2.5 Selbstausrottung durch Geburten?
Und der Geburten zahlenlose Plage droht jeden Tag als mit dem jüngsten Tage.
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Die Erde ist längst so überfüllt, daß selbst bei sparsamstem Verbrauch die Menschen auch nicht mehr entfernt mit dem auskommen könnten, was auf natürliche Weise wächst. Die Voraussetzungen für die heutige Bevölkerungszahl sind überhaupt erst durch den künstlichen Produktionskreis geschaffen worden. Und vom Funktionieren dieses Kreises hängt seit 100 Jahren - seit Justus Liebig - auch die Nahrungsmittelversorgung ab.
Die jetzige Bewirtschaftung der Erde wurde nur möglich, weil wir auf die in langen Zeiten der Erdgeschichte aufgehäuften Vorräte zurückgegriffen haben. Nur diese überlieferten Vorräte haben zu der ungeahnten Produktionssteigerung geführt und die Menschen zu dem Glauben verführt, daß sie künftig in noch größerem Überfluß leben könnten.
Der zweite Kreis hat glänzend funktioniert und für immer neue Millionen Arbeit geschaffen. Keiner hat gefragt: wie lange das gutgehen kann, wovon wir eigentlich leben, für wie viele der Vorrat bei welchem Verbrauch reicht? Solche Gedankengänge blieben jenseits des menschlichen Horizonts. Die Naturgesetze wurden vom Menschen überall mit Erfolg angewandt, nur nicht auf sein eigenes Tun.
Der unreflektierte Glaube an den »Fortschritt« verbreitete sich über die ganze Erde. Im Vertrauen darauf, daß er alles nehmen dürfe und daß die Fülle dennoch nie zu Ende gehen würde, bevölkert der Mensch zur Zeit die Erde. - Der Trend zum Anwachsen der Bevölkerung setzte mit der industriellen Entwicklung in Europa ein. Es kam seitdem zu folgenden Zunahmeraten der Weltbevölkerung:
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Aus der zweiten Tabelle ist zu ersehen, daß in Europa die Zunahme im 19. Jahrhundert größer war als in den Entwicklungsländern. Erst im 20. Jahrhundert überholten die Zunahmeraten der Entwicklungsländer die der Industrienationen, nach dem II. Weltkrieg allerdings ganz gewaltig. Die weniger entwickelten Völker erreichten Zuwachsraten, die es in Europa nie gegeben hatte. Infolge ihrer Geburtenzahl wird die nächste Verdoppelung der Weltbevölkerung wohl nur 35 Jahre benötigen, so daß im Jahre 2010 bereits 8 Mrd. Menschen die Erde bewohnen werden, wenn Hungerkatastrophen das nicht verhindern.
detopia-2021: 2023 werden es ("wir") wohl acht Mrd. sein. # Bevölkerungsbuch # Das mit der (mathematischen) "Verdoppelung" haut nicht hin.
Es wird meist vergessen, daß die Voraussetzungen in Europa andere waren, weil hier schon im Mittelalter die Geburtenzahl relativ gering, auf jeden Fall bedeutend niedriger lag als in den heutigen Entwicklungsländern. Das Bevölkerungswachstum begann in Europa praktisch erst mit der Industrialisierung. Von 1790 bis 1800 betrug dann die Steigerung über 10%, von 1810 bis 1820 bereits 18%.1 Das war die Zeit, in der Adam Smith festgestellt hatte: »Die Nachfrage nach Menschen reguliert - genau wie die nach jedem anderen Komfort - notwendigerweise die Produktion von Menschen.«2
Völker, die schon einen fortgeschritteneren Standard der Industrialisierung erreicht haben, suchen also Arbeitskräfte und sehen keinen Anlaß, die Zahl ihrer Geburten niedrig zu halten. David Landes kommt zu dem Schluß, »daß dieses ökonomische Wachstum einen starken Einfluß auf den Bevölkerungszuwachs ausübte. Ein vermehrtes Einkommen bedeutete geringere Sterbeziffern und in einigen Fällen auch höhere Geburtenzahlen.«3 Die später einsetzende Abnahme der Geburtenziffer in den Industrieländern hat ihre Ursache nicht im Mangel, sondern in dem Streben nach einem höheren Lebensstandard und nach Bequemlichkeit.
Hatte die jahrtausendealte Erfahrung im Kampf ums Überleben dazu geführt, daß die meisten Religionen und Weltanschauungen Kinderreichtum als Ideal ansahen (Christentum, Islam, nationalistische wie kommunistische Ideen), so haben diese Ansichten in allen Industrieländern ihre Kraft verloren. Obwohl im Ostblock von der Ideologie her das Bevölkerungswachstum befürwortet wird, ist es ebenfalls nicht groß, zum Teil sogar rückläufig (Bulgarien, DDR, Ungarn). Der Kommunismus hat das rationale Denken der Menschen gefördert; darum rechnen sich die Bürger auch dort aus, wieviel wertvolle Zeit und Geld Kinder kosten. Das gleiche gilt für Japan.
