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1.1   Die ökologische Krise - Fakten, Risiken und Folgen    Meißner-2017

Wenn wir die ökologische Krise nicht meistern, dann erübrigen sich alle
weiteren Überlegungen für das 21. Jahrhundert. Michail Gorbatschow (3)

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An Mahnungen hat es nicht gefehlt. Seit den 60er Jahren erscheinen regelmäßig Veröffentlichungen zur globalen Umweltproblematik, so etwa der Bericht an den Club of Rome 1972, der Report »Global 2000« von 1980 an den damaligen Präsidenten der USA, Jimmy Carter, oder 1987 der Bericht der »Brundtlandt-Kommission« (Weltkommission für Umwelt und Entwicklung).

Hinzu kamen die Umweltkonferenz von Rio de Janeiro 1992 und bisher 22 Klimakonferenzen, das Abkommen von Paris 2015 ist von den Großmächten USA, China und der EU nun ratifiziert worden. 2016 traten zudem 17 Nach­haltigkeitsziele der Vereinten Nationen in Kraft. Handeln ist offenbar nötig.

Mittlerweile, liest man eine seriöse Tageszeitung nur aufmerksam genug, kann jeder Bürger fast täglich Meldungen zur ökologischen Krise finden, ob es um den im Vordergrund stehenden Klimawandel, die Auswirkungen des zu Ende gehenden Öls, wiederholte Nahrungsmittelkrisen oder bereits auftretende soziale Unruhen und militärische Konflikte geht.

Häufig stehen die einzelnen Berichte unverbunden nebeneinander; nur selten merkt man, wie vieles zusammenhängt. Im Wesentlichen aber sind die Meldungen zur Umweltkrise bekannt, in vielen Büchern wurde die Misere ausgebreitet, so dass wir uns hier kurz fassen können. Es geht um den Klimawandel, um Treibhausgase wie vor allem das Kohlendioxid (CO2) und um knapper werdende Ressourcen, aber auch um zu viele Abfälle, insbesondere Plastikmüll. Und es geht darum, dass die Zeit, das Steuer noch herumzureißen, immer knapper wird.

   Klimawandel und Ressourcenknappheit  

Lange Jahre wurden die Warnungen vor den ökologischen Folgen der energieintensiven Lebensweise westlicher Gesellschaften kaum ernst genommen. Sie schienen nur eventuell mögliche, in jedem Fall aber weit in der Zukunft liegende Szenarien zu beschreiben, immer wieder von der lustfeindlichen Umweltbewegung an die Wand gemalt.

Mittlerweile, etliche Stürme, Überschwemmungen und Dürren später, geht es nicht mehr um Ereignisse, die nur vielleicht und dann erst irgendwann eintreten könnten, sondern eher um Anpassung und Resilienz, um Vorbeugung sowie Linderung nun schon zunehmend spürbarer Veränderungen.

Erstaunlich dabei ist nur, wie gut die meisten Menschen immer noch diese verdrängen, oft sogar leugnen können. Verhaltensänderungen finden nur vereinzelt statt, die Autobahnen bleiben voll, Flugreisen nehmen weiter zu, Schulen suchen sich immer weiter entfernte Ziele für den Schüleraustausch, und Trainingslager wie Auslandsturniere von Jugendfußballmannschaften in Istanbul, Barcelona oder den USA sind nichts Ungewöhnliches mehr.

Dabei ist die Temperatur weltweit bereits um ein Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit gestiegen, der CO2-Gehalt der Atmosphäre von 280 auf heute über 400 ppm (parts per million). 800 ppm zu Ende des Jahrhunderts werden für möglich gehalten, was bei weitgehend parallelem Verlauf der Temperatur- und CO2-Kurven noch eine weitere deutliche Erwärmung verheißt. Der CO2-Ausstoß hat allein in den letzten 25 Jahren, trotz zahlreicher Klima­konferenzen, um 60 Prozent zugenommen, nur kurz unterbrochen vom Zusammenbruch der Sowjetunion und diversen Wirtschaftskrisen. Das angepeilte Zwei-Grad-Ziel rückt in weite Ferne, mit jährlichem Zuwachs der Treib­haus­gasemissionen um zwei Prozent ist die Menschheit auf dem Weg zu einer um vier Grad wärmeren Welt bis Ende des Jahrhunderts.

