Rainer
Grießhammer, Hey,
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1989 182+6 Seiten wikipedia Grießhammer *1953
detopia:
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Dr.
Rainer Grießhammer *1953, Chemiker Rainer Ulrich Grießhammer ist ein deutscher Chemiker, Senior Advisor am Öko-Institut und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zukunftserbe, Honorarprofessor für Nachhaltige Produkte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. detopia-2013: Frühes Warnerbuch in einem Großverlag. Rücktext: Das Klima ist aus den Fugen geraten, die Atmosphäre ist nicht mehr dieselbe wie noch vor wenigen Jahrzehnten: Immer wärmer wird es auf der Erde, und gleichzeitig schwindet die schützende Ozonschicht. Schuld daran ist der Mensch.
Zu diesem Buch
Das Klima ist aus den Fugen geraten. Die Atmosphäre, die uns die Luft zum Atmen gibt, die Wärmestrahlung der Sonne speichert und uns vor der zerstörerischen ultravioletten Strahlung schützt, ist nicht mehr dieselbe wie noch vor wenigen Jahrzehnten. Im Laufe der Industrialisierung hat der Mensch Milliarden von Tonnen sogenannter Spurengase freigesetzt, die sich in den höheren Luftschichten anreichern. Ihre Konzentration wächst stetig. Die Folgen: eine kontinuierliche Erwärmung der Atmosphäre und der fortschreitende Abbau der schützenden Ozonschicht.
Wenn die Emission klimaschädigender Stoffe nicht drastisch gesenkt wird und die Temperaturen weiter steigen, steht uns eine globale Klimakatastrophe bevor: Klimazonen werden sich verschieben, der Meeresspiegel könnte um mehrere Meter ansteigen, die Überschwemmung weiter Landflächen, ein weltweites Waldsterben, Wüstenbildungen und Dürrekatastrophen drohen. Die verstärkt eindringende UV-Strahlung wird zudem zur Zunahme von Hautkrebs und anderen Krankheiten und zu verheerenden Ernteeinbrüchen führen.
Vorboten des kommenden Unheils sind bereits zu spüren: Die Zahl der «Naturkatastrophen» wie Überschwemmungen, Wirbelstürme und langandauernde Trockenperioden ist in den achtziger Jahren weltweit gestiegen.
Dieses Buch verdeutlicht die komplexen Ursachen und die möglichen Folgen von Ozonloch und Treibhauseffekt, und es zeigt, was geschehen muß, will man der Katastrophe noch Einhalt gebieten. Prof. Grießhammer, 2016
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Inhalt
Einleitung (7)
1. Das Ozonloch
2. Der Treibhauseffekt
3. Klimakatastrophe und «Dritte Welt»
Literatur (183) Die Autoren (190)
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Einleitung
7-10
Ozonloch und Treibhauseffekt - zwei Begriffe, an die wir uns gewöhnen müssen. Durch die Freisetzung verschiedenster Chemikalien im Laufe der Industrialisierung und besonders in den letzten Jahrzehnten hat der Mensch das weltweite Klimagleichgewicht bereits heute empfindlich gestört. Der Treibhauseffekt führt zu einer Erderwärmung, die <Fieberkurve>» steigt bereits. Gleichzeitig nimmt die Ozonschicht ab, die uns vor der ultravioletten Strahlung der Sonne schützt. Das antarktische <Ozonloch> weist uns die weltweite Zukunft: Immer mehr harte, energiereiche und zerstörerische Strahlung (UV-B-Strahlung) wird ungefiltert die Erde erreichen.
Treibhauseffekt und Ozonabbau könnten zu einer Katastrophe von wahrhaft biblischem Ausmaß führen - nur wird sie nicht auf sieben Jahre beschränkt bleiben. Die gefürchtete Zunahme von Hautkrebs wird wahrscheinlich noch das geringste Problem darstellen. Die schnelle Verschiebung von Klimazonen, Dürreperioden, Überschwemmungen und die für Pflanzen und Phytoplankton höchst schädliche UV-B-Strahlung werden gewaltige Ernteverluste und Rückgang der Fischbestände mit sich bringen.
Ein einziges Beispiel: die möglicherweise schon durch den Treibhauseffekt bewirkte Dürre im US-amerikanischen Mittelwesten verminderte 1988 die Weltgetreidevorräte um die Hälfte. Der Anstieg des Meeresspiegels wird zur Überflutung riesiger Küstengebiete führen. Millionen von Menschen werden auf der Flucht sein - vor dem Wasser, der Dürre, dem Hunger.