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So ist eine Übereinstimmung zwischen allen Industriestaaten zu verzeichnen; denn in keinem liegt die Geburtenziffer heute jährlich über 25 pro Tausend Einwohner. 25 Geburten pro Tausend bedeutet aber immer noch eine effektive Bevölkerungssteigerung um 1,7 %, das heißt eine Verdoppelung in 40 Jahren. Nur bei ca. 14 Geburten je Tausend ergäbe sich keine reale Zunahme mehr (vorausgesetzt, alle lebenden Geburten Jahrgänge haben eine gleichmäßige Stärke und die Lebenserwartung beträgt einheitlich ca. 70 Jahre).
Um aber in dieses Stadium zu kommen, waren über 100 Jahre wirtschaftlicher Entwicklung bis zu einer unwahrscheinlichen Höhe nötig gewesen. Somit ist dieser Weg der freiwilligen Geburtenbeschränkung (Transition) für die übrige Welt nicht gangbar. Schon in 25 Jahren, um die Jahrtausendwende, wird es in den Entwicklungsländern mindestens 5 Mrd. Menschen geben. Denn gerade in den weniger entwickelten Gebieten der Erde, in denen sich die höchsten Geburtenraten finden, sind über 41,4 % der Einwohner 0 bis 15 Jahre alt (in den entwickelten nur 26,8 %), so daß sich dies in den nächsten 3 Jahrzehnten entsprechend niederschlagen wird. Die Alterspyramiden der Entwicklungsländer und der Industrieländer zeigen den auf Seite 174 und 175 gegenübergestellten Aufbau.
Danach ist die nächste Verdoppelung der Menschheit durch keine Geburtenbeschränkung mehr aufzuhalten — höchstens durch Hungerkatastrophen.4
Nur wenn diese unterentwickelten 5 Milliarden (in der sehr kurzen Frist von 25 Jahren) den Lebensstandard erreichten, für den die überentwickelte Milliarde in den heutigen Industrieländern 100 Jahre gebraucht hat, erst dann bestünde begründete Hoffnung auf Geburtenbeschränkung auf Grund und im Interesse eines hohen Lebensstandards. Um aber mehr als 6 Milliarden Menschen auf den europäischen Lebensstandard zu heben, dafür sind weder genügend Nahrungsmittel vorhanden noch reichen die Rohstoffe und Energien und ebensowenig die natürlichen Räume unserer Erde dafür aus.
Daß sich die Bevölkerung der Erde heute um 70-80 Mill. jährlich vermehrt, ist überhaupt nur möglich, weil die Menschen in Ländern zur Welt kommen, wo sie wenig und einfache Nahrung, geringen Raum und fast keine Güter beanspruchen. Doch selbst die dortigen Minimalanforderungen sind nicht zu erfüllen. Schon jetzt müssen jährlich etwa dreieinhalb Millionen verhungern. Niemand wird diese Zahl jemals genau ermitteln. Die Bevölkerungsvermehrung in den armen Ländern ist sicherlich der gefährlichste aller menschlichen Irrwege. Allein dadurch können alle anderen Anstrengungen zunichte werden.
Francois de Closets ist der Überzeugung, daß die Entscheidung für den Hungertod praktisch gefallen ist, nachdem die Welt diese Frage schon lange ohne Lösung vor sich herschiebt.5)
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Fast alle Völker kamen über den Welthandel und -verkehr in den Genuß medizinischer Errungenschaften und den der Versorgung mit gerade so viel Nahrung, daß sie zum Überleben reichte. Nun blieben Kinder, die sonst gestorben wären, am Leben und trugen ihrerseits zur weiteren Vermehrung bei.
Im natürlichen Regelkreis war die Wahrscheinlichkeit, daß ein Neugeborenes das geschlechtsreife Alter erreichte, nur 1:4. Heute ist die Lebenserwartung überall viel höher, und in den Industrieländern ist das Verhältnis umgekehrt. Der hygienische Fortschritt, der in Europa in jahrhundertelanger Entwicklung erreicht worden war, ist in die Entwicklungsländer innerhalb so kurzer Frist eingedrungen, daß sich dort die traditionelle, von der Natur gegebene Einstellung zu den Geburten gar nicht so schnell wandeln konnte.
Quelle: UNO-Welt-Bevölkerungs-Konferenz in Bukarest, 1974: Recent Population Trends and Future Prospects (E/Conf. 60/3), 56.
Der Entwicklung der Medizin hatte kein bewußter Plan zugrunde gelegen. Aus vielen Einzelerfolgen ergaben sich schließlich Wirkungen, deren Gesamtergebnis nicht im voraus bedacht worden war. Längeres Leben im allgemeinen und Beseitigung der Säuglingssterblichkeit im besonderen ließ die Erdbevölkerung exponentiell anwachsen. Der Tod war der natürliche Regelfaktor des irdischen Ökosystems; seine Ausschaltung durch den Menschen hat unerwartete Folgen. Auf diese Folgen waren die Menschen in keiner Weise gefaßt. Aufgrund der kollektiven Erfahrungen ihrer bisherigen Geschichte waren »religiöse und soziale Traditionen zugunsten unbeschränkten Gebärens weit verbreitet«.
