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Science Fiction und Utopie 
Alle Macht der Phantasie
SF und Utopie bei Chlada   
 Amery über SF  #  Jeschke unten

So etwas!, dachte Alice, Ich habe zwar schon oft eine Katze ohne Grinsen gesehen, aber ein Grinsen ohne Katze! Das ist doch das Allerseltsamste, was ich je erlebt habe.  -Lewis Carroll-

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Für das Allerseltsamste war schon immer die Literatur zuständig. Wenn's ein bißchen sehr hoch hergeht und Zombies an Tankstellen bedienen oder Bomben über den Sinn ihrer Existenz philosophieren, nennt man das <Phantastische Literatur>. Phantastische Literatur handelt von dem, was es nicht gibt. Und was es nicht gibt, wissen eben manche Leute ganz genau.

Die Unterscheidung zwischen realistischer Literatur, die etwa den Alltag einer Fließbandarbeiterin beschreibt, und phantastischer Literatur, die Träume und Ängste beschwört, nutzt nur dem Buchhändler etwas, der die Werke in die entsprechenden Regale einordnen kann. In Wirklichkeit gibt es diese scharfe Trennung nicht. In <Literatur ist Utopie> stellt Gert Ueding fest, daß es wohl selten einen so mißverständlichen ästhetischen Begriff gegeben habe wie den des Realismus. 

Das Prinzip der Literatur ist der Geist, und deshalb kann sie sich gar nicht in vollkommener Deckung mit der äußeren Realität befinden. Genau diese Differenz zwischen der geistigen Form und der sinnlichen Realität macht Literatur, gleichgültig, welche Objekte sie hat, zur Utopie. Ueding: »Literatur als Utopie ist ja generell Vorgriff der Einbildungskraft auf neue Erlebnis­wirklichkeiten, bedeutet planvoll phantasiereiches Entdecken und Aktivieren der schöpferischen Vermögen des Menschen im ästhetischen Bild und kritische Absage an eine hemmende Wirklichkeit.«

Doch auch wenn alle Literatur Utopie ist — die Phantastik ist Spezialistin für Wunder.

E.T.A. Hoffmann fordert, das Wunderbare müsse »keck ins gewöhnliche Leben« treten. Im <Goldenen Topf> weiß der Student Anselmus zunächst nicht, ob er »betrunken, wahnsinnig oder krank« ist, als sich seine gewohnte Umwelt plötzlich auflöst, nachdem er über den Korb eines alten Apfelweibs gestolpert ist. Erst jetzt, als er sieht, daß der alte Archivar Lindhorst eigentlich ein Salamander ist und das alte Apfelweib der Verbindung einer Runkelrübe mit der Feder eines Drachens entstammt, kann Anselmus auch erkennen, daß er die prosaisch-bürgerliche Veronika gar nicht liebt, sondern daß es Serpentina ist, die ihm »das Innerste der Natur« erschließt. »Ist denn überhaupt des Anselmus' Seligkeit etwas anderes als das Leben in der Poesie?« ruft der Archivar aus, und er nennt auch präzise den Aufenthaltsort von Anselmus und seiner Geliebten: Atlantis.

 

Die phantastische Literatur ist nicht interessiert an Parapsychologie, d.h. an dem wissenschaftlichen Nachweis, daß es das, wovon sie handelt, tatsächlich <gibt>. Die Existenz von Werwölfen, Androiden, falschen Suppenschildkröten oder Killertomaten ist allein dadurch gesichert, daß man sie denkt.

Die rationalistisch orientierte Psychologie versucht ihren platten Begriff von Wirklichkeit noch zu retten, indem sie alles, was ihr märchenhaft ist, mit den ihr eigenen Formeln erklärt. So ist der Vampir ein Symbol für einen ausbeuterischen Menschen, der Werwolf ein Symbol für das Ausbrechen unterdrückter Sexualität (mit »unterdrückter Sexualität« läßt sich überhaupt viel in der phantastischen Literatur deuten!) oder eine Riesenameise das Symbol für einen Mutterkomplex. 

Doch die phantastische Literatur ist umgekehrt nicht interessiert an psychologischer Klärung. Das heißt nicht, daß alles falsch ist, was gerade angeführt wurde, aber eine allzu kluge Deutung zerstört das Wunder. Es ist zwar nicht > falsche festzustellen, daß ein Mensch zu über 90 Prozent aus Wasser besteht — aber hat man damit wirklich etwas über das Wesen des Menschen ausgesagt?

In Horrorgeschichten und Schauerromanen tritt das Wunderbare besonders keck ins gewöhnliche Leben. Doch in diesem Fall wird man nicht nach Atlantis versetzt, sondern in den Hades geschleudert. Tod und Verdammnis siegen, der Mensch ist Opfer grausamer Mächte. Fällt Alice noch durch einen Kaninchenbau in ihr Wunderland, so ist die Anderswelt in den meisten Fantasy-Geschichten mit völliger Selbstverständlichkeit vorhanden.

