Prof. Katharina Pistor

 

Der Code des Kapitals

Wie das Recht Reichtum
und Ungleichheit schafft

2019, 440 Seiten

The Code of Capital. How the Law Creates Wealth and Inequality

 

2019 bei Princeton University Press

2020 bei Suhrkamp

Katharina Pistor (2018) Der Code des Kapitals - Wie das Recht Reichtum und Ungleichheit schafft

2019

440 Seiten

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Audio  2020 dlf (Dohmen)  7 min           Audio 2021 dlf (Weidenfeld)  7 min 

detopia-2023: Sowohl bei Umweltbuch als auch Ökobuch eingeordnet. - Die Grundaussage erscheint mir bekannt; also nicht neu; nur tiefgründig durchforstet. Ich fremdele auch noch mit dem Wort "Code" und "Codierung".

 suhrkamp  - der_code_des_kapitals-katharina_pistor_58760.html  
mit PDF zum Lesen bis Seite 20

Verlag:

Kapital ist das bestimmende Merkmal moderner Volkswirtschaften, doch die meisten Menschen haben keine Ahnung, woher es tatsächlich kommt. Was verwandelt bloßen Reichtum in ein Vermögen, das automatisch mehr Reichtum schafft?

Katharina Pistor zeigt in ihrem bahnbrechenden Buch, wie Kapital hinter verschlossenen Türen in Anwaltskanzleien geschaffen wird und warum dies einer der wichtigsten Gründe für die wachsende Ungleichheit in unseren Gesellschaften ist.

Das Recht »codiert« selektiv bestimmte Vermögenswerte und stattet sie mit der Fähigkeit aus, privaten Reichtum zu schützen und zu produzieren. Auf diese Weise kann jedes Objekt, jeder Anspruch oder jede Idee in Kapital umgewandelt werden – und Anwälte sind die Hüter dieses Codes. Sie wählen aus verschiedenen Rechtssystemen und Rechtsinstrumenten diejenigen aus, die den Bedürfnissen ihrer Mandanten am besten dienen.

Techniken, die vor Jahrhunderten Landbesitz in Kapital transformierten, dienen heute zur Codierung von Aktien, Anleihen, Ideen und Zukunftserwartungen. Ein großes, beunruhigendes Porträt der globalen Natur dieses Codes sowie der Menschen, die ihn gestalten, und der Regierungen, die ihn durchsetzen.


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Inhalt

Vorwort  (7)

Ein Imperium des Rechts  (15)

2  Die Codierung von Grund und Boden  (49)

Das Klonen juristischer Personen  (85)

4  Schulden produzieren  (129)

5  Die Einhegung des Codes der Natur  (175)

6  Ein Code für die Welt   (211)

7  Die Herren des Codes  (251)

8  Ein neuer Code?  (289)

9  Das Kapital regiert durch das Recht  (321)

Anmerkungen  367 
Namenregister  439

 

 

Lesebericht

 

 dlf 2021

Von Ursula Weidenfeld

dlf  pistor code-des-kapitals

 

Was Pistors Titel so interessant macht, ist die Herleitung des Turbokapitalismus aus den Institutionen heraus.

Das Kapital genießt seit 300 Jahren erstaunliche Sonderrechte, analysiert brillant Katharina Pistor in „Der Code des Kapitals“. Die Folge: Nicht Gesetzgeber, sondern Firmenanwälte bestimmen das Geschick ganzer Gesellschaften.

Wer macht den Kapitalismus fett? Es sind die Rechtsanwälte, die im Wirtschaftsrecht längst die Herrschaft übernommen haben. So argumentiert jedenfalls Katharina Pistor, deren Buch „The Code of Capital“ aus dem Jahr 2018 jetzt ins Deutsche übersetzt worden ist. Es heißt: „Der Code des Kapitals: Wie das Recht Reichtum und Ungleichheit schafft“ und macht mit diesem Untertitel deutlich, worum es der Autorin geht.

