Ursula K. Le Guin

Planet der Habenichtse

Ein utopischer Roman 

2006:   Die Enteigneten 

The Dispossessed  

Eine ambivalente Utopie.

An ambiguous Utopia.

2006 by Edition-Phantasia-Verlag 349 Seiten 

Neuübersetzung von Joachim Körber 
auf Grundlage der Übersetzung von Hiltrud Bontrup

  Ursula Le Guin (1974) Planet der Habenichtse Ein utopischer Roman

1974 / 2006 

wikipe  Autorin *1929
in Berkeley bis 2018 (88)

dnb Name (202)  dnb Person 

dnb.Nummer (144)

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Überarbeitete Neuausgabe des berühmten Klassikers. 

Urras und Anarres, zwei Schwesterplaneten eines Sonnensystems, werden zwar von einem Volk bewohnt, allerdings von zwei unterschiedlichen politischen Systemen beherrscht: Als auf dem kapitalistischen Urras eine anarchistische Revolte ausbrach, gewährte man den Aufständischen freies Geleit. Jahre später sind sowohl das anarchistische Utopia auf Anarres wie auch die kapitalistische Gesellschaft auf Urras gefestigt. 

Als der Physiker Shevek eine bahnbrechende Erfindung macht, die den interstellaren Raumflug revolutionieren kann, fehlt auf Anarres das Geld für die Umsetzung, und so wandert er nach Urras aus. Fortan gilt er auf seinem Planeten als Verräter, aber auch auf Urras begegnet man ihm mit Mißtrauen. Ursula K. Le Guin unterzieht durch die Augen Sheveks die politischen Systeme Kapitalismus und Anarchismus einem Vergleich. 

<Die Enteigneten> gilt als einer der bedeutendsten Science-Fiction-Romane des zwanzigsten Jahrhunderts, als eine der maßgeblichen politischen Utopien und steht gleichberechtigt neben Werken wie <1984> oder <Schöne neue Welt>. Der Roman, längst ein anerkannter Klassiker, liegt hier erstmals in der definitiven Fassung vor. 

 

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Am Anfang war der Beutel

Essays, Reden und ein Gedicht

Warum uns Fortschritts-Utopien an den Rand des Abgrunds führten
und wie Denken in Rundungen die Grundlage für gutes Leben schafft

Von Ursula K. Le Guin ; ausgewählt, übersetzt und eingeleitet von Matthias Fersterer

dnb  Le+Guin+Beutel 

 

planetkonkret.de/ursula-k-le-guin-ein-multiversum-der-ideen 

 

https://planetkonkret.de/

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Utopie, Anarchismus und Science Fiction: 
Ursula K. Le Guins Werke von 1962 bis 2002 

[Broschiert] Peter Seyferth (Autor) 400 Seiten
 knol.google.com/k/liste-utopischer-romane  

 

 

 

 

  

 

 

Leseberichte zu The Dispossessed

 

Ein grosser Wurf     2009 Von Frank Bechlarz (Duisburg) 

Anarchie als Lebens-/ Gesellschaftsform, ist der gegenwärtigen Politik und den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen ein natürliches Greuel. Nach der Lektüre dieses Buches wird Anarchie zu mindestens vorstellbar und durchaus als positiver wahrgenommen. Alleine dies innerhalb eines Sci-Fi Romanes zu leisten, stellt einen grossen Wurf dar. -- Darüber hinaus beschreibt der Roman eindringlich, das keine Gesellschaftsform fertig ist, sondern IMMER im Sinne des Humanismus und der inneren und äusseren Freiheit, entgegen allen Kleingeistigen, weiterentwickelt werden muss. Ein Meisterwerk.

 

Utopie wie sie sein sollte - eines der besten SF-Bücher       2004 Von Fab Tyejoon 

Wer hier SF mit Raumschiffen, Außerirdischen und fantastischen Schlachten erwartet, sollte dieses Buch wieder zur Seite legen. Es findet zwar all das Erwähnung, aber nur nebenbei. Das wichtige in dieser Geschichte sind noch nicht einmal die Menschen, die darin vorkommen, sondern die Gedanken, die sie haben, und die Gesellschaft, in der sie leben. Alles in allem ist es ein grandioser Roman, der sich mit der Frage beschäftigt, ob eine gerechte Welt überhaupt möglich ist. Es dauert ein paar Seiten, sich in die Geschichte zu finden, aber dann ist es so spannend, dass man das Buch nur ungern zur Seite legen wird. U.K. LeGuin hat ihre Utopie so konsequent durchdacht, die Charaktere so überzeugend dargestellt, dass man eingesogen wird in diese fremde Welt und sich unwillkürlich fragen wird, ob Kommunismus nicht doch möglich ist. Dieses Buch ist mit Sicherheit kein einfacher Lesesnack für Zwischendurch, eher ein Lesesnack mit denkanregender Wirkung. Durch das schriftstellerische Können der Autorin macht es aber sehr viel Spaß, sich zum Denken anregen zu lassen. Absolut empfehlenswert, und wesentlich besser als "Die linke Hand der Dunkelheit" von ihr.

 

Ein Klassiker - Fesselnd und Philosophisch      2003 Von "krebse" 

Ursula LeGuin hat mit diesem Roman ein Meisterwerk vollbracht: Zum einen ist die Geschichte so faszinierend, dass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen mag (obwohl von "Action" keine Rede sein kann). Zum anderen lernt man nebenbei viel über unterschiedliche Gesellschaftssysteme, ohne dass man das Gefühl hat, ein Lehrbuch zu lesen. Die gesellschaftlichen Denkanstösse, die das Buch liefert, gehören zu den Interessantesten, die jemals in einen SciFi Roman verarbeitet wurden. 

Ein Buch zum Nachdenken ohne Zeigefinger      2003 Von Kunde

Ich bin von diesem Buch begeistert. Manchmal, beim Lesen, wollte ich sogar einzelne Stellen unterstreichen, so wichtig erschienen mir einige Gedanken in bezug auf die scheinbaren Selbstverständlichkeiten in unserem Gesellschaftssystem - z.B. das unbegrenzte Individualisierungsbemühen oder die Selbstverständlichkeit, mit der frau oft die berufliche und geistige Gleichstellung mit dem Mann versagt wird (immer noch) usw. Bildlich konnte ich mir diese Form der Anarchie nicht vorstellen - aber bisher ist es auch eine Utopie. 

Höhepunkt der utopischen Literatur       2002 Von Jorge Astasia  (Mainz)

LeGuins Planet der Habenichts, endlich in einer neuen Auflage erschienen, ist Ausdruck des modernen - oder besser - post-modernen utopischen Denkens: reif, erfahren und dynamisch, eine qualitativ bemerkenswerte Weiterentwicklung des literarischen Utopiediskurses, der seinen Anfang genommen hat in statischen Staatsromanen und beschreibenden Utopien à la Thomas Morus. Das narrative Element wird bei LeGuin zum Träger einer diskursiven Selbstreflexion. Ohne utopisches Denken, so hat Robert Jungk einmal gesagt, stirbt die Menschheit - die utopische Kraft aber differenziert sich, betrachtet sich selbst: und stellt fest bei LeGuin: das historische Subjekt ist das Individuum. 
Und Revolution ist ein Prozess - Utopia nur eine Vision als Kraftquelle auf dem Weg zäher, historischer Veränderungen. Struktur und Bewusstsein müssen sich gleichermassen, wechselseitig verändern. Das ist eine Hauptbotschaft des Buches. Scheitern tut Urras am Ego - und ebenso das anarchische Experiment von Anares, versinnbildlicht in Sabul. Zentrale Bedeutung erhält so die spirituelle Arbeit am Selbst: "Doch keine Gesellschaft kann das Wesen der Existenz verändern. [...] Es ist das Ich, das leidet, und es gibt einen Ort, an dem das Ich - aufhört." Bei LeGuin hat der utopische Diskurs sich selbst kritisch im Blick, verabschiedet sich von blosser Dystopie à la George Orwell. Der Planet der Habenichtse ist ein Höhepunkt der utopischen Literatur unserer Zeit, wenn nicht überhaupt. Sehr lesenswert. 

