Franz Werfel
Stern
der
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1946 353 Seiten (*1890) detopia: |
Dieses Buch gehört Alma
Kurz vor seinem Tode hat Franz Werfel dieses visionäre Werk abgeschlossen. Die Entstehungsgeschichte des Romans verzeichnet drei Stationen: Der erste Teil wurde im Frühling 1943 niedergeschrieben, der zweite Teil im Herbst 1944 und der dritte Teil im Frühling 1945. Zwei Tage nach Vollendung starb der Dichter. Er selbst hat noch während der Arbeit immer wieder den Wunsch geäußert, den umfangreichen Text kürzend zusammenzufassen. Alma Mahler-Werfel, die Witwe des Dichters, hat nun diese Ehrenpflicht dem Verstorbenen gegenüber übernommen und aus seinem Geiste dem Manuskript die Form gegeben, die Franz Werfel selbst vorgeschwebt haben mag. In einer Besprechung schreibt der Philosoph Alois Dempf über diese gewaltige Dichtung: »Der ›Stern der Ungeborenen‹ ist ein Roman, und der Leser erhält, was alles er als Käufer eines Romans zu bekommen hat: die poetische Mitverwobenheit des Autors in das Spiel, Intrige, Verwicklung und Erotik, sehr viel Satire über die gegenwärtigen und bis in das Jahr 100.000 vermutlich nicht veränderten Menschlichkeiten.« Es ist schwer, die Vielschichtigkeit dieses Werkes, das Werfel selbst einen Reiseroman genannt hat, auch nur anzudeuten. Der ›Stern der Ungeborenen‹, ein Vermächtnis des Dichters an die Nachgeborenen, ist ein theatrum mundi, in dem die Wirklichkeit visionär aufgebrochen und das Jenseitige sichtbar wird.
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Inhalt Erster Teil 1. Worin sich ein Vorwort verbirgt, das, wie so oft, nur eine Ausrede ist (9) 2. Worin ich meinem Freund B.H. begegne, der mich darauf aufmerksam macht, daß ich unsichtbar bin (10) 3. Worin ich am Schluß ein neuartiges Mittel der Fortbewegung kennen lerne (14) 4. Worin ich die geforderte Belehrung empfange, das Haus der Hochzeiter betrete und dem Kreis erscheine, der mich zitiert hat (23) 5. Worin ich an einem Festmahl teilnehme, von einem Hund angesprochen werde und mich ahnungslos einem heiklen Thema nähere (39) 6. Worin ich vom Bräutigam empfangen, nach antikem Kämpfer- und Soldatenleben ausgefragt werde und das Denkmal des Letzten Weltkrieges zu sehn bekomme (54) 7. Worin ich einen Blick in »Die Abendsterne Heute« tue, zum Unparteiischen in der wichtigsten Streitfrage aller Zeiten bestimmt werde, einen ansehnlichen Erfolg erringe und infolgedessen dem schlummernden Welthausmeier oder auch Geoarchonten oder auch Erdballpräsidenten meine Aufwartung machen darf (73) 8. Worin ich endlich vor der Braut erscheine und im Laufe einer längeren Unterhaltung durch die Hand der jugendschönen Ahnfrau zu einer Handlung verführt werde, die verhängnisvolle Folgen nach sich ziehen wird (95) 9. Worin ich trotz meiner Müdigkeit alles tue, um dem Schlafe zu entgehen, und dabei von B.H., der freundschaftlich meine Einsamkeit teilt, dies und jenes in Erfahrung bringe, was in der Welt seit jener Nacht geschehen ist, in der ich so unvorsichtig war, das letztemal einzuschlafen (110)
Zweiter Teil 10. Worin ich den Park des Arbeiters besuche, von ihm im »Tal der Quellen und Kräfte« bewirtet werde und an dem Tanz der taubengrauen Bräute teilnehme, bis mich eine dunkle Gestalt abberuft (129) 11. Worin der Priester an mir einen starken Exorzismus vollzieht, der meinen leiblichen und seelischen Status unverändert läßt, was ihm klar beweist, daß ich kein Kakodämon bin oder einen solchen enthalte (148) 13. Worin die große astrale Episode im Djebel beginnt, die mich vorerst in die unterste Knabenschulklasse der Chronosophen und mit dieser in den interplanetaren Weltraum führt (175) 14. Worin das vorige Kapitel auf einem anderen Globus – dem Apostel Petrus – fortgesetzt wird, aus einer beängstigenden Lage durch die Hilfe von Dunkelengeln in die Freiheit zurückführt, um endlich ganz unversehens aus dem interplanetaren in den interatomaren Raum zu geraten (192) 15. Worin