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2014, 2015 und 2016 haben nacheinander jeweils den Rekord des weltweit wärmsten Jahres gebrochen; 16 der 17 wärmsten Jahre liegen in diesem Jahrhundert, das 17. war 1998.(4) Gemessen an den menschlichen Wahr­nehmungs­möglichkeiten erwärmt sich die Welt langsam und schleichend, im Sinne sogenannter »Shifting Baselines«, was die Trägheit der Reaktionen darauf mit erklären mag.

Für ökologische Regelkreise aber vollzieht sich die aktuelle Veränderung in nie da gewesener Geschwindigkeit, was eine Anpassung von Meer, Pflanzen und Tieren erschwert und wesentlich mit zum gegen­wärtigen sechsten großen Artensterben beiträgt. Korallenriffe erbleichen, die Meere versauern, die Pole schmelzen, die Meeresspiegel steigen, der Lebensmittelanbau wird durch Temperatur- und Wetter­extreme erschwert, Dürren in Australien, Kalifornien, Afrika und anderen Weltregionen haben dies mehr als deutlich gemacht, Sturmnamen wie »Kyrill«, »Sandy« und »Kathrina« sind geläufig, Konflikte um Trinkwasser bahnen sich an. Von 200 Millionen Klimaflüchtlingen bis zum Jahr 2050 wird ausgegangen. Da ist das, was wir derzeit erleben, nur ein kleiner Vorgeschmack. Aber auch bei uns findet der Klima­wandel statt. Die letzten Fluten an Oder, Elbe und Donau sind noch gut in Erinnerung, ebenso wie die Hitzewelle 2003 mit über 70.000 Toten in Europa.

Der Vertrag der Klimakonferenz von Paris 2015 ist ratifiziert, was neue Hoffnung verheißt. Neue Krisen, wie es sie international reichlich gibt, lenken aber schon wieder davon ab. Im Vordergrund steht zudem weiter das Streben nach höherem Bruttosozialprodukt. Gleichzeitig jedoch ist belegt, dass wirtschaftliche Entwicklung, Wachstum und Wohlstand eng mit Ressourcenverbrauch und Treib­haus­gas­emissionen gekoppelt sind. Zu letzteren trägt, neben Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr und Haushalten, erheblich die industrielle Landwirtschaft bei. Allein Zuchtvieh, benötigt für den steigenden Fleischhunger weltweit, ist verantwortlich für 18 Prozent der Treibhausgase. Für den Anbau von Soja und Getreide werden daher weiter Wälder gerodet, wodurch wertvolle Kohlenstoffsenken wegfallen. Gleichzeitig taut durch die globale Erwärmung der Permafrost in Sibirien auf und setzt wiederum klimaschädliches Methan frei - ein Teufelskreis.

Der Energiehunger der Welt als weiterer Temperaturerhitzer, seinerseits gekoppelt an Wachstum und Wohlstand, wächst alleine schon durch die weiter fortschreitende Technisierung und Digitalisierung.


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Allein bis 2030 werden 30 Prozent mehr Energie benötigt.5 Internet und dafür nötige Datennetze, Rechenzentren, Server und Kühlungsanlagen verbrauchen alleine schon drei Prozent des globalen Stroms. Der Flugverkehr wiederum, verantwortlich für fünf Prozent des weltweiten Treibhausgasausstoßes, hat allein in der EU zwischen 1990 und 2013 um 70 Prozent zugenommen, gibt das Bundes­umwelt­ministerium auf seiner Homepage an6, Tendenz weiter steigend.

Forscher hoffen daher, klimaschädliches Kohlendioxid abscheiden und als Flüssiggas in tiefen Gesteinen lagern zu können, wobei es sich hier offenbar nicht so einfach wie erhofft in Gestein umwandelt.7 Die Risiken dieser Techniken sind noch kaum erforscht, zudem müsste auf die Lagerstätten über Jahrhunderte hinweg warnend hingewiesen werden, und die Motivation zum Einsparen von Energie und damit von Treibhausgasen wird damit unterlaufen.

Oft geforderte und durchaus auch erzielte Fortschritte bei der Effizienz, seien es nun Auto- oder Flugzeugmotoren genauso wie Heizanlagen oder Batterien, werden mehr als gegenkompensiert, in unseren Breiten durch weiter zunehmenden Konsum, häufigere Flüge, längere Fahrten, steigenden Güterverkehr auf der Straße, mehr PS und schwerere Autos, aber auch stetig neu auf den Markt kommende Geräte (wer kannte schon vor 15 Jahren Navis, Smartphones, Tablets, ipads, E-Autos und E-bikes?). Der Nachholbedarf noch nicht vollständig im westlichen Modus lebender Länder kommt weltweit gesehen noch hinzu.