Sie beklagt, dass das Recht, das doch in demokratischen Staaten für alle gleich und für jeden zugänglich sein soll, die Ungleichheit verschärfe und überdies parteiisch zugunsten der Reichen sei.

Pistor zeigt anhand der Rechtsentwicklung, wie Gesetze, Gerichte und Anwälte den Kapitalismus in seiner heutigen Form begründet haben – und wie sie jetzt dazu beitragen, dass sich auf der Kapitalseite immer mehr Reichtum anhäuft, während normale Einkommensbezieher, Arbeiter und Arme, aber auch die Staatlichkeit von dieser Entwicklung abgeschnitten sind.

Spannend wie ein Krimi

Sich mit Rechtsgeschichte zu beschäftigen, ist normalerweise eine trockene Angelegenheit. Bei Pistor ist es ein bisschen wie ein Krimi.

Sie beschreibt, wie in den vorindustriellen Gesellschaften Europas – vor allem in England – Kapitalgesellschaften durch Änderungen im Privatrecht entstehen, wie sie geschützt werden, und wie sie heute Privilegien genießen, von denen andere Akteure im Wirtschaftsleben – Arbeitnehmer zum Beispiel – nur träumen können.

Diese Privilegien sind eine erstaunliche Bevorzugung von Kapitalgesellschaften, zum Beispiel im Fall der Insolvenz eines ihrer Geschäftspartner. Sie bestehen in einer Überlebensgarantie, die die Nationalstaaten im Interesse der Stabilität ihrer Gesellschaften geben. Sie werden fortgesetzt in dem Vorteil, fast überall auf der Welt als Geschäftspartner und Rechtsperson anerkannt zu sein und sich den Rechtskreis aussuchen zu können, in dem man handelt.

Und sie enden noch lange nicht damit, dass Kapital nahezu jederzeit verkauft und in Geld verwandelt werden kann, für dessen Wert die Allgemeinheit geradesteht. Damit kann sich das Kapital immer wieder selbst erschaffen, immer weitere Bereiche des öffentlichen Lebens einer Gemeinschaft lassen sich „codieren“, dem Kapital einverleiben, argumentiert Pistor.

Das Recht garantiert dem Kapital große Privilegien

Miteinander kombiniert, sind diese vier Vorzüge nach Pistors Meinung unschlagbar. Sie sorgen dafür, dass Kapital neues Vermögen schafft, und sich vom Zugriff des Staates, zum Beispiel durch Besteuerung, abschotten kann. Extrem teuer bezahlte Rechtsfirmen nutzen das aus, um für ihre Mandanten an allen Plätzen der Welt nach neuen Gelegenheiten zu fahnden, den Reichtum in Unternehmen, Stiftungen oder Trusts zu bewahren und zu potenzieren.

Was Pistors Titel so interessant macht, ist die Herleitung des Turbokapitalismus aus den Institutionen heraus. Ihr geht es nicht um die Gier, die Skrupellosigkeit oder den Diebstahl.

Die Freiburger Juristin, die als Rechtsprofessorin an der amerikanischen Elite-Universität Columbia Law School unterrichtet, zeigt, wie zunächst unverdächtige Einzelentscheidungen zum Beispiel im britischen Boden- oder Erbrecht, die vor drei Jahrhunderten getroffen wurden, heute dazu führen, dass man nahezu alles codieren, also als Kapital ausweisen kann.

Nicht nur Aktien und Unternehmensanleihen, Derivate und neue Finanzprodukte verdanken ihre Existenz dieser Rechtstradition. Selbst die Natur, modifizierte Gensequenzen und sogar Ideen werden so aus der Sphäre des Allgemeinguts, der Allmende, in die des Kapitals verschoben. Im Kern führe das zu einer Privatisierung des öffentlichen Guts, klagt die Autorin.

