Siegfried PetryErlebnisgedächtnis und Posttraumatische StörungenBegleitetes Wiedererleben als Therapie
1995 im Pfeiffer-Verlag, München Reihe »Leben lernen« 110 Hrsg.: Amier und Gröninger |
1995 ( *1927) 165 (167) Seiten dnb.Person dnb.Nummer (8) Bing.Buch Goog.Buch detopia: |
detopia-2022:
Es gibt wohl verschiedene Gegenmeinungen, sowohl gegen den Autor als auch gegen die Methode, als auch gegen den allgemeinen Effekt "Wiedererleben". Das soll aber hier nicht untersucht werden. Man nutze dafür Bing, Google, Wikipedia, Spiegel, Literatur. (Der "Spiegel" "hetzt" ja immer gegen "falsche Erinnerungen".)
Selbstverständlich gibt es "Einbildungen" bei Kindern (sagen die Erwachsenen) und bei manchen Schlafträumen fragt man sich hinterher, was die mit der Realität zu tun haben. Jedoch "hier und jetzt" auf detopia steht der normale Aspekt weit im Vordergrund, nämlich dass unnatürlich-unbiologische Einflüsse den Menschen lebenslang beeinflussen (können), weil sie in ihm (in seinem "System", biologischen) quasi gespeichert werden. Ein Beispiel-Beleg dafür wäre "Contergan".
Und wenn der betroffene Mensch um solche Dinge weiß, dann kann er besser damit (und mit sich) umgehen. Daher: "Wiedererleben". Die Umwelt (Gesellschaft, Familie, Verwandschaft) hat natürlich auch die Pflicht, ihm alles zu sagen (was es weiß). Und - selbstverständlich - ist Präventation, Vorbeugung erste Bürgerpflicht (Gesellschaftspflicht, Familienpflicht, Kirchenpflicht).
ALSO: Ich habe das Buch nicht mehr Kopf. Ich vertraue auf den Lesebericht von Rausch, unten. Petrys Eva-Buch habe ich rausgenommen, weil zu pornografisch, obwohl bei einem größerem, ja: Fach-Verlag erschienen.
https://www.spiegel.de/politik/ist-das-jetzt-klar-thomas-a-4b9e99dc-0002-0001-0000-000007906865?context=issue 1998, Gisela F. über Wiedererleben als Beweismittel
Siegfried Petry, Prof. em. für Mathematik und Physik; Ausbildungen in Gesprächs- und Gestalttherapie; als Therapeut in eigener Praxis tätig.
Inhalt
Teil 1: Das Phänomen des Wiedererlebens
1. Einleitung (13)
Das Phänomen des Wiedererlebens — weit verbreitet und unerkannt (13) Erste Bekanntschaft mit dem <aktiven Wiedererleben> (18) Fallbeispiel 1: Ein Autounfall (22) Fallbeispiel 2: Verbrennungen (23) Fallbeispiel 3: Psychologische Erste Hilfe (24)2. Weitere Aspekte des Wiedererlebens und erste Überlegungen dazu (26)
Wiedererleben als Folge traumatischer Erlebnisse (26) Erlebnislernen und kognitives Lernen — Das Erlebnisgedächtnis (28) Schema 1: Erlebnislernen (34) Fallbeispiel 4: Erlebnislernen im Blackout (35) Fallbeispiel 5: Ein Abtreibungsversuch (37) Fallbeispiel 6: Das Findelkind (40) Teilweiser Verlust der Wiedererlebensfähigkeit (43) Fallbeispiel 7: Wiedererleben in der Kindheit (47) Exkurs: Die Rückgewinnung der Wiedererlebensfähigkeit — Das Einleiten und Begleiten des Systematischen Wiedererlebens (50)3. Spezielle Teilphänomene des Wiedererlebens (59)
Eidese und ungewöhnliche Gedächtnisleistungen (59) »Hören unter dem Messer« (62)4. Die Sinne des Menschen (65)
Die »äußeren Sinne« (65) Die »inneren Sinne« (66) Innerer Schmerzsinn (66) Gleichgewichtssinn (66) Tiefensinn (67) Kinästhetischer Sinn (67) Die Entwicklung der Sinne beim Ungeborenen (67) Übersicht: Die pränatale Entwicklung des Menschen (68)5. Weitere Beobachtungen und Überlegungen zum Wiedererleben (71)
Sinneswahrnehmungen, Reaktionen und Körperzustände beim Wiedererleben (71) Fallbeispiel 8: Ein Suizidversuch (76)
Seelische (psychische) Zustände beim Wiedererleben (77) Fallbeispiel 9: Ein Fall von multipler Persönlichkeit im fünften Lebensjahr (78) Kognitive Zustände und Fähigkeiten beim Wiedererleben (81) Fallbeispiel 10: Gespräch mit einer »Zweijährigen« (82) Fallbeispiel 11: Gespräch mit einer »Dreijährigen« (85) Motorische Fähigkeiten beim Wiedererleben (90)6. Vorläufige Zusammenfassung (92)
Schema 2: Situativ angeregtes Wiedererleben (93) Schema 3: Wiedererleben im Wiedererleben (94) Schema 4: Das Lebensprotokoll (97)7. Konditionieren und Erlebnisgedächtnis (98)