In Mittelerde wohnen eben Hobbits und keine Menschen, und solange man den <Herrn der Ringe> liest, muß man diese Tatsache akzeptieren. Das Wunderbare selbst ist die gesetzte Realität, der Autor ist quasi Gott, der die Welt erschafft und bevölkert. Die Fantasy-Welt ist technik- und wissenschaftsfeindlich, ihre Wesen leben in Harmonie mit ihrer Umwelt. Magie ist ein selbstverständliches Ordnungsprinzip. 

Der Wiener Spezialist für phantastische Literatur, Franz Rottensteiner, formulierte es in einem Gespräch einmal so: »Fantasy suggeriert dem Leser, daß es einen Sinn gibt und daß er erreichbar ist auf einfache Weise. Alles, was passiert, hat diesen höheren Sinn, das Schicksal des einzelnen ist verknüpft mit dem Schicksal der Welt. Es gibt keine unglücklichen Zufälle, Ungerechtigkeit ist nur vorübergehend und wird zum Schluß beseitigt.« 

Eine paradiesische Welt mit zwangsläufigem Happy-End — das ist eine Sehnsucht, aber noch keine Utopie. Hierin ist die Science Fiction konkreter. Während die Fantasy nicht im mindesten daran interessiert ist, unsere hochindustrialisierte Welt direkt zu reflektieren — was ihr die nicht gerade freundliche Bezeichnung »Fluchtliteratur« eintrug —, hat die Science Fiction den Menschen der Neuzeit zum Objekt und baut auf eine Veränderbarkeit der herrschenden Verhältnisse. 

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Interview mit Wolfgang Jeschke 

über <Science Fiction und Utopie> 

 

*1936, studierte Philosophie, Germanistik und Anglistik. 1970 Redakteur bei <Kindlers Literaturlexikon>, 1970-1972 Herausgeber der Reihe <Science Fiction für Kenner> im Lichtenberg Verlag, 1973-1978 verantwortlicher Redakteur der Kindler-Enzyklopädie <Die Großen der Weltgeschichte>, Mitherausgeber der Reihe <Heyne Science Fiction & Fantasy>. 1978 ist er im Münchner Heyne-Verlag Redakteur und verantwortlicher Lektor dieser Reihe. Jeschke ist Autor zahlreicher SF-Erzählungen und -Hörspiele sowie des Romans <Der letzte Tag der Schöpfung> (1981).  wikipedia  Wolfgang Jeschke + wikipedia  Der_letzte_Tag_der_Schöpfung 

 

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1) Utopie und Science Fiction — diese Begriffe werden oft miteinander verwechselt. Worin unterscheiden sie sich? 

Während in der Utopie die Technik eine untergeordnete Rolle spielt, war sie in der Science Fiction, jedenfalls in der frühen Science Fiction, dominierend. Von der Technik und dem Fortschritt der Naturwissenschaften erwartete man die Lösung vieler Probleme, auch sozialer Art. Heute sind, so meine ich, in der Science Fiction sowohl die Utopie als auch die Anti-Utopie enthalten.

 

2) Seit wann kann man denn von Science Fiction statt von Utopie sprechen?

Meiner Meinung nach beginnt sie mit Jules Verne und H.G. Wells, etwa um die Jahrhundertwende. Es gibt einen wesentlichen Unterschied, der mir bezeichnend erscheint, und zwar zwischen <Ein Yankee aus Connecticut an König Artus' Hof> (1889) von Mark Twain, wo ein Mensch ins Mittelalter befördert wird, indem man ihm mit einem Holzhammer auf den Kopf schlägt, und der <Zeitmaschine> (1895) von H.G. Wells

Diese Maschine wird in ihrer Funktion nirgends erklärt; es wird einfach ein technisches Vehikel benutzt, um das Wunderbare herbeizuführen, also das Unglaubwürdige plausibel zu machen. Etwa um diese Zeit sehe ich den Beginn der Science Fiction

Was die Utopie betrifft, so gibt es auch in der neuesten Science Fiction einen utopischen Roman, nämlich <Der Planet der Habenichtse> von Ursula LeGuin, bei dem es sich um eine anarchistische Utopie handelt.

Eine klare Trennung der Begriffe Utopie und Science Fiction dürfte letztlich sehr schwer sein, vor allem, da es nicht so ohne weiteres möglich ist, die Anti-Utopie von der Utopie abzutrennen. Im Grunde genommen ist Anti-Utopie doch etwas, das aus der Utopie erwächst, indem man Kritik übt an der Reglementierung, der Gängelei, welche die Utopie fordert. 

In einer der typischsten Anti-Utopien, Huxleys Roman <Schöne neue Welt>, ist ja die Hauptfigur interessanterweise ein Wilder. Weil man die Utopie als denaturierend, als unnatürlich empfindet, wird hier wieder Rousseausches Gedankengut eingebracht.

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3) Warum spielte früher die Technik in der SF so eine überragende Rolle?

Das kann man heute vielleicht nicht mehr so nachempfinden, doch wenn man z.B. an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurückdenkt, so mutete es damals einem Deutschen ja an, als würden sich die Amerikaner bereits in der Zukunft befinden, als hätten sie schon einen Status erreicht, der dem unseren um zwei Jahrzehnte oder mehr voraus war.

