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1. Das ungelöste Problem Haber-1973
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«Ungelöst wird dieses Problem alle unsere anderen Probleme unlösbar machen.» Als ich diese Feststellung im Jahr 1954 zum erstenmal hörte, ließ ich mir nicht träumen, daß ich darüber knapp 20 Jahre später ein Buch schreiben würde. Der Satz stammt von dem englischen Schriftsteller, Wissenschaftler und Essayisten Aldous Huxley, der damit das Problem der Übervölkerung unserer Erde treffend und mit großer Voraussicht gekennzeichnet hatte.
Mit Huxley verband mich damals bis zu seinem frühzeitigen Tod im Jahr 1963 eine sehr fruchtbare Freundschaft. Erst heute beginne ich zu erkennen, wie sehr die Ideen dieses klugen Mannes auf meine Ansichten eingewirkt haben und wie sehr sie mich auch heute noch beeinflussen.
Damals, dem 20 Jahre Älteren gegenüber, war ich noch ein junger Wissenschaftler; manchem seiner Gedankengänge konnte und wollte ich nicht folgen. Inzwischen jedoch habe ich in meiner wissenschaftlichen Anschauung einen Standortwechsel vollzogen; ja, ich habe vielleicht sogar einen Gesinnungswandel durchgemacht.
Es wäre bestimmt müßig, aus meinem wissenschaftlichen Werdegang zu erzählen, da eine Biographie für andere keineswegs so spannend ist wie für den Betroffenen selbst. Die Wende in meinem Ausblick jedoch, welche sich damals andeutete und heute vollzogen hat, erscheint mir symptomatisch für das Problem, das ich in diesem Buch anschneiden will: die Naturgeschichte unserer übervölkerten Erde.
Ich will kurz beschreiben, welcher Meinung ich damals war.
Ich bin mit dem Geistesgut der modernen Naturwissenschaften aufgewachsen. Archimedes, Isaak Newton, Albert Einstein und Werner Heisenberg waren für mich die Repräsentanten der überaus erfolgreichen Bemühungen des Menschen, die Natur des Universums, in dem wir leben, zu begreifen.
Der Grenzen unserer Erkenntnis freilich bewußt, waren wir jungen Forscher im zweiten Drittel dieses Jahrhunderts dennoch von dem großen Erfolg unserer Wissenschaft überzeugt, ja sogar begeistert. Wenn auch die Rätsel der Natur schneller wuchsen, als wir sie lösen konnten, so hat uns dennoch ein großer Optimismus bewegt: Mit der rechten Anstrengung und mit dem rechten Geist der Forschung, so glaubten wir, sei schließlich jeder weitere erwünschte Fortschritt erreichbar. Dieser Geist ließ uns damals nach den Sternen greifen, und was lag näher, als daß ich mich jener kleinen Gruppe von Wissenschaftlern anschloß, welche sich die Eroberung des Weltalls zum Ziel gesetzt hatte.
Bei den Untersuchungen, an denen ich seinerzeit als junger Wissenschaftler teilnahm, wurde ich, ohne daß ich es eigentlich so recht wollte, immer mehr auf einen Himmelskörper hingelenkt, dessen Erforschung nicht unmittelbar zum Bereich der Astronomie und der Weltraumfahrt gerechnet wird: unsere Erde. Ich erinnere mich noch an den letzten Satz meines ersten Buches über Weltraumfahrt, das ich 1952 in Los Angeles schrieb. Dort habe ich unsere eigene Erde als das wichtigste Ziel der Weltraumforschung bezeichnet.
Dann traf ich Aldous Huxley, und in vielen Gesprächen hat er mich eben sehr stark beeinflußt. Er arbeitete damals gerade an dem Manuskript seines vielleicht bedeutendsten Buches: Brave New World Revisited.
Darin hat er bereits, seiner Zeit weit voraus, als echter Humanist die großen Gefahren der bis dahin Wissenschaft gesehen. Mit der Beherrschung der Naturkräfte durch uns, so schien es ihm, war es gar nicht so weit her. Im Gegenteil, die materiellen, ja sogar die intellektuellen Abfälle dieser so unerhört erfolgreichen Naturwissenschaften und Technik würden seiner Meinung nach der Menschheit sehr bald schwer zu schaffen machen. Er war der erste echte Pessimist unter uns vielen Optimisten. Auch hat er damals schon das Zentralproblem erkannt, welches in diesen Jahren und Jahrzehnten zur größten Bedrohung in der Geschichte der Menschheit heranreifen wird: Die Übervölkerung der Erde. Im ersten Kapitel seines vorhin erwähnten Buches schrieb er über das Problem der Übervölkerung eben jenen ganz einfachen Satz: «Ungelöst wird dieses Problem alle unsere anderen Probleme unlösbar machen.»
