir begründen in den Paragraphen 51, 52, daß das System kein Interesse hat, die Familie oder andere kleine gesellschaftliche Gruppen zu stärken.)
#5 Selbstverwirklichung (Power Process)
33. Menschen haben ein Bedürfnis - möglicherweise biologisch bedingt - nach etwas, das wir den "power process" - Selbstverwirklichung - nennen wollen. Es ist eng verbunden mit dem Bedürfnis nach Macht - weithin bekannt - aber es ist nicht damit gleichzusetzen. Der Power Process besteht aus vier Elementen. Die drei am deutlichsten erkennbaren nennen wir Ziel, Anstrengung und Erreichen des Ziels. (Jeder braucht Ziele, die Anstrengungen erfordern und muß wenigstens beim Erreichen einiger seiner Ziele erfolgreich sein ). Das vierte Element ist schwieriger zu definieren und vielleicht nicht für jeden notwendig. Wir nennen es Autonomie und werden darüber später sprechen (§ 42-44).
34. Nehmen wir den hypothetischen Fall eines Menschen, der alles, was er sich wünscht, bekommt. Dieser Mensch hat zwar Macht, aber er wird schwere psychologische Probleme bekommen. Am Anfang wird es ihm Spaß machen, aber nach und nach wird er Langeweile empfinden und demoralisiert werden. Vielleicht wird er krankhaft depressiv. Die Geschichte zeigt, daß die müßige Aristokratie schließlich dekadent wurde, nicht aber die um ihre Macht kämpfenden Aristokraten. Die Aristokratie, die nicht um ihre Macht kämpfen mußte, wurde trotz ihrer Machtfülle hedonistisch und demoralisiert. Das macht deutlich, daß Macht allein nicht genügt, vielmehr muß sie zielgerichtet sein.
35. Jeder hat Ziele; selbst wenn diese nur darin bestehen, den lebensnotwendigen Unterhalt zu erlangen: Nahrung, Wasser, Kleidung und dem Klima angemessene Unterkunft. Der müßigen Aristokraten hatte diese Dinge ohne eigene Anstrengungen, daher seine Langeweile und der Sittenverfall.
36. Das Nichterreichen lebenswichtiger Ziele endet mit dem Tod, wenn es sich dabei um physisch notwendige Ziele handelt, und mit Enttäuschung, wenn das Nichterreichen der Ziele gleichbedeutend mit dem Überleben ist. Ständiges Scheitern beim Versuch seine Ziele zu erreichen, führt schließlich zu Niedergeschlagenheit, geringem Selbstbewußtsein oder Depression.
37. Um ernsthafte psychologische Probleme zu vermeiden, muß ein Mensch Ziele haben, deren Erreichen Anstrengung verlangt, und er muß wenigstens teilweise erfolgreich beim Erreichen dieser Ziele sein.
#6 Ersatzhandlungen (Surrogate Activities)
38. Nicht jeder müßige Aristokrat muß Langeweile empfinden. Kaiser Hiroshito widmete sich der Meeresbiologie anstelle einem dekadenten Hedonismus zu verfallen und wurde auf diesem Gebiet sogar sehr anerkannt. Wenn Menschen ohne physische Anstrengung ihre körperlichen Bedürfnisse befriedigen können, schaffen sie sich künstliche Ziele. Meistens verfolgen sie diese Ziele mit derselben Energie und emotionalem Einsatz, wie sie diese sonst für das Erreichen physischer Notwendigkeiten eingesetzt hätten. So beschäftigten sich die Aristokraten des Römischen Reiches mit Literatur, vor einige Jahrhundert widmete sich die europäische Aristokratie intensiv der Jagd. Andere Aristokratien versuchten ihr Ansehen zu vergrößern, indem sie ihren Reichtum vermehrten, und einige Aristokraten, wie Hirohito, wandten sich der Wissenschaft zu.
