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Elemente des Chaos

2.4- Flächenbrand

 

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Die Zeit zwischen Thanksgiving und Weihnachten gilt in Südkalifornien im Allgemeinen als Beginn der Regensaison. Doch nicht so im Jahr 2017. Das sogenannte Thomas Fire, der schlimmste Brand, der in jenem Jahr in der Region wütete, breitete sich an einem Tag um über 200 Quadratkilometer aus, verwüstete insgesamt über 1100 Quadratkilometer und zwang 100.000 Kalifornier, ihre Häuser zu verlassen.254 Eine Woche nach seiner Entstehung war das Feuer, in der nichts Gutes erahnen lassenden, fast klinischen Sprache der Brandbekämpfer nur »zu 15 Prozent unter Kontrolle«255. Im übertragenen Sinne ist das nicht das schlechteste Bild dafür, wie groß unser Einfluss auf die Kräfte des Klimawandels ist, die diesen Brand und die vielen anderen Umweltkatastrophen, die auf die endzeitlichen Flammen folgen werden, ausgelöst haben. Nämlich: kaum vorhanden.

»Die brennende Stadt ist Los Angeles abgründigstes Bild seiner selbst«, schrieb die Schriftstellerin Joan Didion 1968 in ihrem Essay »Notizen aus Los Angeles«, der im Band Stunde der Bestie erschien.256 Doch ganz so tief reicht die Prägung offenbar doch nicht, denn die Brände, die im Herbst 2017 ausbrachen, lösten in den Schlagzeilen, den Nachrichtensendungen und in anderen Meldungen eine erstaunliche Häufung der Wörter »undenkbar«, »beispiellos« und »unvorstellbar« aus. Joan Didion hatte über die Brände geschrieben, die 1956 in Malibu, 1961 in Bei Air, 1964 in Santa Barbara und 1965 in Watts gewütet hatten. Sie aktualisierte die Liste 1989 in ihrem Essay »Feuersaison«, in dem sie die Brände der Jahre 1968, 1970, 1975, 1978, 1979, 1980 und 1982 beschrieb: »Seit 1919, als damit begonnen wurde, Flächenbrände in diesem County aufzuzeichnen, sind manche Gebiete bereits achtmal abgebrannt.«

Diese Aufzählung von Jahren warnt auf der einen Seite vor überzogenem Waldbrand-Alarmismus - vor einer Art comichafter kalifornischer Umweltpanik, bei der alle Beobachter ganz im gegenwärtigen Unglück aufgehen. Doch nicht alle Feuer sind gleich. Fünf der 20 schlimmsten Brände der kalifornischen Geschichte trafen den Bundesstaat im Herbst 2017,257 ein Jahr, in dem über 9000 davon ausbrachen und insgesamt mehr als 5000 Quadratkilometer niederbrannten und alles in Asche verwandelten.258

Im Oktober jenes Jahres entstanden in Nordkalifornien in nur zwei Tagen 172 Feuer - die Flammen waren so grausam und verheerend, dass in gleich zwei Lokalzeitungen zwei voneinander unabhängige Berichte darüber erschienen, wie ein älteres Paar vor lauter Verzweiflung in einem Swimmingpool Zuflucht suchte, während die Flammen ihr Haus verschlangen.259 Ein Paar überlebte; als es nach sechs qualvollen Stunden wieder aus dem Wasser stieg, war sein Haus komplett abgebrannt.260 Beim zweiten Paar überstand nur der Mann die Ereignisse, seine Frau, mit der er 55 Jahre lang verheiratet gewesen war, starb in seinen Armen.261 Man kann es der Öffentlichkeit nicht verdenken, dass sie, nachdem die Brände unter Kontrolle waren, diese beiden Geschichten beim Austausch von Horrorgeschichten durcheinanderwarf - dass die Klimaschrecken so umfassend sein könnten, dass sie verschiedene Spielarten eines solchen Motivs hervorbrachten, war noch im September unvorstellbar gewesen.