 

Zweischneidig     2001 Von Kunde 

Die eigentliche Geschichte des Physikers Shevek scheint mir anfangs nur nebensächlich. Die Handlung plätschert vor sich hin, Spannung wird selten geboten. Was hier aber beabsichtigt ist. Denn zweihundert Seiten lang werden die Vorteile und Nachteile der Regierungsformen von Anarres und Urras anhand von geschickt eingefädelten Beispielen aufgezeigt: Auf Urras ist ein zwitschernder Vogel auf dem ersten Blick etwas Erfreuliches, denn auf Anarres gibt es aufgrund rauher Lebensbedingungen nur wenig Tiere. So denkt auch Shevek. Doch aus odonischer Sichtweise (Odo war die Revoluzzerin die sich einst von dem System auf Urras abwandte und mit Ihren Anhängern nach Anarres auswanderte, um sich vor allen äußeren Einflüssen abzuschotten) steckt dieser Vogel sein Revier ab (Besitz und Eigentum gibt es auf Anarres nicht).

Shevek sieht, auf Urras angekommen, erst nur eine perfekte und überlegene Welt. Aber ist diese Welt wirklich so makellos vollkommen? Abschließend zu den beiden Systemen ist vielleicht zu sagen: Auf Urras gibt es eine ungleichmäßige Verteilung der Güter - auf Anarres die gleichmäßige Verteilung des Elends. Wobei dies für Anarres etwas übertrieben ausgedrückt ist, denn fast 200 Jahre hat der Odonismus funktioniert und es scheint auch zu stimmen, daß er auf gewissen Gebieten Vorzüge gegenüber der anderen Regierungsform besitzt.

 

Hauptaugenmerk Kommunikation     2001 Von Kunde 

Ich halte nicht viel von Anarchie. Aber das Buch LeGuiens brachte mich zum Nachdenken über diese Form des menschlichen Zusammenlebens. Allerdings werden durch die Hauptfigur Shevek auch die Nachteile dieser Gesellschaftsform erwähnt (Verzicht auf Privatsphäre, Entstehung von inoffiziellen Machtstrukturen etc.).

Das Werk zielt meiner Meinung nach nicht darauf ab, die Anarchie als mögliche gesellschaftliche Lebensform zu "würdigen" oder gar zu empfehlen. Ich glaube auch, dass in der Interpretation die Betrachtung der wissenschaftlichen Leistung Sheveks - nämlich der Erfindung eines Kommunikationsmittels, dass ferne Welten miteinander verbindet - zu kurz kommt. Ist es nicht bemerkenswert, dass einem Vertreter einer von der Außenwelt abgeschotteten Welt diese wichtige Erfindung gelingt? Mir erscheint der Planet der Habenichtse als ein Aufruf, über Kommunikation nachzudenken und als elementare menschliche Eigenschaft zu erkennen. 

 

Ein Buch, das Fragen stellt      1999 Von  Kunde

Ich muss gestehen, das Buch hat mich ziemlich berührt. Wenn es eine Gesellschaft wie die der Menschen auf Anarres geben würde, in der keiner der Mitglieder eine Form des Besitzes kennt, ich würde es gerne probieren, dort zu leben. Wie LeGuin die Auswirkungen dieses Konzeptes auf die zwischenmenschlichen Beziehungen beschreibt macht klar, wieviel der Probleme, die wir miteinander haben, auf unserem Gesellschaftssystem basieren.

Die Geschichte um den Physiker Shevek, der das ultimative Kommunikationsmedium erfindet, ist dabei eigentlich nur der Rahmen, in dem LeGuin ihre Gesellschaftsidee ausführt, aber eigentlich ist sie auch mehr, denn durch die persönliche Sichtweise Sheveks auf sein Leben in der Gesellschaft der Habenichtes und die Auswirkung, die seine Konfrontation mit der kapitalistischen Welt auf Urras hat, wird man viel tiefer in die Diskussion gezogen, als es in einem nur soziologisch angehauchten Buch möglich wäre.

Echt ein Buch zum Nachdenken, über das eigene Leben und die Gesellschaft an sich. Wie einige andere Bücher von LeGuin auch (zum Beispiel "The Left Hand of Darkness", spielt sich auch diese Geschichte in einem von Menschen besiedelten Weltraum ab, die jedoch untereinander nur wenig oder garkeinen kontakt haben) (Dies ist eine Amazon.de an der Uni-Studentenrezension.)

 

Aufforderung zum Denken      1999 Von Kunde

Ich weiß nicht, was ich von der Anarchie halten soll, die hier beschrieben wird. Sie wirkt unangenehm, auf der anderen Seite aber auch sehr menschlich. Dieses Gefühl soll sich beim Leser dieses Romans wohl auch einstellen. Man wird darauf gestoßen, die Möglichkeiten und Grenzen des menschlichen Zusammenlebens zu überdenken. Keine der dargestellten Regierungsformen ist pauschal als "die beste" zu bezeichnen, doch zeigt die Handlung die Bereiche, in denen sie einander überlegen sind. 

Der Leser teilt die widersprechenden Eindrücke Sheveks, seine Hoffnung und seine Verwirrung, wie er als erster Abgesandter nach langer Zeit auf den Planeten zurückkehrt, von dem seine Vorfahren einst vor der Unterdrückung geflohen sind. Uneingeschränkt weiterzuempfehlen. (Dies ist eine Amazon.de an der Uni-Studentenrezension.) 

 

die nicht besessenen     2009 Von katharina roman  

der originaltitel im englischen heißt: the dispossessed. schade, dass es bisher kein deutscher verlag geschafft hat, ihn richtig zu übersetzen. von inhalt her müsste es heißen: die besitzlosen. oder: die nicht besessenen (die nicht vom besitz besessenen).
nach wie vor ist ursula k. le guins roman eine der plausibelsten und beeindruckendsten darstellungen einer (funktionierenden) nicht-autoritären staatslosen gesellschaftsform im kontrast zur bekannten demokratisch-kapitalistischen.
sehr logisch, sehr kritisch, da selbst die vom konzept her freieste gesellschaft angesichts eines kreativen und außergewöhnlichen individuums zum ausgrenzen und zur bürokratischen machtentwicklung zu neigen droht.
le guin macht dies begreifbar und erlebbar. spannend, lebendig und mit einem konstruktiven schluss.
empfehlung für alle "intellektuellen" sozialismus-theorie-diskussions-ermüdeten und geschädigten. und eine lebendige gesellschaftsskizze, die gerade heutzutage benötigte, neue konzepte liefert. 