Typisch sind die Sachbuchtitel jener Zeit: <Auf der Schwelle der letzten Dinge> oder <Wir werden durch Atome leben> oder <Du wirst die Erde sehn als Stern> — in ihnen drückt sich ein ungeheurer Fortschrittsoptimismus aus. Doch dann ist das alles sehr anders gelaufen: Die Atomkraft ist eine Bedrohung geworden; nirgends gibt es so viele Zweifel wie an und in der theoretischen Physik, und die Raumfahrt dient heute fast ausschließlich militärischen Zwecken und Zielen. Eine große Ernüchterung ist eingetreten, was die Technik im allgemeinen betrifft, nämlich daß sie statt aller Annehmlichkeiten für den Menschen heute eher dabei ist, unseren Lebensraum und unsere Ressourcen zu zerstören; man muß also abwägen, ob man alles realisieren darf, was machbar ist, oder ob man lieber darauf verzichten sollte, weil die Vorteile, die eine weitere Technisierung bringt, zu derart ungeheuren und möglicherweise irreparablen Nachteilen führen, daß sie die Vorteile bei weitem aufheben.

 

4) War seinerzeit die Technik-Besessenheit der ersten Science Fiction-Autoren nur eine spielerische Idee, vielleicht sogar auch eine ganz kommerzielle, oder knüpften sich ernst zu nehmende utopische Gedanken daran?

In Amerika, wo die Science Fiction eine einzigartige Breitenwirkung erreicht hat und wo auch der Gattungsname geprägt worden ist, hatte das etwas mit der Marktsituation zu tun. 

Hugo Gernsback hat die Bezeichnung <Science-Fiction> (Sci-Fi, SF) erfunden. Er besaß in den zwanziger Jahren ein Geschäft für Radio-Ersatzteile und war Herausgeber von Zeitschriften, vergleichbar etwa mit »Popular Mechanics« von heute.

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Die amerikanische Provinz war seinerzeit besonders provinziell, ist es ja zum Teil heute noch. Die einzige Verbindung zur Außenwelt war das Radio, und es stellte sich bald heraus, daß dort in der Provinz eine Kundschaft existierte, die noch nicht mit Literatur bedient wurde. Allerdings galt es in solchen Kreisen auch als unerhört, daß jemand zum reinen Vergnügen las. Wenn schon, dann mußte es zum Zweck der Fortbildung geschehen. Die Science Fiction trat deshalb zu Beginn mit dem falschen Anspruch auf, eine gewisse didaktische Funktion zu erfüllen, die Zukunft vorauszusagen und die Leser dafür zu wappnen. Dieser Anspruch führte zu Mißverständnissen, weil sich viele Autoren ihm unterwarfen.

Science Fiction ist keine illustrierende Futurologie, kann es auch gar nicht sein. Wenn man sich die Voraussagen von Wilhelm Fuchs oder von Herman Kahn aus den sechziger Jahren ansieht, die auf der Basis von exakten Fakten gemacht worden sind und die mittlerweile schon oft daneben­liegen — wie sollte Science Fiction, die ja Trends herauslöst und sie übertreibend weiterspinnt, um auf irgendwelche Dinge aufmerksam zu machen oder einfach mit Ängsten und Hoffnungen zu spielen — wie sollte die das schaffen können? 

 

5) Wie kreativ sind denn überhaupt die Technik-Visionen in den Science Fiction-Romanen ?

Es gab und gibt schon recht kreative Vorstellungen der SF-Autoren; in den ausgehenden dreißiger, beginnenden 40er Jahren war die Science Fiction sogar sehr technokratisch bestimmt nach dem Motto: Weg mit den Politikern, laßt endlich mal vernünftige Techniker hin, die werden die Probleme in kürzester Zeit durch ihr logisches Denken und durch die Hilfsmittel, die ihnen zur Verfügung stehen, in den Griff kriegen. Da wird die Kriegsgefahr beseitigt, und keiner muß mehr Hunger leiden.

 

6) Also regelrecht utopisches Gedankengut.

Ja, das waren durchaus utopische Vorstellungen, die zum Teil realisiert wurden. Den konkreten Gedanken der Raumfahrt kann man z.B. von den zwanziger Jahren an verfolgen, bis hin zum Apollo-Projekt; da greifen die Science Fiction, die Naturwissenschaften und schließlich die technische Realisierung besonders deutlich ineinander.

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Ich erinnere an Hermann Oberth, der Jules Vernes Roman gelesen hatte, in dem die Reisenden zum Mond mit einer Kanone abgeschossen werden; daraufhin hat er sich hingesetzt, das alles nachgerechnet und gesagt: So geht es nicht. Aber dann hat er sofort die Frage gestellt: Wie ginge es denn wirklich? Und schließlich hat er ein Buch geschrieben darüber, daß das Problem mit einer Stufenrakete lösbar wäre. 

