2.5 - Naturkatastrophen, die keine mehr sind
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Früher beobachteten die Menschen das Wetter, um die Zukunft vorherzusagen; doch wir werden in seinem Toben bald die Rache der Vergangenheit spüren. In einer vier Grad wärmeren Welt wird das Ökosystem der Erde so viele Naturkatastrophen entfachen, dass wir sie schlicht »Wetter« nennen werden: gewaltige Taifune, Tornados, Überschwemmungen und Dürren.
Die Erde wird regelmäßig von Wetterereignissen heimgesucht werden, die vor nicht allzu langer Zeit noch ganze Zivilisationen zerstörten.
Es wird immer öfter extrem starke Wirbelstürme geben, und wir werden neue Kategorien einführen müssen, um sie zu beschreiben. Auch die Zahl der Tornados wird deutlich steigen, und die Schneisen der Verwüstung, die sie schlagen, könnten länger und breiter ausfallen.(290) Die Größe der Hagelkörner wird sich vervierfachen.
Frühe Naturforscher benutzten oft den Begriff »Tiefenzeit«, wenn sie zum Ausdruck bringen wollten, was sie beim Betrachten eines beeindruckenden Tales oder Felsbeckens, der immensen Langsamkeit der Natur, empfanden. Doch mit der Beschleunigung der Geschichte wandelt sich der Blick. Was uns heute erwartet, ähnelt eher dem, was die australischen Aborigines im Gespräch mit viktorianischen Anthropologen als »Traumzeit« bezeichneten: die halbmythische Erfahrung, im gegenwärtigen Augenblick die zeitlose Vergangenheit zu spüren, da die Vorfahren, Helden und Halbgötter eine epische Bühne bevölkern. Dieses Gefühl stellt sich bereits ein, wenn man sich Aufnahmen davon anschaut, wie ein Gletscher abbricht und ins Meer stürzt - es wirkt, als laufe die gesamte Geschichte auf einmal ab.
Und so ist es auch. Im Sommer 2017 erlebte die nördliche Erdhalbkugel ein noch nie dagewesenes Extremwetter: Über dem Atlantik entstanden in schneller Folge drei gewaltige Wirbelstürme;291 die epischen Regengüsse (»nur einmal in 500.000 Jahren«), die Hurrikan Harvey mit sich brachte, ließen Houston in über 3.500 Kubikmetern Wasser pro Einwohner des gesamten Bundesstaates Texas versinken;292 in Kalifornien verwüsteten über 9000 Waldbrände mehr als 4000 Quadratkilometer Land; in Grönland gab es zehnmal mehr Brände als noch 2014 und in Südasien vertrieben Überschwemmungen 45 Millionen Menschen aus ihren Häusern.
wikipedia Atlantische_Hurrikansaison_2017#Hurrikan_Harvey
Dann kam der Rekordsommer 2018 und ließ 2017 fast schon idyllisch wirken.293 Er brachte eine beispiellose weltweite Hitzewelle mit sich, mit Temperaturen von 42 Grad in Los Angeles, 50 Grad in Pakistan und 51 Grad in Algerien. Auf den Radaren tauchten sechs Hurrikans und Tropenstürme auf, die sich gleichzeitig über den Weltmeeren gebildet hatten.
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Einer von ihnen, der Taifun Mangkhut, wütete auf den Philippinen und in Hongkong, forderte über 100 Todesopfer und verursachte Schäden in Höhe von einer Milliarde Dollar, während ein anderer, der Hurrikan Florence, die jährliche Regenmenge in North Carolina auf das Doppelte trieb, mehr als 50 Menschen das Leben kostete und Schäden in Höhe von 17 Milliarden Dollar verursachte.