»Aus all diesen Gründen«, sagt Aldous Huxley, »läßt sich Sterblichkeitsbeschränkung sehr leicht erzielen, Geburtenbeschränkung aber nur mit großen Schwierigkeiten.« Es gibt »nirgends irgendwelche religiöse Traditionen, die für unbeschränktes Sterben sprechen«.6
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Die Entwicklungshilfe sorgt inzwischen dafür, daß Hunderttausende von Kleinkindern gerade noch am Leben bleiben, mit der — sicher ungewollten — Folge, daß in einigen Jahren statt dessen Millionen verhungern werden. A. Huxley sieht die Entwicklung so:
»Wir begeben uns zum Beispiel auf eine tropische Insel, rotten mit Hilfe von DDT die Malaria aus und retten so in 2 oder 3 Jahren Hunderttausenden das Leben. Das ist offensichtlich gut. Aber die Hunderttausende von Menschen, die so gerettet werden, und die Millionen, die von diesen gezeugt und geboren werden, können mit den zur Verfügung stehenden Mitteln der Insel nicht ausreichend gekleidet, behaust, unterrichtet, ja nicht einmal genügend ernährt werden. Schneller Tod durch Malaria ist abgeschafft worden; aber ein durch Unterernährung und Überfüllung elend gemachtes Leben ist nun die Regel, und ein langsamer Tod durch unverblümtes Verhungern bedroht eine immer größere Zahl von Menschen.« 7
Das Ergebnis der heutigen Aktion <Brot für die Welt> wird sich in einigen Jahren im Endergebnis als ein vervielfachter <Tod für die Welt> erweisen. Heinz Haber fragt:
»Was also ist christlicher: In diesem Jahr eine Million vor dem Hungertod zu bewahren, um dann in den nächsten drei bis vier Jahren vielleicht drei oder vier Millionen nicht mehr retten zu können oder — wie es ein wirklich nachdenklicher Mann ausgedrückt hat — Indien seinem Schicksal zu überlassen? Wenn man das täte, so würden im Laufe der nächsten fünf oder zehn Jahre viele Millionen weniger Menschen einem unausweichlichen Schicksal überantwortet werden. — Diese erschütternden Überlegungen zeigen aber, vor welchen Alternativen wir stehen.« 8
Das ist die Tragik des Menschen, daß er nur das tun kann, was heute richtig zu sein scheint, nicht das, was auf die Dauer richtig ist. Was heute als gute Tat erscheint, erweist der Lauf der Geschichte als Verbrechen. Und was für das eine Land gut ist, ist selten gut für das andere.
Die Menschheit »produziert« heute Kinder, die bis zu ihrem 65. Lebensjahr, also bis 2040, einen Arbeitsplatz beanspruchen werden. Der wirtschaftspolitische Horizont reicht aber nicht einmal bis zum Jahre 2000. Das heißt, er reicht nicht weiter als bis zu dem Zeitpunkt, wo die heute geborenen Kinder gerade erst ihre Berufsausbildung abgeschlossen haben werden. Um das Jahr 2000 treten die Menschen ins Arbeitsleben ein, die heute im Vertrauen auf einen ständig steigenden Wohlstand geboren werden. Aber derselbe Wohlstand hat zur Folge, daß um die Jahrtausendwende die ersten lebenswichtigen Rohstoffe zu Ende gehen und andere nur noch zu einem mehrfachen Preis zu haben sein werden.
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Ein Unternehmer würde sich eine solche Fehlkalkulation nicht erlauben können. Bei ihm geht es zwar nur um den Bestand seines Unternehmens, dennoch wird sorgfältig kalkuliert. Wo es aber um Leben oder Tod ganzer Völker geht, da wird überhaupt nicht kalkuliert.
Die heutige angeblich vernunftbegabte Menschheit verhält sich, was ihre eigene Zukunft betrifft, genauso irrational wie irgendeine Population des Tierreiches. Ja, im Tierreich reagieren wenigstens einige Arten mit dem Instinkt. Der Mensch aber hat seinen Instinkt verloren, ohne voll in den Bereich der Rationalität eingetreten zu sein. Und diese Zwitterhaftigkeit seiner Existenz verschärft die Gefahr für seinen weiteren Fortbestand.
Der deutsche Nobelpreisträger Max Born schrieb vor seinem Tode: »Es scheint mir, daß der Versuch der Natur, auf dieser Erde ein denkendes Wesen hervorzubringen, gescheitert ist.«10 Neuerdings [1974] stellt Theo Löbsack fest:
»Der Versuch der Natur, mit dem Großhirnwesen Mensch einen auf lange Sicht erfolgreichen Erdbewohner zu schaffen, scheint gescheitert zu sein. Es war ein Irrtum. Der Mensch, der seinem Gehirn auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist, wird von der Erde wieder verschwinden und mit ihm das Organ, dem er seinen Aufstieg, aber auch seinen Untergang verdankt.«11
In den Massen der geburtenreichen Länder können auch keinerlei Überlegungen darüber angestellt werden, bestenfalls bei ihren Führern. Aber auch denen ist noch die Wirtschaftsdoktrin des Abendlandes eingehämmert worden, die sich gegenwärtig als völlig falsch erweist.
Und wie antwortet unsere zivilisierte Welt auf die voraussehbaren Katastrophen jener Völker?
