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5 - Der letzte Schnaufer

Taylor-1970

1 Die Dornenkrone  — 2 Die rote Flut  — 3 Der endgültige Untergang  — 4 Ein Hauch von Öl  — 5 Die Sauerstoffkrise 

 

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Es war im Jahre 1969, als einigen Biologen auffiel, daß sich ein großer Seestern, bekannt unter dem Namen Dornenkrone oder <Acanthaster planci>, wie rasend vermehrte. Er veränderte seine Gewohn­heiten dahingehend, daß er mit großer Geschwindigkeit die Korallen im Pazifischen Ozean verspeiste.

Gerüchte­weise konnte man seit 1963 hören, daß diese Seesterne im Roten Meer immer zahlreicher wurden, doch schenkte man diesen Gerüchten wenig Beachtung. 1966 wurden Berichte laut, daß die Seesterne sich nun daranmachten, das Great-Barrier-Riff abzunagen. Aber erst als Richard Chesher von der Universität Guam in der angesehenen wissenschaftlichen Wochenschrift <Science> darüber schrieb, wurde die wissenschaftliche Welt aufmerksam. In Guam selbst waren dank der Aktivität der Seesterne 50 Kilometer Küste innerhalb von zweieinhalb Jahren zerstört worden.

Dieser spinnenarmige Seestern mit seinem scheibenförmigen Leib von 15 Zentimeter Durchmesser und seinen 5 Zentimeter langen Stacheln verspeist in einer Nacht eine mit Korallen bewachsene Fläche, die zweimal so groß ist wie er selbst, was immerhin einen Quadratmeter Korallen pro Monat ausmacht. Sind die Seesterne mit den Korallen in einer Bucht fertig geworden, wandern sie in die nächste. Normalerweise fressen sie nur nachts. 

Die großen Schwärme im Pazifik haben nun auch diesen Müßiggang aufgegeben und widmen sich mit wahrer Hingabe ihrem full-time-job, tag und nacht zu fressen. Chesher mußte feststellen; daß seit Frühjahr 1968 sämtliche Korallen der Tumon Bay eingegangen waren; im Herbst machten sie sich an das Double-Riff. Die starken Winterstürme hinderten Chesher, den Fortgang der Dinge von Dezember bis März zu beobachten; danach konnte der Wissenschaftler nur noch den Verlust von weiteren vier Kilometern Korallenriff registrieren. 

Die Universität von Guam entschloß sich daraufhin zu einem harten Gegenschlag. Der Einsatz von stark giftigen Chemikalien und von Schädlings­bekämpfungs­mitteln ohne alle Schutzmaßnahmen verbot sich von selbst; er hätte zu viele andere Lebewesen vernichtet, einschließlich der Korallen selbst. Man schickte Taucher mit monströsen Injektionsspritzen und Gefäßen mit Formalin auf den Meeresboden, um den Tieren eine tödliche Dosis zu injizieren. Ein Taucher tötete 600 bis 700 Tiere pro Tag, aber es gab Zehntausende und mehr, und die ganze Kampagne endete ohne wirklichen Erfolg.

Inzwischen wurde bekannt, daß sich <Acanthaster planci> über weitere Pazifikinseln hermachte: Truk, eine der Marshall-Inseln, Palau im Bereich der Philippinen, weit im Norden die Insel Wake, Rota in den Marianas sowie Sipan und schließlich die Fidschiinseln. Ähnliches wurde von Borneo und von Nord-Guinea berichtet. Am Great-Barrier-Riff im Nordwesten von Australien wurde die Situation zunehmend ernster. 

Während ich diese Zeilen schrieb, wurde mir mitgeteilt, daß ein Viertel des 1600 Kilometer langen Riffs verschwunden ist. Der Verlust dieses Riffs bedeutet für viele Bewohner der Pazifikinseln eine wirtschaftliche Katastrophe, denn an den Riffen werden die Lagunenfische gefangen, die als Nahrungsquelle und nahezu ausschließliche Proteinlieferanten unentbehrlich sind. Die Lagunenfische aber können sich nicht rasch genug an die Lebensweise im offenen Meer anpassen. <Acanthaster planci> kann so möglicherweise die Bevölkerung dezimieren und eine Kultur zerstören, wenn nicht sogar alle Bewohner aushungern, da proteinhaltige Nahrung nicht mehr in ausreichender Menge vorhanden ist. 

So sieht also das Gleichgewicht der Natur aus: Der Boom für eine Gattung bedeutet den Untergang einer anderen.

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   1  Die Dornenkrone  

»Es handelt sich hier nicht um eine kurzzeitige Verschiebung eines Gleichgewichts, sondern um das explosionsartige Wachstum einer Population«, warnt Chesher. Die Ursache dafür ist unbekannt. Ein Team von vierzehn Spezialisten traf sich im Sommer 1969 in diesem Gebiet; leider kehrten sie zurück, ohne das Problem gelöst zu haben. Ihr erster Gedanke war, daß die Chiton-Muschel, Hauptnahrungsquelle des Seesterns, von Muschelsammlern stark dezimiert wurde; Chiton-Muscheln wurden jedoch in der üblichen Menge gefangen und konnten deshalb mit der Sache nichts zu tun haben. Eine andere Theorie machte Sprengungen dafür verantwortlich, die man im Zusammenhang mit militärischen Installationen an Korallenriffen vorgenommen hatte. Auf diese Weise sei für die Aufzucht der jungen Seesterne eine besonders günstige Umgebung geschaffen worden. Aber man fand die Seesterne auch an Orten, wo keine Sprengungen stattgefunden hatten. 

Weiter beobachtete man, daß sie in der Nähe menschlicher Besiedlung in besonders großer Zahl auftreten. Gelangt vielleicht irgendein Abfallprodukt in den Ozean, das Seesterne anzieht? Oder handelt es sich gar um eine Mutation — durch radioaktive Strahlung verursacht? Im Dezember 1969 schließlich mußte Chesher feststellen, daß größere jagdbare Fische in den toten Riffen fast vollständig ausgestorben und sogar die Tiefseefische von diesen ökologischen Veränderungen betroffen sind. Er stellte ferner fest, daß in den letzten Jahrzehnten die Konzentration an chlorierten organischen Verbindungen sowie an anderen giftigen Abfallprodukten des Menschen im Meer laufend zugenommen hatten.

Diese Verunreinigungen haben möglicherweise Planktonfresser vernichtet, was automatisch die Population der Zoophagen reduzierte. Zoophagen, die sich von Seesternlarven ernähren, können sich nun nicht schnell genug vermehren, um mit den riesigen Schwärmen der Acanthaster-planci-Larven während der Laichzeit fertig zu werden. Eine andere Hypothese besagt, daß der erwachsene Seestern <Acanthaster planci> die chlorierten organischen Verbindungen im Gewebe anreichert, was wiederum die Fortpflanzung der Tiere beeinträchtigt, die sich von ihm ernähren. Das so gestörte Gleichgewicht führt zu einer explosionsartigen Zunahme der Seesterne.