Eine große Zahl von überwältigend schönen Fotos der Erde aus dem Weltall hat uns mit dem kosmischen Anblick unseres blauen Planeten vertraut gemacht: Hier die Erde als Ganze in Dreiviertelphase. Nur ein großer Abstand von unserem Heimatplaneten kann unsere Erde in einer Phasenform zeigen, wie wir sie vom Mond her kennen.
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Ich glaube nicht, daß eine andere Feststellung meine Meinung über die Welt mehr beeinflußt hat. Ich begann, die Konsequenzen sehr bald auf jenes Gestirn anzuwenden, das in der Zwischenzeit zu meinem liebsten Himmelskörper geworden war: auf unsere Erde. Für jeden von uns liegt es heute auf der Hand, daß wir diesem Planeten, diesem Juwel unter den Gestirnen, durch unsere Supertechnologie bereits übel mitgespielt haben.
Im folgenden will ich keineswegs — wie schon viele andere — lediglich über die berüchtigte Umweltverschmutzung Klage führen. Wichtige Bücher und Artikel sind darüber seit längerer Zeit erschienen, in denen erschreckende Zahlenangaben nachzulesen sind. Es hätte wenig Sinn, wenn ich als Physiker und Astronom aus diesen Büchern abschriebe. Chemiker und Biologen, Psychologen und Ökologen verstehen von diesen Dingen mehr als ich, und jeder von uns sollte eigentlich die warnenden Schriften dieser Fachleute einmal durchlesen.
Das Nildelta mit dem Suezkanal zeigt sich, vom Weltall aus gesehen, meist völlig wolkenfrei. Meer und Fluß erscheinen dunkeltiefblau in einem Farbfoto.
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Die Aufgabe, die dieses Buch hier erfüllen soll, besteht eigentlich nur darin, die Naturgesetzlichkeit unseres blauen Planeten mit uns als seinen Bewohnern nachzuzeichnen. Vor zwanzig Jahren hätte ich dieses Buch noch etwas anders angepackt — fröhlicher, optimistischer und mit gespannter Erwartung der Zukunft.
Inzwischen habe ich mich zu einer anderen Anschauung über die Wirkung unserer Naturwissenschaften und unserer Technik bekehrt. Heute beginnen viele, den klaren Blick von Aldous Huxley, den er mit seiner Feststellung vor fast 20 Jahren bewiesen hat, in seiner ganzen Tiefe zu erkennen und damit auch zu bewundern. Es ist in der Tat so, daß die dringlichsten Probleme der Menschheitszukunft um die Übervölkerung unseres Planeten kreisen wie um ein Gravitationszentrum.
Wir wären fast aller Sorgen ledig, die wir uns heute um das Schicksal unserer Kinder und Enkel machen müssen, wenn uns dieses zentrale Problem der steigenden Übervölkerung unseres blauen Planeten nicht ins Gesicht starrte.
So aber fühlen wir heute schon weltweit schmerzlich die Auswirkungen der Tatsache, daß wir der Zahl nach für unseren kleinen Planeten schon viel zuviele geworden sind.
Der
Titicacasee, der größte See Südamerikas an der Grenze zwischen Bolivien und
Peru, ist sechzehnmal so groß wie der Bodensee.
In einer Höhe von fast 4000 Meter ist er heute der vielleicht noch sauberste
See der Welt.
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Die Begriffe «Umweltschutz» und «Umweltverschmutzung» sind, wie eben bereits erwähnt, in der letzten Zeit sehr in Mode gekommen. Die jungen Protestler an unseren Universitäten haben sich den Kampf gegen gerade diese unschönen Entwicklungen der letzten zwei Jahrzehnte auf ihre Fahnen geschrieben. Sie machen geltend, daß eine gewinnsüchtige Gesellschaftsform dem steten Wachstum der Produktion verfallen sei und durch eine Superindustrie das Land, das Meer und die Luft verderbe. Nur eine neue Gesellschaftsform, die mit wirksamen Kontrollen allerorts eingriffe, könne diesen drohenden Gefahren für unsere Zukunft Einhalt gebieten.
