Hubertus MynarekDie Vernunft des UniversumsAuf
der Suche nach den Lebensgesetzen
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1988 und 2003 352/383 Seiten
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Philosophie
in der Blauen Eule / Band 56 Hubertus Mynarek
Der bekannte Kirchenkritiker Hubertus Mynarek entwirft hier sein Weltbild: Er zeigt, wie wir selbst den Weg unserer Entwicklung bestimmen und doch Bestandteil des großen kosmischen Lebensgesetzes bleiben können. Mynarek greift die Gedanken einiger der wichtigsten Vertreter der »New-Age«-Bewegung wie Ken Wilber und Fritjof Capra auf. Er integriert ihre Gedanken in sein System vom Kosmos, als eine Gesamtkonzeption, die in überzeugender Weise Leben immer wieder ermöglicht, aufsteigende Entwicklungen in Gang setzt und intelligentes Bewußtsein hervorbringt. Wir alle sind nach Mynarek Elemente eines Ganzen, in dem alle und alles eins sind und sich in einem fließend-dynamischen Gleichgewicht zueinander verhalten. Der Mensch muß sich also nicht als isoliertes Individuum sehen, sondern kann sich als eingebettet in einem großen sinnvollen Plan betrachten. Das Fortschreiten zu höheren und umfassenderen Lebensformen ist möglich, wenn der Mensch die Grundüberzeugung gewinnen kann, daß es immer ein »Weiteres« gibt, das über die gegenwärtige Selbstbeschränkung unseres Begreifens der Wirklichkeit hinauswächst. Das Buch zeigt, wie wir durch das Verständnis des Kosmos, durch die überwältigenden Einsichten in die Struktur, den Aufbau, die Gesetze und Prozesse des Universums auch einen neuen Zugang zu unserer Psyche gewinnen können. Wenn wir den Kosmos als lebendiges Ganzes begreifen, beginnen wir uns selbst nicht mehr als vereinsamtes Individuum zu sehen, sondern finden Anschluß an die kosmischen Lebensgesetze, in die wir eingebettet sind wie in den göttlichen Willen. Mynarek entwirft und entwickelt unter Einbeziehung der neuesten naturwissenschaftlichen, kosmologischen, anthropologischen, ethischen und psychologischen Erkenntnisse ein umfassendes Weltbild, in dem wir selbst den Weg unserer Evolution bestimmen können, aber zugleich Bestandteil des großen kosmischen Lebensgesetzes sind.
Hubertus Mynarek, geboren 1929 in Oberschlesien, studierte Theologie, Philosophie und Psychologie in Krakau, Lublin, Münster und Würzburg. 1953 empfing er die katholische Priesterweihe, 1966 bis 1968 war er Professor für Religionsphilosophie und Fundamentologie in Bamberg, danach bis 1972 Professor für vergleichende Religionswissenschaften in Wien. Im November 1972 führte sein offener Brief an den Papst zum Kirchenaustritt und zum Entzug der kirchlichen Lehrbefugnis. Mynarek ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Seine kritischen Auseinandersetzungen mit der Kirche führten zu seinem bekannten Buch »Eros und Klerus« (1978). In einer Vielzahl weiterer Veröffentlichungen hat er sich seitdem mit modernen Glaubensfragen auseinandergesetzt und zu der Entwicklung eines ökologischen Weltbildes beigetragen. |
Inhalt Einführung (7)
Teil 1: Ökologische Elemente und Lebensregeln bei den Naturvölkern (13) 1.
Mensch und Natur in der Sicht des prähistorischen Menschen
(15)
Teil 2: Die Öko-Logik des Kosmos oder: Das Universum als Haus des Seins (91) 1.
Universum — Naturgesetze — kosmische Grundkräfte: Leben und Mensch
als komplexer, engstens vernetzter, universeller Seins- und
Funktions-Zusammenhang (93)
Teil 3 Das Haus der Psyche (185)
1.