Mit einer ungeheuerlichen Lüge! Dank unserer Entwicklungshilfe, heißt es, würden diese Völker schließlich einen »Lebensstandard« erreichen wie die Industrieländer. Diese Lüge wird nicht dadurch gemildert, daß die Industrieländer sich selbst betrügen, indem sie veranschlagen, daß ihnen im Jahre 2000 viermal so viel materielle Güter zur Verfügung stehen würden wie heute, sie wird vielmehr verschärft. Solange solches Wunschdenken ernsthaft als Prognose verbreitet wird, kann man nicht damit rechnen, daß die betroffenen Völker energische Anstrengungen unternehmen, ihren Zuwachs zu bremsen.
Man müßte ihnen die Wahrheit sagen — und die besagt genau das Gegenteil: Energien und Rohstoffe werden in wenigen Jahrzehnten nicht mehr im heutigen Ausmaß vorhanden sein, die Produktion von Nahrungsmitteln wird schon im Laufe der nächsten Jahre ans Ende ihrer Möglichkeiten gelangen. Wesentliche Überschüsse werden schon heute nur noch in drei Ländern der Welt erzielt: USA, Kanada und Australien.
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Das Problem der Weltbevölkerung ist aber nicht nur eine Frage der Ernährung. Unter diesem Gesichtspunkt abgehandelt, führt es zu so sinnlosen Antworten, wie sie etwa Fritz Baade oder Colin Clark gegeben haben. Sie hielten allen Ernstes eine Weltbevölkerung von 50 bis 60 Mrd. bzw. 47 bis 157 Mrd.(!) für möglich.12
Rein rechnerisch mögen diese vermeintlichen Fachurteile stimmen; sie führen jedoch zu völlig absurden Schlußfolgerungen, weil sie die übrigen Lebensbedingungen nicht beachten.
Die industrielle Wirtschaft kann um so mehr Menschen einsetzen, je schneller sie die Vorräte der Erde ausbeutet. Doch dies ist der teuflische Regelkreis: Je mehr Menschen zur Ausbeutung der Erde angesetzt werden, um so schneller wird sie ausgeplündert sein. Aber die Milliarden von Menschen, die man angeblich brauchte, werden noch leben und nach Arbeit und Brot schreien, wenn niemand es ihnen mehr geben kann. Denn so viele Menschen können eben nur so lange beschäftigt werden, wie die Grundlagen dieses Wirtschaftssystems vorhanden sind: Natur + Rohstoffe + Energie. Wenn die Vorräte der Jahrmillionen zur Neige gehen, wird es für einige Milliarden Menschen »keine Verwendung« mehr geben. Das bedeutet nicht etwa nur, daß sie ein Leben in Armut führen müssen, sondern daß sie umkommen werden.
Um* solche Katastrophen zu vermeiden, müßten alle in diesem Buch behandelten Voraussetzungen langfristig — eigentlich für alle Zeit! — sichergestellt sein; nämlich: natürliche Umwelt (N), Nahrungsmittel-Erzeugung, Energievorräte (E) und Rohstoffe (R). Erst dann wären auch die Arbeitsmöglichkeiten gesichert.
Tatsächlich ist keine einzige Voraussetzung gesichert. Bis diese ungelösten Fragen jedoch ins öffentliche Bewußtsein aller Völker gedrungen sein werden, wird sich die Weltbevölkerung abermals verdoppelt haben.
Der Zuwachs der Masse Mensch und die zunehmende Erschöpfung der Rohstoffe potenzieren sich in der Geschwindigkeit. Es kann nur eine Frage der Zeit sein, wann die Katastrophe eintritt. Deren Ausmaß und Zeitpunkt wird von dem weiteren Tempo abhängen, das in den nächsten Jahren erreicht wird. Die Zahl der Anheizer ist riesig, und sie haben alle Macht in ihren Händen. Sie arbeiten heute, im Jahre 1975, noch nach Wirtschaftstheorien, in denen die Grundbegriffe N + R + E überhaupt nicht vorkommen. Nur Umweltschutz (Us) und Wiederverwendung (W) haben inzwischen einen höchst bescheidenen Stellenwert erreicht.
* "Um" von detopia eingefügt
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Alle Staaten arbeiten heute fanatisch daran, einer wachsenden Bevölkerung Arbeitsplätze zu schaffen. Der ehemalige amerikanische Arbeitsminister William Wirtz sagte 1970 in einer Rede:
»Ein Arbeitsminister verbringt die Jahre, die er im Amt ist, mit dem aussichtslosen Versuch, durch die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen gegen die Arbeitslosigkeit anzugehen; erst später, wenn er von den Hemmnissen, die Amt und politische Rücksichtnahme mit sich bringen, befreit ist, vermag er der Wahrheit ins Auge zu blicken, daß es nämlich zu wenig Arbeitsplätze gibt, weil es zu viele Menschen gibt.«13
Kann die Menschenlawine gestoppt werden?
Der entscheidende Beitrag zu einer Wende wäre also die Verringerung der Weltbevölkerung durch radikale Einschränkung der Geburten.
Aber gerade dieser wirksame Beitrag ist auch der, welcher am schwersten zu erreichen ist.