Dieses Buch bekam Fritz Lang in die Finger und faßte den Plan, als Presse-Gag zu seinem Film <Frau im Mond> eine Rakete starten zu lassen. Daraufhin hat man in Berlin versucht, solch eine Rakete zu bauen, und ist auf enorme technische Schwierigkeiten gestoßen. Und wer war dabei auf dem Schießplatz in Berlin-Reinickendorf? Wernher von Braun! Er hat dann im Regierungsauftrag die Schwierigkeit weitgehend überwunden und schließlich in Amerika an dem Projekt weitergearbeitet. 

So führte ein Anstoß von einer Idee der Science Fiction über die Theorie bis in die Praxis. 

 

7)  Wie hoch schätzen Sie den Anteil ernstzunehmender SF, also von Science Fiction, die auch literarische Qualität hat, an der Gesamtproduktion ein?

Ich schätze, daß ein Literaturwissenschaftler wahrscheinlich einen großen Teil, vielleicht 95% der Texte, vielleicht noch mehr, als trivial zurück­weisen und ihnen kein literarisches Niveau zubilligen würde. Aber ich bin in dieser Hinsicht sehr zuversichtlich, was die literarische Wertung betrifft. 

Sehen Sie, ich bin seinerzeit gern in die ersten Wildwestfilme gegangen, die es bei uns zu sehen gab, so um 1949/50, und ich habe damals einen Eintrag ins Klassenbuch bekommen, weil mich ein Lehrer erwischt hat, als ich gerade aus solch einer Kinovorstellung kam. Diese Filme, viele waren von John Ford, sind heute Klassiker, doch damals galten sie als absolute Trivialität. <Revolverkino> nannte man das abfällig. 

Die Rezeptionsgeschichte von Literatur hinkt noch mehr nach. Was bei der Science Fiction erschwerend hinzukommt, ist, daß sie sehr stark mit natur­wissen­schaftlichen und technischen Ideen befrachtet ist, die einer literarischen Kritik von vornherein als suspekt gelten.

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Oder sagen wir mal so rum: 

Ein großer Teil, vermutlich der größte Teil der Science Fiction, hat, ebenso wie Western und Krimi, Emotionen, Ängste und Hoffnungen zum Inhalt. Aber außerdem gibt es einen überaus beachtenswerten Teil, der von Wissenschaftlern oder Wissenschafts­journalisten verfaßt wird, die es durchaus ernst meinen, wenn sie auf Probleme aus ihren Fachgebieten hinweisen, daß z.B. Entwicklungen in eine falsche Richtung laufen und daß es Katastrophen geben könnte, die an die Probleme der Überbevölkerung, der Umweltzerstörung oder was auch immer denken. Diese Texte haben sicherlich nicht alle literarischen Rang, weil sie eben nicht von Autoren geschrieben worden sind, die man der Hochliteratur zurechnet. 

Andererseits ist es so, daß sich die Hochliteratur auf merkwürdige Weise um derartige Themenstellungen herumdrückt, ich weiß nicht, warum. Vielleicht, weil man mehr Sachwissen braucht, um solche Themen zu behandeln, oder weil es von vornherein eine Aversion (die übrigens im Schwinden begriffen ist) von Literaten gibt, die sagen: In solche Niederungen möchte ich nicht hinabsteigen, denn sie sind eines literarisch-humanist­ischen Genius unwürdig.

Dies ist vor allem in Deutschland so. In England z.B. gab es immer Autoren, die sich nicht gescheut haben, das Vehikel Science Fiction zu benutzen, um ganz bestimmte Sachverhalte auszudrücken, wie etwa Olaf Stapledon, CS. Lewis, Aldous Huxley, William Golding oder auch George Orwell. Sie haben bewußt die Mittel der Science-Fiction gewählt, um auf ganz bestimmte Entwicklungen, die verheerend sein könnten, hinzuweisen, sie wollten bewußt mit ihren Büchern etwas bewirken. 

Typisch dafür ist <1984>, das die Ängste von 1948 widerspiegelt und dadurch vielleicht mit verhindert hat, daß es heute nicht so aussieht, wie Orwell es befürchtet hat. Ich glaube, daß eine derartige Absicht hinter vielen Science Fiction-Romanen steckt, die stilistisch wohl kaum den Anspruch auf hohe Literatur erheben können, aber trotzdem sehr ernst genommen werden sollten. 

Und dann gibt es noch die Schicht, wo Science-Fiction freies Spiel der Phantasie ist. Dort findet man nicht selten literarisch höchst interessante Werke, die aber in ihrer Aussage vielleicht nicht ernsthaft genug sind. - Ideal ist es, wenn beides zusammenkommt, wie etwa bei Ursula LeGuin oder John Brunner, bei denen ich eine sehr kompetente literarische Aussage mit sehr kompetenten Sachaussagen zusammen­gespannt sehe.

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8) Heutzutage sind die guten, qualitätsvollen Science Fiction-Romane fast nur noch negative Utopien. Fallen Ihnen positive Utopien ein? Also solche, die nicht aus Berechnung oder einem dümmlichen Fortschrittsglauben heraus geschrieben wurden, sondern in denen ernsthafte Alternativen entwickelt werden?