39. Mit dem Begriff "Ersatzhandlung" (Surrogate Activity) bezeichnen wir eine Handlung, die sich auf ein künstliches Ziel richtet, welches sich Menschen nur deshalb setzen, damit sie etwas haben, wonach sie streben können. Mit anderen Worten, es geht ihnen bei der Erreichung des Ziels letztlich nur um die "Durchführung". Hierin besteht die Faustregel der Identifikation mit den Ersatzhandlungen. Angenommen, ein Mensch widmet einem Ziel X viel Zeit und Energie, dann kann man sich fragen, ob derjenige, nachdem er seine Zeit und Energie ausschließlich dafür einsetzt, seine biologischen Bedürfnisse zu befriedigen, und diese Bemühungen seine körperlichen und geistige Fähigkeiten auf vielfältige Weise in Anspruch nehmen würden, enttäuscht wäre, wenn er das Ziel X nicht erreicht? Wenn die Antwort negativ ausfällt, kann man davon ausgehen, daß das Ziel X eine Ersatzhandlung für ihn bedeutet.
Mit Sicherheit sind Hirohitos Studien der Meeresbiologie eine Ersatzhandlung, denn müßte Hirohito seinen Lebensunterhalt mit einer nicht-wissenschaftlichen Tätigkeit verdienen, würde er keinen Verlust darüber empfinden, daß er dann nichts über die Anatomie und Lebenszyklen von Meerestieren wüßte. Andererseits ist beispielsweise der Wunsch nach Sexualität und Liebe keine Ersatzhandlung. Die meisten Menschen würden es als Verlust empfinden, wenn sie ihr Leben ohne eine Beziehung zum anderen Geschlecht verbringen müßten, auch wenn sie alles andere hätten. (Übersteigt jedoch das Bedürfnis nach Sexualität das normale Maß, kann auch das zu einer Ersatzhandlung werden.)
40. In der modernen Industriegesellschaft sind nur geringe Anstrengungen notwendig, um die physischen Bedürfnisse zu erfüllen. Es ist ausreichend, in einer Ausbildung einige technische Fähigkeiten zu erwerben, pünktlich bei der Arbeit zu erscheinen und mit geringem Aufwand seinen Arbeitsplatz zu erhalten. Die einzige Anforderung besteht in einem bescheidenen Maß an Intelligenz, vor allem aber in UNTERORDNUNG. Wer das erfüllt, für den sorgt die Gesellschaft von der Wiege bis zum Grabe. (Sicher gibt es eine Unterschicht, deren physische Bedürfnisse nicht erfüllt werden, wir sprechen hier jedoch von der Durchschnittsgesellschaft).
So ist es nicht verwunderlich, daß Ersatzhandlungen in der moderne Gesellschaft häufig vorkommen. Dazu gehören die wissenschaftliche Forschung, der Sport, der Einsatz für Menschenrechte, die künstlerische und literarische Produktion, der gesellschaftliche Aufstieg, der Erwerb von materiellem Reichtum und gesellschaftliche Aktivitäten, die sich mit Dingen beschäftigen, die für den Handelnden persönlich unwichtig sind, wie im Falle der weißen Menschenrechtler, die sich für die Rechte der farbigen Minderheiten einsetzen. Das sind nicht immer REINE Ersatzhandlungen, weil sie bei vielen Menschen teilweise aus anderen Motiven als aus dem Bedürfnis abgeleitet werden, irgendein Ziel zu haben.
Ein Motiv der wissenschaftlichen Arbeit liegt teilweise in der Absicht, Prestige zu erlangen, künstlerische Kreativität will auch Gefühle zum Ausdruck bringen, militantes gesellschaftliches Vorgehen entsteht oft aus einer allgemeinen Feindseligkeit. Aber für die meisten Menschen, die diese Ziele verfolgen, sind alle diese Aktivitäten größtenteils Ersatzhandlungen. Die Mehrheit der Wissenschaftler wird beispielsweise darin übereinstimmen, daß für sie das "Vollbringen" wichtiger ist als Geld und Prestige, das sie dafür erhalten.
