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II - Elemente 

  2.6 - Süßwassermangel  

 

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71 Prozent der Erde sind von Wasser bedeckt.325 Kaum mehr als 2 Prozent dieses Wassers sind Süßwasser, und nur höchstens 1 Prozent dieses Süßwassers ist für uns verfügbar; der Rest befindet sich zum größten Teil in Gletschern.326 Im Grunde müssen wir, wie die Zeitschrift National Geographic errechnet hat, mit nur 0,007 Prozent der Wasservorkommen auf der Erde sieben Milliarden Menschen versorgen.327

Wer an Wassermangel denkt, spürt wahrscheinlich sofort, wie sein Hals trocken wird, aber genau genommen verwenden wir nur einen sehr geringen Teil des Wassers, das wir nutzen, zum Trinken. Zwischen 70 und 80 Prozent des Süßwasserverbrauchs weltweit fließen in die Lebensmittelproduktion und die Landwirtschaft, weitere 10 bis 20 Prozent in die Wirtschaft.328

Und die Krise ist nicht in erster Linie durch den Klimawandel verschuldet - auch wenn es schwer vorstellbar ist, sollten jene 0,007 Prozent eigentlich nicht nur für die sieben Milliarden Menschen ausreichen, die heute schon auf der Erde leben, sondern auch für neun Milliarden oder sogar ein bisschen mehr. Doch wie es aussieht, werden wir diese neun Milliarden gegen Ende des Jahrhunderts überschritten haben und eher bei einer Weltbevölkerung von mindestens zehn oder vielleicht sogar zwölf Milliarden Menschen liegen. Wie schon bei der Nahrungs­mittel­knappheit gilt auch hier, dass ein Großteil des Bevölkerungs­wachstums den Erwartungen zufolge in Teilen der Welt stattfinden wird, in denen der Wasser­mangel bereits jetzt am größten ist - in diesem Fall die urbanen Regionen Afrikas.

In vielen Ländern Afrikas muss man schon heute mit nur 20 Litern Wasser am Tag auskommen - weniger als die Hälfte dessen, was laut Wasserorganisationen für ein gesundes Leben ausreichend wäre.329 Man geht davon aus, dass der weltweite Bedarf die verfügbaren Wassermengen schon 2030 um 40 Prozent überschreiten wird.330

Heute ist die Krise ein Fall für die Politik - also weder unvermeidlich noch notwendig oder unlösbar - und daher im Grunde selbstgewählt. Das ist einer der Gründe dafür, warum der Wassermangel trotzdem eine so erschütternde Parabel für den Klimawandel ist: Eine reichlich vorhandene Ressource wird durch politische Versäumnisse und Gleichgültigkeit, schlechte Infrastruktur und Verschmutzung sowie rücksichtslose Verstädterung und Landerschließung zu einem knappen Gut.

Anders ausgedrückt: Die Wasserkrise ist unnötig, aber trotzdem da, und wir tun nicht viel, um dagegen vorzugehen. Manche Städte verlieren mehr Wasser durch Lecks in den Leitungen, als sie in die Haushalte transportieren: Selbst in den USA sorgen Lecks und Diebstahl dafür, dass 16 Prozent des Wassers verloren gehen;331 in Brasilien liegt dieser Wert wohl bei 40 Prozent.332

Wie überall auf der Welt wird der Verlauf dieses Schauspiels auch in diesen beiden Fällen so unverhüllt von der Ungleichheit zwischen Haben und Nichthaben bestimmt, dass der Wettstreit um die Ressourcen im Grunde kaum als Wettstreit bezeichnet werden kann. Die Trümpfe sind so klar verteilt, dass der Wassermangel eher wie ein Werkzeug der verheerenden Ungleichheit wirkt. In der Folge bedeutet das, dass weltweit 2,1 Milliarden Menschen nicht genügend sauberes Trinkwasser und 4,5 Milliarden keinen gesicherten Zugang zu Wasser für die sanitäre Versorgung haben.(333)

Wie die Erderwärmung ist auch die Wasserkrise heute durchaus noch lösbar. Aber die 0,007 Prozent lassen uns furchtbar wenig Spielraum, und der Klimawandel wird ihn noch verringern. Die Hälfte der Welt­be­völkerung ist von der saisonalen Schmelze hoch gelegener Schnee- und Eisvorkommen abhängig, doch die sind durch die Erwärmung in höchster Gefahr.334 Selbst wenn wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen, werden die Gletscher des Himalaja bis 2100 um 40 Prozent oder noch mehr geschrumpft sein, und in Peru und Kalifornien könnte es infolge der Gletscherschmelze zu einer weitreichenden Wasserknappheit kommen.335