Ja, es gibt schon welche, vor allem russische. Aber in diesem Zusammenhang kommt noch ein rein literarisches Problem hinzu: Sobald die Science-Fiction utopisch ist, wird sie sehr konfliktarm. Weil man sich ein utopisches Staatengebilde eigentlich konfliktlos vorstellt und da die Wunscherfüllung darin einen sehr hohen Grad erreicht hat, ist es schwierig, eine spannende Handlung anzusiedeln. Und deshalb lesen sich die russischen Autoren - nun, sagen wir einmal - etwas ledern, wie eben die alten klassischen Utopien auch. 

 

9) Die Welt gibt ja nicht gerade Anlaß zu großen Hoffnungen. Um so mehr könnte man in der SF Alternativen entwickeln.

Ich glaube nicht, daß das die Aufgabe der Science Fiction ist. Das wäre vielmehr Aufgabe einer Planungs­kommission, die, etwa auf den Ergebnissen von <Global 2000> aufbauend, eine langfristige internationale Politik gestalten müßte. Die Science Fiction versteht sich, so glaube ich, viel mehr als eine Art Menetekel, als Warnruf, Trends herauszugreifen und sie ins Extrem zu verlängern, um durch diesen Verfremdungseffekt auf Mißstände aufmerksam zu machen.

Wenn man etwa <Make Room! Make Room!> von Harry Harrison* (<New York 1999>) liest, das vor 20 Jahren entstanden ist, und man sieht heute Städte wie Kalkutta oder Bombay oder Mexico City, dann sagt man sich: Der Mann hat die Entwicklung tatsächlich vorausgesehen, das gab es damals in der Form noch nicht. 

* (u2013) H. Harrison bei Detopia 

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Oder John Brunner, in <Schafe blicken auf>: dieser Grad an Umweltverschmutzung, den er in seiner schrecklichen Vision an die Wand malt... Zu der Zeit, als der Roman entstand, haben die meisten das Wort Umweltverschmutzung nicht einmal gekannt.

Daß sich Badende vergiften, weil irgendwelche Chemikalien-Fässer, die auf dem Meeresgrund liegen, durchrosten, oder daß bestimmte Stoffe ins Trinkwasser geraten, welche die Leute krank oder high machen, wodurch Verkehrsunfälle passieren, es zu rätselhaften allergischen Erkrankungen kommt usw., ist heute der Tagespresse zu entnehmen. Vor zwanzig Jahren schon konnte man solche Trendverlängerungen in der Science Fiction lesen. Man hat sie damals wie heute naserümpfend als trivial abgetan. Doch gerade in dieser Menetekel-Funktion sehe ich eigentlich die Science Fiction viel stärker als in einem positiven Gegenbild, wie es die alte, klassische Utopie war. Darin liegt wohl ein wesentlicher Unterschied zwischen heutiger Science Fiction und der klassischen Utopie.

Aber, wie gesagt, es gibt Ausnahmen. Le Guins <Planet der Habenichtse> schildert durch einen Kunstgriff eine Welt, die wie unsere Welt ist, im Vergleich zu einer anderen, zu einem sehr kargen, lebensfeindlichen Planeten, auf den eine Sekte ausgewandert ist und dort eine anarchistische Gesell­schaft gegründet hat. Da sehe ich eigentlich die alte Utopie plötzlich in neuem Gewand wieder auferstehen, aber das sind wirklich ganz, ganz seltene Einzelfälle. 

 

10)  Sie haben es ja vorhin schon gesagt - und der Meinung bin ich ebenfalls -, daß auch eine Anti-Utopie aus einem utopischen Denken kommt, denn man kann ja nur eine Angst schildern, wenn man eine entgegengesetzte Hoffnung hat. 

Ja, das kann man eigentlich für einen großen Teil der Science Fiction in Anspruch nehmen: daß sie aus dem utopischen Denken heraus entsteht, daß die Welt nicht so weiterzulaufen braucht, wie sie läuft, sondern daß man durchaus neue Wege finden könnte, ohne daß man diese Wege gleich exakt beschreibt und erklärt. 

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11) Die Phantasie also im Dienst der Aufklärung. 

Es ist, wie in der naturwissenschaftlichen Forschung auch, eine Art negativer Auslese. Wenn man eine Unmöglichkeit bewiesen hat oder einen falschen Weg, dann ist das auch schon ein Fortschritt. Mich reizen vor allem Geschichten, die an der Grenze von Science Fiction liegen, etwa Zeitreisegeschichten, bei denen man mit ziemlicher Sicherheit weiß, daß es so etwas nie geben wird. Aber allein so etwas zu durchdenken oder nachzuvollziehen, wie der Autor das durchdacht hat, besitzt schon einen sehr starken intellektuellen Reiz; ich möchte diese Art Science Fiction als geistige Gymnastik bezeichnen, die einem einfach guttut, weil man auf einmal Dinge in seiner Umwelt sieht, bei denen man sich plötzlich fragt: Warum sind die eigentlich so? Man nimmt die Welt nicht mehr so selbstverständlich hin, und diese Lockerungsübung, die die Science Fiction vermittelt, wird, glaube ich, von sehr vielen ihrer Leser geschätzt.