41.
Für viele, sogar für die meisten Menschen, sind Ersatzhandlungen weniger befriedigend als das Streben nach realen Zielen (Ziele, die Menschen wirklich erreichen wollen, auch wenn ihr Bedürfnis nach Selbstverwirklichung (Power Process) schon erfüllt ist.) Das zeigt sich in der Tatsache, daß diejenigen Menschen, die sich mit Ersatzhandlungen beschäftigen, immer rastlos, niemals zufrieden sind. So wie der Geldgierige nach immer mehr Reichtum strebt, der Wissenschaftler, kaum daß er ein Problem gelöst hat, das nächste in Angriff nimmt, der Langstreckenläufer sich immer größere Schnelligkeit abverlangt. Viele Menschen, die sich Ersatzhandlungen suchen, werden behaupten, daß sie dadurch größere Zufriedenheit erlangen als durch die alltägliche Geschäftigkeit mit ihren biologischen Bedürfnissen. Das kommt daher, weil die Befriedigung biologischer Bedürfnisse in unserer Gesellschaft trivial geworden ist. Noch wichtiger ist, daß in unserer Gesellschaft Menschen ihre biologischen Bedürfnisse nicht mehr AUTONOM befriedigen können, sondern nur als Teil einer riesigen sozialen Maschinerie funktionieren. Dagegen können Menschen bei ihren Ersatzhandlungen ein großes Maß an Autonomie einbringen.
Selbstbestimmung (Autonomy)
42.
Autonomie als Teil der Selbstverwirklichung (Power Process) ist nicht für jeden einzelnen notwendig. Die meisten Menschen brauchen aber ein bestimmtes Maß an Selbstbestimmung, um ihre Ziele zu verwirklichen. Sie müssen in der Lage sein, ihre Leistungen durch eigene Entschlüsse zu verwirklichen und unter eigener Führung und Kontrolle durchzuführen. Dennoch sind die meisten Menschen als einzelne Persönlichkeiten nicht in der Lage, diese Initiative, Leitung und Kontrolle auszuüben. Gewöhnlich reicht es aus, als Mitglied einer KLEINEN Gruppe zu handeln.
Wenn also ein halbes Dutzend Menschen untereinander ein bestimmtes Ziel diskutiert und gemeinsam erfolgreich durchführt, wird ihr Bedürfnis nach Selbstverwirklichung dadurch befriedigt. Müssen sie jedoch unter strenger Anweisung von oben arbeiten und es bleibt kein Raum für autonome Entscheidung und Eigeninitiative, dann wird das ihrem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung nicht dienen. Dasselbe geschieht, wenn Entscheidungen auf kollektiver Basis getroffen werden und die Gruppe, die Entscheidungen trifft, so groß ist, daß jeder einzelne nur eine unbedeutende Rolle spielt. [5]
43.
Es stimmt, daß einige Menschen offenbar kein großes Bedürfnis nach Autonomie haben. Entweder ist ihr Wunsch nach Selbstverwirklichung nur schwach entwickelt oder sie können ihn befriedigen, indem sie sich mit einer starken Organisation, der sie angehören, identifizieren. Es gibt auch den völlig geistlosen, animalischen Typus, der nur eine physische Selbstverwirklichung anstrebt (der gute Kampfsoldat, der sein Machtgefühl durch Kampfgeschick erhält und diese Qualität in blindem Gehorsam für seine Vorgesetzten einsetzt).
44.