Bei solchen Argumenten wird oft übersehen, daß die Weichen für eine Fahrt in diese unschöne Zukunft für die Menschheit als Ganzes schon längst gestellt sind. Auch die sozialistischen Länder müssen angesichts der stets wachsenden Bevölkerung ihrer eigenen Länder eine entsprechend stets wachsende Superindustrie und Superlandwirtschaft betreiben. Gerade die sozialistischen Länder müssen dies um so mehr tun, als sie sich in der Rolle als Heilsbringer der unterprivilegierten Völker der Erde gefallen. Um den riesigen Menschenzuwachs gerade in diesen Nationen heute und gar in der Zukunft ausreichend versorgen zu können, müssen Industrie und Landwirtschaft mit vollen Touren wachsen.
Die
Südspitze des Subkontinents Indien mit dem tropfenförmigen Anhängsel
Ceylon.
Die See ist mit typischen Tupfenwolken bedeckt, die längs der Südwestküsten
verschwinden und sich über dem Festland verdichten.
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Bei jedem Erzeugungsprozeß jedoch sind nach dem Satz über die Entropie niederwertige Abfälle überhaupt nicht zu vermeiden. Eine Verringerung oder Unschädlichmachung dieser Abfälle erfordern einen so großen zusätzlichen Aufwand, den sich eine sozialistische Gesellschaftsform mit ihrer geringeren Wirksamkeit noch weniger leisten kann als die Industrieländer des Westens.
Gleichgültig welcher Gesellschaftsform wir huldigen — wir alle spüren die Faust im Nacken, und wir alle müssen unsere Produktion in der Industrie und Landwirtschaft jedes Jahr um wenigstens jenen Prozentsatz erhöhen, um den die gesamte Menschheit jährlich wächst. Weltweit gesehen halten wir heute mit dieser Forderung nicht einmal ganz Schritt. Trotz aller Anstrengungen wird das Leben für alle Menschen auf unserem blauen Planeten von Jahr zu Jahr schlechter.
Aus jener Feststellung von Aldous Huxley läßt sich in der Tat unsere ganze Zukunftsproblematik ableiten. Das kann man mittels der Naturgesetzlichkeit unseres Planeten und von uns selbst auf ihm nachweisen. Man könnte durchaus der Meinung sein, daß unsere heutige Kenntnis der Naturgesetze noch lange nicht der Weisheit letzter Schluß sein muß. Das ist auch bestimmt nicht der Fall.
Der
Mississippi, der größte und längste Fluß Nordamerikas, strömt mit
gewaltigen Schlingen seiner Mündung zu.
Trotz der großen Höhe der Aufnahme sind auch die Nebenflüsse noch zu erkennen
(Blickrichtung von Louisiana nach Norden).
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Allerdings haben wir in den letzten 200-300 Jahren doch recht verläßliche Einblicke in das Wesen der Natur gewonnen, so daß man Voraussagungen, die auf diesen Erkenntnissen fußen, trauen kann, ja selbst trauen muß. Wir wären sogar unverantwortlich, wenn wir die Schlüsse, die wir aus den als sicher erkannten Naturgesetzen ziehen müssen, deswegen beiseite schöben, weil sie uns nicht in den Kram passen. Für eitle Hoffnungen und Wunschträume läßt uns die Sicherheit unserer wissenschaftlichen Voraussagungen immer weniger Raum. Das kann man schon daran erkennen, daß es in den Naturwissenschaften und in der Technik während der letzten 30 Jahre zwar sehr viele erstaunliche Neuentwicklungen gegeben hat — aber nur sehr wenig echte Überraschungen. Es hat sich in jener Zeit eigentlich nichts ereignet, was Wissenschaftler, ihrer Kenntnis der Naturgesetze sicher, nicht schon vor Jahren mit erstaunlicher Treffsicherheit vorausgesagt hätten.
Das ist der Grund, weshalb uns die überwiegend pessimistischen Prophezeiungen der Wissenschaftler von heute mit ihrem bitteren Ernst beschäftigen müssen. Es führt wohl kein Weg daran vorbei, daß die Zahl der Menschen zur Jahrtausendwende sieben Milliarden übersteigen wird. Wie wir später zeigen werden, ist die Entscheidung für das Volumen der Erdbevölkerung in weniger als 30 Jahren bereits gefallen. Dieser Schluß ist unabwendbar. In gleichem Maßstab werden auch alle jene Probleme wachsen, die in direkter kausaler Bindung mit der Übervölkerung unseres blauen Planeten stehen.
Dünenlandschaften
aus Nordwestafrika zeigen sich mit vielen Details in der Klarheit der
subtropischen Atmosphäre.