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Bei einer Erwärmung um vier Grad würden die schneebedeckten Alpen eher wie das Atlasgebirge in Marokko aussehen, da bis zum Ende des Jahrhunderts 70 Prozent des Schnees verschwunden wären.336 Schon 2020 könnten 250 Millionen Afrikaner mit klimawandelbedingtem Wassermangel zu kämpfen haben;337 bis 2050 könnten es allein in Asien eine Milliarde sein.338 Bis dahin könnte laut einer Studie der Weltbank auch die Süßwasser­versorgung in Städten überall auf der Welt um ganze zwei Drittel geschrumpft sein.339 Insgesamt ist es möglich - warnen die Vereinten Nationen -, dass 2050 fünf Milliarden Menschen nur ein­geschränkten Zugang zu Süßwasser haben.340

Auch die Vereinigten Staaten bleiben davon nicht verschont - die rasch wachsende Stadt Phoenix ist beispielsweise schon dabei, Notfallpläne zu erstellen,341 was wenig überraschend ist, zieht man in Betracht, dass auch London sich schon über Wasserknappheit Gedanken macht.342 Doch dank der Möglichkeiten, die das Geld mit sich bringt - etwa Überbrückungsmaßnahmen und kurzfristige Sonderlieferungen -, werden die schlimmsten Auswüchse der Krise nicht die USA treffen. In Indien leiden schon jetzt 600 Millionen Menschen unter »hohen bis extremen Belastungen durch Wasserarmut«, und 200.000 Menschen sterben jährlich durch Wassermangel oder -Verschmutzung, wie 2018 in einem Regierungsbericht zu lesen war. Demnach wird Indien bis 2030 nur noch halb so viel Wasser haben, wie es brauchte. In Pakistan standen 1947, im Jahr der Staatsgründung, pro Kopf 5.000 Kubikmeter Wasser zur Verfügung, heute sind es durch das Bevölkerungswachstum nur noch 1000, und der weitere Anstieg und der Klimawandel werden diesen Wert schon bald auf 400 reduzieren.343

In den vergangenen 100 Jahren sind viele der größten Seen der Erde geschrumpft, vom Aralsee in Zentralasien, der früher der viertgrößte See der Welt war und in den letzten Jahrzehnten mehr als 90 Prozent seines Volumens eingebüßt hat,344 bis zum Lake Mead im Südwesten der USA, der Las Vegas mit Wasser versorgt und in einem Jahr 1,5 Billionen Liter verloren hat.  wikipedia  Lake_Mead

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Der Poopö-See, einst der zweitgrößte Boliviens, war zeitweilig komplett verschwunden,345 der Urmiasee im Iran ist in 30 Jahren um mehr als 80 Prozent geschrumpft.346 Der Tschadsee ist mehr oder weniger vollständig verdunstet.347 Der Klimawandel ist nur einer der Faktoren, die zu diesen Entwicklungen geführt haben, aber sein Einfluss wird mit der Zeit nicht geringer werden.

Was sich in den Seen abspielt, die fortbestehen, ist vielleicht ebenso beunruhigend. Im Tai Hu in China bedrohte die Ausbreitung warmwasserliebender Bakterien 2007 beispielsweise die Trinkwasserversorgung von zwei Millionen Menschen,348 die Erwärmung des ostafrikanischen Tanganjikasees gefährdet die Fischvorkommen, die von Millionen Menschen in vier angrenzenden, hungerleidenden Ländern gefangen und verzehrt werden.349 Im Übrigen sind die Süßwasserseen der Erde für bis zu 16 Prozent des natürlichen Methanausstoßes verantwortlich,350 und Wissenschaftler schätzen, dass das durch den Klimawandel verstärkte Wasser­pflanzenwachstum diese Emissionen in den nächsten 50 Jahren verdoppeln könnte.351

Um dem Dürreproblem der Welt eine kurzfristige Lösung entgegenzusetzen, zapfen wir schon heute unterirdische Wasserschichten an, aber diese Vorräte haben sich über Jahrmillionen angesammelt und kommen so schnell nicht wieder.352 Die USA beziehen bereits ein Fünftel ihrer Wasserversorgung aus dieser Quelle, und der renommierte Journalist Brian Clark Howard hat festgestellt, dass Brunnenschächte, durch die einst Wasser aus einer Tiefe von 150 Metern heraufgepumpt wurde, mittlerweile mindestens doppelt so tief sein müssen.353