Gleichzeitig gehen uns die dafür nötigen fossilen Energieträger wie Öl und Gas langsam aus, auch wenn uns fatalerweise derzeit niedrige Benzinpreise dies noch nicht rückmelden. Der Peak Oil, also der Zeitpunkt der maximal möglichen Ölförderung, ist in den letzten Jahren überschritten worden. Unter Inkaufnahme zahlreicher Umweltschäden wird aus der Tiefsee, der Arktis, in Kanada aus Teersanden oder in Amerika aus Schiefer noch das letzte Öl und Gas herausgepresst, mit zunehmend hierzu nötigem Energieeinsatz, was das Verhältnis von Input zu Output schlechter werden lässt. Wurden vor sieben Jahren noch 86 Millionen Barrel Öl täglich weltweit verbraucht (1 Barrel entspricht 159 Litern), so sind es jetzt schon 92 Millionen, ein weiterer Anstieg auf 104 Millionen bis zum Jahr 2040 wird erwartet.


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Wie der Junkie an der Nadel sind insbesondere die westlichen Industrieländer weiter stark abhängig vom flüssigen, schwarzen Gold, steckt doch Öl nicht nur in Heizungen und Autotanks, sondern wird auch für Kunststoffe, Medikamente, Infusionen, Straßenbeläge und vieles andere verwendet.

Kohle wiederum ist zwar auch in Deutschland reichlich vorhanden, trübt aber die C02-Bilanz und sorgt für dicke Luft. »Peking ist unbewohnbar«, meldet die SZ 2014.8 Die Hauptstadt Chinas sei wegen Smogs für menschliches Leben nicht geeignet laut einer kurz zuvor erschienenen Studie. Daher wird nun selbst in China gegengesteuert. Jahrelang war hier fast jede Woche ein neues Kohlekraftwerk ans Netz gegangen.

Ein carbonfreies Zeitalter wurde jetzt auf Gipfeltreffen verkündet, doch die Umstellung auf erneuerbare Energien verläuft zu langsam, zudem sind auch hierfür begrenzte Rohstoffe nötig. Große Windparks verändern das Land­schaftsbild, töten Vögel und benötigen neue Strom-trassen, all das erzeugt großen Widerstand. Selbst Naturschützer sind sich hier nicht immer einig. So trat 2012 der Dirigent Enoch zu Gutten-berg aus dem Bund Naturschutz aus, den er 37 Jahre zuvor mitgegründet hatte, weil seiner Ansicht nach zu viele Flächen für Windräder die Landschaften verunstalten. Der Grünen-Politiker Hans-Josef Fell dagegen vollzog 2015 denselben Schritt mit der Kritik, dass der Umweltverband den Ausbau der Windenergie zu sehr bremsen würde.

Solarthermische Kraftwerke in Nordafrika wiederum und die dafür nötigen Vereinbarungen würden stabile politische Verhältnisse dort erfordern, die aber nicht gegeben sind. Um das dort geplante Projekt »Desertec« ist es sehr ruhig geworden, etliche ursprünglich beteiligte Firmen sind schon ausgestiegen.

In vielen Ländern erlebt daher, trotz Fukushima 2011, die Atomenergie eine Renaissance, ohne dass aber weiter etwa das Problem der Endlagerung gelöst wäre, die über Jahrtausende hinweg gesichert sein und mit Warnhinweisen über alle sprachlichen Veränderungen in dieser Zeit hinweg vermittelt werden muss. Der schädlichste Stoff im Atomabfall ist Radium, und das zerfällt zur Hälfte in 1.600 Jahren, müsste also über 10.000 Jahre lang weggesperrt werden.9 Andere Elemente wie Uran 238 haben eine Halbwertszeit von über 20.000 Jahren, Abfälle aus Druckwasserreaktoren müssen aufgrund ihrer Nuklidzusammensetzung und ihrer Aktivität über Millionen von Jahren weggesperrt werden.10


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Dass allein schon beim Uranabbau die Umwelt erheblich beschädigt wird, wird sowieso gerne ignoriert. Drei Viertel der Uranvorräte liegen unter Territorien, die von indigenen Völkern bewohnt werden. Der Abbau hat seit den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts auf allen Kontinenten Kulturen von Ureinwohnern zerstört. Strahlende Abraumhalden verseuchen Boden und Grundwasser, es kommt zu Haut- und Lungenkrebs, Leukämie und Missgeburten. Das Uran, das vor allem aus Kanada und Australien nach Europa geliefert wird, hinterlässt also bereits eine Spur der Zerstörung, bevor es in unseren Reaktoren Strom erzeugt und dann auf noch ungeklärte Weise endgelagert werden muss.11