Nicht nur das Ausmaß der zu erwartenden Katastrophe, sondern auch ihre Entstehungsgeschichte erfordern eine völlige Abkehr von den gängigen Handlungsmustern der Politik: Der Eintrag der klimaverändernden Stoffe in die Atmosphäre erfolgt(e) über Jahrzehnte, aus den verschiedensten Quellen und weltweit. Da sie schlecht abgebaut werden, hat sich eine Millionen Tonnen schwere «Altlast» aufgebaut. Ihre Wirkung zeigt sich erst verzögert, denn es dauert lange Zeit, bis die Chemikalien zum «Tatort» aufgestiegen sind, und ihre durchschnittliche Verweilzeit kann dort im Fall der ozonschädigenden Stoffe über 100 Jahre betragen. So lange lebt kein Politiker.
Der Abbau der Ozonschicht wird durch die sogenannten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) und andere, meist synthetische Chemikalien bewirkt. Die FCKW werden als Treibgase in Spraydosen, als Kältemittel (in Kühlschränken, Autoklimaanlagen usw.), als Lösemittel (vor allem in der Elektronikindustrie) und bei der Produktion bzw. Verschäumung von Kunststoffen (Polster, Matratzen, Isoliermaterialien, Verpackungen) eingesetzt. Damit repräsentieren sie durchaus den «typischen» Chemikalieneinsatz.
Die bisher diskutierten und in Angriff genommenen Gegenmaßnahmen verlaufen nach dem gängigen Handlungsmuster: Der als schädlich anerkannte Stoff x wird durch den «Ersatzstoff» y ersetzt, die chemische Industrie verweigert wie üblich die Bekanntgabe der Produktionsmengen von x und anderer wichtiger Daten, erst recht aber einen Überblick über ihre Produktion. Dabei sind die gewählten Ersatzstoffe zum Teil selbst ozonschädlich, und zudem werden die anderen ozonzerstörenden Stoffe (außer den FCKW) von der offiziellen Politik zum «Schutz der Ozonschicht» bisher völlig vernachlässigt.
Ohne eine grundsätzliche Änderung der Chemiepolitik, ohne gezielte staatliche Eingriffe in die Chemieproduktion wird sich nur wenig ändern, denn bei den Produktionsentscheidungen der Chemieindustrie spielen Umwelt und Gesundheitsschutz nur eine untergeordnete Rolle. Das Streben nach Profit und interne strukturelle Zwänge wie die hochvernetzte Verbundproduktion setzen andere Prioritäten.
Der Treibhauseffekt wird etwa zur Hälfte durch Kohlendioxid, aber auch durch die FCKW und andere Stoffe bewirkt. Die Freisetzung von Kohlendioxid erfolgt im wesentlichen durch die Verbrennung der fossilen Energieträger Kohle, Öl und Gas, im geringeren Ausmaß durch die Brandrodung und damit die Zerstörung der tropischen Regenwälder.
Eine Politik der Klimastabilisierung erfordert bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts den weitgehenden Ausstieg aus der Nutzung der fossilen Energieträger. Schon von daher ist auch in der Energiepolitik eine grundsätzliche Neuorientierung notwendig, die auf den Einsatz rationeller Energienutzungstechniken und regenerativer Energiequellen setzt. Die für die bisherige Energie-Verschwendungspolitik verantwortliche Energiewirtschaft setzt freilich mehr oder weniger offen auf eine Renaissance der Atomenergie.
Nur weil die Atomenergie angeblich zu keinen Kohlendioxidemissionen führt - eine Behauptung, die sich bei der Betrachtung des gesamten Brennstoff«kreis»laufs als klare Falschaussage entpuppt -, sollen plötzlich die Störfälle, die völlig ungeklärte Atommüllagerung, die dubiosen Atommülltransporte und -verschiebereien, die Proliferationsgefahr und das finanzielle Debakel der Atomwirtschaft akzeptabel sein - und das auch noch weltweit, vervielfacht, in politischen Krisengebieten und in technisch wenig entwickelten Ländern.