 

Gelungen - und schwierig     2009  Von S. Erlemann  (Germany)  

Shevek verlässt Anarres. Seine Brüder und Schwestern halten seine Reise nach Urras für Verrat an ihren Idealen. Shevek hingegen will dort nach dem Gemeinsamen suchen oder es erschaffen. Vor einhundertsiebzig Jahren verließen seine Vorfahren Urras. Sie folgten dem Manifest von Odon und bildeten ein Volk, das Individualität ablehnte. Sie besiedelten den unwirtlichen, wüstenhaften Mond Anarres einzig aus einem Grund: Sie wollten sich dem Besitzdenken der Menschen auf Urras entziehen.

Doch Shevek glaubt, dass es eine gemeinsame Zukunft aller Menschen gibt. Er setzt alles daran, Urras und Anarres zu vereinen und die gegenseitige Abneigung zu überwinden. Immer stärker jedoch bedrängen ihn seine Erinnerungen. Er fühlt immer mehr, dass er seine Utopie aus den Augen verliert und von Urras instrumentalisiert wird. Seine Hoffnung, mit Hilfe seiner physikalisch bahnbrechenden Theorien einen Konsens zwischen Urras und Anarres, ja zwischen allen Völkern des Universums zu erlangen, scheint zu trügen. Er spürt immer stärker, dass die Gräben zwischen den "Besitztümlern" von Urras und den "Habenichtsen" von Anarres durch seine Bemühungen eher tiefer wird. Doch welcher Welt soll er sich zuwenden? Der Welt des Besitzes, der uneingeschränkten Freiheit des Geistes und des Überflusses, oder der Welt des gemeinsamen Strebens, des Mangels und der Gleichheit aller Individuen?

"Der Planet der Habenichtse" - so der ursprüngliche deutsche Titel des Romans "The Dispossessed" - erschien 1974 und erhielt mit dem "Hugo Award" und dem "Nebula Award" zwei der bedeutendsten, weltweit wichtigsten Preise, die es in der Science-Fiction-Literatur zu gewinnen gibt. Der als "moderne Utopie" bezeichnete Roman beschäftigt sich intensiv mit zwei unterschiedlichen Gesellschaftssystemen. Im Prinzip könnte man sie als die Gegenüberstellung des sozialistischen oder kommunistischen Systems und des kapitalistischen Gesellschaftssystems bezeichnen. 

Doch Ursula K. Le Guin erweitert diese Systeme, verfremdet sie und idealisiert sie gleichzeitig. Sie entzieht ihren Roman damit geschickt der Gegenwart und verleiht ihm etwas Zeitloses. Sie konzentriert beide Systeme in der Existenz eines Individuums, das in beiden Systemen seine Heimat sucht und zwischen ihnen taumelt. In diesem Buch geschieht nichts. Keinerlei Action, keine außerirdischen Kontakte, keine nennenswerten Zukunftstechnologien werden erläutert, keine wirklichen utopischen Ideen oder Systeme umrissen. Darüber hinaus wird die Handlung durch Rückblenden erzählt und konzentriert sich komplett auf die Gedankenwelt eines einzigen Menschen. Seine Ideen, seine Reflexionen, seine Schlussfolgerungen sind alleiniger Gegenstand der Betrachtung. Dies geschieht in einer sehr komplexen, schwierig nachvollziehbaren Sprache und Struktur. 

Ursula K. Le Guin macht es dem Leser nicht leicht, sich in den Roman zu vertiefen. Sie fordert absolute Konzentration. Will man verstehen, was "Shevek" - also Le Guin - denkt, muss man ihm und seinen Gedankengängen bedingungslos folgen. Der sperrige Aufbau, der komplexe Verlauf und das offene Ende erschweren den Zugang zu diesem Roman. Hinzu kommt, dass das Buch nun über dreißig Jahre alt ist und sowohl Kommunismus als auch Kapitalismus an Grenzen gelangt sind und sich verändert haben. Funktioniert diese "alte Utopie" auch heute noch? Kann ein Buch, das zwischen den damaligen gegensätzlichen Gesellschaftsformen frei mäandriert und sie in eine theoretische Zukunft versetzt, in eben dieser Zukunft noch funktionieren? Bedingt, denn spannend und ereignisreich ist dieses Buch nicht, man erlebt kein Abenteuer, keine Heldensagen, keine Science-Fiction-Literatur im herkömmlichen Sinn. 

Doch dieses Buch ist intellektuell fordernd, anregend und irritierend. Dank der "Edition Phantasia" hat man ein neu übersetztes Meisterwerk in den Händen, das zeitlos zu sein scheint. Auch dreißig Jahre nach seiner Entstehung sind die Gedanken zur Individualität und zum Gemeinschaftssinn des Menschen aktueller denn je. Wer dieses Buch liest, wird in seinem eigenen Leben und seiner Haltung zu seinen Mitmenschen beeinflusst und verändert, und das kann man wirklich nicht von vielen Science-Fiction-Büchern sagen. 

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Als Kommunismus noch eine Zukunft hatte

 

Von Thomas Harbach (Lübeck) 

Hamburg, den 09.02.2007

 

Eines der besten Werke der Science-Fiction des 20.Jahrhunderts ist zweifelsohne der in Deutschland unter dem fast ironisch überzeichneten Titel bekannt gewordene <Planet der Habenichtse>. 

Nach <Die Geißel des Himmels> legt die Edition Phantasia diesen elementaren und zumindest für die siebziger Jahre provokativen Roman in einer Neuübersetzung von Joachim Körber wieder auf. Ungekürzt. Auch der deutsche Titel <Die Enteigneten> entspricht eher dem Original <The Dispossed>. 

Wie in vielen elementaren Werken aus dem Übergang der <New Wave> zu einer politisch pointierten gesellschaftskritischen Science Fiction dient die Zukunft nur als Bühne gegenwärtiger - und in diesem Fall auch historischer - Ereignisse auf der Erde. Obwohl die Handlung auf einem fernen Planeten spielt, ist die Heimat der Menschheit zumindest im Hintergrund spürbar.

LeGuin entfremdet ihre Leser nicht von ihr, sondern extrapoliert teilweise ein wenig überzogen politische Tendenzen, die in den endlosen Weiten des Alls und ihren vielen besiedelbaren Planeten eher blühen und nicht immer gedeihen können als auf der räumlich beengten Erde. Dabei ist ihre Vision des technologischen Fortschritts eher begrenzt und dient nur als notwendiges Übel, um zwischen den beiden unterschiedlichen Gesellschaftssystemen" pendeln zu können. 

In der Tradition des Briten Swift hätten auch Handelsschiffe auf einem endlos weiten Ozean genügt, um den gleichen Effekt zu erzielen. In diesem Roman steht nicht die Beschreibung futuristischer Technik im Vordergrund. Es ist vielmehr die Utopie einer Gesellschaftsordnung, die sich vom Kapitalismus losgesagt hat und nach kommunistischen Grundlagen aufgebaut ist. 

