Inhalt Kosmos 2022
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Rücktext:
Der
Philosoph Jochen Kirchhoff hat sich in der kulturell kreativen
Denklandschaft einen Höhenweg erarbeitet, von dem aus er versucht, naturwissenschaftliche
Sichtweisen mit den anderen Erfahrungsmöglichkeiten des Menschen
(Kunst, Meditation, Naturerlebnis etc.) in ein Panorama zu bringen,
welches die vielschichtigen Lebenswelten in ihrer ganzen Fülle
ausbreitet und erschließt.
Es
geht ihm um luzide und kommunizierbare Erfahrungen mystischer,
transrationaler oder transpersonaler Art, nicht um vage und rein
subjektive Traumgespinste. Wie sonst vielleicht nur der amerikanische
Philosoph Ken Wilber, vereint Kirchhoff die unterschiedlichsten
Lebenserfahrungen zu einer neuen Wahrnehmungskunst der
"Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit".
Dass
deren Erkenntnis alles andere als esoterischer Luxus ist, vielmehr
Bedingung für das Fortexistieren des Lebewesens Erde und der Spezies
Mensch, durchzieht jede Zeile seiner Schriften und verleiht auch seinem
neuen Buch Weitsicht und einen Ernst, der in unserer an
Oberflächlichkeiten reichen Zeit wohltut.
Verlagstext:
Die
gängige Ökologie zielt auf technischen Umweltschutz: Wo die
Emissionen zu hoch sind, werden sie durch entsprechende Innovationen
reduziert. An der herrschenden Struktur ändert sich damit aber nichts.
Alles darf, ja soll beim alten bleiben. Die Tiefenökologie hingegen
zielt auf Tiefenbesinnung und fragt nach den Ursachen der ökologischen
Krise. Dabei wird die herrschende Bewußtseinsform als eine zutiefst
neurotische, abgespaltene, verzerrt-eindimensionale erkannt. In deren
Zentrum stehe, so sagt man, eine bestimmte Vorstellung vom Selbst oder
Ich. Danach ist das herrschende Ich abgesprengt, isoliert, es setzt sich
absolut.
Dem
halten die Tiefenökologen die Idee des »ökologischen Selbst«
entgegen, das mit allem Lebendigen verbunden ist — ein zutiefst
integriertes Selbst (der Mensch ist die Erde, ist das Ökosystem, ist
Gaia). Was will die Integrale Tiefenökologie? Integral bezieht sich zum
einen auf das Vorhandensein höherer (eben integraler)
Bewußtseinsebenen und -stufen, zum anderen auf die zu leistende
Integration der Erde im Menschen also von »Erdreich«, Pflanzenreich
und Tierreich. Pflanzen-Selbst und Tier-Selbst sind integrale Teile der
Ganzheit des Menschen. So gesehen hat der Mensch Erde, Pflanze und Tier
in sich. Wenn das Natur ist, dann ist nicht der Mensch Teil der Natur,
sondern genau umgekehrt: Die Natur ist ein Teil des Menschen!
Daraus
ergibt sich zwangsläufig die Frage: Was ist der Mensch? Jochen
Kirchhoff sieht den Menschen und die Welt als ein holarchisches, subtil
hierarchisch geschichtetes Wesen. Diese ganzheitliche Sicht (jenseits
modischer New-Age-Vokabeln) bezieht auch die höchsten
Entwicklungsmöglichkeiten mit ein. Asiatische Chakra-Systeme werden als
Hilfsvorstellungen herangezogen. Der Mensch - und die Welt - enthalten
Seinsebenen; diese sind in der herrschenden Bewußtseinsformation
allerdings heillos durcheinandergeraten. Der Großteil der Gesellschaft
wird nur noch von den »unteren Chakras« aus bestimmt.
Die
herrschende Bewußtseinsform, das mentale Ich/das rationale Ego, ist
eine menschheitsgeschichtlich notwendige Stufe, die aber entgleist ist.
Der Ablösung von allen früheren Stufen war zu heftig. Die Dissoziation
von Ich und physisch-sinnlicher Natur (zugleich des männlichen
Mental-Ichs vom weiblichen »Natur-Ich liegt der gesamten technischen
Welteroberung zugrunde. Die herrschende Bewußtseinsform, und zwar als
sie selbst und ohne Wenn und Aber, ist der Tod der Erde. Von zentraler
Bedeutung ist das Mensch-Kosmos-Verhältnis.
Jochen
Kirchhoff ist bislang der einzige, der eine innere Verbindung herstellt
zwischen der modernen Kosmologie (Urknall-Universum, Schwarze Löcher
etc.) und der ökologischen Krise, die auch eine psycho-kosmologische
Krise ist. Der Autor zeigt den hohen Anteil an Projektionen im gängigen
Welt- oder Kosmosbild: Wir deuten den Kosmos so, wie wir sind. (Was
Schwarze Löcher wirklich sind, weiß niemand.)