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Chesher schließt seinen Report mit den düsteren Prophezeiungen: »Wenn die rasende Vermehrung jedoch auf eine ganz grundlegende Veränderung im Verhalten von Acanthaster planci zurückzuführen ist, so scheint die Kontrolle fast aussichtslos ... Möglicherweise sind wir Zeugen der vollständigen Ausrottung der Steinkorallen im Pazifik.«

Solche Katastrophen sind jedoch keineswegs ohne Beispiel. Die Ergebnisse geologischer Forschung zeigen, daß ganze Arten innerhalb kurzer Zeit völlig ausstarben. Auf der anderen Seite führt starke Vermehrung normalerweise auch zu Massensterben. Möglicherweise lernen <Acanthaster planci> noch ihre Fortpflanzung selbst zu kontrollieren. Wie dem auch sei, etwas Merkwürdiges hat sich ereignet; möglicherweise ist der Mensch daran schuld; die Welt ist um einige Korallen ärmer, und es wird Jahrhunderte dauern, um diesen Verlust zu kompensieren. 

Wir müssen damit rechnen, daß in den nächsten 30 Jahren noch weitere ökologische Dramen dieser Art auf uns zukommen.

 

2  Die rote Flut 

Die geschilderten Verhaltensstörungen bei Seesternen sind durchaus nichts Einzigartiges. Es zeigen sich Parallelen zur giftigen <roten Flut>, die sich regelmäßig an den Küsten Kaliforniens, Floridas und anderswo einstellt, wobei Millionen von Fischen zugrunde gehen; auch Menschen zählen zu ihren Opfern, die unvorsichtig genug sind, Schellfische zu essen, welche damit irgendwie in Berührung kamen. 

Berichte über solches Fischsterben gehen bis in das Jahr 1793 zurück. Die Flut selbst wurde bereits in der Bibel erwähnt. Der Verfasser von Exodus,7 schreibt: »Und alles Wasser im Strom ward in Blut verwandelt. Und die Fische im Strom starben, und der Strom ward stinkend, daß die Ägypter nicht trinken konnten das Wasser aus dem Strom.« Aus griechischer und römischer Zeit wußten Homer und Tacitus von ähnlichen Dingen zu berichten. Darwin beschreibt, wie sich das Meer während seiner Seereise mit der legendären Beagle an der Küste Südafrikas rot färbte. Die Ursache waren hier nicht jene harmlosen Mikroorganismen, die dem Roten Meer seinen Namen gaben.


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In jüngster Zeit wurde der dramatischste Vorfall dieser Art im Jahre 1946 an der Küste von Florida beobachtet. Anfangs färbte sich das Meer gelb; im Juni bereits war das Wasser durch Milliarden von einzelligen Lebewesen, den sogenannten <Dinoflagellaten>, zu einer viskosen Brühe geworden. Ein hundert Kilometer langer Saum stinkender Fische zog sich entlang der Küste: Nach einer realistischen Schätzung waren es mindestens 50 Millionen Fischkadaver. Schulen und Hotels hatten geschlossen. Garnelen, Krebse, Hummer, Muscheln, Austern und Schildkröten kamen ebenfalls um. Sogar der Köder am Angelhaken starb.

Während früher solche roten Fluten nur in größeren Abständen auftraten, etwa in den Jahren 1932 und 1946, kehrten sie später fast jedes Jahr wieder: 1952, 1953, 1954, 1957, 1959, 1960, 1961, 1962, 1963, 1964 ... Irgend etwas sehr Merkwürdiges mußte sich verändert haben. Auch an der Westküste fordert <Gonyaulax> seine Opfer, allerdings nicht in diesem Ausmaß. Wenn Fische mit dem verseuchten Wasser nur in Berührung kamen, wurde der Schellfisch­handel praktisch lahmgelegt. Versehentlich einen solchen Fisch zu verspeisen ist wahrlich kein Spaß. Ein Arzt beschrieb den Tod einer Frau folgendermaßen: 

»Sie war bei vollem Bewußtsein, jedoch an Armen, Beinen und Rumpf gelähmt, sie konnte sich in ihrem Bett nicht bewegen, geschweige denn aufrecht am Boden stehen. Sie war kaum in der Lage zu sprechen, da Gesichts- und Mundmuskeln ihren Dienst versagten. Ihr war schrecklich übel, aber es war ihr nicht möglich, sich zu übergeben; außerdem war sie von schrecklichen Kopf- und Rückenschmerzen geplagt, wobei noch Schwindelgefühle hinzukamen.« 

Die Ursache dieser fürchterlichen Symptome ist ein Nervengift, das von <Gonyaulax> produziert wird, ein Gift, ebenso gefährlich wie <Botulinus Toxin>.

* (d-2013:)    wikipedia  Gonyaulax     wikipedia  Dinoflagellates     wikipedia  Botulinumtoxin   


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Es ist klar, daß eine explosionsartige Zunahme dieser giftigen <Dinoflagellaten>, die selbst nicht mehr in der Lage sind, ihre Vermehrung zu steuern, alle Fische in allen Meeren töten könnte, was für den Menschen nicht ohne Folgen wäre. Das kleinste Übel wäre der Zusammenbruch eines Großteils der Hochsee­fischerei sowie von Industrie und Handel, soweit sie sich mit Fischprodukten befassen. Allein die Tatsache, daß wir weder die Ursachen dieser ungezügelten Vermehrung noch die natürlichen Regelmechanismen kennen, ist äußerst alarmierend.

 

Eine merkwürdige Sache ist, wie unglaublich empfindlich Dinoflagellaten auf gewisse Schwermetalle reagieren. Es gibt eine Vielzahl verschiedener Dinoflagellaten, von denen die meisten völlig harmlos sind. Je nach Art lieben sie besonders Spuren von Zink, Kupfer, Eisen, Magnesium und Kobalt und sind bezüglich der Konzentration ihres Lieblingsspurenelements nicht ohne Ansprüche. Eine Konzentrationsänderung um nur 1 ppm kann darüber entscheiden, ob sie sich vermehren oder nicht. (Auch sind sie obendrein noch auf gewisse Dinge scharf: Einige bestehen darauf, sich im leichten Wellenschlag zu wiegen, sie weigern sich einfach, im ruhigen Wasser des Laboraquariums zu leben.)

Die fundierteste Vermutung ist zur Zeit die, daß sie sich nur dann fortpflanzen, wenn im Wasser eine bestimmte Kobaltkonzentration herrscht. Erst kürzlich wurde festgestellt, daß es Landstriche gibt, wo Kobalt überhaupt nicht vorkommt. Vieh, das dort weidet, wird schnell krank und stirbt schließlich. Spuren von diesem Metall sind notwendig, um ein Enzym zu synthetisieren, das ihre Lebensprozesse steuert. 