Im folgenden Jahr tauchte eine weitere Variante auf. Im Sommer 2018 lag die Anzahl der Feuersbrünste niedriger, bei insgesamt nur 6000. Aber eine allein, die sich aus einem ganzen Netz von Bränden zusammensetzte und unter der Bezeichnung Mendocino-Komplex bekannt wurde, ließ rund 2000 Quadratkilometer in Flammen aufgehen und bedeckte fast das halbe Land mit Rauchschwaden.262 Im Norden, in der kanadischen Provinz British Columbia, war es noch schlimmer: Dort brannten mehr als 12.000 Quadratkilometer nieder, und der Rauch wäre - hätte er sich so ausgebreitet, wie es frühere Schwaden aus Kanada getan hatten - über den Atlantik bis nach Europa gezogen.263

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Im November folgten, wie bereits erwähnt, das Woolsey Fire, das zur Evakuierung von 170.000 Menschen führte, und das Camp Fire, das noch gefährlicher war, weil es sich über gut 500 Quadratkilometer hinwegfraß und eine ganze Stadt so schnell in Schutt und Asche legte, dass die zur Flucht aufgerufenen Bewohner, 50.000 an der Zahl, an explodierenden Autos vorbeirennen mussten und dabei spürten, wie die Sohlen ihrer Turnschuhe auf dem Asphalt schmolzen. Es war der tödlichste Brand in der Geschichte Kaliforniens und brach damit einen fast ein Jahrhundert alten Rekord, den das Griffith Park Fire 1933 gesetzt hatte.

Wenn diese Brände an sich nichts völlig Neues waren, zumindest nicht in Kalifornien, warum nannten wir sie dann »beispiellos«? Wie der 11. September, der auf mehrere Jahrzehnte voller morbider Fantasien über das World Trade Center seitens der Amerikaner folgte, wirkte auch diese neue Form des Terrors auf das erschrockene Publikum wie eine aus der Angst geborene Klimaprophezeiung, die nun eingetreten war.

Und diese Prophezeiung umfasste drei Ebenen. Erstens, die simple Vorahnung, dass das Klima Schreckliches mit sich bringen könnte - ein zutiefst biblisch geprägtes Gefühl, denn dort besteht eine der Plagen, die über die Erde kommen, aus einem unkontrollierbaren Brand, einem Feuersturm. Zweitens, die stetige Ausweitung der Waldbrände, die in einem großen Teil des Westens mittlerweile gefühlt immer nur einen ungünstigen Windstoß entfernt sind. Doch am erschütterndsten war vielleicht die dritte der Ebenen, die unsere lebhaften Albträume zu bestätigen schienen: dass das Klimachaos in unsere mächtigsten Festungen einbrechen konnte - in unsere Städte.

Durch die Hurrikans Katrina, Sandy, Harvey, Irma und Michael haben sich die Amerikaner an drohende Überschwemmungen gewöhnt, aber das Wasser ist nur der Anfang. In den wohlhabenden Städten des Westens haben selbst diejenigen, die sich der klimatischen Veränderungen bewusst sind, die letzten Jahrzehnte damit verbracht, durch die Straßen zu laufen, über Autobahnen zu fahren, sich in überreichlich bestückten Supermärkten einzudecken, im allgegenwärtigen Internet zu surfen und dabei zu glauben, dass wir uns durch unsere Bauten der Natur entzogen hätten.

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Falsch. Los Angeles, die in einer Wüste errichtete paradiesische Traumlandschaft, war immer schon eine unmögliche Stadt, wie es der Soziologe Mike Davis so treffend formulierte.264 Der Anblick der Flammen, die sich über den achtspurigen Interstate Highway 405 hinweg ausbreiteten, erinnerte uns daran, dass ihre Existenz immer noch unmöglich ist - sogar immer unmöglicher wird. Eine Zeit lang hatten wir daran geglaubt, dass sich die Zivilisation in die andere Richtung entwickelte - dass sie das Unmögliche erst möglich und dann zum Alltag machte. Doch mit dem Klimawandel bewegen wir uns auf die Natur und damit aufs Chaos zu, in eine neue Welt, in der Vergleiche mit bisherigen Erfahrungen nichts nützen.

Ein Zusammenspiel zweier Faktoren wird uns davon abhalten, derartige Brände in Zukunft für normal zu halten, auch wenn keiner von beiden Anlass zur Freude gibt. Der eine besteht darin, dass das extreme Wetter das nicht zulassen wird, weil es keinen stabilen Zustand kennt - es gibt triftige Hinweise darauf, dass diese Waldbrände, die heute in den Albträumen jedes Kaliforniers auftauchen, innerhalb eines Jahrzehnts als die »alte Normalität« bekannt sein werden - die gute alte Zeit.

