Alice Miller

Die Revolte des Körpers

»Emotionen sind kein Luxus,
sondern ein komplexes Hilfsmittel
im Daseinskampf.« Antonio R. Damasio

 wikipedia  Antonio_Damasio

 

2004 im Suhrkamp Verlag

 Alice Miller (2004) Die Revolte des Körpers

2004  202 (205) Seiten

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Inhalt     Inhalt.pdf 

Vorwort  (9) 

Einleitung  (12)  

Nachwort  (191) 
»Die Revolte des Körpers« — Eine Herausforderung

Literatur  (203) 

 

 

Das vierte Gebot verlangt von uns, unsere Eltern zu ehren und zu lieben, auf daß wir — so die versteckte Drohung — lange leben.

Dieses Gebot der Ehr-Furcht beansprucht universelle Gültigkeit. Wer es befolgen will, obwohl er von seinen Eltern einst mißachtet, mißhandelt, mißbraucht wurde, kann dies nur, wenn er seine wahren Emotionen verdrängt. 

Gegen diese seelische Verstümmelung und das Ignorieren von unbewältigten Kindheitstraumata revoltiert indes der Körper häufig mit schweren Erkrankungen.

Wie diese entstehen, zeigt Alice Miller in ihrem neuen Werk; handelt von dem Konflikt zwischen dem, was wir fühlen und was unser Körper registriert hat, und dem, was wir fühlen möchten, um den moralischen Normen zu entsprechen, die wir seit jeher verinnerlicht haben.

»Einmal mehr haben Alice Millers Gedanken in ihrer Klarheit und Kühnheit vor allem befreiende Qualität.«  St. Galler Tagblatt 


In all ihren Büchern hat sich Alice Miller mit der Verleugnung des Leidens in der Kindheit auseinandergesetzt. In Die Revolte des Körpers schildert sie nun die Konsequenzen, die die Abspaltung starker und wahrer Emotionen für den Körper hat.

Das Buch handelt von dem Konflikt zwischen dem, was wir fühlen und was unser Körper registriert hat, und dem, was wir fühlen möchten, um den moralischen Normen zu entsprechen, die wir seit jeher verinnerlicht haben.

Diese psycho-biologische Gesetzmäßigkeit enthüllt Alice Miller im ersten Teil des Buches anhand der Lebensläufe zahlreicher Schriftsteller wie Schiller, Joyce, Proust oder Mishima.

Die beiden folgenden Teile weisen Wege auf, die aus dem Teufelskreis des Selbstbetrugs hinausführen und auch eine Befreiung von Krankheitssymptomen, den Appellen des Körpers, ermöglichen können.  

Sagen und Verhüllen

 

1 Die Ehr-Furcht vor den Eltern und ihre tragischen Folgen (35)
   (Dostojewski, Tschechow, Kafka, Nietzsche)

2 Der Kampf um die Freiheit in den Dramen und der ignorierte Schrei des eigenen Körpers (40)
   (Friedrich von Schiller)

3 Der Verrat an den eigenen Erinnerungen (45)
   (Virginia Woolf)

4 Der Selbsthaß und die unerfüllte Liebe (Arthur Rimbaud)  (48)

5 Das eingesperrte Kind und die Notwendigkeit der Schmerzverleugnung (Yukio Mishima)  53

6 Erstickt an der Mutterliebe (Marcel Proust)  (56)

7 Der große Meister der Abspaltung der Gefühle (James Joyce)  (65)

Nachwort zum ersten Teil (67) 

 

Die traditionelle Moral in den Therapien und das Wissen des Körpers

Einleitung zum zweiten Teil (71) 

1 Die Selbstverständlichkeit der Kindermißhandlung (79)  

2 Im Karussell der Gefühle (87) 

3 Der Körper als Hüter der Wahrheit (105)  

4 Darf ich es sagen? (111) 

5  Lieber morden, als die Wahrheit zu fühlen (118) 

6  Die Droge — der Betrug des Körpers (122)  

7  Wir dürfen merken (132) 

 

Magersucht: Die Sehnsucht nach echter Kommunikation 

Einleitung zum dritten Teil  (151)  

Das fiktive Tagebuch der Anita Fink  (158) 

Zusammenfassung (185) 

 

 

Alice Miller :  Die Revolte des Körpers  (2004)

  

Vorwort

9-11

Das Hauptthema all meiner Bücher ist die Verleugnung des Leidens unserer Kindheit. Jedes der Bücher kreist um einen bestimmten Aspekt dieses Phänomens und beleuchtet ein Gebiet stärker als die anderen. Ich habe zum Beispiel in <Am Anfang war Erziehung< und in <Du sollst nicht merken> die Ursachen und Folgen dieser Verleugnung herausgearbeitet. Später zeigte ich deren Konsequenzen im Leben des Erwachsenen und der Gesellschaft; beispielsweise in Kunst und Philosophie in <Der gemiedene Schlüssel>, in Politik und Psychiatrie in <Abbruch der Schweigemauer>. 