 

12) Zum Thema Realisierung von Science Fiction: Ich finde es interessant, daß man z.B. lange vor Einstein bereits auf die Idee kam, daß die Zeit eine vierte Dimension ist. Ich glaube, dieser Ausdruck kommt sogar bei H. G. Wells vor, oder?

Ich weiß nicht, ob er schon von der vierten Dimension spricht, es ist aber durchaus denkbar. Er hat sie ja als solche aufgefaßt, nämlich als eine lineare Dimension.

 

13) Könnte man nicht sagen, daß die Science Fiction viel zur Erkenntnis des Zeitbegriffes beigetragen hat?  

Das ist zweifellos der Fall. Die <Zeitmaschine> war ein sehr erfolgreicher Roman, er hat sicher viele Leute angeregt, über dieses Phänomen nachzu­denken. Aber ich würde das nicht überbewerten. Science Fiction ist ein Spiel mit Möglichkeiten, weniger ein Hochrechnen von Wahrschein­lichkeiten. Arthur C. Clarke hält sich viel darauf zugute, daß er als erster die Idee gehabt hat (schon Anfang der vierziger Jahre), daß ein Netz von Fernmeldesatelliten auf einer stationären Kreisbahn die ganze Welt mit Programmen versorgen könnte.

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Aber das sind Einzelfälle; die Probleme hingen ja alle schon irgendwo in der Luft, und wenn man über sie nachdachte, mußte man ja auf entsprechende Lösungen kommen. Genau wie Jules Verne nirgendwo etwas völlig Neues darstellt, sondern das waren alles Entwicklungen, die im Gange waren: das Unterseeboot z.B. und die Riesenluftschiffe, das war alles kurz darauf schon auf den Reißbrettern oder vielleicht sogar schon zu Vernes Zeit.

Es ist eher so: Science Fiction-Autoren sind ja meistens begierige Leser von wissenschaftlichen Zeitschriften, und wo sie auf eine neue Idee stoßen, drehen sie sie hin und her, ob man sie nicht verwenden kann, um eine Science Fiction-Geschichte daraus zu machen.

Da gibt es sicherlich ständig eine gegenseitige Befruchtung. Aber daß SF eine antizipatorische Literatur ist, glaube ich nun doch nicht. Was ein etwas groteskes Phänomen ist, z.B. in Amerika: In der amerikanischen Science Fiction hat sich nie ein Autor Gedanken etwa über die Energie­versorgung gemacht, daß diese mal ein Ende haben könnte. Da sind die Engländer stets viel sensibler gewesen, vielleicht, weil sie dabei waren, ihr Empire zu demontieren, und sich mit diesen Fragen eher auseinandersetzen mußten als die Amerikaner, die ja ungeheuer viel Land zur Verfügung hatten, leere Räume, Bodenschätze, und die für ihre Dollars beliebig viel Erdöl in der ganzen Welt kaufen konnten.

Erst müssen die Hoffnungen und Ängste dasein, vor allem die Besorgnis von Fachleuten, dann bemächtigt sich die Science Fiction ihrer. So sehr die Science Fiction eine seismographische Literatur ist — alles spürt sie nicht. Zuweilen läuft sie auch irgendwelchen Trends nach. Andererseits gibt es heute ganz interessante Romane, die zwar auf Mißstände aufmerksam machen, die aber andererseits die Probleme nicht ins Bewußtsein heben können, wodurch sie zur Erfolglosigkeit verurteilt sind. Manchmal passiert das, weil das Thema zu speziell ist.

Es gibt z.B. von Bob Stickgold den Roman <Gentrip>, der mich äußerst beunruhigt hat, aber offenbar von vielen Leuten gar nicht verstanden wird. Oder <Der Clewiston-Test> von Kate Wilhelm. Beide behandeln höchst brisante Probleme aus dem Bereich der Biomedizin, aber diese haben noch nicht den Aufmerksamkeitswert wie das Waldsterben oder der Hunger in der Welt. 

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Es wird wahrscheinlich kein Jahrzehnt dauern, dann werden sie ihn leider haben. Bei Kate Wilhelm probiert eine Frau an sich selbst ein Medikament aus. Sie geht davon aus, daß es einen Schmerzstoff im menschlichen Körper gibt und daß man diesen Schmerzstoff synthetisieren kann, weil sie als kleines Mädchen bemerkte, daß sie immer schreckliche Schmerzen empfand, wenn sie sich nur irgendwo geschnitten hatte, und daß andere Menschen, die sich schwer verletzt hatten, überhaupt keine Schmerzen zu empfinden schienen.

Stellen Sie sich einmal vor, solch ein Stoff würde tatsächlich synthetisch hergestellt, was das für Möglichkeiten böte! Wenn man einem Menschen die Schmerzen nehmen könnte, wie sie etwa bei fortgeschrittener Lepra auftreten. So etwas könnte bei Soldaten wünschenswert sein, die man ins Gefecht schickt ... Das in seinen ganzen Konsequenzen einmal durchzudenken - aber da folgen offenbar die Leser noch nicht so sehr. Der eine oder andere sicherlich, doch die Breitenwirkung, die man sich wünschte, ist offenbar nicht immer zu erzielen, wenn die Fachgebiete dann doch schon etwas schwierig werden. 