S. Hutner und John MacLaughlin von den Haskins-Laboratorien beschäftigen sich sehr intensiv mit den <Dinoflagellaten>. Sie nehmen an, daß es im Meer ebenso wie auf dem Festland Kobaltwüsten gibt. Wenn diese Vermutung stimmt, könnte die menschliche Unart, Abfallprodukte einfach ins Meer zu schmeißen, eines Tages den Kobaltspiegel im Meer über jenen kritischen Level ansteigen lassen, der die Dinoflagellaten zu ungezügeltem Wachstum veranlaßt. 

Kobalt ist ein Teil des lebenswichtigen Vitamins B12, das für das Lebensglück der Dinoflagellaten offenbar unerläßlich ist. Leider haben wir aber keine Möglichkeiten, diese außerordentlich geringen B12-Konzentrationen im Meerwasser zu messen.


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(Bei entsprechenden Süßwasseruntersuchungen wurde <Euglena>, ein einzelliges Lebewesen, beobachtet, deren Vermehrung durch eine bestimmte Menge B12 gesteuert wird. Auf diese Weise können wir so geringe Vitaminkonzentrationen wenigstens ungefähr abschätzen. Euglena tut uns aber leider nicht den Gefallen, auch im Salzwasser zu leben.) 

Versuche, Kupfersulfat oder andere Chemikalien zur Vernichtung von Dinoflagellaten zu verwenden, erscheinen wenig sinnvoll, da auf diese Weise auch andere, für die Ernährung der Fische notwendige Lebewesen zugrunde gehen. 

Hutner und McLaughlin können der ganzen Sache auch optimistische Aspekte abgewinnen; sie schlagen vor, künstliche Fluten von ungiftigen Dinoflagellaten zu erzeugen, um dann auf diesen künstlichen Weiden Lebewesen anzusiedeln, die den Fischen als Nahrung dienen. Zur Zeit, wo wir über diese Mechanismen praktisch nichts wissen, ist solcher Optimismus allerdings wenig angebracht. Möglicherweise würden sich bei solchen Versuchen giftige und ungiftige Dinoflagellaten vermehren. Fischsterben, wie wir es bereits erlebt haben, sollten uns von Experimenten dieser Art abhalten.

Paul Ehrlich, Professor für Biologie in Stanford, hat die <roten Fluten> zum Aufhänger einer spekulativen, aber immerhin möglichen ökologischen Katastrophe gemacht. In seinem Aufsatz, mit dem Titel <Eco-Catastrophe>, wird geschildert, wie die <roten Fluten> weltweit den Fischbestand vernichten. Eine länger anhaltende Veränderung des Klimas soll außerdem noch die Versorgung mit pflanzlichen Nahrungsmitteln gefährden; schließlich tötet ein Superinsektizid alle Insekten, die einen hornartigen Chitinpanzer haben. Die Folge davon ist, daß sich deren natürliche Beute uneingeschränkt vermehrt. Auswärtige Hilfsprogramme - die wiederum Fabrikanlagen liefern, um das neue Insektizid herzustellen - sind dabei ein wesentlicher Faktor, um die endgültige Katastrophe zu beschleunigen.


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   3   Der endgültige Untergang    

 

Zur Zeit schütten wir Tausende von Produkten, deren biologische Wirkungen weitgehend unbekannt sind, direkt ins Meer oder in Flüsse, die schließlich im Meer münden. Dazu gehören Öl, chemische Abfallstoffe, Schwermetalle, Spurenelemente, organische Lösungsmittel, wie sie etwa zur chemischen Reinigung Verwendung finden, radioaktiver Abfall, chemische Kampfstoffe, entzündliche Stoffe, Detergentien, Insektizide und noch zahllose andere Substanz-gruppen, deren Gefährlichkeit teilweise noch unbekannt ist. 

Praktisch gelangt alles ins Meer, was wir in flüssiger Form wegwerfen, ausgenommen jene Verbindungen, die sich rasch genug zersetzen. Auch was wir als Gase in die Luft blasen, landet teilweise zusammen mit dem Regen im Meer. Man kann annehmen, daß zur Zeit eine halbe Million verschiedener Substanzen dem Meer zugeführt werden. In den allermeisten Fällen haben wir keine Ahnung über ihre möglichen Wirkungen, da sie noch nicht auf ihre Giftigkeit hin überprüft wurden.

Blei zum Beispiel wird vor allem von den Verbrennungsmotoren der Autos in die Luft geblasen. Es stammt aus der chemischen Verbindung Bleitetraäthyl, das dem Treibstoff zugesetzt wird, um die Oktanzahl hochzu­schrauben. Im Pazifik, der ziemlich abseits großer Kraftfahrzeugkonzentrationen liegt, ist die Bleikonzentration heute bereits um den Faktor zehn angestiegen. Sogar im arktischen Schnee ist der Bleigehalt siebenmal so hoch wie normal. Diese Bleikonzentrationen sind erst angestiegen, als vor 45 Jahren das Bleitetraäthyl eingeführt wurde. Gegen Ende unseres Jahrhunderts wird sich die Verunreinigung mit Blei nochmals verdoppeln.

Außerdem gelangen immer größere Mengen des besonders giftigen Metalls Quecksilber ins Meer: Ungefähr die halbe Weltproduktion erreicht den Ozean. Besonders die küstennahen Gewässer der Ostsee sind damit vergiftet. Was die Gefährlichkeit noch erhöht, ist die Anreicherung des Gifts in Fischen, bis sie schließlich ungenießbar sind. 

Ich möchte mit diesen Beispielen nur darauf hinweisen, in welchem Ausmaß die oberen Schichten des Meeres — das sind jene Gewässer, in denen die meisten Fische leben — bereits verseucht sind. Dramatisch werden diese Ergebnisse, wenn man bedenkt, daß mehr als die Hälfte der Bevölkerung von dieser Quelle essentieller Proteine abhängt.


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Insektizide wie DDT und Dieldrin werden ebenso im Meer angereichert wie viele andere Abfallprodukte der chemischen Industrie mit sehr exotisch klingenden Namen wie etwa Polychlorbiphenyl. Die FAO (Food and Agriculture Organization) hat festgestellt, daß die gleichzeitige Wirkung einer Vielzahl von Substanzen wesentlich größer ist, als man aus dem Toxizitätstest der einzelnen Verbindungen errechnen würde. Die unmittelbaren Folgen könnten katastrophal sein, wie aus den weiteren Ausführungen hervorgeht.

