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Edina
Stiller,
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wikipedia
W.Stiller *1947 detopia S.htm |
detopia-2024: Ist
Werner Stiller ein Held? (so wie Mitrochin) Am 18. Januar 1979 flüchtete Werner Stiller in die Bundesrepublik Deutschland. Mit sich trug er zwei Koffer, in denen sich geheime, hoch informative Unterlagen befanden, die unter anderem zur Enttarnung zahlreicher Westagenten der Staatssicherheit führten. Dazu gehörte auch Karl-Heinz Glocke, langjähriger Spion in den Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerken und Major des MfS, der wenige Tage danach verhaftet wurde. Der Übertritt Stillers hatte verheerende Folgen für viele Betroffene. Bei deren Aufarbeitung nach dem Ende der DDR hat eine Opfergruppe bisher kaum das Wort ergriffen: die Kinder der Verräter. Sie sahen sich über Nacht ihrer Väter beraubt, fühlten sich getäuscht und verlassen und mußten sich schließlich der Lüge und dem Schweigen beugen. Über zwei Jahrzehnte später unternimmt Nicole Glocke den Versuch, sich mit den Motiven ihres Vaters auseinanderzusetzen. Doch dieser verweigert jede Erklärung, und die Akten über ihn sind nicht zugänglich. Ihre Recherchen richten sich deshalb zunehmend auf den Mann, der das Trauma ihrer Kindheit ausgelöst hat, Werner Stiller. Sie sucht die Begegnung mit ihm und findet über ihn den Kontakt zu seiner Tochter Edina, die Stiller mit seiner Familie in der DDR zurückgelassen hatte. Die rasch wachsende Vertrautheit zwischen den etwa gleichaltrigen Frauen führt zu einem schonungslosen Rückblick auf ihre Vergangenheit, wobei der erlittene Verlust genauso deutlich wird wie das ohnmächtige Bemühen, die Beweggründe ihrer Väter zu verstehen. Den Austausch ihrer Erfahrungen haben sie in diesem Buch festgehalten, das zugleich zwei ungewöhnliche Lebensgeschichten aus dem geteilten Deutschland dokumentiert. |
Verachtung für den Verrat der Väter
Zwei Frauen in Ost und West schildern, wie ihre Kindheit durch die Stasi zerstört wurde
Renate Parschau
Anfang 1979 flüchtete ein Offizier des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in die BRD. Im Gepäck hatte er zwei Koffer geheimer, hochinformativer Unterlagen, die zur Enttarnung zahlreicher Westagenten der Staatssicherheit führten - und zur Verhaftung von MfS-Major Karl-Heinz Glocke, tätig in den Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerken.
Werner Stillers Übertritt hatte verheerende Folgen für viele Menschen, vor allem für deren Kinder. Über Nacht waren sie ihrer Väter beraubt, fühlten sich getäuscht und verlassen und mußten sich schließlich der Lüge und dem Schweigen beugen. Über zwei Jahrzehnte später versucht Nicole Glocke, West-Tochter, sich mit den Motiven ihres Vaters auseinanderzusetzen - erfolglos, denn dieser schweigt zäh, und Akten über ihn sind nicht zugänglich. Ihre Recherchen richten sich deshalb zunehmend auf den Mann, der das Trauma ihrer Kindheit ausgelöst hat, Werner Stiller alias Peter Fischer. Sie sucht die Begegnung mit ihm und seiner Tochter Edina, die Stiller mit seiner Familie in der DDR zurückgelassen hatte. Die rasch wachsende Vertrautheit zwischen den etwa gleichaltrigen Frauen führt sie zurück in ihre Vergangenheit, in der sie schwere Verluste erlitten und sich ohnmächtig bemühten, die Beweggründe ihrer Väter zu verstehen. Für beide Frauen hat sich zur gleichen Zeit das Leben geändert. Trotzdem sind sie einander nie vorher begegnet. Erst als die Historikerin Nicole Glocke eine Arbeit in Berlin beginnt, stößt sie Schritt für Schritt in die Welt vor, für die ihr Vater sogar zum Spion, zum Verräter wurde.