Darüber hinaus gab es Waldbrände in Schweden, auch jenseits des Polarkreises, und derart viele im Westen der USA, dass der Qualm dem halben Kontinent zusetzte. Insgesamt verbrannten rund 6.000 Quadratkilometer. Der Yosemite-Nationalpark wurde teilweise geschlossen, ebenso wie der Glacier-Nationalpark in Montana, wo die Temperaturen ebenfalls auf über 38 Grad stiegen. 1850 hatte es in der Region noch 150 Gletscher gegeben, heute sind sie alle bis auf 26 geschmolzen.294
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2040 wird uns ein Sommer wie 2018 wahrscheinlich ganz normal vorkommen. Doch extreme Wetterereignisse sind nicht »normal« - sie sind die Randerscheinungen des immer schlimmer werdenden Klimageschehens, die uns nun heimsuchen. Das gehört zu den besonders Furcht einflößenden Aspekten des schnell voranschreitenden Klimawandels: nicht die Tatsache, dass er sich auf unseren Alltag auswirkt - obwohl er das tut, und zwar auf dramatische Art und Weise -, sondern dass er ehemals unvorstellbare Wetterausreißer zu einer gewohnten Erfahrung macht und ganz neue Kategorien von Katastrophen ins Reich der Möglichkeit holt. Schon heute hat sich die Anzahl der Stürme laut dem European Academies' Science Advisory Council seit 1980 verdoppelt;295 einer aktuellen Einschätzung zufolge wird New York alle 25 Jahre eine »Fünfhundertjahresflut« erleben.296 Dabei ist der Anstieg des Meeresspiegels in anderen Teilen der Erde viel ausgeprägter, was bedeutet, dass die Überflutungen durch Stürme in unterschiedlichem Maße zunehmen werden. Einige Orte werden noch viel öfter von derartigen Unwettern heimgesucht werden.
Das Ergebnis ist eine radikale Häufung der extremen Wetterereignisse - die Naturkatastrophen, die sich früher auf mehrere Jahrhunderte verteilten, drängen sich nun in ein oder zwei Jahrzehnte - oder, wie im Fall von East Island, einer zu Hawaii gehörigen Insel, die durch einen einzigen Hurrikan unterging, in eine Zeitspanne von ein oder zwei Tagen.
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Die Auswirkungen des Klimas auf extreme Niederschläge - oft »Starkregen« und im Englischen auch »rain bomb« (»Regenbombe«) genannt - sind noch klarer zu erkennen als die auf Hurrikans, da der Mechanismus kaum simpler sein könnte: Warme Luft nimmt mehr Feuchtigkeit auf als kühle. Schon heute kommt es in den Vereinigten Staaten um 40 Prozent häufiger zu starken Regengüssen als Mitte des vergangenen Jahrhunderts.297 Im Nordosten sind es 71 Prozent mehr.298 Die schwersten Niederschläge fallen heute um drei Viertel heftiger aus als 1958, Tendenz steigend. Die Insel Kauai, die zu Hawaii gehört, zählt zu den regenreichsten Orten der Welt und hat in den vergangenen Jahrzehnten sowohl Tsunamis als auch Hurrikans erlebt.299 Als dort im April 2018 durch den Klimawandel bedingte Regenfälle niedergingen, zerstörten sie die Messgeräte, und der Nationale Wetterdienst konnte nur Schätzungen veröffentlichen: 125 Zentimeter Niederschlag in 24 Stunden.
Wenn es um extreme Wetterereignisse geht, leben wir bereits heute in einer ganz neuen Zeit. In den USA haben sich die Schäden durch normale Gewitter - nicht durch Ausnahmeerscheinungen - seit den 1980er-Jahren mehr als versiebenfacht.300 Die Stromausfälle durch Stürme haben sich seit 2003 verdoppelt. Als der Hurrikan Irma entstand, war er so stark, dass manche Meteorologen vorschlugen, dafür eine neue Kategorie einzuführen - die Kategorie 6.(301) Und dann kam Maria, pflügte durch die Karibik und verwüstete eine Reihe von Inseln zum zweiten Mal innerhalb einer Woche - beide Stürme waren so heftig, dass die Inseln derartige Verheerungen vielleicht einmal pro Generation oder sogar noch seltener hätten verkraften können. In Puerto Rico sorgte Maria dafür, dass die Strom- und Wasserversorgung auf der ganzen Insel für Monate zusammenbrach; der Hurrikan überschwemmte die Anbauflächen so nachhaltig, dass ein Bauer vorhersagte, auf der Insel werde man im folgenden Jahr nichts ernten können.302
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Was nach dem Hurrikan geschah, führt uns einen der hässlicheren Aspekte unserer Klimablindheit vor Augen: Die Puerto Ricaner sind US-Bürger und leben nicht weit vom Festland auf einer Insel, die Millionen von Amerikanern schon persönlich besucht haben. Doch als die Naturkatastrophe über sie hereinbrach, nahmen die Amerikaner das dortige Leid, vielleicht aus psychologischem Eigennutz, als weit entfernt wahr. Präsident Trump erwähnte Puerto Rico in den Tagen nach Maria kaum einmal, und selbst wenn das vielleicht wenig überraschend ist, galt doch das Gleiche für die sonntäglichen Talkshows, die sich traditionell mit dem Geschehen der vergangenen Woche befassen. Schon am Wochenende, wenige Tage nachdem der Hurrikan über die Insel gezogen war, verschwand das Thema von der Titelseite der New York Times.