Die Entscheidung über die Geburten setzt sich aus Millionen von Einzelentscheidungen der Elternpaare zusammen, besser gesagt: ihrer unterbliebenen Entscheidung. Denn auch hier gilt, daß die Nichtentscheidung den Lauf der Dinge am stärksten beeinflußt; sie hat automatisch Folgen: Geburten. Erst wenn überall in der Welt die gleichen Entscheidungen getroffen und auch durchgehalten würden, könnte eine Umkehr zu konstanten Einwohnerzahlen hin erreicht werden.
Davon sind wir weit entfernt. Denn die Regierungen bestätigen ihren Völkern abermals »ein Recht«. In der Schlußakte der <Internationalen Konferenz über die Menschenrechte> vom 22. April bis 13. Mai 1968 in Teheran wurde proklamiert: »Eltern haben das Grundrecht, frei und verantwortlich über Zahl und zeitlichen Abstand ihrer Kinder zu entscheiden.«
Auf der Weltbevölkerungs-Konferenz in Bukarest 1974 wurde auf diesen Beschluß Bezug genommen und darüber hinaus allen Ländern empfohlen, dieses Recht zu respektieren und sicherzustellen.
Dabei ist erwiesen, daß viele Völker schon in früheren Zeiten Bevölkerungsregelungen anwandten. Die Ägypter kannten bereits 1450 v. Chr. Empfängnisverhütung, wie aus dem Ebers-Papyrus, einem Kompendium medizinischer Schriften, hervorgeht.14 Gesetzliche Regelungen gab es in Indien und China.15
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Auch Plato und Aristoteles befürworteten eine planmäßige Bevölkerungspolitik, wobei Aristoteles die Aussetzung kranker Kinder für eine richtige bevölkerungspolitische Maßnahme hielt. Meadows beschreibt den »Kontrollmechanismus bei einer primitiven Agrarbevölkerung«, den Tsembagas im Hochland von Neu-Guinea.16
Andere primitive Völker steuerten ihre Bevölkerungszahl mit Kinderaussetzung und Kindestötung (auch in Japan) und Tötung altersschwacher Personen. Dies alles sollen nur Beispiele dafür sein, wie weit die Menschen in dieser Hinsicht zu gehen bereit waren — sicher nicht aufgrund sadistischer Neigungen, sondern weil ihnen die tödliche Gefahr der Übervölkerung furchtbar gegenwärtig war.
Im Mittelalter war die Eheerlaubnis an den Besitz eines Hofes oder einer der durch Zunftmonopole regulierten Handwerksstelle geknüpft. Die übrigen Nachkommen blieben ehelos und stellten das Reservoir für geistliche und kriegerische Berufe. Da außereheliche Geburten in jeder Beziehung diskriminiert wurden, war dies System wirksam. In Europa wurde diese harte Bevölkerungspolitik erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts im Gefolge der liberalen Aufklärung und der Industrialisierung abgebaut. Aber auch in neuerer Zeit haben die Iren auf furchtbare Hungernöte (1830 ff.) mit einer ungewöhnlich niedrigen Geburtenrate reagiert.
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Vieles spricht für die Vermutung, daß den heutigen Widerständen gegen die viel leichter zu praktizierende Geburtenregelung in der Welt auch machtpolitische Erwägungen zugrunde liegen. Der Vatikan möchte die Zahl der katholischen Christen erhöhen oder wenigstens ihren Anteil erhalten. Die katholischen Länder taten sich auf der Weltbevölkerungskonferenz in Bukarest, August 1974, besonders darin hervor, jeden vernünftigen Vorschlag abzulehnen.
Unbekümmert um ihre ideologische Todfeindschaft bildeten sie ausgerechnet mit den kommunistischen Ländern, die wieder um ihre Macht besorgt sind, eine Einheitsfront. Letztere sehen in der Ablehnung der Geburtenkontrolle auch eine gute Gelegenheit, die Entwicklungsländer politisch gegen den Westen einzusetzen. In dieser Hinsicht war in Bukarest die Haltung der Chinesen beachtenswert: sie sprachen sich gegen jede Bevölkerungspolitik aus, obwohl sie nachweislich in ihrem eigenen Lande die Bevölkerungszunahme — noch dazu regional differenziert — in engen Grenzen halten.
Die kommunistischen Länder warfen den Westmächten auf der Weltbevölkerungskonferenz sogar vor, daß die Bevölkerungsexplosion eine vom Westen erfundene Lüge sei. Auf der anderen Seite kauften sie aber in den Jahren davor besonders aus Nordamerika viele Millionen Tonnen Getreide, welches damit den Hungernden in den Entwicklungsländern vorenthalten wurde.17
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Während sich also in Bukarest verschiedene Delegationen zu der Behauptung verstiegen, es gäbe überhaupt keine Bevölkerungsprobleme, starben in Bangladesh Zehntausende in den Fluten des Ganges, Millionen wurden obdachlos und Hunderttausende verhungerten. Warum? Garett Hardin schrieb 1971:
»Ich war in Kalkutta, als der Wirbelsturm im November 1970 Ostbengalen heimsuchte. Ungefähr 500.000 Menschen sind bei dieser Sturmflut ertrunken. Die pakistanische Bevölkerung hat aber innerhalb 40 Tagen diesen Bevölkerungsverlust bereits wieder wettgemacht, und die Welt richtet ihre Aufmerksamkeit wieder auf andere Dinge. — Was verursachte dieses Elend? Der Wirbelsturm? So steht es in allen Zeitungen. Aber man könnte mit wohl besserem Recht sagen: Überbevölkerung tötete sie! Das Delta des Ganges liegt praktisch auf Meeresniveau. Jedes Jahr kommen einige tausend Leute in den üblichen Stürmen um. Wenn Pakistan nicht überbevölkert wäre, würde kein vernünftiger Mann seine Familie hierher bringen. Ökologisch gesehen gehört das Delta dem Fluß und dem Meer, ihrer Tierwelt und Fauna. Der Mensch hat dort nichts zu suchen.«18
Auf der Konferenz in Bukarest wurden währenddessen Reden gehalten, mit dem Tenor, daß die Erde das Mehrfache der heutigen Bevölkerung tragen könne. Kein Ergebnis ist auch ein Ergebnis: es läuft alles so weiter wie bisher.