Aus heutiger Sicht wirkt LeGuin Vision in Hinblick auf einen zerfallenen Ostblock und im Bereich Chinas als Vorreiter eines globalen kaum getarnten Kapitalismus - man kann das Kind wirtschaftspolitisch auch mit anderem Namen nennen, aber die aggressive Expansion ist eine industrielle Revolution, nur einhundert Jahre später und nicht weniger menschenverachtend wie in England, Arbeiter bleiben willenlose Sklaven - altbacken und manchmal ein wenig naiv. Sie verschweigt allerdings schon in diesem vor dreißig Jahren veröffentlichten Buch nicht die Schwächen des Systems, sieht aber keine Alternativen. 

In einem fernen Sonnensystem:

Nach der Niederschlagung der Revolution auf Urras, erlaubte man den Überlebenden, um sie loszuwerden, auf den Nachbarplaneten Anarres auszuwandern, um dort eine Gesellschaft nach ihren Idealen aufzubauen. Die neue Heimat der "Anarchisten" war ein unwirtlicher Wüstenplanet, auf dem es weder eine reiche Vegetation, noch höherentwickelte Tiere gab. Das Lebensnotwendigste musste der menschenfeindlichen Natur mit harter, gemeinsamer Arbeit abgerungen werden. Und auch nachdem Anarres besiedelt und das Überleben der Anarresti gesichert war, wurde aus der kargen Natur des Planeten kein Paradies. Die Geschichte selber entspinnt sich um Shevek, der Jahrzehnte nach der Besiedelung auf Anarres geboren wird. Als Physiker macht Shevek eine Erfindung, die revolutionär für die Raumfahrt sein könnte. Der Isolationismus seiner Welt und die Ablehnung seiner Idee durch seine Arbeitskollegen führen schließlich dazu, dass sich Shevek entschließt, eine Einladung nach Urras anzunehmen, auch wenn er damit für viele auf seiner Welt als Verräter gilt. Auf Urras wird er mit einer Welt konfrontiert, die alle Ressourcen im Überfluss besitzt, in der es aber trotzdem nicht genug für alle gibt. Denn die Schönheit der reichen und vielfältigen Natur ist nur die eine Seite.

Die Gesellschaft auf Urras ist hochkapitalistisch - ein Spiegelbild der westlichen Staaten auf der Erde. Und so existiert arm neben reich, obwohl doch eigentlich genug für alle da wäre - und natürlich gibt es gesellschaftliche Kämpfe ob dieser Ungerechtigkeit. Shevek kam in dem Glauben nach Urras, dort frei wissenschaftlich arbeiten zu können. Doch schon bald muss er feststellen, dass er nur den antikommunistischen Propagandazwecken der Ausbeuter auf Urras dienen soll. Schließlich verweigert er sich der Ausnutzung durch die Herrschenden und findet Kontakt zur Widerstandsbewegung. Der besondere Reiz für den Leser liegt darin, diese kapitalistische Gesellschaft mit den Augen eines Außenstehenden zu sehen.

Ursula Le Guin ist es gelungen, zumindest vordergründig und mit Distanz die herrschenden Verhältnisse zu betrachten. Sie ist intelligent genug, die Unvernunft auf beiden Seiten - Überfluss ungerecht verteilt, Arbeit nicht effektiv und ohne Kostenkontrolle eingesetzt - zu beschreiben und nur selten gleich an den Pranger zu stellen. Im Leser selbst bildet sich eine Meinung, da die Perspektive des Romans sich fast gänzlich auf Sheveks Vergangenheit - die Rückblenden in seine Jugend wirken seltsam statisch und LeGuin hat versucht, verschiedene Botschaften zu integrieren, ohne dabei wirklich überzeugen zu können - und seine Reise beschränkt, lässt sich dieses Bild sehr leicht manipulieren. 

An mehreren Stellen unterliegt die Autorin schließlich auch dem Drang, insbesondere ihre feministische Einstellung zu deutlich und zu einseitig zu präsentieren. Auch wenn sie nicht unbedingt die strengen Ansichten vieler Feministinnen bis zum Exzess verfolgte, hat ihr die Frauenbewegung sehr viele emanzipatorische Impulse für ihr Werk gegeben. Selten wird diese fast ambivalente Einstellung deutlicher als in den - wie auch im Vorwort erwähnt - unerotischen, statischen und mindestens einmal naiv dargestellten Liebesszenen. Insbesondere in das Gefühlsleben eines Mannes kann und will sie sich im Gegensatz zu einer Reihe anderer herausragender Science Fiction Autoren insbesondere der siebziger Jahre nicht hereinarbeiten. 

In Sheveks Erinnerungen und Rückblenden erlebt der Leser außerdem die kommunistische Gesellschaft der Anarresti, die auf dem Gebot der Brüderlichkeit basiert. Der Autorin gelingt es dabei, diese Gesellschaft mit ihren Problemen nicht nur kurz zu umreißen, sondern auch Details anzusprechen, so die turnusmäßige Erledigung ungeliebter oder gefährlicher "Schmutzarbeiten", die (überzogene) Ablehnung von Privatbesitz oder die gemeinschaftliche Erziehung der Kinder. Ihr Bild ist sehr viel von einem optimistischen Theorismus geprägt, der sehr viel Hoffnung und Vertrauen in das Individuum setzt. Erstaunlicherweise lässt sie die dunklen Seiten dieser idealtypischen kommunistischen Systeme - Machtmissbrauch, Tyrannei und Neid - gänzlich außen vor. Wie krass der Unterschied zwischen den beiden Systemen ist, lernt insbesondere Shevek als Lehrer kennen, als er seinen Schülern allen - gezwungen, Klausuren zu schreiben - eine gute Note geben will und diese dagegen energisch protestieren. 

Da inzwischen viele Kleinigkeiten insbesondere des DDR Schulsystems bekannt geworden sind - die ebenfalls nicht ohne Noten auskamen - wirkt diese Szene wie eine gut geschriebene Phrase, sie hätte die Satire auf die Spitze treiben können, in dem Schüler Shevek Geld oder andere Dienstleistungen für gute Noten angeboten hätten, um das System per se zu pervertieren. Hier bleibt LeGuin fast brav- naiv hinter den inzwischen veränderten Erwartungen einer neuen Lesergeneration zurück. 

Dabei geht es Ursula Le Guin nicht darum, überhaupt den Ansatz einer perfekten Gesellschaft zu präsentieren. Sie zeigt deutlich, wo die Gefahren und möglichen Abweichungen liegen können. Zwar wird die Aneignung von Mehrbesitz schon durch die Art der Gesellschaft verhindert, da aber die Gemeinschaftlichkeit für die Anarresti so überlebenswichtig ist, spielt die öffentliche Meinung eine sehr große Rolle. Sie wird teilweise so zwingend, dass sie die Individualität beschneidet. Aber die Gesellschaft auf Anarres ist andererseits optimal, denn sie bietet gleichzeitig alle Möglichkeiten, um solche Abweichungen wieder zu korrigieren. 