Dies ist eine der wenigen Stellen, an denen Luftverschmutzung vom Weltall aus
nicht zu bemerken ist.
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Es hat sich gezeigt, daß unsere Erde ihre Existenz einer Reihe von Gleichgewichtszuständen verdankt. Das Weltmeer, der Luftozean, die Temperatur und das Klima sowie die physikalischen und chemischen Kräfte unserer Erde sind schon seit Jahrmilliarden so ideal ausgewogen, daß unser Planet zur Wohnstätte des Lebens werden konnte und heute auch noch ist. Und wenn dieses delikate Gleichgewicht an auch nur wenigen Stellen ins Wanken gerät, kann es zu einer Katastrophe kommen. So ist es früher in der Erdgeschichte mit den Eiszeiten schon öfter geschehen. Auch gibt es biologische Störungen des Gleichgewichts, wenn sich bestimmte Gattungen von Tieren und Pflanzen gelegentlich explosionsartig vermehren. Schon die Bibel spricht von der Heuschreckenplage.
Zu Beginn ihrer Geschichte hat die Menschheit sich mit Klauen und Zähnen an das Leben klammern müssen, und es hat Zehntausende von Jahren gedauert, bis der Mensch vor dem Aussterben bewahrt wurde und auf diesem Planeten echt Fuß faßte. In diesem Lebenskampf schließlich hat der Mensch in den letzten 200 Jahren einen gloriosen Sieg davongetragen. Weit davon entfernt, von der Gefahr des Aussterbens bedroht zu sein, steht er jetzt vor einer Katastrophe der Übervölkerung. Es läßt sich nicht leugnen: Der Mensch ist als Gattung zu erfolgreich geworden.
Früher, als die Beschaffung der Nahrungsmittel noch ein sehr mühseliges Geschäft war, lebte die Menschheit eigentlich immer am Rande des Hungertodes. Unser täglich Brot gib uns heute, so heißt es im Gebet. Mit seiner Supertechnik und Superlandwirtschaft gelang es dem Menschen dann, die Gefahr eines weltweiten Hungers zu bannen; damit öffnete er einer ungehemmten Vermehrung Tür und Tor. Es ist eigentlich erstaunlich, daß es uns heute gelingt, fast vier Milliarden Menschen, mit nur ein paar Millionen Verhungerter pro Jahr, zu ernähren.
Allerdings darf man sich nicht wundern, daß diese erstaunliche Leistung nur unter Opfern erbracht werden kann. Es gibt keine Rose ohne Dornen, und kein Mensch hat das Recht, sich über die Verschmutzung unserer Flüsse und Seen durch künstliche Düngemittel und die Vergiftung unserer Umwelt durch die modernen Insektenvernichtungsmittel zu beklagen. Die Alternative zur Erhaltung unserer Umwelt bestünde darin, daß 50 oder 100 Millionen Menschen mehr im Jahr verhungern müßten.
Auch unsere moderne Industrie muß alle Anstrengungen machen, um dem steil hochschießenden Bedarf der Menschheit an Konsumgütern und Transportleistungen gerecht zu werden. Daß dabei die Luft verschmutzt wird, schiebt man immer auf den anderen, der sich auch erlaubt hat, ein Auto zu kaufen und an die Produktion von Konsumgütern immer höhere Ansprüche zu stellen.
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Sodann, wie es bei der explosiv wachsenden Bevölkerungszahl mit der Energieversorgung werden soll, kann man sich heute nur sehr schlecht ausmalen. Die Hälfte der fossilen Brennstoffe — Kohle, Öl und Erdgas —, vielleicht sogar schon mehr, haben wir in den letzten 100 Jahren bereits verfeuert. Dabei waren wir doch nur zwischen zwei und vier Milliarden Menschen, und lediglich ein kleiner Bruchteil von uns hatte größere Ansprüche an diese Energiequellen. Der Rest dieser Naturschätze muß uns doch recht bald in den Händen zerrinnen, wenn zur Jahrtausendwende über sieben Milliarden Menschen ihren Anteil an diesen unersetzlichen Energiequellen fordern werden. Aber auch die seltenen Rohstoffe der Natur, vor allem die edleren Metalle wie Kupfer, Zink, Quecksilber, Titan, Vanadium, Germanium und viele andere, werden heute schon knapp. Dem Zwang zum Fortschritt, erzeugt durch den unaufhaltsamen Zuwachs der Menschen auf der Erde, können wir nicht schon entgehen; es fragt sich nur, ob wir nicht bald der Energien und Materialien, die dazu erforderlich sind, entraten müssen.
