Ohne
die Utopien anderer Zeiten lebten die Menschen noch in Höhlen, elend und
nackt. Es waren Utopisten, die den Weg zur ersten Stadt bahnten... Aus
großzügigen Träumen entstehen nützliche Wirklichkeiten. Utopie ist das
Prinzip allen Fortschritts und der Entwurf einer besseren Zukunft.
Anatole
France
Mit
der Utopie beginnt der moderne Sozialismus.
Kautsky
Ein
Morgen Land in Middlesex ist besser als ein Fürstentum in Utopia.
Lord
Macaulay
Keine
Utopie ist so abenteuerlich, als daß sie nicht einige unbestreitbare
Vorteile hätte.
Auguste
Comte
Utopien
werden im allgemeinen als literarische Kuriositäten betrachtet, denen
eher bekannte Namen zu Ansehen verhelfen, als der ernstzunehmende Beitrag
zu politischen Problemen, die das Zeitalter, in dem sie erschienen,
beschäftigten.
H.F.
Russell
Eine
Weltkarte, auf der Utopia nicht verzeichnet ist, ist noch nicht einmal
eines flüchtigen Blickes wert, denn auf ihr fehlt das einzige Land, wo
die Menschheit immer landet. Und wenn die Menschheit dort landet, hält
sie Ausschau, und wenn sie ein bessere Land sieht, setzt sie die Segel.
Der Fortschritt ist die Verwirklichung von Utopien.
Oscar
Wilde
Nicht
in Utopia, — unterirdischen Gefilden, —
Oder auf einer geheimen Insel, der Himmel weiß wo!
Sondern auf dieser Welt, eben der Welt
Von uns allen, — dem Ort, wo wir am Ende
Unser Glück finden oder niemals!
William
Wordsworth
(Seite
9)
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Vorwort
1949 von George Woodcook
*
(d-2010:) 1912-1995, 83, kanadischer Historiker des Anarchismus
Wikipedia
en Autor + Wiki
dt Manifest d S
7-8
In
<Reise durch Utopia>
gibt
uns Marie Louise Berneri
eine Beschreibung und kritische Einschätzung der wichtigsten (nicht
unbedingt die bekanntesten) utopischen Schriften, die — seit Plato
in seinem <Staat> den Träumen vom goldenen Zeitalter und von
idealen Gesellschaften zum ersten Mal eine literarische Form gab —
zweifellos den Menschen seit Beginn seiner bewußten Beschäftigung
mit gesellschaftlichen Problemen verfolgen.
Ein
paar Worte der Erinnerung sind, glaube ich, notwendig, um die Form, die
das Buch angenommen hat, zu erklären.
Anfang
1948, als
der Plan an sie herangetragen wurde, eine Zusammenstellung von Auszügen
von Utopien zu veröffentlichen, erklärte sie sich bereit, die Auswahl
zu übernehmen, meinte jedoch, daß das ursprüngliche Vorhaben nicht so
sehr geeignet sei, da die gefeierten Utopien für den, der sich
ernsthaft darum bemühte, in der einen oder anderen Form wohl leicht
erhältlich seien, und
daß
man nicht eine bloße Zusammenstellung brauchte, sondern eher eine
Arbeit, die Information und Kommentar verband,
sie ausführlich darstellte, jedoch gleichzeitig diskutierte und sie
derart verknüpfte, daß die Entwicklung des utopischen Gedankens und
seine Rolle in der Geschichte gesellschaftlicher Bedingungen und Ideen
deutlich hervortrat.
Ihr
Vorschlag wurde leicht abgewandelt angenommen, und sie machte sich mit
charakteristischer Sorgfalt an die Arbeit, sowohl die verborgenen als
auch die vertrauten Utopien aufzuspüren.
Schon
ein kurzer Blick in dieses Buch und seine Bibliographie zeigt, wie
erfolgreich sie war; und man wird feststellen, daß einige der Utopien,
die sie aus der Vergessenheit hervorgeholt hat, wie zum Beispiel die von
Gabriel de Foigny, sowohl literarisch interessant als auch
wichtige Reflexionen der gesellschaftlichen Bestrebungen ihrer Epoche
sind.
In
einigen Fällen gab es keine englische Ausgabe, und Marie Louise Berneri
mußte selbst aus dem Französischen oder Italienischen übersetzen;
dies war der Fall bei Diderots
Nachtrag
zu Bougainvilles Reise
und
Cabets Reise nach Ikarien, während sie Campanellas
Sonnenstaat,
basierend auf der italienischen Fassung des Originals, neu
übersetzte, welche einige Jahre älter war als die lateinische Fassung,
die der frühere englische Übersetzer benutzt hatte.
Soweit
ich hinsichtlich der gegenwärtigen Standardwerke über Utopien
feststellen kann, hat keines von ihnen ein so weites Spektrum wie der
vorliegende Band, noch es geschafft, das Thema in so erfrischender und
anregender Weise zu präsentieren.