Bloß ist dieses System nicht nur anfällig, sondern dem Untergang geweiht. Zumindest in einer elementaren Passage - überall auf dem Planeten brechen Notstände auf, die ungeschulten Männer sind überfordert und dank eines durch Fahrlässigkeit herbeigeführten Zugunglücks müssen die Helfer mehr als sechzig Stunden in einem Zug ausharren, hungern und leiden - erkennt die Autorin für ihren Protagonisten die Einschränkungen dieses Systems ganz deutlich, ihr fehlt aber die Kraft, ihre in einer fiktiven Gegenwelt gebündelten Strömungen der beginnenden ökologischen, der anarchistischen und vor allem der feministischen Bewegung wirklich zu einem komplexen und überzeugenden Gedankenmodell zu vereinen. Was in den siebziger Jahren revolutionär wirkte, ist inzwischen durch die Historie teilweise ad absurdum geführt worden. 

Einige dieser Bewegungen sind gescheitert - insbesondere der Anarchismus als Antwort auf den Sozialdarwinismus hat sich gänzlich von der nicht unbedingt großen politischen Bühne verabschiedet. Was bleibt ist ein ungemein politisches Manifest, eine Anklage gegen die Kapitalisten und die Kommunisten, allerdings zu weit von den bei Le Guin in hohen Ansehen stehenden Naturbewegungen - sowohl die Indianerkultur Amerikas als auch die Taoistische Bewegung - als dass sie aus dieser Schrift auch wirklich eine These zimmern könnte. Zumindest heute nicht mehr. Und so kehrt Shevek am Ende wieder nach Hause, nach Anarres, zurück - mit leeren Händen, aber mit der festen Absicht, die Welt zu verändern - und zwar nicht im Sinne der Ausbeuter, sondern im Sinne der ursprünglichen Ideale seiner Welt.

Die von Ursula Le Guin beschriebene konkrete Umsetzung gesellschaftlicher Erfordernisse bietet viele Ansatzpunkte für eigene Überlegungen, in dieser Form hat und wird sie weiter zum Nachdenken anregen, genug Stoff zum Provozieren erhält der Roman auch noch nach mehr als dreißig Jahren. Und das sich Leser finden, zeigen die verschiedenen Neuauflagen sowohl im Heyne-Verlag - alle drei verschiedene Ausgaben -, beim kleinen Argumentverlag und schließlich jetzt in dieser empfehlenswerten Neuübersetzung der feinen Edition Phantasia. 

Die kargen Ressourcen auf Anarres widerlegen ein wichtiges Vorurteil. Nach der damaligen Ansicht einiger Linker - heute als Ausrede für das Scheitern des Systems benutzt - kann die kommunistische Gesellschaft erst errichtet werden, nachdem die Wirtschaft so weit entwickelt ist, dass die freie Verfügbarkeit von Waren gewährleistet werden kann.

Sie übersehen, dass sich Kommunismus vor allem auf die Art und Weise der Ausgestaltung des gesellschaftlichen Lebens bezieht (Verteilung von Gütern, gemeinschaftliche Planung und Beschlussfassung, etc.) und nicht auf das wirtschaftliche Niveau. 

Sicher werden an die Komponenten der kommunistischen Gesellschaft - Bewusstheit und Gemeinschaftlichkeit - in einer Mangelgesellschaft höhere Ansprüche gestellt als in einer Überflussgesellschaft. Aber erst die Schaffung des entsprechenden "Seins" ermöglicht die Entwicklung eines entsprechenden Bewusstseins. Und auch in einer Überflussgesellschaft wird es immer zumindest zeitweilig Mangelgüter geben. Trotzdem wirkt der Ausflug in einen inzwischen zusammengebrochenen und schnell von den Entscheidern zu Gunsten der eigenen Taschen abgeschafften Wirtschaftskreislauf wie eine Zeitreise, eine doppelte Reise in die Vergangenheit unseres Planeten und gleichzeitig in eine wahrscheinlich aufgrund der schwindenden Ressourcen düstere Zukunft.

Vielleicht hat die Autorin dem Leser auch nur einen Weg aufgezeichnet, wie man überleben kann, wenn die Grenzen des Wachstums überschritten, die natürlichen Rohstoffe bis auf ein Minimum verbraucht und der Überfluss nicht mehr finanzierbar ist. Spätestens dann wird der Roman wieder aktuell ein und viele werden vielleicht mit Erstaunen auf die kapitalistischen Sequenzen des Buches schauen.

In jedem Fall ein ambivalentes Buch, die Zukunft liegt offen vor den Lesern, für die Shevek zumindest seine persönliche Entscheidung getroffen hat. Es gibt viel Arbeit für ihn in seiner Heimat und für beide Welten. 

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Wirklichkeit in Utopien

Ursula Le Guin   Planet der Habenichtse   

dlf 2001 Von Rolf Cantzen   Serie: Wortspiel/Zeitreisen

 dlf  zeitreisen/142632/index.html  

 

Seht! Ich zeige euch den letzten Menschen. "Was ist Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern?" - so fragt der letzte Mensch. Die Erde ist dann klein geworden, und auf ihr hüpft der letzte. "Wir haben das Glück erfunden" - sagen die letzten Menschen und blinzeln.

Die Utopie sei nach dem Zerfall des Staatssozialismus endgültig erledigt, weil gründlich diskreditiert - so meinen zahlreiche Wissenschaftler und Publizisten. 

"... die Vertreter der Utopie sind zur Gewalt entschlossen und zwar zur Anwendung einer letzten und äußersten Gewalt ...", so der Historiker Ernst Nolte.

"... die Utopie verlangt ihrem Wesen nach stets eine totale Gesellschaft. Es gibt keine liberale Utopie.", behauptet der Publizist Joachim Fest und verkündet: "Das utopische Zeitalter ist beendet."

"Wir haben das Glück erfunden" - sagen die letzten Menschen und blinzeln.

 

Die heutigen Hüter des Bestehenden scheinen es erfunden zu haben - das Glück - Friedrich Nietzsches "letzte Menschen" ebenso: 

Man hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht: aber man ehrt die Gesundheit.
Wir haben keine Gesetze als das eine und einzige Prinzip der gegenseitigen Hilfe. Wir haben keine Regierung als das eine und einzige Prinzip der freien Gesellschaftsbildung. Wir haben keine Staaten, keine Nationen, keine Präsidenten, keine Premiers, keine Häuptlinge, keine Generäle, keine Bosse, keine Bankiers, keine Hausbesitzer, keine Löhne, keine Wohlfahrt, keine Polizei, keine Soldaten, keine Kriege. Und auch sonst haben wir nicht viel. Wir sind Teiler, nicht Besitzer.

Ursula K. Le Guins "Planet der Habenichtse" - englisch: "The Dispossessed" trägt den programmatischen Untertitel: "An ambiguous Utopia", eine zweideutige, besser: eine gebrochene Utopie, eine Utopie, die keine perfekte, keine endgültige und ideale Gesellschaft darstellt, wie es in den klassischen Utopien der Fall war.

Die klassische Utopietradition ist geprägt worden von Platon, von Platons Politeia. Sie hat von ihm den strikten Antiindividualismus übernommen. Das Ganze als Ausdruck einer kollektiven Vernunft ist sozusagen mehr Wert als der Einzelne. Der Einzelne als Individuum kann sich nur definieren dadurch, daß er in Übereinstimmung mit den Institutionen des idealen Gemeinwesens funktioniert. Seine Subjektivität ist eher ein Störelement im reibungslosen Funktionieren des Ganzen.