Neben weniger auffälligen Verunreinigungen ist immerhin so viel für jedermann sichtbarer Unrat angehäuft, daß Thor Heyerdahl und seine Freunde während ihres letzten Floßabenteuers von Europa nach Amerika feststellen mußten, daß das Wasser Hunderte von Meilen von der Küste entfernt zu schmutzig war, um es als Zahnputzwasser zu benützen.

Futurologen prophezeien uns bereits, daß bis zum Ende des Jahrhunderts der Meeresboden mit Metallteilen, Öl und anderem Müll gepflastert sein wird. Die entsprechenden Industriebetriebe wird man vermutlich mehr und mehr direkt am Meer bauen, anstatt ihre Abfallprodukte erst durch Flüsse verdünnen zu lassen.

Noch viel ernster ist das Problem des radioaktiven Abfalls, der laufend zunimmt. Schon heute ist es so, daß Radioaktivität in jeder Wasserprobe nachgewiesen werden kann, egal welchem Ort sie entnommen wurde. E. D. Goldberg berichtete auf der Versammlung der AAAS im Jahre 1968: »Radioaktivität kann man heute sowohl im Meer als auch in den dort lebenden Tieren und Pflanzen nachweisen.« Die amerikanische Atomenergiekommission (AEC) hat vor einiger Zeit Stahldosen im Atlantik versenkt, die mit einem Gemisch aus Zement und radioaktivem Abfall gefüllt waren. Erst kürzlich wurde dieser Testmüll nur 200 Meilen vor der Küste Spaniens und Portugals wiedergefunden. In Großbritannien, wo man offenbar wirtschaftliche Erwägungen obenan stellt, hat man einfach eine vier Kilometer lange Rohrleitung ins Meer hinaus gelegt und ist dabei ziemlich zuversichtlich, daß das große Meer sehr wohl bis zu 100.000 Curie pro Monat verkraften kann.


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(Wie ich in einem späteren Kapitel noch näher erläutern werde, ging man bei diesen Berechnungen, die zu so unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen geführt haben, von völlig falschen Voraussetzungen aus.)

Die amerikanische Atomenergiekommission rechtfertigt das Ablagern von Atommüll auf dem Meeresgrund damit, daß angeblich nur eine geringfügige oder gar keine Durchmischung der oberen Wasserschichten, in denen Fische, Schalentiere und Plankton leben, mit den tieferen Schichten stattfindet. Dabei wird nicht berücksichtigt, daß unsere Kenntnisse von den Wasserbewegungen in den Meeren unzureichend sind und daß sich diese auf viel zu kurze Beobachtungs­zeiten stützen, um die Vermutung zu rechtfertigen, daß auch in Jahrhunderten keine Durchmischung stattfindet. 

Wer weiß außerdem, welche nicht vorhersehbaren Katastrophen sich in einem so langen Zeitraum ereignen können. Ein riesiger Meteorit könnte im Meer niedergehen, was so unwahrscheinlich nicht ist. Im Jahre 1908 explodierte über Sibirien ein Komet mit so viel Brisanz, daß er im Umkreis von 200 Kilometern sämtliche Bäume entwurzelte; das Erdbeben wurde auf den Seismographen der ganzen Welt registriert. Weiter könnten Unterwasservulkane entstehen. Ganz abgesehen von solchen unkalkulierbaren Risiken hat das geologische Observatorium von Lamont auf Grund der jüngsten Ergebnisse ihres Forschungsschiffs festgestellt, daß die Durchmischung der Ozeane doch stärker ist, als man ursprünglich annahm.

Um die Komödie vollkommen zu machen, wird nun ernsthaft erwogen, Bodenschätze im Meeresgrund auszubeuten. Unter anderem gibt es hier große Vorkommen von Mangan, und in dem Maße, wie unsere Kohle-, Öl- und Erdgasvorkommen zur Neige gehen, sind wir gezwungen, unsere Suche nach neuen Rohstoffquellen auch in die küstennahen Gewässer zu verlegen. Abgesehen davon, daß die Unterwasserarbeiter infolge unserer nachlässigen Handhabung des radioaktiven Abfalls einer erheblichen Strahlenbelastung ausgesetzt sein werden, könnte die bei solchen Arbeiten unvermeidbare Wärmeentwicklung einen Konvektionsstrom in Gang setzen, der das so erwärmte Wasser an die Oberfläche bringt; dabei werden die verschiedenen Wasserschichten durchmischt.


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Auch über die horizontalen Verschiebungen der Wassermassen ist wenig bekannt. Wir wissen, daß in großer Tiefe sehr langsame Strömungen auftreten. Auf diese Weise strömt das Wasser von Oberflächenströmen wie dem Golfstrom, der Peru-Strömung, der Nordatlantik-Drift, der Westwind-Drift und den Äquatorialströmen in die entgegengesetzte Richtung zum Ausgangspunkt zurück. Das erklärt zweifellos die erstaunliche, aber kaum bekannte Tatsache, daß etwa Stahltrommeln mit Laborgeräteabfall, die von der Atomenergiebehörde im Atlantik versenkt wurden, später von Fischern an der Küste von Oregon wiedergefunden wurden. Auf welche Weise sie vom Atlantik in den Pazifik gelangt waren, bleibt ein quälendes Geheimnis.

Als ob das alles noch nicht ausreichte, konnte V. Bowen vom <Ozeanographischen Institut> von Woods Hole in ziemlich sorgfältigen Experimenten nachweisen, daß radioaktive Isotope, die nach Kernwaffentests von der Atmosphäre aus ins Meer gelangen, wesentlich schneller in großen Tiefen gefunden werden, als man früher angenommen hatte; das gilt jedenfalls für den Nordatlantik.

Roger Revelle, ehemaliger Direktor des Scripps-Instituts für Ozeanographie, und M. B. Schaeffer meinen, daß man pro Jahr wenigstens 1000 Tonnen Abfallprodukte aus Kernspaltungsreaktoren »ohne ernsthafte Gefahr« an den tiefsten Stellen der Meere lagern kann. Allerdings verraten sie uns nicht, was sie unter wirklich ernsthafter Gefahr verstehen

Weiter gehen sie von der Voraussetzung aus, daß das versenkte radioaktive Material wenigstens 300 Jahre an genau derselben Stelle des Meeresgrunds liegenbleibt. Ihrer Meinung nach kann man sich auf ihre Zahlen verlassen, sowohl was die Zeit als was auch die mögliche Durchmischung des Meerwassers angeht. Sie gehen davon aus, daß es 1000 Jahre dauert, bis das Wasser an den tiefsten Stellen des Pazifiks vollständig ersetzt ist, und für den Atlantik schätzen sie diesen Zeitraum auf 500 Jahre. Doch muß darauf hingewiesen werden, daß man zu so gefälligen Zahlen nur kommt, wenn man ausschließlich die Oberflächenverdampfung des Meerwassers berücksichtigt. Sobald irgendwelche thermischen Konvektionsströmungen hinzukommen, sehen diese Daten ganz anders aus.