Durch das Tor der Psychologie zum öko-kosmischen Bewußtsein
(187)
Anmerkungen (353) Register (378)
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Einführung vom Autor (1988)
7-12
In einer Zeit, da der technokratische Mensch im Begriff steht, die Erde total zu zerstören, und sich allenthalben — leider weitgehend begründet — Kulturpessimismus und Weltuntergangsstimmung breit machen, sollte auch die andere Seite der Medaille ins Blickfeld gerückt werden, sollten all die positiven Regeln, Gesetze, Kräfte und Einflüsse nicht übersehen werden, die im Universum der Natur und der Psyche unser Leben und unser Bewußtsein hervorgebracht und entwickelt haben bzw. bis zum heutigen Tag aufrechterhalten.
Selbst wenn in der Gegenwart oder nahen Zukunft die letzte endgültige Entscheidung zwischen Gut und Böse, nämlich zwischen global-ökologischer Rettung oder totaler Vernichtung unseres Planeten, von den Verantwortlichen innerhalb der Menschheit getroffen werden sollte, wird sich auch noch diese Entscheidung der Tatsache verdanken, daß uns die grundlegende Ordnung und Gesetzmäßigkeit des Kosmos bis dahin am Leben erhalten hat, daß wir ohne seine Energien und fürsorgenden Einflüsse nicht einmal in der Lage wären, Hand auch noch an uns selbst und an den Organismus Erde zu legen und damit den planetarischen Selbstmord zu verüben.
Zahlreiche Ideologien der letzten Jahrhunderte haben trotz unterschiedlichster Ansätze und sogar inhaltlicher Gegensätze im Endeffekt gemeinsam darauf hingearbeitet, daß sich der Mensch ganz allein und auf sich selbst zurückgeworfen fühlte und vom Kosmos, dem »Haus des Universums«, abkapselte, das ihm trotz mancher kosmischen Katastrophe eben doch stets in diesem Hause zu wohnen erlaubte.
All die großartigen Humanismen der Neuzeit, die alle zweifellos etwas zur individuellen oder gesellschaftlichen Befreiung des Menschen beigetragen haben, vernachlässigten doch stets das Ganze der Wirklichkeit, der Natur in ihren lebensnotwendigen, organischen Zusammenhängen mit dem Menschen, weil sie sich mehr oder minder anthropozentrisch auf den Menschen oder die Menschheit in ihrer »splendid isolation« von allen anderen Lebewesen und Wirkkräften der Erde und des Kosmos beschränkten.
Der individualistische Existentialismus Sartres, der sozialistische Humanismus von Marx und Engels, der Sozialdarwinismus, die vielen psychotherapeutischen Schulen und Methoden im Gefolge der Psychoanalyse Freuds, um jetzt nur einige der einflußreichsten Strömungen zu nennen, sie und fast alle anderen Ideologien des 19. und 20. Jahrhunderts sowie die dominierende Grundtendenz unseres industrialistisch-technokratischen Zeitalters erzeugten gemeinsam trotz sonst auseinandergehender Motive, Tendenzen und Inhalte einen gewaltigen einheitlichen Druck, der das Denken und Fühlen der modernen Menschheit in eine einzige Richtung zwang, in die Richtung einer Überzeugung, die man wohl nicht deutlicher formulieren kann als mit den Worten des französischen Nobelpreisträgers Jacques Monod: »Der Mensch weiß endlich, daß er in der teilnahmslosen Unermeßlichkeit des Universums allein ist... Nicht nur sein Los, auch seine Pflicht steht nirgendwo geschrieben.«
Der Menschheit wurde so Stück um Stück und immer radikaler das Vertrauen zum Sein, das Zutrauen zum Kosmos entzogen. Auch wenn philosophische und wissenschaftliche Erkenntnisse sonst recht lange brauchen, um in das Bewußtsein der Massen — dazu noch in trivialisierter Form — Eingang zu finden, so fühlt sich doch auch der Massenmensch unserer Tage ebenso wie der moderne Durchschnittsintellektuelle gleichermaßen als schutzloses Zufallsprodukt in einem feindlichen Universum.