 

14)  Wie ist das Verhältnis zwischen Science Fiction-Literatur, die im Weltraum spielt, und der, die in irgendeinem Zeitraum auf der Erde stattfindet? Man verbindet Science Fiction oft mit Weltraumabenteuern.

Das stimmt nicht, stimmt schon lange nicht mehr. Der Weltraum ist irgendwo für Amerika die weitergerückte Grenze gewesen, der Wilde Westen, der sich in den Weltraum fortsetzte, vor allem in vielen Romanen etwa von Robert Heinlein, wo Siedler einmal sogar mit Planwagen durch irgendwelche vierdimensionale Tunnel auf andere Planeten ziehen. Für viele Autoren ist der Weltraum, der fremde Planet ja nur ein Kunstgriff, um die Erde aus einer anderen Perspektive zu zeigen. Oder um zu zeigen, wie sie sein könnte oder nicht sein sollte oder nicht werden darf. Es gab Science Fiction, die sich ernsthaft mit der Raumfahrt auseinandergesetzt hat, doch als das Apollo-Projekt lief, schlief in der Science Fiction das Interesse am Weltraum eigentlich ziemlich ein. Denn wieder war eine Grenze geschwunden, der Pazifik war sozusagen erreicht.

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Es gibt heute noch Autoren wie Hogan oder Benford oder Ben Bova, die unverdrossen weiter große Stationen im Weltraum bauen und besiedeln; da gibt es dann Sabotage, und da tauchen auch vielleicht irgendwo Außerirdische auf, die das Sonnensystem beobachten. Arthur C. Clarke gehört auch zu diesen Autoren. 

Etwa ab Mitte der sechziger Jahre ist jedoch eine deutliche Abkehr zum »inner space« hin, wie das verschiedentlich genannt wird, zu beobachten, verstärkt dann durch die größte amerikanische Identitätskrise, nämlich durch den Vietnam-Krieg, als sehr starke Zweifel am amerikanischen Way of Life aufkamen und an der Machbarkeit von allem durch Erfindungsgeist und Kapital, durch einen Krieg, der sehr viel Betroffenheit ausgelöst hat. Das hat sich in der Science Fiction stark widergespiegelt. Heute ist die Science Fiction eigentlich, wenn man an Autoren wie Christopher Priest denkt, sehr psychologisiert, sehr dem Realitätsverständnis des Menschen zugewandt. Und das kommt ja nicht von ungefähr.

Auf der anderen Seite diese Realitätsverdrossenheit (Technikverdrossenheit ohnehin) in der ganzen Fantasy-Literatur. Darin sehe ich einen Hang zum Eskapismus, der ein bißchen mit der Misere zusammenhängt, die uns die Naturwissenschaften und die Technik in den letzten zehn, fünfzehn Jahren serviert haben. Aber davor hat die Science Fiction ja oft genug gewarnt. 

 

15) Was verstehen Sie unter »inner space«?  

Das Ausloten von Möglichkeiten, die der Mensch in sich hat. 

 

16) Also andere Bewußtseinsformen? 

Andere Bewußtseinsformen, die bis ins Soziale hinein gehen oder auch ins Anatomische. Es gibt Beispiele dafür, daß man versucht hat, andere Formen des Zusammenlebens zu konstruieren, mit nicht sehr viel Erfolg. Aber es gibt, mit mehr Erfolg, Romane, in denen man eben untersucht hat, inwieweit der Mensch eigentlich belastbar, psychisch belastbar ist und was die Möglichkeiten sind, seine kreativen Möglichkeiten, die er eigentlich unter den Umständen, wie sie heute herrschen, überhaupt nicht zu entfalten braucht. Da ist sehr viel entstanden von Autoren, die wahrscheinlich Experimente mit Drogen gemacht haben. Recht interessante Dinge.

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»Inner space« kreist im Gegensatz zu den Weltraumgeschichten wohl auch sehr darum, was das eigentlich Menschliche ist. Vielleicht wurde es auch dadurch angeregt. Durch die Idee von anderen Wesen, Nicht-Menschen, hat man sich wahrscheinlich auch wieder dafür interessiert, was nun das spezifisch Menschliche ist.

Dazu kommt die Frage nach dem Ort, nicht nur geographisch oder astronomisch gesehen. Da gibt es die Erde, und auf ihr sind Menschen. Ist das eigentlich etwas Einmaliges im Universum? Wenn es das wäre, weshalb? Und warum läuft das alles so unbefriedigend? Warum machen die Menschen den Planeten kaputt, wenn er so etwas Wertvolles ist?