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Der radioaktive Abfall im Jahre 2000 wird bei weitem 1000 Tonnen überschritten haben. Im Pazifik gibt der radioaktive Staub von einem einzigen Kernwaffen­versuch kaum zu bewältigende Probleme. Millionen Quadratkilometer sind davon betroffen. Wenn der Mensch auch nicht unmittelbar gefährdet ist, so ist es doch klar, daß ökologische Schäden nicht auszuschließen sind; immerhin räumen auch Revelle und Schaeffer ein, daß ein erheblicher Teil eben dieser Radioaktivität, die sie als »keine ernste Gefahr« ansehen, irgendwo in eine Nahrungskette einmünden könnte, an deren Ende der Mensch steht.

Es wird oft übersehen, daß im Meer neben Plankton, Fischen und Schalentieren auch Wasserpflanzen leben, von denen einige sogar von industrieller Wichtigkeit sind. Agar, das Wissenschaftler benutzen, um Bakterien zu kultivieren, stammt aus Algen; radioaktiv verseucht wäre es allerdings wertlos. Es ist eigenartig genug, daß Natriumalginat in der Lage ist, radioaktives Strontium-90 im menschlichen und tierischen Skelett gegen Calziumionen auszutauschen.

Es wäre nicht ohne Ironie, wenn wir in Friedenszeiten durch unsere Sorglosigkeit im Umgang mit radioaktivem Abfall unsere einzige Waffe zerstörten, die uns in der von radioaktivem Fall-Out vergifteten Luft nach einem Atomkrieg retten könnte.

Wir brauchen dabei nicht einmal anzunehmen, daß die Algen direkt durch die hohe Strahlenbelastung zugrunde gehen. Es ist eine Tatsache, daß die Algenbestände an den Küsten Kaliforniens in den letzten fünfundzwanzig Jahren stark abgenommen haben, und zwar einfach infolge einer ungeheuren Vermehrung der Seeigel, die sich von Algen ernähren. Die Ursache für eine derartige Vermehrung ist unbekannt, doch scheinen Abwässer nicht dafür verantwortlich zu sein. Die Wirkungen von radioaktivem Material auf Wassertiere sind immer noch ein Geheimnis. So wurden etwa im Pazifik zwei Jahre nach den letzten Atombombentests >heiße< Muscheln gefunden. Die nachweisbare Strahlung kam jedoch von Kobalt-60, einem Isotop, das bei einer solchen Explosion gar nicht entsteht. Wie diese Anreicherung zustande kam, ist unbekannt. Der russische Wissenschaftler Poljikarpow hat zum Beispiel gezeigt, daß geringste Mengen an Radioaktivität (0,2 Mikrocurie) die Entwicklung ganz verschiedener Arten von Fischeiern wesentlich beeinflussen. Poljikarpow folgert daraus: »...eine weitere Verseuchung des Meerwassers ist nicht mehr tolerierbar.«

Diese Diskussion wäre unvollständig, wenn man die alarmierende Verschmutzung des Meeres durch Heizöl unerwähnt ließe.


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    4  Ein Hauch von Öl    

 

Fred Singer, Staatssekretär im britischen Innenministerium, der sich mit den Problemen der Reinhaltung von Luft und Wasser befaßt, hat ausgerechnet, daß die Ölmengen, die von Tankern und anderen Schiffen ins Meer abgelassen werden, immerhin die beträchtliche Menge von einer Million Tonnen ausmachen. Dazu müssen wir noch eine weitere Million Tonnen an Motorenöl und 10 Millionen Tonnen Benzin hinzuzählen, die irgendwo verdampft sind und schließlich im Meer landen. Weiter muß eine Million Tonnen an benzinähnlichen Lösungsmitteln berücksichtigt werden; das macht zusammen 13 Millionen Tonnen Meeres­verunreinigung

In gewisser Hinsicht gehört Öl zu den gefährlichsten der etwa 500.000 Verunreinigungen, die wir ins Meer schütten. Wegen seines geringen spezifischen Gewichts schwimmt es auf der Oberfläche und wird dadurch nicht verdünnt, bis es irgendwelchen Bakterien gelingt, es zu knacken. Teer ist in dieser Hinsicht besonders resistent. Das Öl verändert auch die Verdampfungsgeschwindigkeit des Wassers, und sowohl Sauerstoff als auch Licht können nicht mehr in ausreichender Menge in tiefere Schichten gelangen, was Leben in diesen Tiefen unmöglich macht.

Rohöl ist ein komplexes Gemisch von verschiedenen chemischen Verbindungen. Die aromatischen Kohlenwasserstoffe sind nicht nur für den Menschen, sondern auch für alle anderen Lebewesen giftig. Es war deshalb besonders schlimm, daß die britischen Behörden nach dem Auseinander­brechen des Tankers Torrey Canyon zur schnelleren Verteilung des ausgelaufenen Rohöls Detergentien verwendeten, die in aromatischen Lösungsmitteln mit niedrigem Siedepunkt gelöst waren. Auf diese Weise wurde der Schaden für die Meerestiere nur noch vergrößert. 


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Die Kohlenwasserstoffe mit niedrigem Siedepunkt wurden bis vor kurzem für Wassertiere als harmlos angesehen. Inzwischen ist es erwiesen, daß diese Kohlen­wasserstoffe bereits bei niedrigen Konzentrationen Lähmungserscheinungen verursachen. Bei größeren Konzentrationen beobachtete man bei einer Reihe von niederen Tieren Zellschädigung mit tödlichen Folgen. Besonders empfindlich sind sie im Larvenstadium oder in anderen Frühformen maritimen Lebens.

Max Blumer, ein erfahrener Wissenschaftler am Ozeanographischen Institut von Woods Hole, vermutet, daß die Schäden, die von niedrigen Ölkonzentrationen über lange Zeit ausgeübt werden, wesentlich größer sind als die offensichtlichen Schäden durch Einwirkung großer Ölmengen während kürzerer Zeiten. Viele Raubfische finden ihre Opfer nur durch ihren ausgeprägten Geruchssinn, während andere Fische gerade wegen ihres guten Geruchssinns entkommen. Nomadenfische suchen sich mit Hilfe ihres Geruchssinns immer einen ihnen besonders angenehmen Aufenthaltsort. Dabei genügen unglaublich geringe Mengen des betreffenden Geruchsstoffs, Öl und die darin enthaltenen stark riechenden Anteile, wovon weniger als 0,001 ppm ausreichen, zerstören die für diese Tiere lebenswichtigen Geruchsinformationen. Für den Fisch ist das ebenso einschneidend wie Blindheit für den Menschen. Er kann auf diese Weise durch falsche Signale in die Irre geleitet werden. Blumer meint, daß die Ölverseuchung chaotische Auswirkungen auf das Überleben aller Meerestiere haben kann; davon betroffen sind auch alle übrigen Lebewesen, die irgendwie mit dieser Nahrungskette verbunden sind.

