Lloyd deMausePsychohistorie, Psychogenese Die Psyche der Massen |
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Wikipedia.Autor *1931 in Detroit bis 2020 (88) Psychohistorie.de Wiss. Gesellschaft detopia: Ökobuch |
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deMause:
Lloyd
deMause ist mit wichtigen Arbeiten zur Geschichte der Kindheit Psychohistorie.de Gesellschaft für Psychohistorie und politische Psychologie e.V. Deutsche Gesellschaft für Psychohistorische Forschung psychohistorie.de/tagungen.html Jahrestagungen - meist in Berlin Psychohistory.com Institut für Psychologische Geschichtsbetrachtung in New York Direktor: Lloyd deMause Psychosozial-Verlag.de deutscher Buchverlag für deMause |
deMause 2002, Seite 305 bis 307:
Es ist schwierig zu beschreiben, welche Art von Welt von individualisierten Persönlichkeiten gestaltet würde, nachdem die ersten Eltern des helfenden Modus — bei dem Mutter und Vater ihre Kinder bedingungslos lieben und diesen dabei helfen, ihre eigenen Ziele zu erreichen, und die von Geburt an reale Ichs besitzen — in den entwickeltsten Gesellschaften erst seit ein paar Jahrzehnten auf der Bildfläche erschienen sind.
Wenn ich meinen eigenen Kindern und einigen ihrer Freunde beim Heranwachsen und dabei, wie sie ihr produktives Leben einrichteten, zusah, erkannte ich einen großen Unterschied zwischen ihnen und meiner eigenen Generation der sozialisierten Psychoklasse. Sie sind weit empathischer und daher besorgter um andere, als wir es je waren, und das machte sie in ihrem Leben weit aktiver im Versuch, etwas zu erreichen und die Welt zum Besseren zu verändern, wobei sie sich hauptsächlich in lokalen Aktivitäten einbringen, und nicht bei globalen politischen Veränderungen.
Sie lassen jedes Verlangen nach Nationalismus, Krieg und anderen grandiosen Projekten vermissen, und die Organisationen, die sie gründen, sind authentisch unautoritär. Es ist keine Frage, dass, würde die Welt Kinder nach dem helfenden Modus großziehen, Kriege und alle anderen selbstdestruktiven sozialen Bedingungen, unter denen wir im 21. Jahrhundert immer noch leiden, getilgt würden, weil die Welt einfach mit individualisierten Persönlichkeiten gefüllt sein würde, die empathisch gegenüber anderen und nicht selbstdestruktiv wären.
Eine Welt, die ihre Kinder liebt, ihnen vertraut und sie zur Entwicklung einzigartiger Ichs ermutigt, würde eine Welt mit ganz anderen Institutionen sein, eine Welt ohne Kriege, Gefängnisse und andere herrschaftliche Gruppenfantasien.
Das größte Problem liegt darin, dass die Evolution der Kindererziehung bis jetzt ein langsamer, schwankender historischer Prozess war, der stark von der Unterstützung innovativer Mütter und deren hoffnungsvollen Töchtern abhängt.
Leider haben wir in einer Welt, in der unsere destruktive Technologie unseren Fortschritt bei der Erziehung bei weitem übersteigt — in der ein einzelnes Unterseeboot nun eine ausreichende Anzahl von nuklearen Sprengköpfen fassen und mit einem Knopfdruck den größten Teil der Welt zerstören kann —, nicht die Möglichkeit, einfach warten zu können, bis sich die Kindererziehung von selbst entwickelt.
Wenn wir das tun, werden wir uns mit Sicherheit selbst, lange bevor Kindesmissbrauch zur Gänze verschwunden ist und wir daher abrüsten wollen, in die Luft jagen.
Was wir jetzt brauchen, ist ein Weg, der fortgeschritteneren Psychoklassen erlaubt, Kindererziehung weniger entwickelten Eltern beizubringen, ein Weg, der Kindesmissbrauch schnell genug beendet, um den auf uns wartenden globalen Holocaust zu verhindern.
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Seitdem die ersten psychomotorischen Studien über die Verknüpfung von Kindesmissbrauch mit Krieg und sozialer Gewalt erschienen sind, hat ein Arzt und Psychohistoriker, Robert MacFarland, daraus geschlossen, es müsse möglich sein, den Kindesmissbrauch in seiner Gemeinde zu beenden, indem man eine neue Institution, ein Elternschaftszentrum, gründet und dort mit allen möglichen zu Verfügung stehenden Mitteln Eltern jedes neugeborenen Babys in Boulder, Colorado, gute Elternschaft beibringt.
MacFarland schien es schlicht lächerlich, dass die gesamte Welt von guter Elternschaft abhängt und gleichzeitig Elternschaft der einzige Gegenstand sein sollte, der in keiner Schule oder irgendwo sonst auf der Welt unterrichtet wird. Deshalb betreibt MacFarland seit zwei Jahrzehnten <The Parenting Place> in mehreren Landkreisen von Boulder; man besucht jedes Neugeborene in den Gebieten und bietet allen Müttern und Vätern beträchtliche Unterstützung an.