Prof. Dr. Richard Saage von der Universität Halle-Wittenberg gehört zu den wenigen Politikwissenschaftlern, die sich heute noch - am vielbeschworenen "Ende des utopischen Zeitalters" - mit Utopien beschäftigen - weniger allerdings mit den klassischen Utopien Platons und den autoritären Utopien der Renaissance. 

Campanellas erfundenes Glück ist ein bis in den privatesten Bereich hinein geregeltes:

Sie gehen nach Anordnung des Aufsehers zu Bette. Aber nicht eher schreiten sie zur geschlechtlichen Vereinigung, als bis sie die Speise verdaut und zu Gott gebetet haben.

Auch viele sozialistische Utopien des 19. Jahrhunderts plädieren für ein gut organisiertes Glück. Für Spontaneität und individuelle Selbstverwirklichung ist kein Platz.

Demgegenüber knüpfen die sogenannten postmateriellen Utopien an anarchistische Tendenzen des utopischen Diskurses an.

Eine dieser "postmaterialistischen" Utopien ist Le Guins Planet der Habenichtse. Hier gibt es keinen Luxus, keine Gesetze, keine Polizei und mehr individuelle Selbstbestimmung - nicht trotz sondern wegen des hier praktizierten Kommunismus. 

Anarres ist nicht wunderbar. Es ist eine häßliche Welt. Alles öde, alles trocken. Die Städte sind sehr klein und langweilig, richtig trostlos. Keine Paläste. Wir sind arm, wir leiden Mangel. Ihr habt, wir haben nicht. Hier ist alles schön. Nur die Gesichter nicht. Auf Anarres ist gar nichts schön, nichts außer den Gesichtern. Die anderen Gesichter, die Männer und Frauen. Etwas anderes haben wir nicht, wir haben nur uns. Weil unsere Männer und Frauen frei sind; da sie nichts besitzen, sind sie frei. Und ihr, die Besitzenden, ihr seid besessen. 

Der utopische Science-fiktion Le Guins wurde gleich nachdem er 1974 in den USA erschien als eine Art moderner Klassiker des positiven utopischen Denkens bezeichnet. Negative Utopien, Utopien mit denen vor negativen Entwicklungen gewarnt wird, gab es im 20. Jahrhundert zu Hauf ...

... Orwells "1984", Huxleys "Schöne neue Welt" ...

Die positiven Utopien, Szenarien einer lebens- und wünschenswerten Welt, wurden mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt. Außerdem hatte die Utopie noch nie einen guten Ruf. 

Der Angriff auf die Utopie erfolgte auf der einen Seite aus dem bürgerlichen Lager: Utopisches Denken wurde mit kommunistischem Denken gleichgesetzt, das also die Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft, das Privateigentum, abschaffen und durch das Gemeineigentum ersetzen will. Auf der anderen Seite wurde die Utopie aber auch angegriffen von der marxistischen Linken.

"Utopie" ist ein Kampfbegriff, mit dem zunächst die sogenannten Frühsozialisten attackiert wurden und schließlich auch die Anarchisten. Ihre eigene Lehre verstanden Marx, Engels und Nachfahren als "Wissenschaft", auch als Wissenschaft von der gesellschaftlichen Entwicklung: 

... Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus, Kapitalismus, Sozialismus, Kommunismus ... 

Dummerweise blieb die Entwicklung in der Phase eines autoritären Staatssozialismus stecken. 

"Wir haben das Glück erfunden ..."

... sagten auch diese "letzten Menschen" und blinzelten - solange wie es den Staatssozialismus noch gab. Auf dem Planeten Urras, dem Gegenstück des herrschaftslosen Anarres, hatte ihn der kapitalistische Teil der Welt noch nicht niederkonkurriert, was zweifellos daran lag, daß der Roman 1974 publiziert wurde, als es auf der Erde den sogenannten Realsozialismus noch gab. 

Wir sind Sozialisten - wie ihr ...

.... behauptet der Staatssozialist gegenüber dem Anarchisten Shevek im "Planet der Habenichtse". Als echter Anarchist ging dieser jedoch entschieden auf Distanz. Auf der Erde endeten solche Umarmungsstrategien für Anarchisten häufig tödlich.  

Ihr seid Archisten. Euer Staat ist noch stärker zentralisiert als der kapitalistische. Die Kontrolle eueres Staates wird von einer einzigen Machtstruktur ausgeübt, die über alles bestimmt: über die Regierung, die Verwaltung, die Polizei, das Militär, die Bildung, die Rechtssprechung, den Handel, die Industrie. 

Kommen Sie mit zu uns, sehen sie sich an wie der echte Sozialismus funktioniert. 

Ich weiß, wie echter Sozialismus funktioniert.

... nämlich so - oder so ungefähr - wie auf Anarres, meint Shevek, ohne Staat, ohne Hierarchie, dezentral und ohne eine Einschränkung der individuellen Freiheit. In ihrem Roman plaziert Le Guin den Anarchismus als eine Art dritten Weg. 

Aber das Prinzip der gesetzlichen Autorität muß unbedingt aufrechterhalten werden, sonst degenerieren wir, rutschen wir ab in Anarchie ...

... sagte ein fetter, finster dreinblickender Mann auf einer Party der vornehmen Kreise von Urras und scheint vergessen zu haben, daß es sich beim "Planet der Habenichtse" nicht um einen billigen Propagandaroman handelt. Kindlers Literaturlexikon versucht eine literaturwissenschaftliche Einordnung: 

Das Buch stellt einen überaus gelungenen Übergang vom tendenziell konventionellen Science-fiction-Roman mit den Elementen einer interstellaren Reise, der Raumschiffe, Roboter und Aliens zur ethische Probleme diskutierenden Utopie dar, in deren Mittelpunkt die politische Idee steht ... 

... die anarchistische Idee einer Gesellschaft der Freien und Gleichen. Sie existiert auf Anarres, einem kargen Mond des Planeten Urras. 

Urras ähnelt der Erde der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Hier gibt es unterschiedliche Gesellschaftsformen, einmal den ausbeuterischen Kapitalismus mit einem autoritären kriegführenden Staat, dann einen hierarchischen Staatssozialismus, der jede individuelle Freiheit erstickt ... 

... und gleichsam dazwischen existieren weniger wohlhabende Länder auf deren Territorium Krieg - Vietnamkrieg - geführt wird.

Der Roman entstand auf dem Hintergrund der antiautoritären und pazifistischen Bewegungen der 60er und frühen 70er Jahre. Es war eine Zeit der Unzufriedenheit und des Aufbruchs. In diesen Jahren entdeckte ein Teil der US-amerikanischen Linken auch die Theorien der Anarchisten. 

Ursula Le Guin knüpft daran an, wie sie in einem Interview erklärt: 

Meine Anregungen bezog ich von Kropotkin, von den Anarchosyndikalisten ...  

... also der anarchistischen Gewerkschaftsbewegung Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts ...  

... von Paul Goodman, was die Verwaltung der Stadt betrifft; von Murray Bookchin, was die sanfte Technologie betrifft und seine Art, die Anarchie als eine einfache Idee darzustellen, die es schön ist sich auszumalen ... 

Weitere Einflüsse: Die antiautoritäre Erziehung, die Anfänge der Ökologiebewegung, vor allem aber der Feminismus. 