Ihre Neugier, vor allem auf den DDR-Gegenspieler Werner Stiller, wächst im selben Maß wie ihre Wut auf ein System, das Menschen zu Schnüfflern werden ließ. Für Sozialismus, soziale Gerechtigkeit und den Kampf für den Weltfrieden übten beide Männer Verrat. Der aus dem Osten gleich zweimal, weil ihm letztlich das materiell bessere Leben im Westen und die Freiheit doch besser gefielen, der andere aus Idealismus, denn Freiheit und Wohlstand, das hatte und kannte er. Für Nicole Glocke jedoch kein Grund, nicht weiter zu recherchieren, vor allem nach dem Mann, den sie nie verstehen wird und für den sie wie für ihren eigenen Vater nur noch Verachtung übrig hat.
Ihrer beider Erfahrungen sind zugleich zwei ungewöhnliche Lebensgeschichten aus dem geteilten Deutschland. "Verratene Kinder" - das sind Nicole Glocke und Edina Stiller, grundverschiedene junge Frauen, unterschiedlich sozialisiert und veranlagt. Abwechselnd schildern sie aus ihrer Zeit nach dem 18. Januar 1979. Edina, ganz im Stile des sozialistischen Ideals erzogen, das nicht einmal ins Wanken kommt, als ihr über alles geliebter Vater sie, den Bruder und die Mutter, die DDR, ihrer aller Heimat, verließ. Auch danach ging alles seinen "sozialistischen Gang": von den Jungpionieren zur FDJ, später sogar noch nach dem Mauerfall in die Nationale Volksarmee. Der Leser erfährt noch einmal, worin die soziale Sicherheit in der DDR wirklich bestand, nämlich auch in der "Sorgfaltspflicht der Stasi" für die Rumpffamilie - immerhin werden noch weitere Freunde der Mutter und auch deren späterer Mann, Edinas Stiefvater, von der "Firma" ausgesucht. Die soziale Sicherheit in der DDR bestand vor allem in dieser "Sicherheit". Alles andere sind Legenden.
Nicole Glocke ist es zu danken, daß das Thema einmal von der Seite der Betroffenen betrachtet wird - um so mehr, da sich mehr und mehr Verklärung in den Erinnerungslücken breit macht: statt Aufarbeitung von persönlichen Biographien nur noch der verharmlosende und humorvolle Fingerzeig auf Spreewälder Gurken und den Geschmack von Rondo-Kaffee.
Nein, es war nicht alles schlecht, aber so richtig gefallen hat es auch keinem, sonst hätte es damals im Herbst 1989 kaum Demonstrationen gegeben: gegen Staatsbürgerkunde, Pflichtpräsenz am 1. Mai, Bespitzelung und mangelhaftes Obstangebot, einen Reiseatlas im Streichholzschachtelformat und Meinungsdiktat. Die DDR war kein normales Land. Und wer das im Westen gedacht hatte, mußte auch starken Bewußtstrübungen erlegen sein.
Nicole Glockes Vater zum Beispiel verriet aus Überzeugung, für die beste Sache der Welt - den Sozialismus - zu arbeiten, nicht nur die Bundesrepublik, sondern auch Frau und Kinder. Warum, fragt man sich heute, hat er sich nicht einfach einmal umgesehen in der "Heimat der Werktätigen", wo keiner den anderen ausbeutete? Warum hat er sich nicht wie seine Klassenbrüder nach Bananen oder Erdbeeren angestellt, für einen schlichten Bulgarienflug nächtelang vor dem Reisebüro am Alexanderplatz campiert?
Im Gegensatz dazu Edina Stillers Vater, der Doppelagent, der zuerst für die DDR spitzelte, und dann - für Geld und eine neue Identität - Vaterland, Frau und Kinder im Stich ließ. Er wußte nur, daß ein Penthouse in Frankfurt am Main und ein Paß mehr wert sind als eine 2 1/2-Zimmerwohnung in Berlin-Johannisthal und eine fünf Jahre alte Trabantanmeldung. Das ist zwar menschlich verständlich - Verrat ist es allemal! Vor diesem Hintergrund erscheint es kaum noch erklärbar, daß ehemalige Stasispitzel - hauptamtliche wie ehrenamtliche - heute die Achtung der Gesellschaft genießen, sogar in Amt und Würden die Geschicke von Ländern und Gemeinden bestimmen, öffentliche Ämter bekleiden, daß wirkliche Stasi-Opfer heute mit ansehen zu müssen, wie die ehemaligen Wärter von Bautzen und anderen Stasi-Gefängnisse höhere Renten beziehen als ihre Opfer. Den zwei auf besondere Weise durch diesen Verrat geprägten Frauen und den anderen Opfern der DDR-Stasi ist dieses Buch gewidmet.
