Harald WelzerKlimakriege
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2008 333 Seiten detopia: |
Climate wars : why people will be killed in the twenty- first century / Harald Welzer. Transl. by Patrick Camiller Cambridge ; Malden, Mass. : Polity Press 2012 - 222 Seiten Inhalt 2012 engl
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aus der Verlagsmeldung Lebensgefährlicher Mangel an Trinkwasser und eklatant zurückgehende Ernteerträge sind unverkennbare Zeichen des Klimawandels. Sie führen in den betroffenen Regionen zu ökonomischen und sozialen Katastrophen, zu Bürgerkriegen und gewaltigen Flüchtlingsströmen. Und dies geschieht ausgerechnet dort, wo die Lebensverhältnisse ohnehin desaströs sind. Aus den Völkermorden des 20. Jahrhunderts ist bekannt, wie schnell Menschen soziale Fragen mit radikalen und tödlichen Lösungen beantworten. Harald Welzer zeigt, wofür im 21. Jahrhundert getötet werden wird. Jenseits der Bemühungen um die Ursachen des Klimawandels gilt es aktuell zu verhindern, dass Menschen zur Flucht vor der ökologischen Katastrophe gezwungen werden. Dann müssten sie nicht vor den Toren der privilegierten Industriegesellschaften in Lager eingesperrt werden, in der Wüste verdursten oder im Meer ertrinken. Der Sozialpsychologe Harald Welzer beschreibt die gegenwärtige ökologisch-politische Weltlage, plädiert für ein neues Denken und zeigt, was jetzt getan werden muss, um drohende Katastrophen abzuwenden.
Inhalt Inhalt 2008 Inhalt 2010
Ein Schiff in der Wüste. Die Vergangenheit und die Zukunft der Gewalt (9)
Global warming und soziale Katastrophen Klimawandel. Ein kurzer Überblick Weltuntergang 62 Verteidigen 65 Body count 68 Veränderte Wirklichkeiten 72 Töten heute Der Völkermord in Ruanda (87) Gedrängtes Leben (88) Was sahen die Täter? (92) Darfur - der erste Klimakrieg 94 Kriegsökologie 100 Scheiternde Gesellschaften 101 Kollabierende Staaten 107 Gewalt und Klimawandel 110 Ungerechtigkeit und Ungleichzeitigkeit 116 Gewalt und Theorie 122 Tö Kriege 128 Dauerkriege 134 Gewaltmärkte 142 Anpassung 149 Ethnische Säuberungen 151 Umweltkonflikte 157 Terror 162 Terror als Transformation des sozialen Raumes 176 Blockierter Sinn 179 Aeneas, Hera, Amazon und Frontex: indirekte Grenzkriege 181 Die Route Marokko-Spanien (182) Lager (184) Frontex, noch einmal (186) Illegal Aliens (190) Flüchtlings- und Asylpolitik 196 Grenzen außerhalb des eigenen Territoriums 197 Rapide gesellschaftliche Veränderungsprozesse 200 Klimawandel, überlebensgroß 202 Veränderte Menschen in veränderten Wirklichkeiten Referenzrahmen und die Struktur des Nichtwissens 218 Wissen und Nichtwissen über den Holocaust 220 Shifting baselines, anderswo 231 Die Renaissance alter Konflikte: Glaube, Klassen, Ressourcen und die Erosion der Demokratie Auslagerung von Gewalt 244 Mehr Gewalt 247 Was man tun kann und was nicht 1 Weitermachen-wie-üblich 251 Zukünftige Vergangenheiten 257 Die gute Gesellschaft 261 Repressive Toleranz 267 Eine Geschichte über sich selbst erzählen können 268 Was man tun kann und was nicht 2 (273) Anhang 279 Anmerkungen 279 Literaturverweise 310 Danksagung 322 Sachregister 324 Personenregister 334 |
Leseberichte
Gefühlte Probleme, Rezension von Uwe Justus Wenzel, Neue Zürcher Zeitung, 12. April 2008 https://www.nzz.ch/gefuehlte_probleme-1.708219 Gewalt als Lösung, Rezension von Herfried Münkler, Süddeutsche Zeitung, 14. April 2008 Ist das schon Häresie?, Rezension von Adam Olschweski, Frankfurter Rundschau, 8. Mai 2008 Nichts für Optimisten, Rezension von Jörg Plath, die tageszeitung, 17. Mai 2008 Die Dimensionen des Klimawandels, Rezension von Britta Fecke, Deutschlandfunk, 2. Juni 2008
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TAZ zum Welzerbuch Klimakriege