Geboren 1929 als Tochter eines Anthropologen und einer Schriftstellerin studierte Ursula Kroeber Geschichte in den USA und Frankreich, heiratete in Frankreich den Historiker Le Guin, unterrichtete Französisch, schrieb - ohne publizistischen Erfolg - Lyrik, Kurzgeschichten und Romane. Ende der 60er Jahre hatte sie ihren ersten Bestseller mit feministischen und pazifistischen Science-fiction-Romanen.  

In den folgenden Jahren erhielt sie gleich mehrfach alle relevanten Science-fiction-Preise. Es folgten wenig anspruchsvolle aber auflagenstarke und in viele Sprachen übersetzte Fantasy-Romane - insgesamt etwa 60 verschiedene Bände. Heute lebt Le Guin - immer wieder ausgezeichnet mit Literaturpreisen - in Portland, Oregon, USA. 

Ihr könnt die Revolution nicht kaufen. Ihr könnt die Revolution nicht machen. Ihr müßt die Revolution sein. Sie ist entweder in euch, oder sie ist nirgends.

Schon die Rahmenhandlung des Romans unterscheidet sich grundlegend von Utopien der Renaissance und den kommunistischen Utopien des 19. Jahrhunderts: Der Held gelangt nicht - wie meistens sonst in literarischen Utopien - von der mangelhaften Welt in die bessere utopische, sondern umgekehrt: Der im "utopischen" Anarres lebende Physiker Shevek reist in den kapitalistischen Teil Urras - und zwar nachdem beide Welten 170 Jahre keinen Austausch mehr miteinander hatten.

Vor etwa 170 Jahren gab es auf Urras eine Revolution, die sich an den Ideen der Anarchistin Odo orientierte. Die Revolutionäre wurden auf den Mond Anarres verschickt und konnten hier eine Gesellschaft nach ihren Ideen aufbauen.

Der geniale Physiker sucht den Kontakt zu Urras, nachdem er beginnt, am Gesellschaftssystem von Anarres zu zweifeln. Er kann seine Ideen aufgrund der Borniertheit und einer gänzlich unanarchistischen Machtausübung einiger Wissenschaftler weder diskutieren noch publizieren. Er wird von manchen als "Verräter" beschimpft, folgt aber trotzdem der Einladung nach Urras, um dort seine bahnbrechenden Theorien zu entwickeln.

Im kapitalistischen Teil von Urras stehen ihm scheinbar alle Möglichkeiten offen. Er forscht und lebt in einer ungewohnt komfortablen Umgebung.

Doch die Freundlichkeit seiner Gastgeber erweist sich als Berechnung. Ein Wissenschaftler konfrontiert ihn damit:

Ich möchte wissen, ob Sie wissen, was Sie hier tun?
Ich glaube schon.
Dann ist Ihnen also klar, daß Sie gekauft werden?
Gekauft?
Na schön, nennen Sie es eingeladen. Aber eins merken Sie sich: Wie sollen Sie unsere Situation hier begreifen, in einer kapitalistischen Volkswirtschaft, einem plutokratisch-oligarchischen Staat? Wie können Sie die Situation erkennen, Sie, der sie aus einer kleinen Kommune hungerleidender Idealisten oben am Himmel kommen?

Tatsächlich stolpert der ahnungslose Anarchist Shevek durch die kapitalistische Gesellschaft wie zuvor in der Literatur der Aufklärung der "edle Wilde" durch die feudale gestolpert ist. Die Konfrontation mit Sheveks unverstellten und direkten Verhaltensweisen und Beobachtungen der unseren so ähnlichen Gesellschaft von Urras macht deren Mängel sichtbar: 

Besitz macht sie zu Besessenen, Zentralisierung zu Untertanen ...

Erziehung läßt Kinder Hierarchien internalisieren ...

... sie lernen "gutes Benehmen" und Gehorsam statt Selbstbestimmung ...

Prüfungen und Leistungsbewertungen an der Universität ersticken die Kreativität ...

Konkurrenz und Herrschaft verhindern ein offenes und solidarisches Sozialverhalten ...

... auch die Frauen sind dem Besitzdenken unterworfen: In öffentlichen Ämtern, an den Universitäten findet man sie nicht, nur als Hausfrau und Mutter ...

Die Unterschichten im kapitalistischen Teil von Urras sind sehr arm, rechtlos, werden ausgebeutet und in Kriegen verheizt ...

... und die überaus freundlichen Wissenschaftler zeigen sich nur deshalb an Sheveks genialen Theorien interessiert, um sie militärisch zu nutzen. Je mehr Shevek von dieser autoritär-kapitalistischen Gesellschaft erfährt, desto entschiedener wird sein Eintreten für die Gesellschaftsordnung auf Anarres. Als es zu Massendemonstrationen der anarchistischen Opposition auf Urras kommt, flieht er zu den Revolutionären, wird als lebendiges Beispiel für ein besseres Leben zur Leitfigur und hält vor Hunderttausenden von Menschen eine Rede ...

.... Wir haben keine Staaten, keine Nationen, keine Präsidenten, keine Premiers, keine Häuptlinge, keine Generäle, keine Bosse, keine Bankiers, keine Hausbesitzer, keine Löhne, keine Wohlfahrt, keine Polizei, keine Soldaten, keine Kriege. Und auch sonst haben wir nicht viel. Wir sind Teiler, nicht Besitzer. Keiner von uns ist reich. Keiner von uns ist mächtig ... 

Ein Gemetzel der Regierungstruppen macht der Rede ein Ende. Shevek entkommt, flieht in die Botschaft Terras, der Vertretung der Erde auf Urras.

Gleichsam nebenbei erfährt man - durch ein Gespräch Sheveks mit der Botschafterin - , daß sich auf der Erde eine ökologische Katastrophe abgespielt hat.

Wir haben weder unserem Appetit noch unserer Gewalttätigkeit Zügel angelegt; wir haben uns nicht angepaßt. Wit haben uns selbst vernichtet. Aber zuerst haben wir unsere Welt zerstört. Auf der Erde gibt es keine Wälder mehr. Die Luft ist grau, der Himmel ist grau, es ist immer heiß ...

Die fortschreitende Industrialisierung, die rücksichtslose Ausbeutung der Natur haben eine ökologische Katastrophe bewirkt. Nur noch eine Milliarde Menschen können auf der Erde leben. - Hier nimmt Le Guin Diskussionen auf, die in den 70er Jahren noch sehr entschieden geführt wurden - auch in Hinblick auf die gesellschaftlichen Folgen. Es herrscht eine rigide Ökodiktatur. 

... wir haben gerettet, was wir retten konnten: durch totale Zentralisation. Totale Kontrolle über die Verwendung jedes einzelnen Hektars noch fruchtbaren Landes. Totale Rationalisierung, Geburtenkontrolle, Euthanasie. Absolute Reglementierung jeden Menschenlebens ... 

Nach der abschreckenden Thematisierung der kapitalistisch autoritär-staatlichen Konkurrenz- und Konsumgesellschaft und des Staatssozialismus thematisiert Le Guin den Ökofaschismus als mögliche Perspektive "unserer" Erde. Auch unter dem ökologischen Aspekt wird Anarres zu einer Alternative. 