Auch unsere Kosmologie ist neurotisch.
Amazon:
Durch
alle Wesen reicht der eine Raum: Weltinnenraum... 2009
Von Matthias Fersterer
Dieses
Grundlagenwerk der integralen Tiefenökologie bildet den Auftakt zu
einem vierbändigen Werkzyklus des Philosophen Jochen Kirchhoff, der mit
"Räume, Dimensionen, Weltmodelle" und "Die
Anderswelt" fortgesetzt und mit "Die Erlösung der Natur"
abgeschlossen wurde.
Der
Zeitpunkt dieser Neuauflage könnte passender nicht sein, denn ein
Jahrzehnt nach seinem erstmaligen Erscheinen erhält das Werk durch die
jüngsten Schockwellen der ökologischen und ökonomischen Krise eine
ganz neue Brisanz.
Ausgehend
von einer kritischen Beleuchtung der Tiefenökologie und in der
Auseinandersetzung mit Denkern wie Giordano
Bruno, Stanislav Grof
oder Ken Wilber
entwickelt der Autor seine radikale These: Da wir die Wurzeln der
ökologischen Krise nicht verstanden haben, sind unsere Lösungsansätze
nur kosmetischer Natur. Denn was wir als ökologische Krise erfahren,
ist Symptom einer Bewusstseinskrise.
Wie
ehedem Nietzsche hat Kirchhoff dabei, wenn schon keine Umwertung aller
Werte, so doch einen radikalen Perspektivenwechsel im Sinn: Entgegen dem
vorherrschenden Menschenbild der Ökologie und Mainstream-Kosmologie
betrachtet er die Körper-Seele-Geist-Gestalt Mensch nicht als Teil der
Natur, sondern die Natur als integralen Teil des Menschen. Damit gibt er
nicht nur dem, was Rilke als "Weltinnenraum" besang, ein
naturphilosophisches Fundament, sondern entkräftet nebenbei auch den
populären ökomaterialistischen Gemeinplatz, demzufolge die Erde ohne
den Menschen, dieser jedoch nicht ohne die Erde existieren könne. Denn
das will, ja braucht die Erde: den ganzheitlich-integralen Menschen, der
ihr erst ermöglicht, das in ihr angelegte Potential zur Entfaltung zu
bringen.
Den
wahren Kern der Krise verortet er in der kollektiven Neurose,
ausgelöst durch die Abspaltung des modernen Menschen von Natur (Erde)
und Übernatur (Kosmos) im Zuge der einseitigen Herausbildung des
mentalen Selbst. Durch immer wahnwitzigere Weltvernutzungsprojekte sucht
dieser "nur halb geborene" Mensch nun auf der
physisch-sinnlichen Ebene seine metaphysische Leere zu kompensieren.
Eine um das Attribut "integral" erweiterte Tiefenökologie
müsse somit vor allem eine Bewusstseinsökologie sein.
Das
Buch geht dabei weit über die Ökologie im engeren Sinne hinaus, denn
es eröffnet Ausblicke auf eine neue, erdgemäße Kultur, deren
weitreichende Implikationen sich auf sämtliche Sphären der
Gesellschaft erstrecken, so auch Wirtschaft, Spiritualität oder das
Verhältnis zwischen Mann und Frau. Dabei lässt sich der Autor nicht
auf ein bestimmtes weltanschauliches System festlegen, denn den
übersättigten Markt der wohlfeilen Ideologien und Weltbilder möchte
er nicht weiter bedienen. Eine neue Kultur, wie immer diese auch
aussehen mag, wird nicht auf der alten aufbauen, sondern diese
transzendieren.
In
stets von Dringlichkeit getragenem Tonfall verbindet Kirchhoff seine
präzise Formulierungsgabe mit empfindsamer, fast poetischer Diktion,
lässt persönliche Betrachtungen einfließen und macht auch vor spitzen
Polemiken nicht Halt. Entfaltet dieser Stil mitunter eine sogartige
Wirkung mit geradezu bewusstseinsweitendem Potential, so erzeugt er auch
eine gewisse - wohl beabsichtigte - Unschärfe, die es nicht immer
leicht macht, der zuweilen mäandernder Argumentation zu folgen. Wer
sich diesem hoch originellen Werk jedoch öffnet und bereit ist,
tradierte Weltbilder einmal beiseite zu schieben, wird durch
überraschende Erkenntnisse, erhellende Einsichten und hoffnungsvolle
Ausblicke belohnt werden. Vielleicht wird er sich gar ein Stück weit
mehr beheimatet im Kosmos und auf der Erde fühlen.
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