Wenn es immer mehr Menschen auf unserem Planeten geben wird, dann müssen wir auch bei aller Begeisterung für die demokratischen Ideale unsere persönliche Freiheiten immer mehr einschränken. Solange die notwendige Anpassung an diese steigende Angina unseres blauen Planeten mit der ganzen Kunst unserer Staatsmänner und der ganzen Disziplin einer demokratischen Weltbevölkerung erfolgen könnte, brauchte man sich nicht so viel Sorgen zu machen.
Wiederum war es Aldous Huxley, der als erster jedoch in der Einengung unseres Lebensraumes durch die Überzahl von uns allen die größte Gefahr für die Freiheit des Menschen erkannte. Wenn eine immer größere Zahl von Menschen in der Zukunft sich um die dann immer knapper werdenden Naturschätze raufen, blüht der Weizen der Diktatoren. Sie werfen sich dann als Heilsbringer auf, wenn der Ruf nach einer immer dringender werdenden Lösung und damit auch nach dem starken Mann immer lauter wird. Eine Menschheit in Not wird eine leichte Beute rücksichtsloser Gewaltherrscher.
Die Geschichte der Menschheit als biologische Gattung ist eine glänzende Erfolgsstory. Mit der Erfindung der Intelligenz ist der Natur ein ganz großer Wurf gelungen. Die einzige intelligente Gattung auf der Erde ist auch die erfolgreichste. Der göttliche Funke des Verstandes hat es den Menschen ermöglicht, zu überleben und sich heute beliebig zu vermehren. Der letzte Intelligenztest allerdings steht noch aus. Jeder einzelne von uns vermag heute durchaus einzusehen, daß es schon viel zuviele von uns auf der Erde gibt. Sind wir aber als Gattung, das heißt als Masse Mensch, intelligent genug, uns baldigst in unserer ungehemmten Vermehrung zu beschränken?
Die Führungsgremien der Nationen, die Regierungen aller Schattierungen bis zu den Vereinten Nationen, kennen zwar alle das Problem. Alle aber auch kehren es unter den Teppich. Wenn es sich um Maßnahmen handelt, unseren Enkeln und Urenkeln einen lebensfähigen Planeten zu hinterlassen, so huldigen sie alle ohne Ausnahme dem Spruch: «Morgen, morgen, nur nicht heute.»
Dabei ist es doch leicht einzusehen, daß es so wie in den letzten Jahren nicht weitergehen kann. Man hat öfters die Erde mit einem Raumschiff verglichen, das mit seiner Besatzung von knapp vier Milliarden Menschen durch das Weltall kreuzt. Wie bei jedem Raumschiff mit beschränkten Vorräten muß man haushalten. Ein etwas mehr altmodisches Verkehrsmittel ist vielleicht ein besseres Beispiel. Die Menschheit mit ihrem Planeten gleicht einem Luxusdampfer.
Die Industrienationen mit ihren gewaltigen Ansprüchen an die Natur- und Energieschätze unserer Erde gleichen den Passagieren der 1. Klasse, die von den armen Nationen der Entwicklungsländer bedient werden. Bald aber wird aus diesem Luxusdampfer ein Rettungsboot, das mit Menschen so überfüllt ist, daß es jederzeit zu sinken droht. Gleichzeitig werden Verpflegung und Trinkwasser knapp. Heute schon beginnen sich die Unterschiede zwischen Passagieren der 1. Klasse und der Besatzung zu verwischen.
All diese Überlegungen leiten sich ohne weiteres von jener Feststellung von Aldous Huxley ab, die ich eingangs zitiert habe.
Wenn man sich die Konsequenzen dieser biologischen Explosion der Gattung homo sapiens überlegt, so kann man sich kaum vorstellen, wie wir an einer Katastrophe schon in den nächsten 50 Jahren vorbeikommen können.
Ich bin freilich nicht der einzige, den dieses Thema so sehr beunruhigt.
In den folgenden Kapiteln möchte ich den Gedanken, die ich nur stichwortartig anklingen ließ, im einzelnen nachgehen.
Der Druck solcher Überlegungen hat mich dazu gezwungen, dieses Buch zu schreiben.
Allerdings wird keiner erwarten, daß ich eine Patentformel für eine Lösung dieses größten Problems unserer Zeit anbieten kann; mein Beitrag kann eben nur darin bestehen, die Naturgesetze aufzuzählen, welche in meiner Sicht die heutige Situation kennzeichnen.
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Heinz Haber (1973)