nach einem Gang durch die Lamaserien der Sternwanderer, Verwunderer und Fremdfühler die Djebelepisode in der Zelle des Hochschwebenden endet, der mich mit der wahren Gestalt des Universums und mit dem wichtigsten Augenblick meines früheren Lebens bekannt macht (204) 16. Worin ich am Rande eines Dschungels der mentalen Epoche stehe und Zeuge des Exodus der Hauskatzen werde (222) 17. Worin während des festlichen Sympaians, der großen musikalisch-dramatischen Improvisation des Zeitalters, jenes Unglück geschieht, das in seinen Folgen zum Wendepunkt der astromentalen Geschichte wird (228) 18. Worin die Braut an mein Bett tritt, mich aus dem Fegfeuer weckt und mir einen betörenden Antrag macht, der meiner Moral heftig zusetzt (243)
Dritter Teil 19. Worin ich die Vorbereitungen in Dschungel-Bergstadt aus nächster Nähe beobachte, von einer verwandelten Lala Abschied nehme und gänzlich unvermutet zum Unterhändler bestimmt werde (153) 20. Worin ich die Mission des Unterhändlers zu erfüllen versuche, eine tonlose Rede halte und die orangerote Flamme sehe, in welcher einst der Mond vergehen wird (266) 21. Worin im Innern des Planeten die Episode des Wintergartens beginnt, und ich jenes Institut betrete, in welches man sehr bequem hineingeht, aber aus welchem man äußerst unbequem herauskommt (274) 22. Worin unter Führung des Animators die letzte unserer »Besichtigungen« stattfindet, und ich neben den Treibhäusern, auf welchen der ganze Stolz der astromentalen Menschheit beruht, auch den Ammenhügel kennen lerne 283 23. Worin das vorige Kapitel in den Margeritenfeldern fortgesetzt wird, auf verbotene Abwege gerät, die zu den Rübenmännchen führen, zu den Kataboliten und endlich ins Mnemodrom, in den See der Entinnerung (300) 24. Worin wir nach neuen Abenteuern höchst erstaunlicherweise auf die intakte Ahnfrau stoßen und schließlich in den Kutten der »Brüder vom kindhaften Leben« dem Uterus terrae matris entkommen (315) 25. Worin ich meinen Freund verliere und angesichts des zerstörten Djebels Zeuge einer heroischen Opfertat werde (324) 26. Worin ich aus dem Munde des Großbischofs die andere Hälfte der Wahrheit erfahre und eine ganz unerwartete Gelegenheit zur Rückkehr bekomme (339) |
aus wikipedia-2020 zum Buch
F. W. wird von seinem ehemals verstorbenen, jedoch wiedererstandenen Freund B. H. als Gast in die 100.000 Jahre entfernte Zukunft geladen. In dieser futuristischen Welt, einer Utopie, in der weder Krankheit, Gier, Neid, noch Arbeit oder Nationalität mehr existieren, verbringt er drei Tage. In diese drei Tage ist das Buch unterteilt. Gemeinsam mit seinem Freund bereist F. W. als ein besonderer Gast aus der Vergangenheit, mittels eines sogenannten Mentelebols, eines Reisegeduldspiels, das nicht den Reisenden an das Ziel, sondern das Ziel zum Reisenden befördert, durch diese Welt. Dabei lernt er diese von Werfel als „astromental“ bezeichnete Welt und ihre Errungenschaften sowie ihre bedeutendsten Bewohner kennen und schildert dabei seine Erlebnisse und Erkenntnisse, beispielsweise, dass die einzigen Religionen, die die Jahrtausende überdauert haben, das Judentum und der Katholizismus sind und nur mehr diese existieren. Der Alltag, die Kultur, die Politik, die Technik und die Religion dieser sorgenlosen, futuristischen Gesellschaft werden vom Protagonisten auf die Gegenwart reflektiert und mit dieser verglichen, bevor dieser zuletzt in die Gegenwart zurückversetzt wird und seine Reise beendet. Speziell, aber nicht nur im dritten Abschnitt des Buches, ist der Inhalt philosophischer Natur. Beispielsweise werden die Erkenntnisse des Reisenden F. W. von ihm so widergespiegelt, dass Fragen darüber, ob je eine utopische Gesellschaft ohne jeglichen Konflikt bestehen kann oder ob Menschen ideal handeln und aus ihren Fehlern lernen können, diskutiert werden. F. W. berichtet auch über die Situation Deutschlands nach 1945:
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Meisterwerk der Phantasie 2007 von Tielo aus Mannheim Warum ist dieser Roman so wenig bekannt? Ein Mann, wohl der Autor selbst, wie die Initiale F.W. vermuten lassen, wird in einer 100.000 Jahre entfernten Zukunft reinkarniert, um als Gast einer Hochzeit beizuwohnen. Langsam führt er den Leser in eine fremde und doch auch irgendwie vertraute Welt. Die Beschreibung dieser schönen, neuen Welt, in der die Menschen die brennendsten Probleme gelöst zu haben scheinen (Krieg, Krankheit, Tod) ist faszinierend und atemberaubend. Der
Text sprengt jede vertraute Dimension, ist eine exotische Mischung aus
Science Fiction, Philosophie, Psychologie, Metaphysik und allem Möglichen
mehr. Dabei reflektiert der Autor Fragen und Themen,
die auch heute ganz oben auf der Agenda stehen: die Dialektik des
Fortschritts, den Kampf zwischen Barbarei und Zivilisation, das Wesen von
Makrokosmos und Mikrokosmos u.s.w. Abgefahren 2005 Von Udo Kaube Ich habe in meinem Leben wirklich schon so einiges gelesen, aber dieser Roman ist mit Sicherheit das Abgefahrenste, was mir je unter die Augen gekommen ist. Lässt man sich erst mal auf diese eigenartige Mischung aus Roman, Science Fiction, philosophischer Abhandlung und wortgewaltiger Fabulierlust ein, gibt es für den Leser kein Entrinnen mehr aus dieser futuristischen Reisebeschreibung. Unglaublich, dass das Werk fast 50 Jahre alt ist. Wem Franz Werfel ansonsten etwas zu bieder und altmodisch ist, sollte das hier mal versuchen und wird dabei feststellen, dass der Mann Geschichten erfinden konnte, wie kaum ein anderer. Absolutes Meisterwerk 2004 Von David Leitsch Ich muss sagen, dass mich kaum ein Buch bisher so fasziniert hat wie dieses. Werfels "Opus ultimum", er vollendete es zwei Tage vor seinem Tode, ist eigentlich die Quintessenz seines Schaffens. Werfels Genie für Sprache und Ausdruck, seine Humanität, sein Einfallsreichtum und seine mystischen Neigungen vereinigen sich hier zu einem Meisterwerk sui generis. Insbesondere die Episode des "Wintergartens" ist von solcher Sprachgewalt und Ingeniosität,* dass man den Vergleich mit den allerbesten Werken der Menschheitsgeschichte kaum zu scheuen braucht (wie übrigens auch Thomas Mann feststellte). Als Einschränkung möchte ich allerdings anmerken, dass das Buch verständlicher und daher lesbarer wird, wenn man schon andere Romane Werfels gelesen und mit sich mit seiner Gedankenwelt vertraut gemacht hat. Ähnlich wie Thomas Manns "Doktor Faustus" strotzt "der Stern der Ungeborenen" vor mehr oder minder offenen Verweisen auf die Literatur und die Menschheitsgeschichte, sodass es ungemein viel zu entdecken gibt. (* Scharfsinn, Erfindungsgabe, geistreich - OD) Sein letztes Meisterwerk 2004 Von Dr. Strebel aus Berlin Der
Roman handelt von einer futuristischen Gesellschaft mehrere hunderttausend
Jahre nach unserer Zeit. Die Menschheit hat alle ihre Schwächen
überwunden und lebt in nahezu völliger Vergeistigung. Stinkende
und lärmende Motoren zur Fortbewegung sind abgeschafft. Man bewegt
stattdessen mittels eines Reisegeduldsspieles, dem sogenannten Mentelebol,
das Ziel im Geiste auf sich zu. Nur die
allerträgsten Menschen dürfen politischer Führer werden, weil die
agilen Macher ohnehin nur Schaden anrichten und es sich in der
Vergangenheit gezeigt hat, daß es besser gewesen wäre, wenn ein
Politiker überhaupt nichts unternommen hätte. Ein faszinierendes, tiefsinniges Werk 2001 Von Kunde Die Sprache Werfels und ihre unglaubliche Tiefe fesseln den Leser, der mit dem Autor in eine fremde Welt der Zukunft geworfen wird und das unerträgliche Glück des irdischen Paradieses ertragen muß - Krieg, Arbeit und Leid existieren nicht mehr. Doch stets scheint diese "menschliche Konstante des Leids" erhalten, denn auch hunderttausend Jahre nach den Anfängen der Menschheit kann ein einziges Blutvergießen das Ende Edens bringen.
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Stern der Ungeborenen von Franz Werfel - Ein Reiseroman aus dem Jahre 1946