Nach anderen Alternativen wird gesucht, nicht immer erfolgreich. Häuser werden gedämmt, das zumeist dafür in den letzten Jahrzehnten verwendete Styropor ist nun aber als giftig enttarnt worden und muss als Sondermüll entsorgt werden. Alternative Antriebssysteme für PKW haben sich immer noch nicht durchgesetzt. Von den angepeilten eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen sind wir weit entfernt, auch hierfür ist im Übrigen ein Mehr an Strom und Energie notwendig, was wohl mit dazu beitragen dürfte, dass auch die durchaus voranschreitende Umstellung auf erneuerbare Energien durch den Mehrverbrauch in hohem Maße gegenkompensiert wird. Zudem werden Unmengen an Batterien mit den entsprechenden Rohstoffen dafür benötigt und müssen später wieder entsorgt werden, so richtig umweltfreundlich erscheinen Elektroautos daher nicht. Sie sollen ein »weiter so, nur anders« suggerieren, das kaum haltbar bleiben dürfte.

Von Wasserstoffzellen wiederum, einst hoch angepriesen als alternativer Kraftstoff, ist weiterhin nicht viel zu hören. Biosprit hat sich durch seine Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau von alleine disqualifiziert, abgesehen davon, dass die hierfür nötigen Monokulturen des Raps- und Maisanbaus die Böden auslaugen und den Treibhausgasausstoß erhöhen. In den USA landeten aber im Jahr 2011 dennoch 40 Prozent des Maisanbaus in Kraftstofftanks.

Guter Boden wird generell knapp, und damit zunehmend zum Spekulationsobjekt. Fruchtbare Ackerböden stellen insgesamt eine wertvolle, wenn auch selten beachtete Ressource dar. Weltweit gehen pro Jahr 0,3 bis 0,5 Prozent der Anbauflächen verloren, die Ursachen dafür sind komplex.


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Von 1950 bis 2000 hat sich die Weltbevölkerung mehr als verdoppelt, die Getreideproduktion sich mehr als vervierfacht, und der Einsatz von Düngemitteln ist in dieser Zeit um 450 Prozent gestiegen.12 Neben intensivem Düngen mit hoher Stickstoffbelastung tragen enge Fruchtfolgen auf den Feldern, der Einsatz schwerer Geräte sowie die reichliche Verwendung von Pestiziden wesentlich dazu bei. Weitere Faktoren sind Monokulturen, etwa durch erwähnten Anbau für Biosprit und Tierfutter, und die globale Erwärmung. Auch die anhaltend hohe Flächenversiegelung für Siedlungs- und Gewerbegebiete sowie Straßen ist zu erwähnen. Allein in Bayern etwa wurden laut bayerischem Landesamt für Statistik 2013 Flächen in der Größe von 26 Fußballfeldern täglich (!) verbraucht13, eine Steigerung um 6,5 Prozent gegenüber 2012; im Jahr 2015 sind es immerhin noch 19 Felder.14

Bis zum Jahr 2100 droht zudem der Hälfte der Weltbevölkerung eine mangelhafte Versorgung mit Nahrungsmitteln durch drastische klimabedingte Ernteausfälle. Entsprechend sichern sich Nationen wie China sowie Großkonzerne durch Landgrabbing große Agrarflächen etwa in Afrika und Südamerika, aber auch in Osteuropa, die sie dann intensiv und monokulturell ausbeuten und die Produkte exportieren. Derweil verbleiben Hunger und Armut vor Ort, verstärkt auch dadurch, dass wiederum im Rahmen hoch angepriesener Freihandelsabkommen billig importierte Lebensmittel die landwirtschaftliche Tätigkeit einheimischer Bauern überflüssig machen, was den Zustrom zu städtischen Slums erhöht.

Neben den Böden stellen auch Wälder eine knapper werdende Ressource dar. Gerade sie sind wichtig für die Speicherung von Kohlendioxid und die Produktion lebenswichtigen Sauerstoffs. So sind von 1970 bis 2007 fast 700.000 Quadratkilometer des Regenwaldes am Amazonas verschwunden, was der doppelten Größe Deutschlands entspricht. Sechs Millionen Quadratkilometer waren dann noch übrig. Der Abbau geht aber nahezu ungebremst weiter. Hintergrund ist auch hier der Anbau der Exportschlager Soja, Palmöl und Ethanol.