Klassisches Konditionieren und Erlebnisgedächtnis (98) Fallbeispiel 12: Klassisches Konditionieren (99) Schema 5: Klassisches Konditionieren (103) Operantes Konditionieren und Erlebnisgedächtnis (104) Fallbeispiel 13: Operantes (und klassisches) Konditionieren (104) Schema 6: Operantes Konditionieren (107)8. Virtuelle Erlebnisse (110)
Schema 7: Veränderung eines Protokolls durch virtuelle Erlebnisse (113)9. Die Funktionen des Erlebnisgedächtnisses (115)
10. Resümee (119)
Zweiter Teil: Störende Wirkungen des Erlebnisgedächtnisses
1. Psychische Störungen (125)
a) Ängste, Paniken, Phobien, Zwänge (126) Schema 8: Reizgeneralisierung bei der Angst- und Panikstörung (I) 129 Schema 9: Reizgeneralisierung bei der Angst- und Panikstörung (II) 130 Fallbeispiel 14: Eine Gewitterphobie 136 Fallbeispiel 15: Lernbehindert? 137 Fallbeispiel 16: Wasserscheu 138
b) Posttraumatische Belastungsstörung (140) Schema 10: Wiedererleben als Symptom der Posttraumatischen Belastungsstörung (I) (142) Schema 11: Wiedererleben als Symptom der Posttraumatischen Belastungsstörung (II) 143 Fallbeispiel 17: Ein Entbindungstrauma 143
c) Depression (144) d) Andere psychische Störungen (146)2. Psychosomatische Störungen (147)
a) Was sind psychosomatische Störungen? (147) b) Wie kommt es zu psychosomatischen Störungen? (148) Welche physiologischen Mechanismen können psychische Belastungen (»Streß«) in körperliche Krankheiten umsetzen? (148)
c) Ein Überblick über die Theorien psychosomatischer Störungen (150) 1 Die Theorie der Organschwäche (150) 2 Die Theorie der spezifischen Reaktion (150) 3 Die Theorie der selbstgemachten Stressoren (»Evolutionstheorie«) (151) 4 Die Konditionierungstheorien (153) 5 Die multifaktorielle Theorie (154)
d) Anmerkungen zu diesen Theorien (154) Fallbeispiel 18: Chronische Magengeschwüre (156) Fallbeispiel 19: Eine atypische Trigeminusneuralgie (158) Fallbeispiel 20: Eine »Konversionsneurose« (159)Literatur (166-167)
Zum Buch
Traumatisierungen finden sich häufig bei Kriegsflüchtlingen, aber auch bei vielen psychisch kranken Menschen, Gewalt-, Unfall- und Mißbrauchsopfern. Der Autor hat hierfür das Verfahren »Begleitetes Systematisches Wieder-Erleben« entwickelt, das in 20 ausführlichen Fallbeispielen hier vorgestellt wird.
Das Phänomen des Wiedererlebens führte Siegfried Petry zu erstaunlichen Thesen über Struktur und Arbeitsweise des Erlebnisgedächtnisses, das vom kognitiven Gedächtnis deutlich abgrenzbar ist.
Die Reihe »Leben lernen« stellt auf wissenschaftlicher Grundlage Ansätze und Erfahrungen moderner Psychotherapien und Beratungsformen vor; sie wendet sich an die Fachleute aus den helfenden Berufen, an psychologisch Interessierte und an alle nach Lösung ihrer Probleme Suchenden.
Seit einiger Zeit wird die Frage, wie traumatisierte Personen psychotherapeutisch wirksam behandelt werden können, heftig diskutiert. Auslöser waren die vielen Opfer von Greueltaten im ehemaligen Jugoslawien. Hier zeigte sich, daß keine bewährten Behandlungsmethoden bei »Posttraumatischen Belastungsstörungen« zur Verfügung stehen.
Traumatisierungen finden sich jedoch nicht nur bei Kriegsflüchtlingen, sondern bei vielen psychisch kranken Menschen, Gewalt-, Unfall- und Mißbrauchsopfern. Der Autor hat hierfür das Verfahren des »Begleiteten Systematischen Wiedererlebens« entwickelt. Der Patient wird Schritt für Schritt an das Trauma herangeführt und erlebt es — unterstützt durch den Psychotherapeuten — immer wieder minutiös durch, bis die Intensität des Erlebens nachläßt und das »Trauma-Protokoll« aufgelöst ist. In 20 ausführlichen Fallbeispielen zeigt der Autor diesen Vorgang sehr plastisch.
Das Phänomen des Wiedererlebens (z.B. auch im Alptraum) führte S. Petry im Laufe seiner langjährigen Arbeit mit Traumapatienten zu erstaunlichen Thesen über Struktur und Arbeitsweise des Erlebnisgedächtnisses, das vom kognitiven Gedächtnis deutlich abgrenzbar ist.