Im Roman werden zwei parallel verlaufende Geschichten erzählt: Einmal die Ereignisse, die sich um Shevek auf Urras abspielen, dann - in Rückblenden - das Leben Sheveks auf Anarres mit seiner ökologischen Wirtschaft: Windkraft und Erdwärme werden als Energiequellen genutzt. In Anarres setzt man nicht auf Naturbeherrschung, sondern auf Anpassung an die natürlichen Gegebenheiten: 

Wenn der Mensch mit Maßen fischte und wenn er den Boden unter Verwendung organischen Düngers beackerte, gelang es ihm. Für Pflanzenfresser gab es kein Gras, für Fleischfresser keine Pflanzenfresser. Man verzichtete darauf, von Urras Tiere herüber zu holen, um das labile Gleichgewicht des Lebens nicht zu zerstören. 

Freiwillig beschränken sich die Bewohner von Anarres. Le Guin schildert Anarres als staats- und herrschaftslosen Ökokommunismus. Ein Grundsatz der von der anarchistischen "Urmutter" - die Analogie zu den Urvätern der Renaissanceutopien - lautet:

Willst du einen Menschen zum Dieb machen, mache einen anderen zum Besitzer. Nichts gehört dir allein. Alles ist zum Gebrauch da, zum Teilen mit anderen.

Niemand besitzt irgend etwas privat. Die Arresti essen in Refektorien, die es überall gibt, sie übernachten in karg ausgestatteten Wohnhäusern entweder im Mehrbettzimmern oder - wenn feste Paarbeziehungen eingegangen werden oder wenn zwei Menschen miteinander schlafen wollen - in Zimmer für zwei Personen. Wenn man Kleidung braucht, nimmt man sie sich aus den Magazinen.

Höre endlich auf zu egoisieren!
Du bist eine Profitlerin!
Warum possesivierst du schon wieder?

Durch die Sozialisation werden die Werte der Solidarität, der Besitzlosigkeit und der Selbstbestimmung verinnerlicht.

Wir moralisieren nicht, wir schaffen Moral ... ... so drückt es Shevek aus.
Willst du Menschen zu Verbrechern machen, mache Gesetze.

Es gibt keine Gesetze, nur die verinnerlichten Regeln der gegenseitigen Hilfe und der Selbstbestimmung. Wer sich nicht sozial und kooperativ verhält, wird sozial isoliert. Er kann allein leben oder sich einen neuen Schlafraum, einen neuen Arbeitsplatz suchen. 

Die Menschen machen ihre Arbeit gern. Und es macht ihnen Spaß, sie gut zu tun. 

... berichtet Shevek. Unliebsame Arbeiten werden verrichtet, weil sich jeder dazu verpflichtet fühlt. Jeder erledigt solche Arbeiten in gewissen Abständen freiwillig. Niemand wird dazu gezwungen. 

Unsere Verwaltungs- und Managementstruktur nennt sich PDK, Produktions- und Distributionskoordination. Das ist ein Koordinierungssystem für alle Syndikate, Föderationen und Individuen, die produktive Arbeit leisten. Die PDK regiert nicht Menschen, sondern verwaltet die Produktion. Sie hat weder die Macht, mich zu unterstützen noch mich zu hindern. 

Wer in diesen PDKs arbeiten will, wird im Losverfahren bestimmt, angelernt und tut seine Arbeit dort nicht länger als vier Jahre. 

Jede Zentralisation ist eine ständige Bedrohung, der man durch unaufhörliche Wachsamkeit begegnen kann. 

Aus informeller Macht droht tatsächliche Macht zu entstehen. 

Alls funktioniert dezentral, alles ist vernetzt: Jeder Wohnblock verwaltet sich selbst, jeder Stadtteil, jede Fabrik, jede landwirtschaftliche Einheit. 

Odo, die anarchistische Urmutter von Anarres in Ursula K. Le Guins Roman scheint ihre Ideen von den anarchistischen Klassikern zu haben. Bakunin und die Anarchosyndikalisten wollten über Koordinationsorgane die Produktion und Verteilung der Güter organisieren. Der Anarchist Kropotkin betonte eher den Aspekt dezentraler Vernetzung. Le Guin kombinierte diese Ansätze. Doch im Gegensatz Le Guins "Anarristen" hatten die Anarchisten nichts gegen Luxus. 

In einem Interview stellt Le Guin jedoch fest: 

Die Armut auf Anarres stellt kein ideologisches Postulat dar. Ich habe sie benutzt, um den simplen Kontrast zwischen den armen Anarchisten und den satten Kapitalisten zu schaffen. 

Anarres ist nicht wunderbar, sondern stets in Gefahr durch Bürokratie und einer Etablierung informeller Macht zu erstarren. Shevek, seine Familie und seine Freunde gründeten, was ihrem Recht auf individuelle Selbstbestimmung entsprach, selbst ein Syndikat mit Publikationsmöglichkeiten für neue und ungewöhnliche Werke, mit denen die Gemeinschaft nicht einverstanden war.  

Deshalb wurden sie sozial isoliert, man verweigerte Kooperation, übte auf sie sozialen Druck aus ... 

Die kollektiven Zwänge drohen die individuelle Selbstbestimmung einzuschränken und die anarchistische Idee zu pervertieren - auf diese am Leben des Helden Shevek demonstrierten Gefahren weist die Utopie Le Guins hin und das macht sie als Utopie interressant: 

Eine positive politische Utopie, die ihre eigene Kritik gleich mitliefert, die nicht abgeschlossen, nicht statisch ist.

Eine Utopie, deren utopischer Gehalt durch die politische Wirklichkeit - auch mehr als ein Viertel Jahrhundert nach ihrem Erscheinen - keinesfalls abgegolten und eingelöst ist. 

Es wird Zeit, daß wir auf und davon gehen und ein Anarres über Anarres hinaus gründen. 

Am Ende der Held Shevek nach seinem Aufenthalt auf dem Planeten Urras mit seinem Staat, seinen sozialen Ungerechtigkeiten, seiner rücksichtslosen Naturausbeutung, seinem Kapitalismus und seinem unsolidarischen Konkurrenzprinzip ... am Ende kommt Shevek nach Anarres zurück, um es im Sinne seiner ursprünglichen Ideen zu verändern. 

Wir haben keine Gesetze als das eine und einzige Prinzip der gegenseitigen Hilfe. Wir haben keine Regierung als das eine und einzige Prinzip der freien Gesellschaftsbildung. Wir haben keine Staaten, keine Nationen ....

Ich glaube, eine wichtige Funktion des utopischen Denkens besteht darin, die Kritikfähigkeit zu erhalten, das heißt: Wir sind, wenn unsere Gesellschaft nicht versteinern will, auf Standpunkte einer fiktiven besseren Alternative angewiesen, um Fehlentwicklungen überhaupt diagnostizieren und kritisieren zu können.

Wir brauchen Reflexionsräume, die vom Druck der unmittelbaren politischen Verantwortung entlastet sind, um zunächst fiktiv Gegenmodelle zu erkennbaren Fehlentwicklungen diskutabel zu machen.

Wehe! Es kommt die Zeit, wo der Mensch nicht mehr den Pfeil seiner Sehnsucht über den Menschen hinaus wirft und die Sehne seines Bogens verlernt hat, zu schwirren! Ich sage euch: man muß noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Ich sage euch: ihr habt noch Chaos in euch.

 

 

 

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Ursula Le Guin (1974)   Planet der Habenichtse - Ein utopischer Roman