Die meisten Menschen aber gewinnen durch ihre Selbstverwirklichung (Power Process), indem sie ein Ziel haben und AUTONOME Anstrengungen unternehmen, um dieses Ziel dadurch zu erreichen, Selbstachtung, Selbstvertrauen und ein Machtgefühl. Hat jemand keine ausreichende Möglichkeit, um eine Selbstverwirklichung zu erfahren, so ergeben sich als Folgen daraus (abhängig von der Person und auf welche Weise die Selbstverwirklichung zerstört wurde) Langeweile, Mutlosigkeit, geringe Selbstachtung, Minderwertigkeitsgefühle, Niedergeschlagenheit, Depression, Angst, Schuldgefühl, Enttäuschung, Feindseligkeit, Mißhandlung von Ehegatten oder Kindern, unersättliche Triebhaftigkeit, unnormales sexuelles Verhalten, Schlafstörungen, Eßstörungen usw. [6] [5] (§ 42)
Man kann die Behauptung aufstellen, daß die meisten Menschen gar nicht ihre eigenen Entscheidung treffen wollen, sondern sich Führer wünschen, die ihnen das Denken abnehmen. Daran ist etwas wahres. Die meisten Menschen wollen zwar im kleinen ihre Entscheidungen treffen, bei Entscheidung über schwierige und wesentliche Fragen wird man aber mit psychologischen Konflikten konfrontiert. Dies ist den meisten Menschen unangenehm.
Daraus kann man aber nicht schließen, daß sie auf jegliche Einflußnahme der ihnen abgenommenen Entscheidungen verzichten wollen. Die Mehrheit besteht natürlich nicht aus Führern, sondern aus Anhängern, jedoch möchten diese einen direkten und persönlichen Bezug zu den Führern haben und auf diese Weise Einfluß auf ausüben so am Prozeß schwieriger Entscheidungen teilnehmen. Soweit geht wenigestens ihr Bedürfnis nach Selbstbestimmung.
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Anmerkungen zu Selbstbestimmung
6 (§ 44)
Einige der hier aufgezählten Symptome finden sich auch bei Tieren, die in Käfigen gehalten werden. Hier soll erklärt werden, auf welche Weise diese Verlustsymptome im Zusammenhang mit der Selbstverwirklichung stehen: Nach allgemeinem Verständnis der menschlichen Natur führt das Fehlen von Zielen, die Anstrengung erfordern zu Langeweile und diese führt, wenn sie über einen längeren Zeitraum anhält, häufig zur Depression. Wenn Ziele nicht erreicht werden können, entsteht Frustration und das Selbstwertgefühls wird geringer.
Frustration führt zu Wut und aus Wut entsteht Aggression, oft in Form von Gewalt gegen Kinder und Ehefrauen. Es wurde nachgewiesen, daß langanhaltende Frustrationsgefühle zu Depressionen führen und das diese Schuldgefühle, Schlaf- und Eßstörungen sowie Mißbehagen verursachen. Als Gegenmittel suchen die von Depressionen Betroffenen oft Vergnügungen, die ihren Ausdruck in unersättlicher Genußsucht und exzessiver Sexualität findet. Dabei machen Perversionen einen besonderen Reiz aus. Auch Langeweile führt oft zu ausschweifender Vergnügungssucht. Aus Mangel an anderen Zielen sehen viele im Vergnügen selbst ein Ziel. (vgl. Diagramm).
Das Vorhergehende ist eine Vereinfachung. Die Realität ist komplexer und der Verlust der Selbstverwirklichung ist nicht die EINZIGE Ursache für die beschriebenen Symptome. Übrigens meinen wir mit der hier erwähnten Depression nicht notwendigerweise eine Depression, die vom Psychiater behandelt werden muß. Häufig handelt es sich um leichte Formen von Depressionen. Auch die hier angesprochenen Ziele beziehen sich nicht auf langfristige Ziele. Im Laufe der Menschheitsgeschichte waren existentielle Ziele, die sich auf die Selbsterhaltung und den Erhalt der Familie durch die Sorge um die tägliche Nahrung beschränken, für die meisten Menschen ausreichend gewesen.