Im Flussbecken des Colorado River, das sieben Bundesstaaten mit Wasser versorgt, schrumpften die Grundwasservorkommen zwischen 2004 und 2013 deshalb um 50 Kubikkilometer,354 und der Spiegel des Ogallala-Aquifers sank im Norden von Texas innerhalb eines Jahrzehnts um 4,5 Meter ab,355 während der Aquifer in Kansas Berechnungen zufolge in den nächsten 50 Jahren 70 Prozent seines Volumens einbüßen wird.356 Währenddessen wird in diesem Trinkwasser Fracking betrieben. In Indien könnten allein in den nächsten zwei Jahren 21 Städte ihre Grundwasservorkommen aufbrauchen.357

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Kapstadt sollte den ersten Tag Null im März 2018 erleben.358 Für diesen Tag hatte die Stadt ein paar Monate zuvor, als sie die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten erlebte, vorausgesagt, dass buchstäblich kein Tropfen mehr aus den Wasserleitungen kommen werde.

Für jemanden, der irgendwo in einem Industriestaat in einer fortschrittlichen Stadt in einem modernen Haus im Wohnzimmer sitzt, scheint diese Bedrohung schwer vorstellbar - heute wirken so viele Städte wie Traum­vorstellungen der endlosen und auf Abruf verfügbaren Fülle für die Wohlhabenden der Welt. Doch von allen Aspekten des urbanen Anspruchsdenkens ist das selbstverständliche Voraussetzen niemals endender Wasservorräte vielleicht der größte Trugschluss. Damit bei uns Wasser aus dem Hahn, der Dusche und dem Toilettenspülkasten kommt, muss vieles passen.

Wie es bei Klimakrisen so oft der Fall ist, verschärfte auch die Trockenheit in Kapstadt die bereits bestehenden Konflikte.

Der Kapstädter Adam Welz beschrieb diese Zeit, die endete, bevor die Stadt völlig trocken lief, in einem ergreifenden, in der ersten Person verfassten Bericht als eine opernartige Darbietung der altbekannten lokalen Probleme: Zumeist wohlhabende Weiße beklagten sich darüber, dass größtenteils arme Schwarze, von denen viele eine kleine Menge Wasser kostenlos erhalten, verschwenderisch mit diesem Vorrat umgehen würden; in den sozialen Medien wimmelte es vor Anschuldigungen gegen angeblich faule oder gleichgültige schwarze Südafrikaner, die unbeaufsichtigt das Wasser laufen ließen, und gegen Geschäfte in Slums, die geklautes Wasser verscherbelten. Schwarze Südafrikaner verwiesen auf die weißen Vorortbewohner mit ihren Pools und Rasenflächen, die sich angeblich damit vergnügten, »in den Toilettenräumen der vornehmen Einkaufszentrum Spülorgien zu veranstalten«.

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Es gab Verschwörungstheorien über die Gleichgültigkeit der staatlichen Führung und eine israelische Technologie, die den Bürgern vorenthalten werde, während die Lokalpolitiker den staatlichen Behörden und diese wiederum den Meteorologen Arglist vorwarfen - hauptsächlich um eine Ausrede zu haben, selbst nicht handeln zu müssen, wie es fast immer der Fall ist, wenn eine Gemeinschaft geschlossen auf eine Klimabedrohung reagieren muss. Auf dem Höhepunkt der Krise verkündete der Bürgermeister, dass fast zwei Drittel der Stadt, 64 Prozent, sich nicht an die neu eingeführten Wasserbeschränkungen hielten, deren Ziel darin bestand, den Tagesverbrauch auf 85 Liter pro Person zu begrenzen.359

Der durchschnittliche Amerikaner kommt auf vier- bis fünfmal so viel; im trockenen Utah, der Mormonenstadt, die auf die Prophezeiung eines Garten Eden in der Wüste zurückgeht, verbraucht jeder Bürger pro Tag knapp 940 Liter.360

Im Februar schraubte Kapstadt die Zuteilung pro Person noch einmal hinab, auf 50 Liter, und das Militär bereitete sich darauf vor, die Wasservorräte der Stadt zu schützen.

