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Hans-Joachim
Maaz Wenn
wir wieder
2007 by Herder
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2007 157 Seiten Bing.Buch Goog.Buch
detopia: |
Dr. Ingeborg Szöllösi, *1968, freie Journalistin und Buchautorin, Studium der Philosphie-, Theater- und Literaturwissenschaften in Berlin.
Verlagstext: Wie kann »Mütterlichkeit« — nicht als typisch »weibliche« Eigenschaft, sondern als übergeschlechtlicher Wert — im Verhältnis von Männern und Frauen, im Alltag der Familie und in unserer Gesellschaft wieder mehr Raum gewinnen? Im Gespräch mit Ingeborg Szöllösi zeigt der bekannte Autor Hans-Joachim Maaz, welche positiven Möglichkeiten entstehen, wenn Mütter und Väter mit ihren unbewussten, verdrängten Seelenanteilen versöhnt sind und sich als Familien-Menschen gegenseitig unterstützen. Wenn wir diese Aspekte in uns wieder annehmen und integrieren, kann auch das gestörte Verhältnis unserer Gesellschaft zur Mütterlichkeit geheilt werden. |
Inhalt
Vorwort - Wütend und empört, erfreut und entlastet (Szöllösi, 7)
1 Mütterlichkeit und Väterlichkeit (11) 2 Sprache, Aussprache und Trauerarbeit (43) 3 Die Mutter als Lilith (55) 4 Die Zukunft des Lilith-Komplexes (77) 5 Unterstützung der Mütterlichkeit (98) 6 Mütterlichkeit, Emanzipation und Familienpolitik (107) 7 Der Umgang mit Grenzen in Familie und Gesellschaft (128) 8 Gefühle und Gefühlsarbeit (143) |
(d-2014:) Ein "Tiefeninterview" mit H.Maaz - von einer "gleichberechtigten" Frau geführt. H.Maaz hat das Interview vor dem Druck überarbeitet. (Sagte mir jemand, der es weiß.) Der Dissens war also größer als wie es hier scheint. I.S. ist also mehr 'contra'. Seite 8: "Mein eigener Ärger über den Lilith-Komplex". Szö. hat also journalistisch unsauber, tendenziös, polemisch, usw., den Audiomitschnitt verschriftlich und bearbeitet. - Ich kritisiere das nicht. Es ist normal. Es ist immer so. Es ist eben <Brigitte>-<Spiegel>-Stil. Es muss krachen. Szö. ist eine "Mainstream"-Journalistin. Aber das hat den Vorteil für den Leser, dass er zusätzlich begreift, warum Maaz nicht in die breite Öffentlichkeit durchdringt bzw. seine Sichtweise, die auch andere haben. (Er wird viel <Maaz-Contra> in sich finden oder in seinem Umfeld.) Szö. betreibt (in ihren Fragen) auch Anbiederei bei ihrem Publikum, damit es sich mir ihr identifizieren kann. Das muss auch bedacht werden. Szö. fragt mit 40 Lebensjahren. Auch wichtig. Sie gibt nicht preis, ob sie Kinder hat. Auch wichtig. Der Dialogstil erleichtert das Lesen. Man kann irgendwo aufblättern und loslesen. H.Maaz kann seine Grundsätze mitteilen, über die Verbesserung der Welt durch Prävention und Therapie von vermeidbaren Neurosen. Durch Szö. erfahre ich, wie die emanzipierte Normalverbraucherin tickt. Insofern ist das Buch dann allen anderen "Maazbüchern" vorzuziehen, wenn man einen Überblick und eine Gesamtschau braucht, wenn man wenig Zeit hat, wenn man nur was auffrischen will. Ein "Kurzmaaz", "Leichtmaaz", "Schnellmaaz", "Volksmaaz". (Spaß muss sein.) H.Maaz sagt "wenig Neues", wenn man die besten Psychosozialbücher aus 50 Jahren BRD betrachtet, ab A.Mitscherlich 1963, H.Richter, A.Gruen. H.Maaz hat durch seine spezielle jahrzehntelange Gruppentherapie spezielle Erfahrungen, die ein Einzeltherapeut nicht hat (oder gar nur ein Vortrags- und Buchtherapeut). Hinzu kommt seine Körperarbeit, die sensationell (janovübersteigend) sein soll. Hinzu kommt seine spezielles Erleben der DDR, samt Opposition.
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Ein Muss von einem Buch 2012 Von Cando, Zentralschweiz, bei Am. Die unverblümte Wahrheit, die jede Frau sich mal ganz ehrlich vorknüpfen sollte. Mütter in falscher Verpackung verursachen mehr Verunsicherung in ihren Kindern, als solche, die dazu stehen, die Mutterrolle nicht mit madonnenhaftem, bittersüßem Lächeln das Gelbe vom Ei zu finden. Pflichtlektüre für Männlein und Weiblein, meine ich persönlich, ... but don't shoot the messenger, bloss weil er den Spiegel vor einen hinstellt.
Ein reichhaltiges Buch, wenn man offen ist für die Denkweise von Maaz -- 2009 von Lilisco bei Am.
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Wütend und empört; erfreut und entlastet Vorwort von I. Szöllösi
7
Wir leben in einer Kultur, die uns zum Erfolg, zum Sieg, zum Ideal drängt, weil wir nicht leiden und trauern wollen. Mit dieser Auskunft steht Hans-Joachim Maaz, Chefarzt der Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik des Diakoniekrankenhauses Halle, nicht alleine da: Er tritt in die Fußstapfen namhafter Psychoanalytiker wie Alexander Mitscherlich und Horst-Eberhard Richter.