In
ihrem Bericht über Utopien betont Marie Louise Berneri nachdrücklich
den intoleranten und autoritären Wesenszug der meisten dieser Visionen,
wohingegen die Ausnahmen, wie Morris, Diderot und Foigny nur eine
unbedeutende Minderheit bilden. Und weiterhin weist sie darauf hin, daß
die Marxisten, obwohl sie immer den Anspruch erhoben haben, im Gegensatz
zu den utopischen Sozialisten „wissenschaftlich" zu sein, in der
Praxis ihrer tatsächlichen gesellschaftlichen Experimente zu der
allgemein rigiden Struktur tendierten, die viele der charakteristischen
institutionellen Züge der klassischen Utopien besitzt. Zum Glück haben
die Lehren aus dieser Entwicklung
ihre Wirkung auf die Menschen heute nicht verfehlt, seien sie nun
Intellektuelle oder Arbeiter.
Visionen
einer idealen Zukunft, wo jegliche Handlung, wie in den Entwürfen
Cabets oder Bellamys, sorgfältig reglementiert und in einen Modellstaat
eingebettet ist,
sind
nicht mehr populär,
und man kann sich kaum vorstellen, daß ein solches Buch heute zu dem
Ruhm gelangte, dessen sich Bellamys <Rückblick
aus dem Jahre 2000> Ende des 19. Jahrhunderts erfreute.
Es
ist bezeichnend, daß es nicht nur Schriftsteller gibt, die sich
heutiger gesellschaftlicher Mißstände bewußt sind und Anti-Utopien
schreiben, um die Leute vor den Gefahren zu warnen, die ein Weitergehen
in Richtung eines reglementierten Lebens mit sich bringt, sondern
daß eben diese Bücher dieselbe Popularität besitzen wie die
spießigen Visionen eines sozialistischen Paradieses vor 1914.
Nach
Beendigung von <Reise durch Utopia> erschienen noch zwei
bedeutende Bücher dieser Art, die Marie Louise Berneri zweifellos
erwähnt hätte, wenn
sie noch gelebt hätte.
Das
eine ist
Aldous Huxleys Affe und Wesen
(Ape and Essence), eine wahrhaft makabre Zukunftsvision nach dem
Atomkrieg, wenn die Menschen in Kanada zu Teufelsanbetern geworden sind
in einer Gesellschaft, die sich auf dem Kult des Bösen und des Hasses
gründet. Dieses Werk steht streng in der utopischen Tradition
und
betont seine Lehren für die Gegenwart mit sehr viel mehr Grausamkeit
als derselbe Autor in seiner früheren Anti-Utopie Schöne
neue Welt (Brave New World).
Die
zweite
dieser neuen Anti-Utopien ist <1984> (Nineteen Eighty Four)
des späten George Orwell, eine noch mächtigere Vision einer von
Autorität zerstörten Welt, eine Art Verlängerung der logischen
Schlüsse aus Platos Staat und allen anderen Utopien, die der
menschlichen Individualität feindlich gegenüberstehen. In Orwells <Zimmer
101> (Airstrip One) wird alle Individualität am Ende ausgemerzt,
und sogar die Gedanken werden reglementiert in einer Weise, wie sie in
früheren Utopien unvorstellbar war.
Man
kann sich vorstellen, mit welchem Vergnügen ein autoritärer Utopist
der Vergangenheit sich dieser Techniken zur Herstellung gedanklicher
Gleichförmigkeit bemächtigt hätte,
denn in jenen Tagen war all dies noch zu weit entfernt, um Thema von
Lehnstuhlvisionen
zu werden.
Heute
bricht der Alptraum über uns herein,
die Utopien der Vergangenheit nehmen um uns herum Gestalt an, und wir
stellen schließlich fest, daß die scheinbar vergnüglichsten dieser
Entwürfe notwendig zu einem grausamen Gefängnis werden,
wenn
sie nicht fest und sicher auf der Grundlage individueller Freiheit
basieren, wie im
Fall jener glänzenden Ausnahme Kunde von Nirgendwo (News from
Nowhere).
Marie
Louise Berneris Buch ist nicht nur von akademischem Interesse.
Es
ist mehr als eine bloße Zusammenstellung und Kritik von Utopien,
denn es stellt in erschreckender Weise die enge und verhängnisvolle
Beziehung zwischen utopischem Denken und gesellschaftlicher
Wirklichkeit heraus und nimmt einen Platz unter den bedeutenden Büchern
ein, die in den letzten Jahren erschienen sind und uns von verschiedenen
Gesichtspunkten her vor dem Schicksal warnen, das uns erwartet, wenn wir
so töricht sind, unser Vertrauen auf eine geordnete und reglementierte
Welt zu setzen.
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