Doch alle Schuldzuweisungen gegen Einzelne waren fehlgeleitet, wie so oft in Gemeinschaften, die mit den schmerzhaften Auswirkungen des Klimawandels zurechtkommen müssen. Wir neigen dazu, unsere gesamte Aufmerksamkeit auf unseren Privatverbrauch zu richten, zum Teil, weil wir diesen kontrollieren können, aber auch, weil das heute eine beliebte Form ist, demonstrativ zu zeigen, wie richtig man sich verhält. Doch letztendlich spielen diese privaten Entscheidungen in fast allen Fällen eine sehr untergeordnete Rolle und lenken uns nur von den wichtigeren Kräften ab. Geht es um unser Wasser, sieht das große Ganze so aus: Der private Verbrauch macht einen derart geringen Anteil aus, dass ein Verzicht in diesem Bereich nur bei ganz extremer Knappheit Auswirkungen zeigt. Schon vor der Dürre gab es in Südafrika laut einer Untersuchung neun Millionen Menschen ohne Zugang zu Trinkwasser;361 die Menge, die benötigt würde, um den Bedarf dieser Menschen zu decken, beträgt nur ein Drittel dessen, was jährlich für den Weinanbau verwendet wird.362 In Kalifornien, wo die Trockenheit immer wieder Auseinandersetzungen über Swimmingpools und immergrüne Rasenflächen befeuert, macht der Privatverbrauch in den Städten nur etwa 10 Prozent aus.363

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In Südafrika ging die Krise irgendwann vorbei - durch eine Kombination aus rigoroser Wasserrationierung und dem Ende der Trockenperiode. Doch es sei Ihnen verziehen, wenn Sie aufgrund der Präsenz, die der Fall Kapstadt in den Medien genoss, der Meinung waren, dass die südafrikanische Stadt die erste war, die einem Tag Null ins Auge sah. Sao Paulo erging es 2015 ganz ähnlich, nach einer zweijährigen Dürre. Dort wurde ein rigoroses Rationierungssystem eingeführt und die Wasserversorgung für einige Bewohner auf zwölf Stunden am Tag begrenzt, was Firmen in den Bankrott trieb und zu Massenentlassungen führte.364

Als Barcelona 2008 die schlimmste Dürre seit Beginn der katalonischen Aufzeichnungen erlebte, musste die Stadt Trinkwasser aus Frankreich importieren.365 Die »Millennium-Dürre« im Süden Australiens begann 1996 mit geringen Niederschlägen und verschärfte sich später, ab 2001, zu einer achtjährigen Trockenperiode von Death-Valley-mäßigem Ausmaß, die erst endete, als die Regengüsse von La Nina die Region 2010 endlich erlösten.366 Die Reis- und Baumwollproduktion brach um 99 bzw. 84 Prozent ein.367 Flüsse und Seen verdunsteten, und in den Feuchtgebieten versauerte der trockene Boden.368 2018 kam in der indischen Stadt Shimla, einst die Sommerresidenz der britischen Kolonialregierung, im Mai und Juni wochenlang kein Wasser aus den Leitungen.369

Auch wenn die Landwirtschaft oft am schlimmsten unter dem Wassermangel zu leiden hat, betrifft das Problem aber nicht nur die ländlichen Gegenden. 14 der 20 größten Städte der Welt leiden momentan unter Wasser­knappheit oder einer Dürre. Vier Milliarden Menschen leben laut Schätzungen bereits heute in Regionen, in denen es mindestens einen Monat im Jahr zu wenig Wasser gibt - das sind fast zwei Drittel der Weltbevölkerung. Eine halbe Milliarde lebt an Orten, wo dauerhafter Mangel herrscht. Schon heute, da sich die Erde nur um ein Grad erwärmt hat, zählt der Teil der USA, der westlich von Texas liegt und in dem man die Seen und Grundwasservorräte anzapft, um den Bedarf zu stillen, zu den Regionen, in denen mindestens einen Monat lang das Wasser knapp wird; das Gebiet erstreckt sich bis in den Westen Kanadas hinauf und bis nach Mexiko-Stadt hinunter.370 Ebenfalls betroffen sind fast ganz Nordafrika und der Nahe Osten, ein großer Teil von Indien, fast ganz Australien, beträchtliche Teile von Argentinien und Chile sowie der gesamte afrikanische Kontinent südlich von Sambia.