Karl Steinbuch bemerkt, daß »die menschliche Fähigkeit, Entscheidungen bewußt auszuwählen«, infolge verschiedener Ursachen vielfach verlorengehe.
»Hierunter spielt die beschleunigte technische Entwicklung eine große Rolle. Dazu kommt die unübersehbare weltweite Interdependenz. Beiden steht kein menschliches Bewußtsein gegenüber, das in der Lage wäre, die Zusammenhänge zu verstehen, geschweige denn zu kontrollieren. Die Entwicklung fällt teilweise in den vormenschlichen, unbewußten Mechanismus zurück ... Obwohl es beinahe allerseits unbestritten ist, daß langfristig das Überleben der menschlichen Art eine rasch wirksame Geburtenbeschränkung voraussetzt, die technisch auch möglich wäre, gelingt es nicht, die Anzahl der auf der Erde lebenden Menschen in Grenzen zu halten. Das Problem wird wahrscheinlich schließlich ganz ohne menschliches Dazutun unbewußt gelöst, aber die unbewußte Lösung wird grauenhaft sein. Die Menschen werden schließlich durch den produzierten Unrat, den Nahrungsmittelmangel oder durch die Unlösbarkeit ihrer sozialen Probleme dezimiert. Dies ist dann die unbewußte, gewissermaßen natürliche Lösung des Problems.«19
wikipedia Karl_Steinbuch *1917 in Stuttgart bis 2005 (87)
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»Zwei Wege stehen zur Wahl«, sagt Aldous Huxley, »Hungersnot, Pestilenz und Krieg ist der eine, Geburtenbeschränkung ist der andere.«20 Vor diesem Dilemma steht die Menschheit. Sie will immer noch der harten Entscheidung ausweichen, indem sie sich vorlügt, das Problem ließe sich durch eine Vervielfachung des Raubbaus an der Erde lösen. Nein!
Nachdem die Menschen nun einmal dem Herrgott ins Handwerk gepfuscht haben — und sehr stolz darauf sind — müssen sie auch die Verantwortung für die Folgen übernehmen — oder sie müssen dem Kardinal Wyszynski folgen, der gesagt haben soll: »Es ist ja noch soviel Platz im Himmel.«21
»Wer aus religiösen oder sonstigen Gründen gegen eine aktive Bevölkerungsplanung — sprich Geburtenregelung — ist, weil er sie als Eingriff in die heiligen Bereiche der Natur betrachtet, der muß logischerweise für die Wiedereinführung der Malaria, Cholera, der Pocken usw. sein, denn die Senkung der Sterbeziffern war in erster Linie eine Folge des erfolgreichen Kampfes der Wissenschaft gegen die Infektionskrankheiten — also ein Eingriff in die Natur. Wenn wir nicht einen Rückfall in den Urzustand zulassen wollen, dann müssen wir der starken Senkung der Sterberaten eine ebenso starke Senkung der Geburtenziffern als Korrektiv entgegensetzen. Und das kann nur durch aktive Bevölkerungsplanung geschehen.«22 (Fritsch, Die vierte Welt)
Sieg der Gewissenlosen?
Der ausweglosen Problematik liegt wiederum die »Tragik der Allmende« zugrunde. Wer selbst mehr Kinder hat, vergrößert seinen Konsumanteil auf Kosten der anderen oder zumindest seinen Anspruch. Sieht man die Welt als Einheit an, dann ist dies ein internationales Problem. Es gilt dann auch im Verhältnis zwischen den Völkern. Ein Volk kann durch Zuwachs seinen Anspruch erhöhen und über das Gewicht seiner Bevölkerung auch die Macht verstärken.23 (Fuchs, Formeln)
Wenn die Staatsführung eines auf dem Existenzminimum lebenden Volkes die Nerven aufbringt und das eigene Volk dies so hinnimmt, dann kann sie die Kopfzahl alle zwanzig Jahre verdoppeln. (Indien hat 1974 den Beweis dafür geliefert, daß ein Land, in dem Millionen Menschen verhungern, trotzdem Milliarden aufwenden kann, um Atommacht zu werden.)
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Eine Verdoppelung in zwanzig Jahren ergibt bei 10 Millionen Anfangsbestand in achtzig Jahren (nach einem Menschenleben!) eine Bevölkerung von 160 Millionen (!) und nach 100 Jahren 320 Millionen.