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Das vorliegende Buch ist dazu geschrieben, diesen Irrtum zu korrigieren. Zwischen den beiden Extrem-Ansichten (»Der Kosmos gibt absoluten Halt und Schutz und vollkommene Geborgenheit« — »Der Kosmos ist uns absolut feindlich gesinnt bzw. kümmert sich überhaupt nicht um die Existenz des Menschen, um Leben und Intelligenz allgemein«) pendelt es die goldene Mitte aus, indem es zeigt, daß das Universum positive Faktoren, Kräfte, Energien, Gesetze, Regelhaftigkeiten bereitstellt, die Leben und Intelligenz grundlegend ermöglichen.
Eine ungeheure Menge kosmischer Einflüsse und intelligenter Einrichtungen, Techniken und Taktiken, genaueste mathematische Werte, mit denen das Universum seine Naturkonstanten ausgestattet hat, Millionen von Elementen des Mikro- und des Makrokosmos wirkten und wirken weiterhin in ausgeklügelter Weise zusammen, um unser Leben, wie das der Tiere und Pflanzen auf unserer Erde, aber auch Leben im gesamten Kosmos zu gewährleisten.
Denn in den zahlreichen Planetensystemen, die mit großer Wahrscheinlichkeit in den Millionen Galaxien des Kosmos realisiert sind, dürften auch Leben und Intelligenz in den verschiedensten Formen tausendfach, ja millionenfach zum Dasein gekommen sein. Der Kosmos ist eine einzigartige, letztlich trotz aller vordergründigen Dissonanzen und Katastrophen sinnvolle Gesamtkonstellation, die auch angesichts der astronomischen Entfernungen und des erhabenen Schweigens der gewaltigen Sternenmeere für den Forscher in sehr beredter, überzeugender Weise Leben immer wieder ermöglicht, aufsteigende Entwicklung in Gang setzt und intelligentes Bewußtsein hervorbringt. Gerade die ungeheure Zahl numerischer »Zufälle«, die nötig waren, die Struktur unseres Universums und sein Funktionieren zu ermöglichen und zu gewährleisten, kann wohl selbst kein Zufall sein.
»Das allem Anschein nach wunderbare Zusammentreffen numerischer Werte, die die Natur ihren Grundkonstanten beigeordnet hat, muß der zwingendste Nachweis dafür bleiben, daß Planung in den Aufbau des Kosmos hineinspielt« (der englische Theoretische Physiker Paul Davies).
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Daß damit nicht wieder durch eine Hintertür der Zweckgedanke in alter Form, das teleologische oder finale Prinzip hereingeschleust wird, zeigen entsprechende Ausführungen im kosmologischen Hauptteil des vorliegenden Buches (= Teil II).
Gerade auf naturwissenschaftliche Ergebnisse, Theorien und Argumente gestützt, zeigt der Autor des vorliegenden Buches, daß der Kosmos uns nicht feindlich, sondern in vieler Hinsicht freundlich gesinnt ist. Wir sind durch Tausende von Fäden mit ihm vernetzt. Jeder Mensch ist eine »kosmische Existenz«, und die Menschheit hat die Aufgabe, zum universalen Menschen emporzuwachsen. Der Kosmos ist unser erweiterter Leib, und wir sind Elemente, denkende Zellen des Kosmos. Die Rhythmik unseres Seins muß mit den großen kosmischen Gesetzmäßigkeiten und Rhythmen übereinstimmen. Es gibt eine großangelegte, umfassende kosmische Ökologie, in der alle und alles eins sind und sich in fließend-dynamischem Gleichgewicht zueinander verhalten.
Und deshalb gibt es auch in der Psyche als einem wichtigen Teilelement des Kosmos eine »Öko-Logik« der Lebens- und Entwicklungsgesetze, an die sich der Mensch weise zu halten hat, wenn er umfassende Gesundheit, echte Eigentlichkeit und Verwirklichung seines tiefsten Selbst erreichen will. »Im Innern ist ein Universum auch«, sagt Goethe, und Nietzsche hat selbst noch dem Körper, nicht bloß der Psyche, eine eigene Weisheit zuerkannt.