Als Trumps Streit mit der heldenhaften Bürgermeisterin von San Juan und sein stark kritisierter Besuch auf der Insel - bei dem er Küchenrollen in die versammelten Menschen warf, die immer noch keinen Strom oder Wasser hatten, ganz so als handle es sich um T-Shirts bei einem Basketballspiel - den Hurrikan zu einem politischen Thema machten, schenkten die Amerikaner der angerichteten Zerstörung ein bisschen mehr Aufmerksamkeit. Doch angesichts der humanitären Krise auf Puerto Rico - und im Vergleich zu den Reaktionen auf Naturkatastrophen, die das amerikanische Festland in den letzten Jahren getroffen haben - fiel sie gering aus.
»Wir bekommen einen ersten Eindruck davon, wie die herrschende Klasse mit der steigenden Anzahl von Katastrophen im Anthropozän umgehen will«, schrieb McKenzie Wark, Kulturwissenschaftler an der New School in New York. »Wir sind auf uns allein gestellt.«303
In Zukunft wird all das, was bisher beispiellos war, schnell zur Routine werden. Erinnern Sie sich noch an Hurrikan Sandy? Derartige Überschwemmungen wird es in New York 2100 17-mal so häufig geben.304 Hurrikans vom Typ Katrina sollen den Erwartungen zufolge doppelt so oft auftreten.305 Weltweit sagen Wissenschaftler für Wirbelstürme der Kategorien 4 und 5 bei einer Erwärmung um nur ein Grad einen Anstieg um 25 bis 30 Prozent voraus.306
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Allein zwischen 2006 und 2013 erlebten die Philippinen 75 Naturkatastrophen;307 in Asien sind die Taifune in den vergangenen vier Jahrzehnten zwischen 12 und 15 Prozent stärker geworden und der Anteil der Stürme der Kategorien 4 und 5 hat sich verdoppelt, in manchen Gebieten sogar verdreifacht.308 Bis 2070 könnten Stürme in den asiatischen Metropolen zu Schäden in Höhe von 35 Billionen Dollar führen - 2005 waren es nur drei Billionen.309
Wir sind meilenweit davon entfernt, geeignete Schutzmaßnahmen gegen solche Stürme zu ergreifen; im Gegenteil, wir setzen weiterhin neue Gebäude in ihren Pfad, so als wären wir Siedler, die Anspruch auf ein Stück Land erheben, über das jeden Sommer Tornados hinwegfegen, und sich damit über Generationen hinweg blind den Naturkatastrophen ausliefern. Nein, es ist sogar noch schlimmer, denn wenn wir empfindliche Küstenflächen versiegeln, wie wir es insbesondere in Houston und New Orleans gemacht haben, blockiert der Beton die natürlichen Ablaufwege des Wassers. Wir erklären uns selbst, wir würden das Land »erschließen« - in einigen Fällen »gewinnen« wir es sogar aus der Sumpflandschaft. Doch im Grunde bauen wir damit nur unserem eigenen Leid eine Brücke, denn es sind nicht nur diese neuen, auf den Überflutungsflächen errichteten Betonsiedlungen, die gefährdet sind, sondern auch alle Ansiedlungen dahinter, die dort in der Überzeugung gebaut wurden, der sumpfige Küstenbereich würde sie schützen.
Was uns zu der Frage führt, was wir im Zeitalter des Anthropozäns überhaupt mit dem Begriff »Naturkatastrophe« meinen.