Bei »gerechter Verteilung« der Weltvorräte würde dieses Volk in 100 Jahren 32mal soviel (!) an Nahrungsmitteln, Rohstoffen und Energien — und warum nicht auch an Land fordern. Wenn ein Nachbarvolk von ebenfalls zehn Mill. Einwohnern heute und auch in 100 Jahren immer noch 10 Mill. Einwohner zählte, müßte das dann »gerechterweise« 31/33 = 94% seines Bestandes an Nahrungsmitteln, Rohstoffen, Energien an dieses Nachbarland abgeben? Das sieht wie absoluter Wahnsinn aus, entspricht aber der Realität. Solche Entwicklungen gibt es. Die Türkei hatte von 1950 bis 1970 eine Zunahme von über 3% jährlich (Erhöhung von 20 auf 36 Millionen). Bulgarien behielt in diesem Zeitraum eine gleichbleibende Bevölkerung von rund 8 Millionen.
Angenommen, wir hätten eine Weltregierung, wie sollte diese solche Fälle regeln? Wenn sie sich an die Beschlüsse der UNO hielte, dann dürfte sie nicht einmal an das Gewissen appellieren. Das Problem entsteht aber, gleichgültig ob auf Landes- oder Familienebene, aus einem gewissenlosen Verhalten.
Galton Darwin, der Enkel von Charles Darwin, hat sogar die Schlußfolgerung gezogen, daß die freiwillige Einschränkung der Geburten bei den Gewissenhaften zur »Ausrottung des Gewissens« führen müsse.24 Da gewissenlose Eltern ihren Kindern auch kein Gewissen anerziehen werden, trifft dies für Vererbung wie Erziehung gleichermaßen zu.
Daraus folgert Garett Hardin, daß wir der Versuchung widerstehen müssen, an das Gewissen zu appellieren. Er fordert aber: »Um andere wertvollere Freiheiten zu erhalten und zu pflegen, müssen wir auf die Freiheit der Vermehrung verzichten.«25
Viele Völker werden aber gar nicht begreifen, was das für Freiheiten sein sollen, deren Erhaltung wertvoll ist.
Beryl Crowe faßt die drei Forderungen, die Garett Hardin aufstellte, wie folgt zusammen:
daß ein <Bewertungskriterium> und ein <Maßsystem> bestehe oder entwickelt werden könne, mittels dessen das Unmeßbare im wirklichen Leben <kommensurabel> gemacht werden könne;
daß mit Hilfe eines solchen Bewertungskriteriums eine <gegenseitige Übereinkunft über Zwangsmaßnahmen getroffen werden und daß die Anwendung solcher Zwangsmaßnahmen> zur Lösung der Probleme in der modernen Gesellschaft beitragen könne;
daß das durch das Bewertungs-Kriterium unterstützte und zur Zwangsanwendung ermächtigte Verwaltungssystem die Allmende vor weiterer Zerstörung schützen könne und werde.«26
wikipedia Garrett_Hardin 1915-2003 wikipedia Tragik_der_Allmende 183/184
Crowe sagt dazu:
»Ich dagegen halte diese Behauptungen für so fragwürdig im Zusammenhang unserer Gesellschaft, daß nach meiner Meinung die Tragik in vollem Umfang weiterbesteht. Unter den herrschenden Bedingungen ist die genannte Gruppe der technisch unlösbaren Probleme auch politisch unlösbar; wir haben es also mit einer ausgewachsenen Tragödie zu tun, deren <Wesen ... nicht das Unglück ist. Es liegt in dem erbarmungslosen Wirken der Dinge.>
Das erbarmungslose Wirken der Dinge in unserer Gesellschaft besteht in der Zersetzung von drei gesellschaftlichen Mythen, die die Grundlage der Behauptungen Hardins bilden. Ihre Zersetzung vollzieht sich mit solcher Geschwindigkeit, daß es kaum möglich sein wird, sie wiederzubeleben oder neu zu formulieren, ehe die Bevölkerungsbombe explodiert und ehe die Erde in Verschmutzung oder Atomabfällen ertrinkt.«27
Die Haupteinwände sind folgende:
1. Die Werte reichen nicht über einen Nationalstaat hinaus, und selbst innerhalb eines Staates sind sie heute bereits umstritten.
2. Der Staat besitzt nicht mehr das Monopol der Zwangsgewalt, unter anderem weil keine gemeinsame Wertordnung mehr besteht. (Die oben geschilderten Völker praktizierten ihre Bevölkerungskontrolle früher aufgrund einer gemeinsamen Wertordnung, die einen gesellschaftlich allgemein anerkannten Zwang zur Folge hatte.) Heute dagegen scheint der Zwang ebenso untauglich zu sein wie die Freiwilligkeit.
Ganz entschieden aber ist die Sache noch nicht.
Bis vor kurzem haben alle Mächte auf dieser Erde für die Herrschaft der Unwahrheit gesorgt — daß es nur des ungeahnten Fortschritts bedürfe, um unzähligen Milliarden ein Leben aus dem Füllhorn zu ermöglichen; ja, daß man diese Milliarden sogar brauche, um das Paradies auf diesem Planeten einzurichten.