Rechtsanwälte bestimmen das Geschick ganzer Gesellschaften

Die Nationalstaaten, die eigentlich das Recht doch setzen und jedem Bürger garantieren, stehen daneben und schauen ratlos zu. Viele von ihnen bieten Kapitalgesellschaften sogar besonders günstige Bedingungen, damit sie sich lieber hier als an anderen Standorten ansiedeln. Sie akzeptieren das britische Recht oder das des Staates New York, nach dem die meisten Kapitalgesellschaften verfasst sind. Aus gutem Grund: Denn hier können die Unternehmen und ihre Anwälte Recht selbst schaffen.

So können die Anwälte des Kapitals aussuchen, ob und wo sie Steuern zahlen, sich den Transparenzregeln unterwerfen, oder an welchen Gerichten sie ihr Recht durchsetzen wollen. Nach dem britischen Privatrecht ist das nur am Rand eine Aufgabe des Staates. Meist sind es Anwälte und Richter, die das Recht prägen.

Seit den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts führt das zur Vermehrung des Kapitals auf Kosten der Arbeit, des personengebundenen Eigentums, der besonders Benachteiligten in der ganzen Welt. Und weil es kein internationales Recht gibt, das diese Entwicklung bremst, verschärft sich die Ungleichheit, argumentiert Pistor. Nicht die Regierungen bestimmen über das Geschick ihrer Gesellschaften, die Rechtsanwälte tun es, provoziert Pistor.

Brillante Analyse – ambivalente Forderungen

Eigenartig kurz und ambivalent fallen nach der brillanten Analyse ihre Vorschläge zur Heilung aus. Ein System, das sich im Wesentlichen in den vergangenen 300 Jahren etabliert hat, wischt man mal nicht eben so vom Tisch – auch wenn man wie die Juristin fürchtet, dass es die Staatlichkeit künftig noch stärker aushöhlen wird. Sie besteht darauf, dass Recht ein öffentliches Gut ist, auch wenn es immer stärker privatisiert wird.

Sie wünscht sich mehr internationale, verbindliche Recht(durch)setzung, fragt aber auf der anderen Seite, ob Europa sein Rechtssystem tatsächlich auch denen zur Verfügung stellen muss, die ihre Ansprüche lieber nach britischem und amerikanischen Recht codieren.

Sie plädiert da, wo das noch möglich ist, für Korrekturen im Rechtssystem. Doch wie sich das gegen plumpen Protektionismus abgrenzen lässt, erläutert sie nicht. Sie lässt die Antworten offen.

 

 14.12.2020

Von Caspar Dohmen

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Reichtum und Recht

Juristin Katharina Pistor erklärt den Code des Kapitals

Die renommierte Privatrechtsexpertin Katharina Pistor geht in „Der Code des Kapitals“ der Frage nach, wie Reichtum entsteht. Dabei kommt sie zu dem Schluss: Das Privatrecht ist nicht nur ein mächtiges Werkzeug für die Ordnung des Sozialen, es spielt auch bei der Entstehung von Kapital eine zentrale Rolle.

Schreibt die Juristin Katharina Pistor in der Einleitung ihres Buches. Angefangen hatte sie ihre Untersuchung nach der schweren Finanzkrise eigentlich, weil sie wissen wollte, was die strukturellen Ursachen für die stetige Expansion des Finanzsektors seien.

Dabei stieß sie auf die zentrale Rolle des Privatrechts, wenn es darum geht Kapital zu schaffen, ob Vertrags-, Gesellschafts- oder Eigentumsrecht. Das Recht – prinzipiell ein „mächtiges Werkzeug für die Ordnung des Sozialen“ sei „fest in den Dienst des Kapitals gestellt“, schreibt die renommierte Privatrechtsexpertin, die an der Law School der Columbia University in New York lehrt.