Das Traumzeitwetter beschränkt sich nicht nur auf die Küste, sondern wird sich auf das Leben jedes Menschen auf der Erde auswirken, egal wie weit im Landesinneren er wohnt. Je stärker sich die Arktis erwärmt, desto heftiger werden die Schneestürme in den nördlichen Breitengraden - so kam es im Nordosten der USA 2010, 2014 und 2016 zur »Snowpokalypse«, zum »Snowmargeddon« und zu »Snowzilla«.310
Die Auswirkungen des Klimawandels machen sich im Inland auch in den wärmeren Jahreszeiten bemerkbar. Im April 2011 zogen innerhalb dieses einen Monats 758 Tornados durch die ländlichen Gegenden der USA.311 Bis dahin hatte der Rekord für April bei 267 gelegen und das allgemeine Maximum für einen Monat bei 542.
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Im folgenden Monat kam die nächste Welle, darunter auch der Tornado, der in Joplin im Bundesstaat Missouri 138 Menschen das Leben kostete. Die sogenannte Tornado Alley (Tornado-Gasse) in den USA hat sich in nur 30 Jahren um 800 Kilometer verschoben, und obwohl die Wissenschaftler theoretisch nicht sicher wissen, ob der Klimawandel die Bildung von Tornados begünstigt, hinterlassen diese immer längere und breitere Schneisen der Verwüstung. Sie entstehen aus Gewittern, von denen es immer mehr gibt - die Anzahl der Tage, an denen Unwetter möglich sind, werden bis 2100 um 40 Prozent ansteigen, so eine Schätzung.312
Der United States Geological Survey - keine sonderlich hysterisch veranlagte Abteilung der ohnehin für ihr eher zurückhaltendes Temperament bekannten staatlichen Behörden - spielte kürzlich unter der Bezeichnung ARkStorm (Atmospheric River kilo Storm; deutsch: Atmosphärischer Fluss 1000 Sturm) ein Extremwetter-Szenario durch: In Kalifornien wüten heftige Winterstürme, wodurch es zu Überschwemmungen in einem rund 500 mal 30 Kilometer großen Areal des Central Valley und - schlimmer noch - in Los Angeles, Orange County und der Bay Area kommt, was die Evakuierung von mehr als einer Million Kalifornier nötig macht. Die Windgeschwindigkeiten erreichen in einigen Regionen hurrikanartige Ausmaße von 200 Stundenkilometern und in weiten Teilen des Bundesstaats mindestens 100 Stundenkilometer; im Gebirge lösen sich reihenweise Erdrutsche, und es entstehen Schäden im Wert von insgesamt 725 Milliarden Dollar, fast dreimal die Summe, mit der man rechnet, sollte es in Kalifornien zu einem gewaltigen Erdbeben kommen, dem gefürchteten »Big One«.313
Früher, selbst in der jüngeren Vergangenheit, schienen derartige Katastrophen durch überweltliche Kräfte und eine unverständliche moralische Logik ausgelöst zu werden. Wir konnten die Ereignisse auf dem Radar und auf Satellitenbildern kommen sehen, sie aber nicht deuten - nicht auf eine verständliche Weise, nicht so, dass wir wirklich einen Zusammenhang zwischen ihnen hätten herstellen können.
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Selbst Atheisten und Agnostiker haben sich vielleicht das ein oder andere Mal dabei ertappt, wie sie nach einem Hurrikan, einem Waldbrand oder einem Tornado etwas von einem Akt Gottes flüsterten, sei es auch nur, um zum Ausdruck zu bringen, wie unbegreiflich sich ein solches Leid ohne einen klaren Verursacher, einen Schuldigen dahinter anfühlte. Das wird der Klimawandel ändern.
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Obwohl wir uns schon daran gewöhnen, Naturkatastrophen für eine regelmäßige Erscheinung unseres Wetters zu halten, wird sich das Ausmaß der Zerstörungen und der Schrecken, die sie mit sich bringen, nicht verringern. Auch hier gibt es Kaskadeneffekte: Vor dem Hurrikan Harvey schaltete der Bundesstaat Texas die Geräte ab, mit denen die Luftqualität in Houston überprüft wird - aus Angst, sie könnten beschädigt werden. Unmittelbar darauf stiegen Schwaden »unerträglichen« Gestanks aus den petrochemischen Anlagen der Stadt auf.314 Letztendlich sickerten über anderthalb Milliarden Liter Industrieabwässer aus einer einzigen solchen Anlage in die Galveston Bay.315 Insgesamt erzeugte der Sturm mehr als 100 Vorfälle, bei denen Giftstoffe freigesetzt wurden, darunter 1,75 Millionen Liter Benzin, mehr als 23 Tonnen Rohöl und eine gewaltige Menge Chlorwasserstoff, einem Stoff, der in Verbindung mit Wasser zu Salzsäure wird - »kann zu Verbrennungen, Ersticken und zum Tod führen« - und sich auf einem 16 Hektar großen Gebiet ausgebreitet hatte.