Darum muß wohl erst der Druck der wachsenden Bevölkerungsmassen unerträglich werden, bevor den Menschen wieder die Augen für die Realitäten aufgehen. Bis dahin wird aber die Lawine schon so übermächtig ins Rollen gekommen sein, daß sie nicht mehr gestoppt werden kann. »Je stärker der Druck großer und zunehmender Bevölkerungen auf die verfügbaren Rohstoffe und Lebensmittel ist, desto unsicherer die wirtschaftliche Lage der diese harte Prüfung erduldenden Gesellschaft.«
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An diese Feststellung knüpft Aldous Huxley den Schluß, daß autoritäre Philosophien und totalitäre Regierungssysteme aufkommen werden; denn ungelöst »wird dieses Problem alle unsere anderen Probleme unlösbar machen. Schlimmer noch, es wird Zustände schaffen, bei denen die Freiheit des Individuums und die sozialen Schicklichkeiten der demokratischen Lebensweise unmöglich, ja fast undenkbar sein werden.«28
Die Ausgangslage der Völker dieser Erde ist so unterschiedlich, so himmelweit voneinander verschieden, daß ein gemeinsames Vorgehen unmöglich ist.
Dies beginnt mit der ganz unterschiedlichen Bevölkerungsentwicklung in den Industrie- und Entwicklungsländern, die für einige Jahrzehnte trotz aller Anstrengungen nicht auf einen Nenner gebracht werden kann. Der Wohlstand führt zwar zur Geburtenbeschränkung. Darum erscheint dieser vielen als das Mittel zur Verminderung der Geburten, auch in den Entwicklungsländern. Und auch das dürftige Ergebnis von Bukarest läuft auf diese Empfehlung hinaus. Eine solche Umkehr benötigt jedoch 70 Jahre, ehe sie wirksam werden kann.29
Die Möglichkeit, alle Länder auf das zivilisatorische Niveau der Industrieländer zu heben, um dann die dortige Einstellung zum Kind zu bekommen, ist nicht mehr realisierbar.
(Der Bevölkerungswissenschaftler Gerhard Mackenroth hält es überhaupt für fraglich, ob in den Entwicklungsländern selbst bei zunehmendem Wohlstand die europäische Tendenz eintreten würde.)30
Dieser Weg wäre auch nur zu einer Zeit gangbar gewesen, als die Entwicklungsländer noch unter 500 Mill. Einwohner hatten, also um 1800, als Europa selbst noch nicht »entwickelt« war. Heute, nachdem fast 3 Milliarden Menschen dazugekommen sind, reichen die Vorräte der Erde für eine solche Lösung (Geburtenarmut durch Wohlstand) nicht mehr aus.31 Übrigens würde nicht einmal das funktionieren. Denn auch viele Industrieländer nehmen im Durchschnitt immer noch um fast ein Prozent jährlich zu, was eine Verdoppelung in 70 Jahren ergibt.
Einige europäische Völker, die in der glücklichen Lage sind, daß sich ihre Bevölkerung stabilisiert, haben einen Weg von sagenhafter Dummheit gefunden, diesen Vorteil wieder aus der Hand zu geben: Sie betrachten sich jetzt als Einwanderungsländer für den gesamten Erdball.
Was Wunder, wenn die kommunistischen Staaten die Bevölkerungsvermehrung auch der vierten Welt fordern, solange es solche phantastischen Möglichkeiten gibt. Denn die fremden Volksgruppen werden der beste Nährboden für Bewegungen sein, um die soziale Ordnung der Aufnahmeländer von innen her zu zerstören.
In den Ausreiseländern hingegen bringt diese Entwicklung keine Erleichterung. Ihr Bevölkerungswachstum ist so groß, daß sie immer wieder vor den gleichen Problemen stehen. Der Ausweg, den die Industriestaaten gefunden zu haben glaubten, bestand im Schaffen neuer Arbeitsplätze mit hoher Produktivität. Das gleiche Rezept wurde in die Entwicklungsländer exportiert. Nach wenigen Jahren merkte man, daß auf diese Weise dort die Arbeitslosigkeit nicht ab-, sondern weiter zunahm. Denn man hatte mit hohem Kapitaleinsatz wenige Arbeitsplätze geschaffen, statt mit geringem viele. Außerdem zerstörte man das soziale Gefüge dieser Länder, indem man ihnen das Springen über Jahrtausende hinweg beibringen wollte.
Wir müssen leider zu dem Schluß kommen, daß das Übervölkerungsproblem weder durch Freiwilligkeit noch durch menschlichen Zwang lösbar ist. Dies ist eine um so tragischere Erkenntnis, als hier bei einer Wende zur Vernunft die Chance zu einer vollständigen Stabilisierung des Planeten vorhanden gewesen wäre — 'gewesen wäre', weil sie gerade in diesen Jahren vertan wird.
Es scheint nach allem, was bekannt ist, ein Naturgesetz zu sein, daß sich eine Art so lange vermehrt, bis sie an die Grenzen der Umwelt stößt und dann durch die Natur rücksichtslos dezimiert wird. Die freiwillige Beschränkung scheint auch beim Menschen die Ausnahme zu sein.
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Herbert Gruhl (1975) Selbstausrottung durch Geburten?