Da die einzelnen Aspekte nicht vollständig voneinander zu trennen sind, ergaben sich selbstverständlich Überschneidungen und Wiederholungen. Doch der aufmerksame Leser wird leicht erkennen, daß diese sich jeweils in einem anderen Zusammenhang befinden und von einem anderen Standpunkt aus betrachtet werden.

Unabhängig jedoch vom Kontext ist mein Gebrauch bestimmter Begriffe. So verwende ich etwa das Wort »unbewußt« ausschließlich zur Bezeichnung verdrängter, verleugneter oder abgespaltener Inhalte (Erinnerungen, Emotionen, Bedürfnisse). Das Unbewußte jedes Menschen ist für mich nichts anderes als seine Geschichte, die in ihrer Totalität zwar im Körper gespeichert ist, aber unserem Bewußtsein nur in kleinen Teilen zugänglich bleibt. Dementsprechend gebrauche ich das Wort »Wahrheit« niemals in einem metaphysischen Sinn, sondern in einem subjektiven, stets bezogen auf das konkrete Leben des einzelnen.

Ich spreche oft von »seiner« bzw. »ihrer« Wahrheit, von der Geschichte der Betroffenen, die in deren Emotionen signalisiert und bezeugt wird (vgl. etwa S. 31 u. S. 147f.). Als Emotion bezeichne ich eine nicht immer bewußte, aber oft lebenswichtige körperliche Reaktion auf äußere oder innere Vorgänge, wie etwa Angst vor dem Gewitter oder Wut bei der Feststellung, daß man betrogen wurde, oder Freude über ein erwünschtes Geschenk. Das Wort Gefühl bedeutet hingegen eher eine bewußte Wahrnehmung der Emotion (vgl. z.B. S. 31, 10gf. u. S. 151f.). Emotionale Blindheit ist daher ein teuer erkaufter und zumeist (selbst) destruktiver Luxus (vgl. AM 2001).

In diesem Buch geht es um die Frage, welche Konsequenz die Verleugnung unserer wahren und starken Emotionen für den Körper hat. Diese wird uns auch von Moral und Religion abverlangt. Aufgrund meiner Erfahrungen mit der Psychotherapie, meiner eigenen und der sehr vieler Menschen, bin ich zu dem Ergebnis gekommen, daß die in ihrer Kindheit mißhandelten Menschen nur mit Hilfe einer massiven Verdrängung und Abspaltung ihrer wahren Emotionen versuchen können, das Vierte Gebot zu befolgen.

Sie können ihre Eltern nicht ehren und lieben, weil sie sie immer noch unbewußt fürchten. Auch wenn sie sich das wünschen, können sie kein entspanntes, vertrauensvolles Verhältnis entwickeln. Was sich gewöhnlich feststellen läßt, ist vielmehr eine krankmachende Bindung, die aus Angst und Pflichtgefühl besteht, die sich aber kaum als echte Liebe bezeichnen läßt, sondern als ein Schein, eine Fassade. Hinzu kommt, daß Menschen, die in der Kindheit mißhandelt wurden, oft ihr Leben lang hoffen, endlich die Liebe zu erhalten, die sie nie erfahren haben.

Diese ihre Erwartungen verstärken ihre Bindung an die Eltern, die in der Religion als Liebe bezeichnet und als Tugend gelobt wird. Leider geschieht dies auch in den meisten Therapien, weil sie von der traditionellen Moral beherrscht sind. Doch den Preis für diese Moral bezahlt der Körper. 

Wenn ein Mensch glaubt, daß er das fühlt, was er fühlen sollte, und ständig versucht, das nicht zu fühlen, was er sich zu fühlen verbietet, wird er krank, es sei denn, er läßt seine Kinder die Rechnung bezahlen, indem er sie als Projektionsfläche für uneingestandene Emotionen benutzt. Ich meine hier auf eine psychobiologische Gesetzmäßigkeit gestoßen zu sein, die sehr, sehr lange durch religiöse und moralische Forderungen zugedeckt war. 

Der erste Teil dieses Buches zeigt diese Gesetzmäßigkeit anhand mehrerer Lebensläufe berühmter Persönlichkeiten auf. Die beiden folgenden Teile weisen auf Wege der echten Kommunikation hin, die aus dem Teufelskreis des Selbstbetrugs herausführen und eine Befreiung von Symptomen ermöglichen können.

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