Auch der zweite Faktor lässt sich aus den Bränden ablesen: Der Klimawandel kommt uns immer näher. Er trifft jetzt auch den wohlhabenden Westen. Die Brände in Kalifornien vernichteten 2017 die Weinernte des Bundessstaats,265 zerstörten mehrere Millionen teure Ferienresidenzen und bedrohten sowohl das Getty Museum als auch das Anwesen von Rupert Murdoch in Bel-Air.266 Zwei bessere Beispiele für den Machtanspruch des amerikanischen Geldes dürften schwer zu finden sein. Nicht weit davon entfernt nahm der Himmel über der glitzernden Traumwelt vieler Kinder, dem Disneyland, durch die sich näher schiebenden Flammen schon bald ein unheimliches Weltuntergangsorange an.

Auf den örtlichen Golfplätzen trafen sich die Reichen der Westküste immer noch, um ein paar Bälle zu schlagen. Es gibt Fotos, auf denen sie ihre Schläger nur wenige Meter von den lodernden Flammen entfernt schwingen - besser hätte man die Gleichgültigkeit des Geldadels nicht bloßstellen können. Im folgenden Jahr verfolgte die Welt per Instagram die Evakuierung der Kardashians.

 wikipedia  Kim_Kardashian 

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Durch die geografischen Gegebenheiten und die Macht des Wohlstands sind die Vereinigten Staaten bisher größtenteils von den Verheerungen verschont geblieben, die der Klimawandel bereits über Teile der weniger entwickelten Welt gebracht hat - größtenteils. Die Tatsache, dass jetzt auch die reichsten Bürger die Klimaerwärmung zu spüren bekommen, führt nicht nur zu hässlichen Ausbrüchen von Schadenfreude bei manchen Liberalen, sondern ist auch ein Zeichen dafür, wie heftig und wie willkürlich sie sich auswirkt. Plötzlich ist es deutlich schwieriger, sich gegen das zu wappnen, was uns bevorsteht.

Was steht uns denn bevor?

Deutlich mehr Brände, die sich deutlich häufiger auf deutlich größeren Flächen ausbreiten. Schon in den vergangenen fünf Jahrzehnten hat sich die Waldbrandzeit im Westen der USA um zweieinhalb Monate verlängert; neun der zehn Jahre, in denen die größte Brandaktivität verzeichnet wurde, fanden seit 2000 statt.267 Weltweit hat sich die Feuersaison seit 1979 um fast 20 Prozent ausgedehnt, und in Amerika wüten die Brände heute auf einer doppelt so großen Fläche wie noch 1970.268 Man rechnet damit, dass die Zerstörung durch die Flammen sich bis 2050 noch einmal verdoppeln wird, und in einigen Regionen der USA könnte sich die betroffene Fläche sogar verfünffachen.269 Mit jedem weiteren Grad Erderwärmung könnte sie um den Faktor vier wachsen. Das bedeutet, dass bei einem Temperaturanstieg von drei Grad - dem Wert, der für das Ende des Jahrhunderts wahrscheinlich ist - in den Vereinigten Staaten 16-mal so viel Land durch die Flammen verwüstet werden könnte, wie es heute der Fall ist, da in einem einzigen Jahr über 40.000 Quadratkilometer Land verbrannten.270 Bei einer Erwärmung um vier Grad fiele die Feuersaison noch viermal schlimmer aus. Der Leiter der kalifornischen Feuerwehr hält den Begriff sowieso schon für überholt: »Wir nennen es nicht mehr Feuersaison«, sagte er 2017. »Lassen Sie den Begriff >Saison< weg - sie hält das ganze Jahr über an.«271

Doch Flächenbrände sind kein rein amerikanisches Problem, sondern wüten überall auf der Erde.

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Im eisigen Grönland vernichteten Brände 2017 zehnmal mehr Fläche als 2014, und in Schweden gingen 2018 Wälder nördlich des Polarkreises in Flammen auf. Brände so weit im Norden wirken zunächst einmal relativ harmlos, weil die Gegend dort oben dünn besiedelt ist. Aber ihre Anzahl steigt noch stärker als die derjenigen in niederen Breiten, und sie bereiten den Klimaforschern große Sorgen: Der Ruß und die Asche, die sie verursachen, landen auf Eisflächen und färben diese dunkel, was dazu führt, dass sie mehr Sonnenlicht absorbieren und schneller schmelzen.272 An der Grenze zwischen Russland und Finnland brach 2018 ein weiteres Feuer aus, und der Rauch der sibirischen Brände jenes Sommers zog bis in die Vereinigten Staaten hinüber. Im gleichen Monat suchte der zweittödlichste Waldbrand des 21. Jahrhunderts die griechische Küste heim und forderte 99 Todesopfer. In einem Urlaubsort versuchten Dutzende Menschen, den Flammen über eine enge Steintreppe zur Ägäis hinab zu entkommen, wurden aber unterwegs vom Feuer eingeschlossen und starben, während sie sich in den Armen hielten.273