Was ihn von letzteren allerdings unterscheidet, ist, dass er sich mit einer erstaunlichen Konsequenz und Hartnäckigkeit einem Thema widmet, das uns allen wehtut: dem Thema Mütterlichkeit. Mit seinem 2003 erschienenen Buch <Der Lilith-Komplex: Die dunklen Seiten der Mütterlichkeit> sind seine Sympathiewerte, die er sich mit seinem 1990 erschienenen Bestseller <Gefühlsstau: Ein Psychogramm der DDR> erworben hatte, drastisch gesunken.
H.Maaz macht sich bei vielen, Frauen wie Männern, unbeliebt, wenn er in seinen Vorträgen, Interviews und Fernsehauftritten von "Muttermangel", "Muttervergiftung" und "falscher Mütterlichkeit" spricht. Das war kurz nach Erscheinen seines Buches über den <Lilith-Komplex> auf den <Basler Psychotherapietagen>, wo ich ihn das erste Mal erlebte, deutlich zu spüren. Nach seinem Vortrag ging ein Aufschrei der Entrüstung durch die Reihen: "Und schon wieder sind Mütter an allem schuld!"
Als hätte es nur diesen einen Vortrag gegeben — überall hörte man im Vorbeigehen die anstößigen Begriffe "Muttermangel", "Muttervergiftung", "falsche Mütterlichkeit". Sie irritierten unsere Gemüter! Doch sie ließen uns nicht mehr los und provozierten zu Recht gefühlsbetonte Reaktionen.
Vor allem in Maaz' anschließendem Workshop gingen die Teilnehmerinnen aus sich heraus, plötzlich zeigten alle ihre Gefühle und versuchten sie irgendwie auszudrücken, plötzlich spielte keiner dem anderen vor, wie gut er sich im Griff hatte, sondern war wütend und empört darüber, dass wieder einer die Mütter angreift, oder erfreut und entlastet darüber, dass sich endlich jemand traut, in aller Öffentlichkeit auszusprechen, dass es die perfekte Mutter nicht gibt, dass Begrenzungen normal sind.
Ich war über so viel Emotion auf einer Tagung, wo man meist darum bemüht ist, gefasst und überlegen zu wirken, so erstaunt, dass ich meinen eigenen Ärger über das Buch <Der Lilith-Komplex> vergaß. "Das gefällt mir, was sich da in diesem Workshop abspielt", dachte ich vor, "da tut sich was! Wie bei einem Csardas — man erlaubt sich ein Wechselbad der Gefühle, Trauer und Sehnsucht, Glück und Ekstase, bis man dann völlig erledigt in einer Ecke des Tanzhauses sitzt und verschnauft und irgendwie ohne jeden Grund mit sich selbst versöhnt ist." Nach einer Gefühlsentladung ist man nämlich — glücklich und zufrieden! Natürlich nicht, wenn man schon im Vorfeld mit dem Glück und der Zufriedenheit kokettiert hat, sondern wenn die beiden sich einfach so — weiß der liebe Himmel, wie — eingestellt haben.
Ich versäumte damals in Basel, meine eigenen Fragen zu stellen, so sehr ging ich in der Rolle der Beobachterin dieses seltenen "Spektakels" auf. Im Zug, auf der Heimfahrt, ärgerte ich mich dann aber sehr über mein Versäumnis. Wie dumm, sich so eine Chance entgehen zu lassen!
Ich musste einige Jahre warten, bis ich dann im Sommer 2006 das Versäumte nachholen konnte: Ich fuhr nach Halle zu H.Maaz und durfte nun alle meine damaligen und neu hinzu gekommenen Fragen zum heiklen Thema "Mütterlichkeit" stellen. Dabei blieb ich nicht besonders ruhig und gelassen, sondern ereiferte mich manches Mal, schließlich glaubte auch ich, das "Ewig-Weibliche", das uns "hinanzieht", "schützen" zu müssen.
In Halle bei H.Maaz erfuhr ich indes, dass es nichts zu schützen, sondern alles aufzudecken gilt. Begrenzungen, Schwächen, Mängel machen uns nicht krank — nein, die Verleugnung unserer Begrenzungen, Schwächen, Mängel schränkt uns ein und schneidet uns von unserer Lebensenergie ab. Wir wollen perfekt und ideal sein, statt mit Fehlern und Makeln zu leben, doch genau dieser Überanspruch macht krank und vergiftet alle Beziehungen, die wir zu unserer Um- und Mitwelt pflegen.
Beinahe hätte ich mich in meiner Rolle als Journalistin selbst überführt, für meinen Auftritt bestraft und mich dafür gescholten, nicht "perfekt" coole und "perfekt" schlaue Fragen gestellt und mich stattdessen viel zu emotional verhalten zu haben. Doch Maaz sei Dank — er sprach den erlösenden Satz: "Man kann und sollte von falschen Vorstellungen, aufgesetztem Gehabe, überzogenem Leistungsstreben und narzisstischem Ehrgeiz loslassen, aber man kann nicht auf Gefühle verzichten." Denn wir hätten "eine andere Welt, wenn wir unsere Gefühle wertschätzen und angemessen ausdrücken könnten und dies auch unsere Kinder lehren würden."
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Ingeborg Szöllösi
Maaz/Szöllösi 2007