Nichts für Optimisten. Für Harald Welzer ist der Klimawandel kein naturwissenschaftliches, sondern ein kulturelles Problem - das viele Todesopfer fordern wird. TAZ, 17.05.2008 VON JÖRG PLATH taz.de URL Dieses Buch hat zwei Schlusskapitel. Und Harald Welzer empfiehlt dem optimistischen Leser fürsorglich, die Lektüre besser mit dem ersten zu beenden. Das zweite raube ihm den Optimismus. Dabei hat Welzer schon auf den vorangegangenen Seiten auch dem Zuversichtlichsten den Boden unter den Füßen weggezogen. "Klimakriege" der nahen Zukunft schildert er, und der Untertitel präzisiert in aller Deutlichkeit: "Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird." Drei argumentative Grundlinien verflicht dieses Buch miteinander: dass der globale Klimawandel zu großen Spannungen führen wird, dass der Überlebenskampf mit Gewalt ausgetragen wird und dass der Mensch als moralisches Wesen solchen Veränderungen gegenüber hilflos ist. <Klimakriege> ist ein tiefschwarzes und darin überzeugendes Buch. Für Welzer ist der Klimawandel kein naturwissenschaftliches, sondern ein kulturelles Problem: Er bedroht das Zusammenleben von Menschen. Steigende Temperaturen verschieben fruchtbare und bewohnbare Zonen, Wüsten rücken vor, Wasser wird knapper oder überflutet das Land. Für die Verursacher, die früh industrialisierten Länder Westeuropas und Nordamerikas, fallen die Veränderungen noch am geringsten aus. Am meisten leiden die armen Länder. Unter ihnen trifft es besonders jene, die zugleich die schwächsten Institutionen und die geringsten Kapazitäten haben, um den Katastrophen zu begegnen. Ihre Bürger werden im Überlebenskampf zur Gewalt greifen, weil arme Staaten ihre Rechte nur unzureichend schützen können. Umweltveränderungen und Gewalt lassen die Flüchtlingsströme anschwellen: Bis 2050 wird mit ihrer Verzehnfachung gerechnet. Spätestens dann sowie aufgrund des Zusammenbrechens der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen erreichen die Folgen des Klimawandels auch die von ihm vergleichsweise gering betroffenen Länder - von Welzer zutreffend "Verursacherstaaten" genannt. Die EU und die USA haben bereits damit begonnen, ihre Grenzen aufwendig abzuschotten, die Verantwortung für Flüchtlinge an die Transitstaaten etwa in Nordafrika zu delegieren und Bürgerrechte zugunsten der Terrorismusbekämpfung einzuschränken. Das hierzu von Welzer zusammengetragene Material ist in seiner Fülle erschreckend. Der in Essen lehrende Sozialpsychologe listet keine zukünftigen Konflikte auf, er präsentiert die bisher eingetretenen Veränderungen des Sozialen so wie Naturwissenschaftler ihre Messergebnisse. Die zweite Ebene seines Buches handelt von der Gewalt. Da Welzer wie der polnische Philosoph Zygmunt Baumann den Holocaust nicht für einen Betriebsunfall der Moderne, sondern für deren rationale Konsequenz hält, zeigt er den bisher erreichten Standard der Gewaltanwendung an den Konflikten des 20. Jahrhunderts auf: an der nationalsozialistischen Judenvernichtung, am Völkermord an den Tutsi, den Kriegen und ethnischen Säuberungen in Jugoslawien, Darfur und Sudan. Mittlerweile sind zwischenstaatliche Kriege die Ausnahme. Es gibt Gewaltmärkte und Warlords, die mit Gewalt Geld verdienen und an der Beendigung von Kriegen kein Interesse haben. Fatalerweise erkennen Menschen weder die Veränderungen des Klimas noch des Sozialen. Ihre Sicht der Wirklichkeit verändert sich nämlich mit der Wirklichkeit. "Shifting baselines" nennen Umweltpsychologen das Phänomen, dass Menschen jenen Zustand für "natürlich" halten, der mit ihrer Lebens- und Erfahrungszeit zusammenfällt. Jüngere Fischer halten es für normal, dass sie nur auf hoher See fischen können. Während sich Ältere noch an Fänge in anderen Gebieten erinnern, gab es für sie dort niemals Fische. Mit sich verschiebenden Referenzrahmen im Sozialen versuchte Welzer schon in seiner Studie über nationalsozialistische "Täter" von 2005 zu erklären, "Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden". Noch 1933 wäre die Judenvernichtung undenkbar gewesen, atemberaubend wenige Jahre später war sie es nicht mehr. Die "gefühlten Probleme" des Klimawandels, prophezeit Welzer, werden Menschen zu radikalen Lösungen greifen lassen, an die sie zuvor nie gedacht hätten. "Klimakriege" ist ein Beitrag zur Katastrophensoziologie, der es an Düsterkeit mit seinem Gegenstand aufnehmen kann. Lösungen bietet Welzer nicht. Seine einzige Hoffnung ist ein kultureller Wandel: erweiterte, außerparlamentarische "Kommunikations- und Teilhabechancen" sollen es den Bürgern erlauben, sich mit ihrer Gesellschaft zu identifizieren und die dringenden Zukunftsprobleme zu lösen. Verglichen mit dem Zukunftsszenario der Klimakriege, klingt diese Hoffnung wolkig. Doch nach der niederschmetternden Lektüre dürften nicht nur Optimisten sie dankbar aufnehmen. |