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Die Auswirkungen dieser Brände sind weder linear berechenbar noch lassen sie sich sauber summieren. Vielleicht wäre es zutreffender, zu sagen, dass sie eine Reihe neuer biologischer Kreisläufe auslösen. Wissen­schaftler warnen davor, dass in Kalifornien, selbst wenn es durch eine trockenere Zukunft, die immer mehr und verheerendere Brände mit sich bringt, halb verkohlt sein wird, dennoch auch noch nie dagewesene Regenfälle wahrscheinlicher werden - es wird dreimal so häufig zu Ereignissen wie denen kommen, die die Große Flut von 1862 verursachten.274 Und die klarsten Vorboten dafür, welche neuen Schrecken das mit sich bringen könnte, sind Erdrutsche.

Im Januar 2018 wurden die niedrig gelegenen Häuser von Santa Barbara unter einer Lawine aus dem Gebirge begraben, die sich wie ein endloser brauner Fluss über den Abhang zum Meer hinab ergoss. Ein Vater setzte seine kleinen Kinder in einem Anflug von Panik auf die marmorne Küchenarbeitsplatte, weil er davon ausging, dass sie das stabilste Element im Haus sei, und erlebte dann, wie ein rollender Felsblock in das Kinderzimmer einschlug, in dem sie sich wenige Augenblicke zuvor noch aufgehalten hatten.

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Ein Vorschulkind, das den Erdrutsch nicht überlebte, wurde in einer Senke nahe dem Meer gefunden, durch die Bahnschienen verliefen. Es war wohl durch eine einzige Schlammlawine dorthin befördert worden - rund drei Kilometer weit.

Jedes Jahr sterben weltweit zwischen 260.000 und 600.000 Menschen durch den Rauch, den die Waldbrände verursachen.275 Der Rauch durch Flächenbrände in Kanada sorgt für einen sprunghaften Anstieg der Anzahl von Menschen, die an der Ostküste der USA ins Krankenhaus eingeliefert werden, und die Trinkwasserqualität in Colorado war jahrelang durch die Auswirkungen eines einzelnen Feuers im Jahr 2002 beeinträchtigt.276 2014 zogen Rauchschwaden über die Northwest Territories Kanadas, was dazu führte, dass 42 Prozent mehr Menschen aufgrund von Atembeschwerden ein Krankenhaus aufsuchten, und einen »tiefgreifenden«, wie es in einer Studie hieß, negativen Effekt auf das Wohlergehen des Einzelnen hatte.277 »Zu den schlimmsten Erfahrungen, die die Menschen machten, zählte die Isolation«, sagte der federführende Forscher später. »Man hat das Gefühl, nicht entkommen zu können. Wohin soll man auch gehen? Der Rauch ist überall.«278

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Wenn Bäume absterben - ob durch natürliche Ursachen, durch Brände oder durch die Hand des Menschen -, geben sie die Kohlenstoffverbindungen, die sie manchmal jahrhundertelang in sich gebunden haben, in die Atmosphäre ab. In dieser Hinsicht gleichen sie der Kohle. Deshalb zählen die Auswirkungen von Waldbränden auf den CO2-Ausstoß zu einer der gefürchtetsten klimatischen Rückkopplungen - die Wälder der Welt, die normalerweise als Kohlenstoffsenken gelten, könnten zu Kohlenstoffquellen werden und die gespeicherten Gase freisetzen. Die Auswirkungen sind dann besonders dramatisch, wenn die Brände in Wäldern auf Torfboden wüten. Ein solcher Torfbrand setzte 1997 in Indonesien beispielsweise bis zu 2,6 Gigatonnen Kohlendioxid frei - 40 Prozent der Menge, die weltweit pro Jahr ausgestoßen wird.279