Weiterhin wissen wir außerordentlich wenig über die Auswirkungen von Öl auf Lebewesen, die am Meeresgrund leben. Normalerweise sinkt Öl im Meer außerordentlich langsam auf den Grund ab. Zur Beseitigung von Ölrückständen wird jedoch oft Kalk anstelle von Detergentien verwendet, da sich das Öl zusammen mit Kalk schnell am Meeresboden absetzt. Wir haben keine Ahnung, wo sich dieses Öl ansammelt; wir wissen nur so viel, daß es außerordentlich lange dauert, bis es von Bakterien abgebaut wird. In dem Maße, wie sich Ölreserven auf dem Festland erschöpfen, ist der Mensch gezwungen, auch die im Meer liegenden Lagerstätten auszubeuten.


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Dabei ist unkontrolliertes Ausfließen von Öl nicht auszuschließen. Warnendes Beispiel ist das Unglück von Santa Barbara, wo eine solche Ölquelle außer Kontrolle geriet, die heute immer noch sprudelt. Solche Dinge werden wir in Zukunft immer häufiger erleben. Blumer meint dazu: »Wenn wir uns heute nicht ernsthaft um das Leben im Meer kümmern, könnte es sein, daß wir diese auf vielfältige Weise miteinander verbundene Nahrungskette irreversibel schädigen. Menge und Qualität des Fischfangs würden vermindert, wenn nicht ganz zerstört werden.«

Blumers Anklage wird durch Eindrücke einer Forschungsreise des Woods-Hole-Instituts im Sargasso-Meer unterstrichen. Spezialnetze, die vom Forschungsschiff Chain ausgeworfen wurden, um die an der Meeresoberfläche lebenden Tiere zu fangen, waren jedesmal mit Klumpen von Ölteer verklebt, die die Größe eines Tennisballs erreichten. Nach drei bis vier Stunden waren die Schleppnetze dermaßen mit Öl verschmiert, daß sie mit einem starken Lösungsmittel gereinigt werden mußten. Ihr Fang im Sargasso-Meer bestand etwa zu Dreiviertel aus Ölteer.

Emulgatoren, die verwendet werden, um Ölrückstände aufzulösen, verschlimmern die Situation vor allem für die am Strand lebenden Vögel, da ihr wasserabstoßend imprägniertes Gefieder durch Emulgatoren mit Öl und Wasser getränkt wird. Schnecken zum Beispiel haben einen angeborenen Reflex, um einer Gefahr zu entkommen; sie legen sich flach auf den Boden oder verkriechen sich in einer Spalte oder in einem Tümpel. Bei Ölpest sollten sie das lieber unterlassen. Die Detergentien verteilen das Öl über den ganzen Strand und in jede Felsspalte; während es normalerweise auf der Wasseroberfläche schwimmt, ist es nun gleichmäßig im Wasser verteilt. Das Öl erstickt Seesterne, Algen, Plankton und andere im seichten Wasser lebende Organismen, die ohne die Verwendung von Detergentien vielleicht überleben könnten. Viele Arten von Meerestieren wie etwa die Gastropoden brüten ihre Jungen am Strand unter Steinen oder auf Inseln von Algen aus. Sie leiden ganz besonders unter der Ölpest, und viele von ihnen verenden.


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Als die Torrey Canyon etwa fünfzehn Meilen vom Strand entfernt auf Grund ging, floß der größte Teil des Öls in den Golf von Biskaya. Ölrückstände fand man später bis zu 250 Meilen vom Strand entfernt. Von dort aus nimmt die Meerestiefe stark zu, und das ausgelaufene öl war nicht mehr feststellbar. Man mag sich kaum ausdenken, was passieren würde, wenn die ganze Ladung eines leck geschlagenen Tankers an einem Strand angeschwemmt würde oder, schlimmer noch, wenn das öl in ein abgegrenztes Gebiet wie den Meeresarm von Milford Haven gespült würde.

Dr. Nelson Smith von der Universität Swansea hat die Bucht von Milford Haven studiert, die seit der Eröffnung des Ölhafens vor zehn Jahren bereits von drei dieser Ölfluten heimgesucht wurde. Er stellte fest, daß zahlreiche Weichtiere in diesem Gebiet völlig ausgerottet und andere stark dezimiert sind. Als er neun Monate später erneut eine Zählung der verschiedenen Arten durchführte, mußte er feststellen, daß manche Tierarten wieder zahlreicher waren, andere aber noch weiter abgenommen hatten. »Der größte Teil der Wasserpflanzen am oberen Ufer war nicht mehr zu finden. Die wenigen größeren Pflanzen, die man noch sah, waren vertrocknet, zeigten schwarze Verfärbungen und waren offensichtlich bereits abgestorben.«

Die Auswirkungen auf Seevögel sind bekannt und bedürfen keiner weiteren Erwähnung. Lt. Col. Boyle sagte: »Die Chancen, einen stark mit Öl verklebten Vogel wieder lebenstüchtig zu machen, sind gering.« Vögel, die man nach dem Torrey-Canyon-Unglück in das Vogelasyl von Slimbridge gebracht hatte, starben an Darmkatarrh, Streß und Erkrankungen der Atemwege; andere zeigten akute Gelenkentzündungen.

Mit der Erschließung der Nord-West-Passage zur Nordküste von Alaska, wo man riesige Ölfelder entdeckt hat, werden in den nächsten dreißig Jahren zweifellos die gewaltigsten ökologischen Veränderungen stattfinden. Diese Gewässer sind von vielen Inseln durchsetzt. Ausgelaufenes Öl kann kaum verteilt werden; es wird notwendigerweise an Inseln und Halbinseln angeschwemmt, an den Stränden der wenigen, noch unberührten Gegenden unseres Planeten. Bereits bei den Entdeckungsfahrten im Jahre 1969 wurden zwei Schiffe von Eismassen zerdrückt, was zum Auslaufen von Öl führte.


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Theoretisch existiert natürlich eine internationale Konvention zur Verhinderung von Verunreinigungen der Meere durch Öl. Sie trat 1954 in Kraft und wurde 1962 ergänzt. Die Einhaltung der Konvention soll durch die <Inter-Governmental Maritime Consultative Organization> überwacht werden. 1969 wurde eine Konferenz organisiert, wo man Möglichkeiten zur wirkungsvolleren Kontrolle diskutierte. Die Regierungen wurden aufgefordert, bei Verstößen härtere Strafen auszusprechen und schärfere Maßnahmen zu ergreifen, um die zunehmende Verschmutzung der Meere zu reduzieren. Regierungen sind aber bekanntlich außerordentlich träge, wenn es gilt, die Freiheit der Ölkonzerne irgendwie einzuschränken; die Ölverschmutzung nimmt weiter zu.