Nicole Glocke, Edina Stiller: Verratene Kinder. Christoph Links Verlag, Berlin 2003, 192 Seiten, 19,90 Euro
Quelle: jungefreiheit.de 28/04 02. Juli 2004
dnb werner+stiller+zentrum+spionage
Im Zentrum der Spionage. von Werner Stiller
Broschiert - 373 Seiten - Hase u. Köhler, Mainz 1986
https://www.qwant.com/?q=werner+stiller+zentrum+spionage&t=web
aus wikipedia-2024
Werner Stiller (* 24. August 1947 in Weßmar; † 20. Dezember 2016[1] in Budapest) war ein deutscher Agent und Überläufer. Von 1972 bis 1979 war er hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR, zuletzt im Range eines Oberleutnants. Er entschied sich, in die Bundesrepublik überzulaufen und sich dem Bundesnachrichtendienst (BND) anzubieten, von dem er den Decknamen „Machete“ erhielt.[2] Seine Flucht aus der DDR 1979 mit zahlreichen geheimen Dokumenten in den Westen gilt bis heute als einer der spektakulärsten Spionagefälle im Kalten Krieg.
Leben
Er wurde im August 1947 als nichtehelicher Sohn einer Landarbeiterin geboren. Ab 1966 studierte Stiller Physik an der Universität Leipzig und schloss das Studium mit dem Diplom ab.1970 wurde er inoffizieller Mitarbeiter des MfS mit dem Decknamen „Stahlmann“. Ab 1972 arbeitete er dann hauptamtlich in der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des MfS, Sektor Wissenschaft und Technik (SWT), Abteilung XIII, Referat 1, und war zuständig für die Spionage im Bereich Nukleartechnik der Bundesrepublik Deutschland.[
Die Abteilung XIII, Referat 1, des Sektors Wissenschaft und Technik der HVA war in den Zimmern 508–510 auf der 5. Etage an der Nordseite von „Haus 15/1“ der Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit untergebracht, und hier arbeitete auch Werner Stiller.
Erste Kontakte zum BND verliefen sich aufgrund von Nachlässigkeiten Stillers.[5] Nachdem er von einem in Westdeutschland lebenden Bruder der in Oberhof arbeitenden Uschi Mischnowski erfahren hatte, machte er sich daran, sie als Freundin zu gewinnen.
1978 konnte er ihren auf Besuch weilenden Bruder kennenlernen und über ihn wieder Verbindung zum BND aufnehmen, der aber zunächst eine Falle witterte.
Bis zu seiner Flucht lieferte Stiller fortan geheime Informationen an den BND.
Flucht in die Bundesrepublik Deutschland
Am 19. Januar 1979 floh Stiller mit Unterlagen der HVA über den Dienstübergang des Bahnhofs Berlin Friedrichstraße nach West-Berlin.
Uschi Mischnowski – in Stillers 1986 unter dem Titel Im Zentrum der Spionage erschienenen Memoiren als „Helga“ bezeichnet – wurde mit Hilfe der bundesdeutschen Botschaft in Warschau ausgeschleust. Seine Ehefrau, seine Tochter und seinen Sohn ließ er hingegen in der DDR zurück, wo sie diversen Schikanen wegen vermuteter Mitwisserschaft ausgesetzt waren.
Nach der Flucht
1981 begann für Stiller, ausgestattet mit einer neuen Identität, ein zweites Leben unter dem Namen Klaus-Peter Fischer, geboren in Budapest. Mit Unterstützung des US-Geheimdienstes CIA absolvierte er ein Wirtschaftsstudium in St. Louis und war von 1983 bis 1990 Investmentbanker bei Goldman Sachs in New York und London. Bis zum Ende der DDR versuchte eine mit großen Mitteln ausgestattete Fahndertruppe des MfS, ihn im Westen ausfindig zu machen. Ziel war es, ihn in die DDR zu entführen und dort zum Tode zu verurteilen oder ihn gleich im westlichen Ausland zu töten.
Anfang der 1990er-Jahre machte ein Reporterteam des Nachrichtenmagazins Der Spiegel Stiller ausfindig.[14] Er arbeitete zu diesem Zeitpunkt als Börsenmakler für das US-Unternehmen Lehman Brothers an der Börse in Frankfurt am Main. Ende der 1990er-Jahre zog Werner Stiller nach Budapest.