Rechtliche Codierung kann Vermögen schaffen und schützen

Für den Nationalökonomen Karl Marx spielt bei der Bildung von Kapital in seinem gleichnamigen bahnbrechenden Werk der Produktionsprozess eine zentrale Rolle, bei dem der Arbeiter den Mehrwert erzeugt, der zu einem gehörigen Teil von dem Kapitalisten vereinnahmt wird. Die Rechtsgelehrte Katharina Pistor stellt dagegen das Recht in das Zentrum ihrer politökonomischen Betrachtung:

„Nicht ein physischer Produktionsprozess, sondern die rechtliche Codierung ist das Entscheidende. […] Kapital ist, kurz gesagt eine rechtliche Qualität, die hilft, Vermögen zu schaffen und zu schützen.“

Vorreiter dieses Modells waren demnach die englischen Landlords. Ursprünglich hatte die feudale Bodenordnung eine gemischte Nutzung vorgesehen. Es gab Land in Gemeinbesitz, sogenannte Commons. Aber die Adligen beanspruchten ab dem 15. Jahrhundert eine vorrangige Nutzung dieses Bodens, auch um ihn verkaufen oder beleihen zu können. Ihre Rechtsberater setzten diese Auffassung vor den Gerichten durch. Und dieses Muster wiederholte sich für die unterschiedlichsten Güter.

 Katharina Pistor:

„Sobald wir erkennen, dass das Kapital seine vermögensbildende Fähigkeit seiner rechtlichen Codierung verdankt, können wir auch sehen, dass im Prinzip jedes Gut in Kapital verwandelt werden kann. In diesem Sinne gibt es am ‚neuen Kapitalismus‘ nichts Neues. Das sich verändernde Gesicht des Kapitalismus einschließlich seiner jüngsten Hinwendung zur ‚Finanzialisierung‘, lässt sich damit erklären, dass alle Codierungstechniken von realen Gütern, wie etwa dem Landbesitz, zu dem übergegangen sind, was die Ökonomen gerne als rechtliche Fiktionen bezeichnen: Vermögenswerte, die durch Unternehmens- oder Trust-Schleier geschützt sind, und immaterielle Vermögenswerte, die im Recht geschaffen werden.“

Etwa für die Kapitalisierung geistigen Eigentums. Katalysator für diese Entwicklung ist das angelsächsische Common Law.

Anwälte können neues Recht schaffen Die Autorin macht dem Leser begreiflich, welch zentrale Rolle die Anwälte dort bei der Schaffung von Privatrecht innehaben. Diese Möglichkeiten nutzt die Anwaltsindustrie bis heute im Sinne ihrer Mandanten. Sie forme – so Pistor – ständig „neue Rechte“, wofür sie auch keine Erlaubnis brauche. Diese Möglichkeit, ständig neues Recht zu schaffen, das – so Pistor – „nur gelegentlich von einem Gericht überprüft wird“, habe dem Common Law gegenüber anderen Rechtssystemen einen Wettbewerbsvorteil bei der Codierung von Recht verschafft, etwa gegenüber dem kontinentaleuropäischen Civil Law. Es lässt diese umfassende private Rechtsschöpfung durch Anwälte nicht zu.

In der Praxis bedienen sich die Kapitalisten und deren Anwälte heute vor allem zwei Rechtsordnungen des Common Law: dem englischen Recht und dem Recht des US-Bundesstaates New York. Die Leser lernen bei Pistor, warum dies trotzdem gravierende Konsequenzen für die restliche Welt hat, denn Staaten akzeptieren heute gewöhnlich das Privatrecht, welches Wirtschaftsakteure ihrem Handeln zu Grunde legen.

„Es ist möglich, Güter in den Modulen des einen Rechtssystems zu codieren und sie dennoch von den Gerichten und Regulierungsbehörden eines anderen Landes anerkennen zu lassen und ihnen Geltung zu verschaffen. Auf diese Weise kann eine einzige nationale Rechtsordnung den weltweiten Kapitalismus aufrechterhalten.“

Pistor eröffnet brillanten Denkkosmos Weil Recht mobil geworden ist, benötige das globale Kapital eben keinen Weltstaat oder globales Recht, um zu gedeihen. Aber auf irgendeinen Staat bleiben die Kapitalisten dennoch angewiesen, wenn sie ihre codierten Rechte durchsetzen wollen. Deren Anwälten sei dabei sehr wohl bewusst, dass die Gerichte, die von ihnen geschaffenen privaten Rechtskonstruktionen sehr wohl für nichtig erklären könnten. Die Autorin schreibt:

„Deshalb haben sie auch zunehmend darauf gedrängt, juristische Streitigkeiten außergerichtlich beizulegen oder der Schiedsgerichtsbarkeit dem offiziellen Verfahrensweg den Vorzug zu geben. Doch auch das bringt die Anwälte in eine eigenartige und potenziell recht angreifbare Lage: Sie sind auf die Autorität des staatliche Rechts angewiesen, meiden aber die Gerichte, die traditionellen Hüter des Rechts, aus Angst davor, dass diese sich in ihre Codierungsbemühungen einmischen könnten.“

Dies ist nur ein Bruchteil des brillanten Denkkosmos, den Katharina Pistor in ihrem wegweisenden und bei aller Komplexität auch für Fachfremde verständlich geschriebenen Buch spannt. Lässt sich das Kapital überhaupt noch gesellschaftlich einbinden? Ist ein neuer Gesellschaftsvertrag zwischen Kapital und Gesellschaft möglich? Nur, wenn es eine „wohlgeordnete Gesellschaft“ gebe, so Pistor, die dem „Kapital eventuell die Stirn bieten könnte“ und ein Interesse des „vagabundierendes Kapitals“ an einem Deal mit der Gesellschaft.

Die Rechtsgelehrte zeigt einige Schritte auf, mit denen die Demokratien ihrer Ansicht nach die Oberhand über das Kapitel zurückgewinnen könnten: Staaten sollten etwa künftig generell von einer Vorzugsbehandlung des Kapitals absehen, den Akteuren die Wahl der Rechtsordnung für die eigenen Interessen erschweren oder frühere Begrenzungen der Kapitalcodierung wiederbeleben. Staaten könnten etwa verbieten, dass spekulative Verträge vor Gericht durchgesetzt werden können. Es geht um immens viel und es ist keineswegs sicher, dass die Einhegung des Kapitals gelingt. Ganz im Gegenteil. Pistor schreibt mit Blick auf die Angriffe gegen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in vielen Staaten zum Schluss unmissverständlich:

„Wenn sich diese Tendenzen fortsetzen, wird die reine Macht wieder die Herrschaft über die Rechtsordnung innehaben, so wie sie es über den größten Teil der Menschheitsgeschichte hinweg auch schon tat – und damit wird es uns allen schlechter gehen.“

 

 

 

https://www.perlentaucher.de/buch/katharina-pistor/der-code-des-kapitals.html


Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 01.03.2021
Rezensent Daniel Reichert-Facilides wird mitgerissen vom Schwung des Buches von Katharina Pistor. Wie die Autorin darin die Geschichte des Wirtschaftsrechts als Institutionengeschichte erzählt mit Fokus auf der Funktion des Rechts als Bedingung der Vermögensanhäufung, findet der Rezensent lesenswert, wenngleich für den wirtschaftshistorisch bewanderten Leser nicht unbedingt neu. Als weitgehend gut zugänglicher Überblick taugt der Band jedoch, versichert er. Was er laut Rezensent nicht leistet: die differenzierte Herausarbeitung sämtlicher Vor- und Nachteile privatrechtlicher Regulierung in der globalen Marktwirtschaft.


Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.02.2021
Rezensentin Ulrike Herrmann findet es ungerechtfertigt, dass dieses Buch der Juristin und Columbia-Lehrenden Katharina Pistor so gelobt wird. Die Hauptthese, dass das Privatrecht den Kapitalismus hervorgebracht habe, sei schlicht falsch, und sogar Pistors eigener historischer Abriss zeuge davon: Wenn die Autorin Recht hätte, hätte sich schon unter den juristisch versierten Römern Kapitalismus entwickeln müssen, so Herrmann. Außerdem zeige China, dass Gesellschaften, in denen das Privateigentum prekär ist, durchaus ein großes Wirtschaftswachstum erreichen können. Die Kritikerin vermutet, dass Pistors Blick durch die juristische Brille verzerrt wurde.


Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 18.01.2021
Rechtsgeschichte ist meist recht trockenes Futter, weiß Rezensentin Ursula Weidenfeld, aber bei Katharina Pistor lese sie sich so spannend wie ein Krimi. Denn die an der Columbia University lehrende Juristin zeichnet in diesem Werk nach, erklärt Weidenfeld, wie Kapitalgesellschaften seit Jahrhunderten für sich selbst Rechte und Privilegien setzen, von denen normale Bürger nur träumen können. Möglich macht es das angelsächsische Rechtssystem, in dem nicht geschriebene Gesetze, sondern Präzedenzfälle maßgeblich sind, wodurch Firmenanwälte besonders in London und New York ein Privatrecht haben schmieden können, immer neue Produkte als privates Kapital auszuweisen und so der öffentlichen Sphäre zu entziehen. Mitunter provokant, aber durchweg brillant findet Weidenfeld die Analysen der Autorin, allerdings hätte sich die Rezensentin etwas durchschlagendere Lösungsansätze erhofft.


Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 15.12.2020
Rezensent Caspar Dohmen empfiehlt das Buch der Rechtsgelehrten Katharina Pistor auch fachfremden Lesern. Zu lernen ist hier laut Rezensent, wie das Privatrecht im Sinne des Kapitals genutzt wurde und wird. Pistors politökonomische Studie geht laut Dohmen zurück zu den englischen Landlords, den Commons und ihrer Vereinnahmung durch den Adel und seine Anwälte und zeigt bis heute reichende rechtliche Kontinuitäten des Kapitals auf. Wie die Trennung von Kapital und Gesellschaft mit staatlicher Hilfe eingeschränkt werden könnte, beschreibt die Autorin in ihrem Buch auch, erklärt Dohmen.


Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.12.2020
Es sind die Großkanzleien, erfährt Rezensent Georg Simmerl, die durch raffinierte "Codierung", so der Zentralbegriff der Autorin, Eigentum herstellen, sichern und verschieben. Der beeindruckte Kritiker lernt den Kapitalismus von seiner juristischen Seite kennen - von der rechtlichen Möglichkeit, Land in Kapital zu verwandelt - was zuerst in Großbritannien im 16. Jahrhundert stattfand - bis zur Finanzkrise von 2008, also der Sozialisierung privater Risiken und Schulden in gigantischem Ausmaß. Da seien eben doch alte "Privilegien" am Werke, die für die wachsende Ungleichheit weiterhin sorgten, so erfährt er. Sein Lob gilt der Tatsache, dass diese ausführliche und auch politisch deutliche Darstellung des Systems das System zwar nicht sprengen will, aber immerhin auf gute Weise "für Nicht-Juristen" lesbar ist. Eine sanfte Kritik am Schluss trifft die fehlende Behandlung der Digitalkonzerne. Insgesamt aber empfiehlt er das Buch als "vorbereitende Lektüre" für das Aufräumen nach der nächsten Krise.


Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.11.2020
Rezensent Florian Meinel versteht die politische Ökonomie der USA besser mit dem Buch der Juristin Katharina Pistor. Deren US-amerikanische Perspektive schärft laut Meinel den Blick für eine dysfunktionale Legislative, gegen die die Autorin mit ihrem Vorschlag zu einer demokratischen Besetzung des Codes des Kapitals anschreibt, wie Meinel erkennt. Wie das Privatrecht die politische Ökonomie bestimmt, laut Meinel schon bei Marx und Weber nachzulesen, erläutert die Autorin für Meinel vergleichbar den Ausführungen über die Globalisierung bei Thomas Piketty. Der Materialreichtum des Buches beeindruckt den Rezensenten mehr als die dargelegte Rechtstheorie und das Springen zwischen Frühmoderne und Gegenwart im Text.



 

 

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Prof. Katharina Pistor - Der Code des Kapitals - Wie das Recht Reichtum und Ungleichheit schafft - 2019