Als die FAO Anfang 1969 die Verschmutzung der Meere diskutierte, meinte Dr. Sidney Holt resignierend: »Die zur Vergiftung beitragenden Verbindungen nehmen wesentlich schneller zu, als wir sie überhaupt in Erfahrung bringen können.« Die Situation, wie sie auf dieser Konferenz geschildert wurde, war so alarmierend, daß die FAO beschloß, ein weiteres, mehr technisch orientiertes Meeting im Dezember 1970 zu organisieren. Durch Informations­austausch erhofft man eine Art Warnsystem zu schaffen, um Verunreinigungen möglichst früh festzustellen und sie genau zu lokalisieren.

Dr. Jack Pearce vom Stony-Brook-Meereslaboratorium auf Long Island markierte das Problem sehr genau: »Die Wissenschaft allein kann dieses Problem nicht lösen. Es ist an der Zeit, daß wir uns auch persönlich dazu bekennen — um es genau zu sagen, wir brauchen Kontrollen — und zwar sofort!«

 

   5  Die Sauerstoffkrise    

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Dr. Lloyd Berkner war ein Wissenschaftler von außerordentlich breit gestreuten Interessen und Fähigkeiten. Ursprünglich Radaringenieur, interessierte er sich für den Erdmagnetismus und für Geophysik. Eine Zeitlang war er Vorsitzender des wissenschaftlichen Beratungsgremiums des amerikanischen Präsidenten sowie des Internationalen Wissenschaftlichen Planungskomitees. Er wurde mit Auszeichnungen und wissen­schaft­lichen Ehrungen aus England, Schweden, Italien und anderen Ländern der ganzen Welt überschüttet. Als er 1967 starb, war er Präsident des <Graduate Research Center> von South West.

Er ist sicher nicht der Mann, der Sensationsgeschichten verbreitet, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Bereits 1966, wenige Monate vor seinem Tod, schrieb er einen Artikel für das <Population Reference Bureau>, wo er darauf hinweist, daß der Sauerstoff­vorrat unserer Welt im wesentlichen von den Diatomeen geliefert wird.    wikipedia  Kieselalgen  

Diese kleinen, im Meer frei herumtreibenden Pflanzen sind zugleich wichtigste Nahrungsquelle der meisten Fische. Der Sauerstoffvorrat der Erde wäre innerhalb von 2000 Jahren verbraucht, wenn er nicht durch die Photosynthese der Pflanzen wieder nachgeliefert würde, bei der Sauerstoff als Nebenprodukt entsteht. Bei der Photosynthese werden Zucker aus Kohlendioxyd und Wasser synthetisiert, wobei Sonnenlicht als Energiequelle dient. Dabei wird gleichzeitig Sauerstoff freigesetzt, der aus dem Kohlendioxyd stammt.

70 Prozent des auf diese Weise entstandenen Sauerstoffs stammen von den Diatomeen und nur 30 Prozent von der Landvegetation. 

»Sollten durch unsere Schädlingsbekämpfungsmittel die Diatomeen teilweise ausgerottet werden oder sollten Mutanten entstehen, die bezüglich der Sauer­stoff­produktion weniger aktiv sind, so könnten wir an unserem selbstverschuldeten Sauerstoffmangel zugrunde gehen.« 

Da wir wissen, daß diese Verbindungen in Fischen angereichert werden, und da Diatomeen die Hauptnahrung dieser Fische sind, kann man mit großer Sicherheit annehmen, daß die Schädlingsbekämpfungsmittel auf diesem Wege in die Fische gelangen.

Bekannt ist ferner, daß Herbizide sehr wohl in der Lage sind, auch das Photoplankton zu vernichten. Eine Überschlagsrechnung macht klar, daß drei Tankerkatastrophen von der Größenordnung der Torrey Canyon genau die oben geschilderte ökologische Katastrophe verursachen würden, wären sie mit Herbiziden beladen. Aus Sicherheitsgründen verschifft man heute Herbizide nicht in größerem Maßstab; beträchtliche Mengen wurden allerdings nach Vietnam gebracht, um den Dschungel zu entlauben. 


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Wenn Ende dieses Jahrhunderts ganz verschiedene Wege beschritten werden müssen, um die Ernährung auf der ganzen Erde zu gewährleisten, so ist es sehr wahrscheinlich, daß auch größere Mengen von Pflanzengiften per Schiff transportiert werden. Im Falle eines Krieges würde beides, der Transport der Giftstoffe und die Bemühungen der Gegenseite, die Transportschiffe zu versenken, ein ungeheures Risiko bedeuten.

Es waren jedoch nicht nur die möglichen Gefahren der Herbizide, vor denen Berkner so eindringlich warnte; er dachte vor allem an Schädlings­bekämpfungs­mittel wie das bekannte DDT. Genau zwei Jahre nach seinem Tod fand Charles Wurster Jr. von der New-York-Universität in Stony Brook, daß DDT tatsächlich die Photosynthese von Plankton beeinträchtigt.

Sauerstoff wird von uns heute in unvorstellbar großen Mengen vernichtet wie nie zuvor. Jedes Auto, jedes Motorboot, jeder Schneepflug und nicht zuletzt jedes Flugzeug verbrauchen Sauerstoff in immer größeren Mengen. Eine Verkehrsmaschine mit Düsenantrieb vom Typ Boeing 707 verbrennt bei jeder Atlantiküberquerung 35 Tonnen Sauerstoff; und auf der ganzen Welt sind immerhin 3000 Düsenmaschinen gleichzeitig in der Luft. Das bedeutet einen Sauerstoffverlust von 16 Millionen Tonnen pro Jahr, wobei man im Auge behalten muß, daß der Luftverkehr laufend zunimmt. Der neue Typ 737 braucht bereits 1,5mal soviel Sauerstoff.

Bis zum Jahre 2000 wird der Sauerstoffbedarf für Flugzeuge allein auf das Zehnfache ansteigen. Dazu kommt natürlich noch der Sauerstoffverbrauch der Industrie, aber auch jeder brennende Müllhaufen und jeder Waldbrand zehrt an unserem Sauerstoffvorrat. Das natürliche Gleichgewicht hat sich so eingependelt, daß die Sauerstoffbedürfnisse von Tieren und Pflanzen befriedigt werden können, nicht aber die geschilderten Mehrbelastungen.