Wer im Treibhaus sitzt, sollte nicht auch noch mit Radioaktivität um sich werfen. Die Atomenergie ist keine Lösung des Problems, sondern selbst ein Teil davon. Denn als wesentlicher, struktureller Baustein einer großkraftwerks- und absatzorientierten Energiewirtschaft blockiert sie eine ökologische Energiepolitik. Hinzu kommt: von allen derzeit diskutierten Maßnahmen zur Kohlendioxidreduzierung ist die Atomerergienutzung die weitaus unwirtschaftlichste. Daß nun ausgerechnet die Vertreter der Atomwirtschaft angesichts des Treibhausproblems eine neue «Schicksalsgemeinschaft» beschwören, wo alle wieder in «einem Boot sitzen», wirft die bekannte Frage auf, wer dann rudern soll und wer am Steuer sitzen darf. Die bisherigen Steuermänner setzen weiterhin auf den falschen Kurs.
Diese «Schicksalsgemeinschaft» wird auch weltweit ausgerufen, alle sollen Opfer bringen, um das Klima zu retten, auch die Länder der Dritten Welt. Häufig wird dabei verschwiegen, daß die Industrieländer die Haupttäter und die Entwicklungsländer die Hauptopfer der katastrophalen Umweltveränderungen sind. Die Industrieländer, die nur ein Viertel der Weltbevölkerung repräsentieren, verursachen etwa neun Zehntel der derzeitigen FCKW-Emissionen und sind für drei Viertel des Weltenergieverbrauchs verantwortlich. Der über die letzten Jahrzehnte kumulierte Anteil der Industrieländer am Kohlendioxid- und FCKW-Schuldenberg liegt sogar noch höher. Die Folgen der Klimaveränderungen und des Ozonabbaus werden jedoch die Entwicklungsländer wesentlich stärker treffen als die Industrieländer, und sie haben weit weniger technische und finanzielle Mittel, sich gegen diese Folgen zu wehren - also etwa Dämme zu bauen oder teure Nahrungsmittel zu kaufen.
Natürlich muß auch in der Dritten Welt etwas geschehen: Die Vernichtung der tropischen Regenwälder muß gestoppt werden, und zwar nicht nur wegen der damit verbundenen Klimagefahren. Freilich ist die seit Jahrzehnten andauernde Regenwaldzerstörung (und der Völkermord in den Regenwaldgebieten) in den Industrieländern erst ein Thema, seit ihre globalen Auswirkungen erkennbar werden, seit der reiche Norden sich selbst zu den Betroffenen zählen muß.
Der scheinheilige Versuch, nun den Entwicklungsländern die Verantwortung für diese gigantische Naturzerstörung zuzuschieben, fällt gleich mehrfach auf die Industrieländer zurück. Sie importieren die Rohstoffe, für die der Wald vernichtet wird (Tropenholz, Eisenerz, Soja usw.), sie finanzieren die industriellen Großobjekte im Regenwald. Gleichzeitig haben sie für einen stetigen Verfall der Rohstoffpreise gesorgt, der die hochverschuldeten Entwicklungsländer zwingt, ihre natürlichen Ressourcen immer bedenkenloser für die westlichen Kredithaie zu plündern.
Die Mißwirtschaft, die Armut, die daraus resultierende Überbevölkerung und die soziale Ungleichheit in den Entwicklungsländern sind auch Folgen der kolonialen Vergangenheit und einer verfehlten Entwicklungspolitik. Verantwortlich dafür sind die ehemaligen Kolonialherren und die kapitalistischen Industrieländer.
Eine soziale und ökologische Umgestaltung in den Entwicklungsländern, die auch der Regenwaldzerstörung Einhalt gebieten könnte, setzt eine grundsätzliche Änderung im Nord-Süd-Verhältnis voraus. Sie ist nur erreichbar auf der Basis einer neuen ökologischen Weltwirtschaftsordnung, einer Streichung der Schulden bzw. ihrer Verwendung für sozial und ökologisch sinnvolle Projekte und gerechter Rohstoffpreise. Dagegen werden Vorschläge der Industrieländer, die einzig darauf zielen, über die Regenwälder die eigene Haut zu retten, zwangsläufig zu einem Öko-Imperialismus führen. In der «Dritten Welt» wird sich aber - so der brasilianische Umweltschützer Jose Lutzenberger - nur etwas ändern, wenn sich in den Industrieländern etwas ändert.
Packen wir's an.
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