Jedenfalls: Auch die Psyche ist ein sinnvoller, soll zumindest ein sinnvoller Haushalt der eigenen Triebe, Tendenzen, Strebungen und Strömungen werden. Sie muß diese ökologisch ausgleichen. Die Psyche etabliert sich in dynamisch-grenzüberschreitender Weise auf einem immer höheren Niveau, auf dem sie, kaum angelangt, ein ökologisches Gleichgewicht herzustellen sucht, das durch eine Plus-Situation und Plus-Stimmung gekennzeichnet ist.
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Stillstand wäre auch bei ihr der allgemeine (entropische) Wärmetod des inneren Universums. Da also auch die Psyche, wenn wir ihrer aufsteigenden Gesetzlichkeit, ihrem ökologischen Haushalt folgen, ein Kosmos ist, stellen das Leben und die ökologischen Entwicklungsgesetze der menschlichen Psyche den Gegenstand der Ausführungen des dritten Hauptteils des Buches dar, der nahtlos an den kosmologischen anknüpft.
Der Mensch der Naturvölker steht dem Kosmos noch irgendwie näher. Auch er steht nicht mehr ganz unvermittelt zur Natur, weil eine Welt gesellschaftlicher Riten, Kulte und Tabus zwischengeschaltet wurde, um das Überleben des Stammes vermeintlich dadurch besser zu sichern. Aber die in viel fundamentalerer Weise ganz und gar unnatürliche Zwischenwelt der Medien, des Fernsehens, der Videokassetten, der Computerbilder usw., eine uns Stunde um Stunde, Sekunde um Sekunde mit ihren Reizen bombardierende Informationsgesellschaft, kennt er nicht oder bei weitem nicht in diesem gewaltigen modernen Ausmaß.
Auch er hat natürlich die »Erbsünde« der Zerstörung der Umwelt in gewissem Maße begangen, zugleich aber finden wir bei ihm wegen seiner größeren Nähe zur Natur, und weil er noch die Stimme der Natur unverfälschter zu hören befähigt ist, viele ökologische Gesetzlichkeiten. Der moderne Forscher ist oft sprachlos und voller Staunen, wenn er mancher Verhaltensweise sogenannter Primitiver gegenübersteht, die von einer einzigartigen Symbiose dieser Menschen mit dem Kosmos und von einem unerhört feinfühligen Umgang mit den Kräften, Energien und Vorräten der Natur zeugt. Der durch unsere Industrielandschaft verödeten Psyche des Jetztmenschen soll daher in einem Vorspann zu den beiden oben kurz charakterisierten zwei Hauptteilen der bisweilen erstaunliche ökologische Reichtum der Psyche mancher Naturvölker gegenübergestellt werden.
In allen drei Teilen des Buches aber zeigt sich, daß der Geist kein frecher Eindringling in das Gebiet der Materie ist, sondern daß er auf all ihren Entwicklungsstufen gleichsam königliches Attribut dieser Materie ist, sie immer begleitend, mehr: sie stets durchdringend, selbstverständlich einmal in mehr rudimentärer bzw. elementarer, dann wieder in komplexerer Form. Den Dualismus, die Grenzen jedenfalls zwischen Materie und Geist, löst der Kosmos selbst auf. Das Universum denkt, es ist ein intelligentes Universum. Vernunft ist diesem Kosmos immanent.
So wie unser Gehirn das Medium ist, durch das sich der menschliche Geist ausdrückt, so wäre der ganze Kosmos das Medium, durch das sich ein allumfassendes Geistesleben ausdrückt.
Möglicherweise liegt in diesem Sachverhalt noch ein Fünkchen Hoffnung darauf, daß die Menschheit dem globalen Holocaust, auf den sie scheinbar rettungslos zusteuert, vielleicht doch noch im letzten Moment entgeht.
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Hubertus Mynarek (1988) Die Vernunft des Universums - Auf der Suche nach den Lebensgesetzen von Kosmos und Psyche