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Seit der Klimawandel ein Thema ist, stand er immer im Zeichen des Salzwassers - die schmelzende Arktis, der steigende Meeresspiegel, das Zurückweichen der Küste. Dabei ist eine Süßwasserkrise viel beunruhigender, weil wir von ihm viel direkter abhängig sind. Außerdem steht sie uns schneller bevor. Doch obwohl die Erde heute über die nötigen Ressourcen verfügt, um die gesamte Weltbevölkerung mit genügend Wasser zum Trinken und für die sanitäre Versorgung zu versehen, fehlt es am politischen Willen - oder auch nur der Bereitschaft -, das durchzusetzen.

Die weltweite Nahrungsmittelproduktion wird, so erwartet man, in den nächsten drei Jahrzehnten etwa 50 Prozent mehr Wasser verbrauchen, die Städte und die Industrie 50 bis 70 Prozent mehr und die Energie­versorgung etwa 85 Prozent mehr.371 Gleichzeitig droht der Klimawandel unsere Wasservorkommen durch die bevorstehenden Superdürren beträchtlich zu verringern. Die Weltbank stellte in ihrer wegweisenden Unter­suchung über Wasser und den Klimawandel, die unter dem Titel »High and Dry« veröffentlicht wurde, sogar fest: »Die Auswirkungen des Klimawandels werden sich hauptsächlich im Wasserkreislauf bemerkbar machen.«372 Sie warnt: Wenn es um die sich in grausamen Stufen entfaltenden Kaskaden des Klimawandels geht, ist die effiziente Wassernutzung ein ebenso drängendes Problem und ein ebenso wichtiges Puzzleteil wie die effiziente Energienutzung. Ohne eine umfassende Umverteilung der Wasserressourcen könne das BIP allein aufgrund der ungewissen Wasserversorgung im Nahen Osten um 14 Prozent, in der Sahelzone um 12 Prozent, in Zentralasien um 11 Prozent und in Ostasien um 7 Prozent sinken.373

Das BIP ist natürlich bestenfalls ein krudes Werkzeug, um Umweltschäden zu messen.

Einen besseren Augenöffner hat Peter H. Gleick vom Pacific Institute erstellt: eine einfache Liste aller bewaffneten Konflikte, bei denen es um Wasser ging, angefangen mit der alten sumerischen Legende von Ea aus dem Jahr 3000 v. Chr. Gleick zählt knapp 500 wasserbezogene Konflikte seit 1900 auf; fast die Hälfte davon ereigneten sich seit 2010.374 Das liegt zum Teil daran, gibt Gleick zu, dass es reichlich Daten aus den letzten Jahren gibt, zum Teil aber auch am veränderten Wesen der Kriege - während die Konflikte früher fast ausschließlich zwischen einzelnen Staaten ausbrachen, werden sie jetzt, in einer Zeit, in der die Staatsmacht in vielen Regionen an Autorität verloren hat, häufig innerhalb von Staaten und zwischen Bevölkerungsgruppen ausgefochten. Ein lebhaftes Beispiel dafür ist die fünf Jahre andauernde Dürre in Syrien, die zwischen 2006 bis 2011 zu Ernteausfällen führte, was für politische Instabilität sorgte und dadurch den Ausbruch des Bürgerkriegs begünstigte, der eine globale Flüchtlingskrise nach sich zog.

Gleicks Aufmerksamkeit gilt aber mehr dem seltsamen Krieg, der sich seit 2015 im Jemen abspielt - offiziell ein Bürgerkrieg, aber eigentlich ein Stellvertreterkrieg zwischen den Regionalmächten Saudi-Arabien und Iran, und vom Konzept her eine Art Miniatur-Weltkrieg, da auch die Amerikaner und die Russen involviert sind. Im Jemen bemessen sich die humanitären Kosten nicht nur in Blut, sondern zudem in Wasser; auch aufgrund der gezielten Angriffe auf die Wasserinfrastruktur stieg die Anzahl der Choleraerkrankungen 2017 auf eine Million, was bedeutet, dass sich innerhalb eines Jahres rund 4 Prozent der Bevölkerung diese Krankheit zuzogen.375 »Unter Wasserforschern gibt es ein Sprichwort«, erzählte mir Gleick. »Wenn der Klimawandel ein Hai ist, sind die Wasservorkommen seine Zähne.«

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 en.wikipedia  Peter Gleick  *1956 

 

detopia-2022:  Zum Thema Süßwasser kann man auch Pearce-2007-Flüsse lesen.

 

 

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