Ein Stück weiter die Küste entlang, in New Orleans, hatte der Sturm weniger direkte Auswirkungen, aber die Stadt kämpfte ohnehin mit Problemen, denn nach einem Sturm wenige Wochen zuvor funktionierte ein Teil der Wasserpumpen nicht.316 Schon bevor Hurrikan Katrina 2005 in New Orleans wütete, konnte man nicht von einer blühenden Stadt sprechen - im Jahr 2000 bestand die Bevölkerung nur noch aus 480.000 Menschen, nachdem es 1960 über 600.000 gewesen waren.317 Nach dem Wirbelsturm sank sie auf 230.000.318 Doch Houston ist ein anderer Fall. Die Stadt zählte 2017 zu den am schnellsten wachsenden Städten des Landes - im Ballungsgebiet Houston befand sich in jenem Jahr sogar der am allerschnellsten wachsende Vorort der USA - und hat fünfmal mehr Einwohner als New Orleans.319
Es kann als tragische Ironie bezeichnet werden, dass viele der Neuankömmlinge, die sich im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte genau dort angesiedelt hatten, wo nun der Wirbelsturm entlangzog, wegen der Ölindustrie in die Region gekommen waren, die so unermüdlich daran arbeitet, die Öffentlichkeit in Bezug auf den Klimawandel hinters Licht zu führen und die weltweiten Versuche, die Emissionen zu verringern, zu untergraben.320
Man muss befürchten, dass dies nicht der letzte »Fünfhundertjahressturm« war, den die Ölarbeiter vor ihrem Renteneintritt erlebt haben werden - und auch nicht der letzte, den die Hunderte von Bohrinseln vor Houston oder die zahlreichen anderen, die heute an anderen Stellen vor der Golfküste schwimmen, durchmachen werden, bevor die Kosten unserer Emissionen so brutal deutlich sind, dass diese Bohrinseln endlich abgeschafft werden.
Die Formulierung »Fünfhundertjahressturm« ist auch aufschlussreich, wenn es um das Thema Widerstandsfähigkeit geht. Selbst bei einer umfassenden Zerstörung kann eine derart geplagte Gemeinschaft die lange Wiederaufbauphase aushalten, solange diese Gemeinschaft wohlhabend und politisch stabil ist und die Strukturen nur einmal alle 100 Jahre neu schaffen muss - möglicherweise sogar alle 50 Jahre. Aber ein zehn Jahre dauernder Wiederaufbau nach einem gewaltigen Sturm, der einmal in zehn oder vielleicht 20 Jahren auftritt, ist etwas ganz anderes, selbst für so reiche Länder wie die USA und so wohlhabende Regionen wie die Metropolregion Houston.
New Orleans leidet noch heute unter den Folgen von Katrina, mehr als ein Jahrzehnt nach dem Sturm. Im am schwersten betroffenen Stadtteil, dem Lower Ninth Ward, wohnen heute nur ein Drittel der Menschen, die dort vor dem Sturm gelebt hatten.321 Und es hilft sicherlich nicht, dass die gesamte Küste von Louisiana vom Meer verschlungen wird, über 5000 Quadratkilometer sind schon verschwunden.322 Der Bundesstaat verliert stündlich die Fläche eines Footballfeldes. In den Florida Keys müssten 240 Kilometer Straße angehoben werden, damit sie nicht irgendwann unter Wasser stehen. Die Kosten betragen rund 4,3 Millionen Dollar pro Kilometer, bis zu einer Milliarde insgesamt. Das Budget, das die lokalen Behörden 2018 für den Straßenbau vorgesehen hatten, umfasst 25 Millionen Dollar.323
Für die Armen der Welt ist es fast unmöglich, sich von Stürmen wie Katrina, Irma und Harvey, die immer häufiger auftreten, zu erholen. Für sie ist es oft am besten, einfach wegzuziehen. In den Monaten, nachdem Hurrikan Maria Puerto Rico verwüstet hatte, trafen Tausende Inselbewohner in Florida ein, ihrer Meinung nach für immer.324 Doch auch Florida steht vor dem Verschwinden.
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