Gleichzeitig roden wir riesige Wälder, die für die Lieferung des auf dem Festland produzierten Sauerstoffs so wichtig sind, und ersetzen sie durch Gras und Getreide, die wesentlich weniger Sauerstoff liefern, oder wir überziehen die Erde gar mit Beton oder Asphalt. Man weiß, daß Amerika nur 60 Prozent seines Sauerstoffbedarfs im Lande selbst regeneriert. Für England müssen diese Zahlen noch weit niedriger liegen, das heißt, sie sind weitgehend auf den von Plankton gebildeten Sauerstoff angewiesen. 


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In den Großstädten ist der Sauerstoffverbrauch so viel höher, daß man tatsächlich einen verminderten Sauerstoffgehalt der Luft feststellen kann. In Los Angeles liegt der Sauerstoffgehalt etwa 6% unter dem Durchschnittswert der Umgebung. Ganz abgesehen von den langfristigen Auswirkungen bedeutet das eine ungeheure Belastung nicht nur für Kinder, sondern für alle, die an irgendwelchen Erkrankungen der Atemwege leiden oder deren Kreislauf nicht ganz in Ordnung ist. In anderen hochindustrialisierten Ländern, vor allem in Japan, ist die Situation ganz ähnlich. 

Dr. Lovelock - ein Berater der englischen Raumfahrtbehörde - hat ausgerechnet, daß die Verbrennung der aus Fossilien entstandenen Kohle sowie des Erdöls bereits 15 Prozent des auf biologischem Wege regenerierten Sauerstoffs ausmachen. Legt man die heutigen Zuwachsraten der Industrieanlagen zugrunde, so muß man in den nächsten drei bis vier Jahrzehnten mit einer Abnahme des Sauerstoffgehalts der Luft rechnen, die im wesentlichen auf die Verbrennung von Kohle und Erdöl zurückzuführen ist. Es ist keineswegs so sicher, daß unsere Umwelt unseren Bedürfnissen entsprechend erhalten werden kann, wenn so grundlegende Störungen des Gleichgewichts vorgenommen werden. Außerdem ist Sauerstoff nur einer der verschiedenen Bestandteile unserer Atmosphäre, der durch das ungeheure Ausmaß der Industrialisierung beeinflußt wird.

Sauerstoff hält man für eine so selbstverständliche Sache, daß wir keinen Gedanken daran verschwenden, uns klarzumachen, daß wir seine Existenz nur einem geringen Ungleichgewicht zwischen dem von den Pflanzen neu produzierten und dem durch Oxydationsprozesse verbrauchten Sauerstoff verdanken. Francis Johnson hat ausgerechnet, daß diese geringe Differenz nur ein Zehntausendstel der gesamten Sauerstoffmenge ausmacht. Schon eine geringe Störung dieses Gleichgewichts kann zu einer Katastrophe führen.

Er weist noch auf einen anderen Punkt hin: »Ausschlaggebend für das Sauerstoffgleichgewicht sind möglicherweise auch bestimmte sauerstoffarme Areale auf dem Meeresgrund sowie einige Sumpfgebiete. Diese Gebiete sind ebenfalls durch die Umweltvergiftung gefährdet. Es ist für die Zukunft der Menschheit lebenswichtig, auch diese Gebiete zu schützen und zu erhalten.«


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Im Jahre 2000 wird sich der Verkehr in der Luft, auf dem Wasser und zu Lande zumindest vervierfacht haben, ganz abgesehen von weiteren, noch nicht kalkulierbaren Veränderungen.

Es ist nicht ausgeschlossen, daß wir auf diese Weise die untere Grenze der zur Erhaltung des Lebens notwendigen Sauer­stoff­konzentration erreichen.

Unter diesen Umständen bedeutet die Vergiftung von Plankton durch Insektizide und Herbizide, daß die Menschheit den letzten Schnaufer noch etwas früher tun wird.

Wäre schließlich alles Leben zugrunde gegangen, so würde der noch vorhandene Sauerstoff weiter abnehmen, da er sich in nichtbiologischen Reaktionen mit Stickstoff zu Stickoxyden und Nitraten sowie mit Methan und Sumpfgasen verbinden würde; Felsen und Steine würden Sauerstoff ebenfalls in Form von Oxyden binden. »Der Sauerstoffgehalt würde sich wahrscheinlich wieder auf einem außerordentlich niedrigen Niveau einpegeln, und zwar entsprechend dem Gleichgewicht zwischen Produktion durch Zersetzung von Wasser, durch Licht und Wärmeeinwirkung und den oben geschilderten sauer­stoff­verbrauchenden Reaktionen.«

Auf diese Weise würde sich die Erdatmosphäre wieder in eine Art Uratmosphäre zurückverwandeln, wo Leben, das auf Sauerstoff angewiesen ist, nicht existieren kann. Eine Neubesiedlung der Erde wäre nur über den gleichen langen Marsch möglich, auf dem Leben schon einmal entstand.

Das alles lehrt uns, daß Leben die Umwelt erhält, deren es zu seiner Existenz bedarf. Jede künstliche Veränderung dieser Umwelt verschlechtert zwangsläufig unsere Lebensbedingungen. Das ist eine der Tatsachen, die man nicht oft genug wiederholen kann.

Berkner weist in seiner Veröffentlichung mit dem Titel: <Truth and Consequences in a New Era> (Wahrheiten und ihre Folgen in einer neuen Ära) darauf hin, daß dieses Problem der Umweltverschmutzung nur ein Beispiel im Zusammenhang mit der Bevölkerungsexplosion ist, die schließlich zu einer totalen <Vergiftung> unserer Zivilisation führen könnte.

Weiterhin ist er der Ansicht, daß auch der Ausdehnung der zur Nahrungs­produktion genutzten Flächen Einhalt geboten werden muß, da tiefgreifende ökologische Schäden die beabsichtigte Wirkung, nämlich die Ernährung der Menschheit zu sichern, verhindern.  Mit diesem Teilproblem werde ich mich in einem anderen Kapitel gründlicher auseinandersetzen. Vorerst möchte ich Berkners Schlußfolgerungen zitieren, wonach die Menschheit ihre überkommenen Vorstellungen und Gewohnheiten kaum ändert, es sei denn, man übt unwiderstehlichen Zwang aus: 

»Ich fürchte, daß der einzige wirksame Zwang Hunger, Krankheit, Brutalität und Tod sein wird. Wenn das alles über uns kommt, dann kann man von der Endzeit­katastrophe sprechen.«

Das Problem unserer Umweltvergiftung, vor der Berkner uns zu warnen versucht, bedarf einer detaillierten Untersuchung. Zunehmende Bedeutung gewinnt dieses Problem, da immer neue Arten der Verschmutzung auftreten, die zweifellos noch vor Ablauf dieses Jahrhunderts zu schwerwiegenden Störungen führen werden. Doch möchte ich Sie im voraus warnen: Es ist eine horror story!

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 Das Selbstmordprogramm (1970)  The Doomsdaybook: Can the world survive? - Von Gordon Ratray Taylor