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Und mehr Brände bedeuten mehr Erwärmung, bedeutet mehr Brände. In Kalifornien kann ein einziger Flächenbrand alle Fortschritte zunichtemachen, die durch die offensive Umweltpolitik des Bundesstaates in einem Jahr erreicht wurden.280 Feuer dieses Ausmaßes gibt es mittlerweile fast jedes Jahr. Das lässt alle technokratischen, gut gemeinten Ansätze zur Reduzierung der Emissionen fast lächerlich erscheinen. Und die Brände werden noch um das 16-Fache zunehmen; wenn wir so weitermachen wie bisher, könnte es bis Ende des Jahrhunderts sogar das 60-Fache sein. Im Amazonasgebiet, das 2010 die zweite »Jahrhundertdürre« innerhalb von fünf Jahren erlebte, wurden 2017 100.000 Brände verzeichnet.281

Im Augenblick speichern die Bäume im Amazonasgebiet ein Viertel des jährlich von den Wäldern der Erde absorbierten Kohlendioxids.282 Doch 2018 wurde Jair Bolsonaro zum Präsidenten von Brasilien gewählt, der versprach, die Regenwaldregion zur Erschließung freizugeben - das heißt zur Abholzung. Wie viel Schaden kann ein einzelner Mensch dem Planeten zufügen? Eine Gruppe brasilianischer Forscher schätzt, dass Bolsonaros Abholzungspläne zwischen 2021 und 2030 einer Freisetzung von etwa 13,12 Gigatonnen CO2 gleichkämen.283 Die Emissionen der USA betrugen 2017 etwa fünf Gigatonnen.

Das bedeutet, dass diese eine politische Entscheidung zwei- bis dreimal so starke Auswirkungen auf den Kohlendioxidausstoß haben könnte wie die gesamte amerikanische Wirtschaft mit all ihren Flugzeugen, Autos und Kohle­kraft­werken.

Den mit Abstand größten Ausstoß hat China, das Land war 2017 für 9,1 Gigatonnen CO2-Emissionen verantwortlich. Bolsonaros Politik verschärft das Problem durch die fossilen Brennstoffe also so sehr, wie es ein weiteres China täte - wenn auch nur für ein Jahr -, plus ein zweites Mal die USA.

Weltweit verursacht das Roden der Wälder etwa 12 Prozent des Kohlendioxidausstoßes,284 bei den Waldbränden sind es rund 25 Prozent.285

Die Fähigkeit der Waldböden, Methan aufzunehmen, ist in nur drei Jahrzehnten um 77 Prozent zurückgegangen,286 und einige der Wissenschaftler, die sich mit der Abholzung der tropischen Wälder befassen, glauben, dass diese die Temperatur der Erde um weitere 1,5 Grad ansteigen lassen könnte, selbst wenn die Emissionen durch fossile Brennstoffe sofort unterbunden würden.287

Historisch betrachtet war der Anteil, den die Abholzung von Wäldern an den Emissionen hatte, sogar noch höher; zwischen 1861 und 2000 machten das Fällen von Bäumen und das Planieren ganzer Waldflächen 30 Prozent des Ausstoßes aus.288 Bis 1980 spielte die Rodung eine größere Rolle für die Rekordzahlen heißer Tage als der direkte Ausstoß von Treibhausgasen. Das wirkt sich auch auf die öffentliche Gesundheit aus: Jeder Quadratkilometer abgeholzten Waldes führt zu 27 neuen Malaria-Fällen, weil dieZahl der Überträger zunimmt - wenn die Bäume verschwinden, machen sich die Insekten breit.289

Das ist ein Phänomen, das sich nicht nur bei Waldbränden beobachten lässt: Jede Klimagefahr bringt solche schlimmen Kreisläufe mit sich. Die Brände sind schon furchterregend genug, aber die wahre Grausamkeit des Klimawandels zeigt sich erst durch die Kaskaden des Chaos, die darauf folgen - er kann alles, was wir je für verlässlich gehalten haben, auf den Kopf stellen und brutal gegen uns wenden. Unsere Häuser werden zu Waffen, Straßen zu Todesfallen, die Luft wird zu Gift. Und die idyllischen Gebirgspanoramen, in denen Generationen von Unternehmern und Spekulanten ganze Ansiedlungen von Ferienvillen erbaut haben, werden selbst zu willkürlich zuschlagenden Killern - und mit jedem destabilisierenden Ereignis ist es nur wahrscheinlicher, dass sie wieder zuschlagen.

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