Lesebericht von Reinhold W. Rausch zu <Begleitetes Wiedererleben als Therapie>
Gegenstand seiner Schrift ist die Darstellung des eigentlichen Bezugspunktes und Objekts aller regressiv-therapeutischen Arbeit, das von ihm so genannte Erlebnisgedächtnis. Mit der Genauigkeit des Naturwissenschaftlers, der er ist, beschreibt Petry, in Abgrenzung und Unterscheidung zum kognitiv-sprachlichen Gedächtnis, von ihm und anderen beobachtete Eigenschaften und Merkmale einer Mensch und Tier gemeinsamen Gedächtnisinstanz für sinnliche Informationen.
Sein Anliegen ist, eine erfahrungsgestützte Arbeitshypothese bezüglich dessen, was Erlebnisgedächtnis ist, zu entwickeln und dem psychotherapeutisch wirksamen Verfahren des heilenden " ... Wiedererlebens ein tragfähiges theoretisches Fundament zu geben" (S. 119).
Sein Vorgehen ist phänomenologisch. Er beobachtet ein mit allem Erleben untrennbar mitlaufendes ganzheitliches Erlebnislernen, ein "Lebensprotokoll", das zwanglos und im Prinzip vollständig Sinneswahrnehmungen, Körperzustände, Emotionen, Motorik und auch den jeweiligen kognitiven Zustand aufzeichnet. Erinnerung dieser Protokolle hat die Form des Wiedererlebens. Eine weitere von ihm beobachtete Eigenschaft seiner "Arbeitshypothese" Erlebnisgedächtnis ist "Generalisierung ... durch Verknüpfung ähnlicher Erfahrungen im Erlebnisgedächtnis zu einem immer empfindlicheren und daher effizienteren Frühwarnsystem ..." (S. 116) wodurch es zu den bekannten posttraumatischen Überreaktionen kommen kann.
Diese Beobachtungen stützt er mit Bezugnahme auf die Ergebnisse der klassischen Konditionierungsforschung - und diese erhellend - ab. Er entwickelt Erlebnisgedächtnis als ein im Tierreich ubiquitäres Phänomen, das im Menschen, kulturell gefördert, von kognitiven Gedächtnisfunktionen nur überlagert wird.
So kann er zeigen, dass Erlebnisgedächtnis als eigenständiger Gegenstandsbereich jeder regressiven/primären Traumatherapie existiert; welche Eigenschaften es auszeichnen und wie, darauf Bezug nehmend, heilendes systematisches Wiedererleben möglich ist.
Seine Arbeit mit Trauma-Patienten, über die er in Fallbeispielen berichtet, zeigt, wie Traumata im weitesten Sinne mit der ganzen, ursprünglich vorhandenen sinnlichen Schärfe und emotionalen Ladung wiedererlebt werden können, und dass dieses Wiedererleben heilt. Sein besonderes Vorgehen dabei ist, ein und dasselbe traumatische Erleben in einer Sitzung mehrfach wiedererleben zu lassen.
Seiner knapp zwanzigjährigen Erfahrung mit Trauma- Opfern zufolge bewirkt dies, dass dadurch das Gedächtnisprotokoll im Erlebnisgedächtnis gelöscht wird. Dadurch verschwinden zugleich die angstbesetzten und Vermeidungsverhalten steuernden Symptome. Zurück bleibt ein, typischer weise mit bis dahin "vergessenen" Erinnerungsdetails bereichertes, kognitives Erinnern, ohne aber noch die zuvor gespeicherte emotionale Aufladung zu besitzen.
Das Buch, weit entfernt in ähnlicher Weise die Feinverästelungen der Techniken regressiv-psychotherapeutischen Arbeitens zu entwickeln, trifft sich doch mit dem Werk Paul Vereshacks in seinem erfahrungsgestützt kompromisslosen Vertrauen auf die allein heilende Wirkung des Wiedererlebens.
Die von Petry beobachteten Ergebnisse von Wiedererlebensprozessen sind den in der Primärtherapie-Literatur beschriebenen und mir teilweise selbst geläufigen vergleichbar: Körpererinnerungen, prä- und perinatales Wiedererleben, Erinnerung an Erleben bei Operationen, Symptomlöschung und oft auch spirituelles Erwachen sind ihm aus praktischer Anschauung vertraut.
Dem von der Primärtherapie herkommenden Leser illustrieren sie Petrys tatsächlich eigenständig und unabhängig von Janov entwickelte Vertrautheit mit dem Primärprozess. Durch Erfahrung und Theorie diese im Kern bestätigend und an sie heranführend wurde absichtslos so ein empfehlenswerter Klassiker der Primal-Literatur geschrieben.
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Siegfried Petry (1995) Erlebnisgedächtnis und Posttraumatische Störungen - Begleitetes Wieder-Erleben als Therapie