Nicole Glocke, Tochter eines von Stiller geführten Ostagenten, und Tochter Edina Stiller veröffentlichten 2006 ein gemeinsames Buch über die Folgen des Übertritts in die Bundesrepublik Deutschland.
Stiller starb am 20. Dezember 2016 im Alter von 69 Jahren in Budapest.
Nachrichtendienstlicher Wert des Überläufers
Stiller wurde nach seinem Überlaufen über ein Jahr lang intensiv vom BND befragt. Dadurch trug er maßgeblich zur Identifizierung des „Mannes ohne Gesicht“, des HVA-Chefs Markus Wolf, bei. Ein Foto Wolfs, welches von ihm heimlich auf einer Dienstreise in Skandinavien angefertigt wurde, gelangte an das Nachrichtenmagazin Der Spiegel und wurde dort im März 1979 auf der Titelseite veröffentlicht.[15]
Stiller gehörte als Oberleutnant nicht zum leitenden Personal der HVA. Er forcierte jedoch seinen Aufstieg zum Parteisekretär seiner Abteilung, um Vorbehalte gegen sich auszuräumen sowie über seinen direkten Arbeitsbereich hinausgehende Informationen zu erlangen. Dem BND konnte Stiller weitreichendes Wissen um das Innenleben des ostdeutschen Geheimdienstes geben, das der Dienst als Grundlage für seine weitere Arbeit gegen das MfS nutzte. Zudem lieferte Stiller Einschätzungen zu den Beziehungen des MfS zu anderen Geheimdiensten des Ostblocks. Der BND verunsicherte die HVA bewusst über die eigenen Möglichkeiten und schränkte deren Arbeitsfähigkeit durch die Suche nach weiteren Maulwürfen sowie durch gestiegenes Misstrauen und Kontrollen im eigenen Bereich ein.[2]
Zahlreiche Ostagenten wurden durch den Übertritt Stillers in der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Österreich und den USA enttarnt und verhaftet, darunter Alfred Bahr, Gerhard Arnold, Rolf Dobbertin, Reiner Fülle, Karl-Heinz Glocke, Karl Hauffe, Armin Raufeisen sowie Günther Sänger. Mehr als 40 tatsächlichen oder mutmaßlichen Agenten gelang es kurzfristig, sich durch Flucht in die DDR der Strafverfolgung zu entziehen, so Friedrich Tomberg oder Hans-Sieghard Petras. Diese gingen dann aber als „Quellen im Objekt“ verloren. François Lachenal, Rolf Kreibich und Rolf Rosenbrock wurden zu Unrecht der Spionage beschuldigt.[15][16]
Schriften (Auswahl)
Im Zentrum der Spionage. v. Hase & Köhler, Mainz 1986, ISBN 3-7758-1141-9 (Englisch Beyond the Wall, Brassey’s, Washington 1992, ISBN 0-02-881007-4).
Der Agent. Mein Leben in drei Geheimdiensten. Ch. Links Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-592-8.
Der Doppelagent – Autobiographie, Rotbuch Verlag, Berlin, 1. Auflage 2013, ISBN 978-3-86789-192-9. (nahezu gleicher Inhalt wie Der Agent)
Literatur
Thomas Raufeisen: Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei. Eine deutsche Tragödie. Herder Verlag: Freiburg 2010, ISBN 978-3-451-30345-6 Rezension
Nicole Glocke, Edina Stiller: Verratene Kinder. Zwei Lebensgeschichten aus dem geteilten Deutschland. Ch. Links Verlag: Berlin 2003, ISBN 3-86153-302-2.
Jens Gieseke: Stiller, Werner. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
Kristie Macrakis: Die Stasi-Geheimnisse. Herbig Verlag, München, 2009, ISBN 978-3-7766-2592-9.
Ruth Hoffmann: Stasi-Kinder: Aufwachsen im Überwachungsstaat. List Taschenbuch, 2013, ISBN 978-3-548-61169-3.
Film
Der Rote Schakal[17]
Der Spion, der ich war[18]
Der Agent – Ein Doppelleben zwischen Stasi und BND[19]
Der Überläufer, Dokumentation von Guido Knopp und Peter Adler, aus der ZDF-Reihe Top-Spione, 1994.[20]