Dann überhaupt dieser Mensch! Was hat er eigentlich für eine Bestimmung? Ist er nur ein Zufallsprodukt der Natur, eine Laune, eine Marotte, dann ist es vielleicht gar nicht so schlimm, wenn er - in kosmischen Maßstäben gesehen - verschwindet. Oder aber er erfüllt doch eine ganz bestimmte Funktion; vielleicht ist es ihm aufgegeben, wie die Amerikaner es sich vorgestellt haben, daß er die Galaxis besiedelt, daß er sich an verschiedene Himmelskörper unter verschiedenen Umweltbedingungen anpaßt: anatomisch, physisch, psychisch, und dort vielleicht eine Vielzahl von Varietäten schafft über Jahrtausende, Jahrmillionen hinweg.

Aus diesem wimmelnden Leben, das vielfältige Formen annimmt, was durch Biotechnik sogar noch verstärkt werden könnte, ergibt sich dann die Frage, ob es eben doch eine Art Zielgerichtetheit gibt und der Mensch eine ganz bestimmte Rolle dabei spielt, ob von der unbelebten Materie — ich will das Wort Gott da nicht verwenden — irgendwohin alles in eine Richtung läuft. Philosophische Überlegungen in populärer Form, einem breiteren Publikum nahegebracht. 

17)  Spielt Gott überhaupt eine Rolle in der Science Fiction? Kommt er jemals vor?

Indirekt ja, eigentlich bei jeder Begegnung der dritten Art. Ihr liegt eigentlich immer die Sehnsucht nach dem großen Bruder zugrunde, nicht dem von Orwell, sondern im positiven Sinne die Sehnsucht nach dem liebevollen Vater, der den Menschen bei der Hand nimmt und ihm sagt: Hier geht es lang. 

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Insofern ist er in diesen Wunschphantasien fast allgegenwärtig. Steven Spielberg bringt das in seinen Filmen wie <Unheimliche Begegnung der dritten Art> und <E. T.> optisch gut zum Ausdruck.

Es gibt einige, sehr wenige Autoren, die überaus stark von religiösen Motiven geleitet werden. Dazu zähle ich Michael Bishop und Frank Herbert, die sich beide intensiv Gedanken darüber gemacht haben, unter welchen fremdartigen Umständen sich andersartige Religionen entwickeln könnten. Was gäben sie dem Menschen? Was würden sie ihm nehmen? Ich halte diese Spekulationen für äußerst interessant. 

 

18) Auf welchen Gebieten sollte sich mehr tun in der Science-Fiction-Literatur? Was wird vernachlässigt?  

Zur Zeit wird, meiner ganz persönlichen Meinung nach, die Technik vernachlässigt, weil es gewisse anti-technische und anti-naturwissen­schaftliche Trends in der Science Fiction gibt. 

Es ist schick, ein bißchen Untergangsprophet zu sein, es ist vielleicht auch legitim, aber es hilft nicht weiter.

Für mich ist es eine feststehende Tatsache, daß sich die Probleme, die sich durch die Fortschritte der Technik ergeben haben, nur durch eine bessere Technik überwinden lassen. 

Nicht mit untechnischen Mitteln, nicht bei fast fünf Milliarden Menschen auf der Erde. Auf die Technik kann man nicht mehr verzichten, aber sie muß bewußter eingesetzt werden.

Nehmen wir z.B. den ganzen Komplex <Entwicklungshilfe>. Was da erst an Simulationen notwendig ist, bevor man wirklich helfen kann. Dasselbe gilt für Umweltverschmutzung, Überbevölkerung. Aus diesen Miseren herauszufinden, muß durch technische Maßnahmen geschehen, die aber viel subtiler gehandhabt werden müssen als mit der Brachialgewalt des Kapitals. 

Es sollte nicht mehr so sein, wie es bislang war: eine ungeheure Verherrlichung der Technik und der Naturwissenschaften und des Fortschritts und dann eine absolute Umkehr und nur noch Nabelschau und No Future, sondern durchaus »inner space«, aber sich eben auch damit befassen, was im »outer space«, im Außenraum, vor sich geht, denn den brauchen wir zum Überleben.

Die Anregungen der Grünen sind sehr wertvoll, sie haben sehr zum Nachdenken angeregt. Doch mit einem <Zurück zur Natur> geht es beim besten Willen nicht mehr. 

Wenn man in größeren Zeiträumen denkt, etwa an die nächsten tausend, zweitausend oder zehntausend Jahre, ohne fossile Rohstoffe, ohne Atomenergie, ohne Energiesatelliten im Orbit – wie soll dann die Menschheit noch existieren? 

Das dürfte ein ziemlich kühler und primitiver Nachmittag werden, und irgendwann wird sich dann die Dämmerung über das Menschengeschlecht herabsenken. 

Nein, ohne Technik, sogar ohne ein gewaltiges Mehr an Technik wird es sicher keine Zukunft geben. In dieser Richtung sollte die Science Fiction und könnte sie sicher auch mehr Kräfte wecken, die Entwicklungen in günstigere Richtungen lenken könnten. 

Es gibt bestimmt Autoren, die das können, aber nur wenige, die es gut können, solche langfristigen Ideen zu propagieren. 

Und natürlich ist es viel leichter, wie die Amerikaner es so gern tun, einen Atomkrieg zu beschreiben mit Knalleffekt, worauf dann alles wieder von vorne anfängt und wieder schön paradiesisch und überschaubar ist ...

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