Veranstaltet werden Diskussionsrunden über Elternschaft, Babymassagekurse, allein erziehenden Frauen wird Unterstützung angeboten und man zeigt diesen, wie man Kinder aufzieht, ohne sie zu schlagen, wie man ihre Unabhängigkeit fördert etc. Die breite Palette an Aktivitäten von <The Parenting Place> kann man in zwei Beiträgen im <Journal of Psychohistory> nachlesen.269 Über die Hälfte der Familien wollten das Angebot nutzen und wöchentlich zuhause besucht werden, um Instruktionen und Ratschläge über Elternschaft zu erhalten. Da keine neue Mutter und kein Vater das Baby abweisen oder missbrauchen möchten, fand MacFarland heraus, dass dieses Angebot der Hilfe und Hoffnung den Eltern erlaubte, Missbrauch und Vernachlässigung, die aus Angst und Verzweiflung entstehen, durch deren zugrunde liegende Zuneigung zu ersetzen — sodass seine Statistiken der örtlichen Polizei und des Krankenhauses mittlerweile einen substantiellen Rückgang von Kindesmissbrauch zeigen.
Am erstaunlichsten ist, dass MacFarland herausfand, dass die Kosten für Elternschaftszentren weit geringer für die Gemeinde wären als die späteren Kosten aufgrund von Missbrauch. Es ist keine überraschende Erkenntnis, dass das geringe Budget für die Zentren die Kosten der Gemeinde für späteren Sozialservice und für kriminelles Verhalten um ein Vielfaches kompensiert, in Anbetracht dessen, dass die von Soziologen errechneten »Kosten für die Gesellschaft durch Werdegänge kriminellen Verhaltens, Drogenkonsum und Schulabbrecher für einen einzelnen Jugendlichen 1,7 bis 2,3 Millionen US-Dollar betragen«.270)
In einer Welt, die Milliarden von Dollar pro Jahr für Kriegsvorbereitungen ausgibt und weitere Milliarden für Gefängnisse, würde die Einrichtung von Elternschaftszentren in jeder Gemeinde für einen Bruchteil dieser Summen der Menschheit bald enorme Zugewinne bringen — eine sofortige Einsparung sogar, bevor die eigentlichen Ersparnisse aus der enormen Destruktivität von Kriegen realisiert werden. MacFarland errechnete, dass jede Gemeinde der Erde durch eine kleine »Kindersteuer«, nämlich durch die Erhöhung der Umsatzsteuer um ein Zehntelprozent, unterstützt werden könnte.
Nur wenn wir jetzt ein gewaltiges weltweites Programm zur Beendigung von Kindervernachlässigung und -missbrauch starten und unsere kostbaren Kinder mit Respekt aufziehen, können wir den vermutlich eintretenden globalen Holocaust vermeiden.
Nur durch die Reduktion von Dissoziation auf ein Minimum durch empathische Elternschaft können wir vermeiden, die uns jetzt zur Verfügung stehende selbstdestruktive Gewalt auch auszuüben. Das allein ist die wichtigste Erkenntnis der neuen Wissenschaft der Psychohistorie.
Kostenlose universale Trainingszentren für Eltern mögen eine radikale neue Vorstellung sein, aber das war die Idee kostenloser universaler Schulen für Kinder dereinst auch.
Unsere Aufgabe ist klar, und unsere Mittel reichen aus, um die Welt zum ersten Mal in unserer langen, gewaltvollen Geschichte sicher zu gestalten.
Alles, was wir jetzt brauchen, ist der Wille anzufangen.
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2003 Kritik der Psychohistorie Anspruch und Grenzen eines psychologistischen Paradigmas Von Friedhelm Nyssen und Peter Jüngst (Herausgeber) Aufsatzsammlung - 2003 - 263 Seiten Inhalt Friedhelm Nyssen: Einleitung: Ein Vergleich zwischen der „unabhängigen Psychohistorie" und den Beiträgen dieses Bandes (7)
I
Allgemein - Theoretischer Teil
II
Historische Themen Hartwig Weber: Das Kinderopfer im Alten Testament und im Christentum (185) Evelyn Heinemann: Projektion oder Realität? Der Beitrag von Psychohistorie und Ethnopsychoanalyse zum Verstehen kultureller Phänomene (211)
Edmund
Hermsen:
„Angst im Abendland" - Apokalyptische Vorstellungen der frühen
Neuzeit.
III
Gegenwartsbezogene Themen H. Kallert: Psychogenetische Theorie und außerfamiliale Kleinstkinderziehung (317) Evelyn Heinemann: Psychoanalytische Gedanken zur Ausbildung der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) S. 333 M. Bornhoff-Nyssen: Wenn das Herz (k)eine Heimat findet - Moderne Literatur diskutiert anhand psychohistorischer Thesen (345) |