Weitere Rohstoffe wie Erze, Kupfer und Metalle sind ebenso begrenzt, während die Nachfrage danach eher weiter steigt. Ob Kobalt etwa im Kongo durch Kinderarbeit abgebaut wird und die Löhne für die Wanderarbeiter in China kaum zum Überleben reichen, interessiert den Smartphonenutzer am Ende der Produktionskette hierzulande dann kaum.


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Die ebenso benötigten sog. »seltenen Erden« sind eigentlich durchaus häufig vorkommende Metalle, die aber jeweils nur in geringen Konzentrationen vorkommen und daher schwer zu fördern sind:

Um wenige Gramm davon zu gewinnen, müssen viele Tonnen Gestein bewegt, zermahlen und mit Chemikalien behandelt werden. Zurückbleiben giftige Seen, außerdem belasten Stäube, die radioaktive Elemente oder Schwer­metalle enthalten, die Luft nahe den Abbauregionen. Doch die gesamte Hochtechnologie hängt von diesen Metallen wie Tantal, Praesodym oder Neodym ab. Kein Handy würde ohne sie funktionieren, auch nicht - Ironie des Schicksals - die meisten Windkraftanlagen, die mit starken Neodym-Magneten arbeiten.15

Nahezu jeder Erdbewohner verfügt mittlerweile über ein Handy oder Smartphone. Insbesondere in Afrika werden zunehmend Mobiltelefone verwendet. Auch kommen in unseren Breiten mindestens jährlich neue Modelle auf den Markt, billig vom jeweiligen Mobilfunkbetreiber angepriesen. Der Bedarf an Rohstoffen dafür ist also enorm, das naheliegende Recycling aber nicht so einfach. Denn abgesehen davon, dass viele Handys immer noch im Elektro­schrott landen, sind hier auch nur winzige Mengen der betreffenden Metalle verarbeitet, die somit auch nur schwer wieder heraus zu bekommen sind.16

Wenig bekannt ist bisher ebenso, dass auch ganz gewöhnlicher Sand immer knapper wird, weshalb dies hier ausführlicher dargestellt werden soll. Man merkt das im Sommer am Meer, wenn im Vergleich zum Vorjahr das Wasser den Sandstrand wieder mehr weggeknabbert hat. Denn Nachschub durch Flüsse kommt immer weniger, da sie oft begradigt sind und dadurch schneller ins Meer hinaus schießen.17 Umso verzweifelter wird an vielen Stränden im Frühjahr versucht, durch Sandförderung im nahen Meer oder anderweitig mit Hunderten von Lastwagenladungen wieder ein naturidentisches Ambiente herzustellen.

Sand ist aber auch nach Luft und Wasser der am dritthäufigsten verwendete Rohstoff, verwendet in über 200 Nutzungsbereichen, für Ziegel, aber auch für Tierstreu, Solarmodule, Farben und Glas.18 Zwei Drittel aller Gebäude und Anlagen weltweit werden aus Stahlbeton gebaut, der wiederum zu zwei Dritteln aus Sand besteht.


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Für den Bau eines mittelgroßen Hauses werden 200 Tonnen davon benötigt, bei einem Krankenhaus sind es 3000 Tonnen, der Bau eines Autobahnkilometers verschlingt gar 30.000 Tonnen. Sand wird von der Natur kostenlos zur Verfügung gestellt, der Raubbau hat fatale Folgen: »Wenn man an einem Strand, in einem Flussbett oder auf dem Meeresgrund große Mengen davon abbaut, greift man in ein äußerst kompliziertes und dynamisches Ökosystem ein, in dem sich der Sand je nach Gezeiten, Wasser- und Windströmungen ablagert«, so der Geologe Michael Weiland.19 Inseln verschwinden im Meer, Menschen verlieren ihre Existenzgrundlage, Tiere ihren Lebensraum.

Dafür versuchen etwa Singapur und Dubai, ihre Fläche im Meer mittels Sand zu vergrößern, um dem weiter wachsenden Bedarf für Wohnraum, Industrie und Büros gerecht zu werden. Dumm nur, dass Dubai mittlerweile der Meeressand ausgeht und weite Importe zum Beispiel aus Australien nötig werden. Der naheliegende Wüstensand nämlich eignet sich nicht, seine Körner sind durch Windverwehungen abgerundet, im Gegensatz zu den kantigeren und dadurch griffigeren Meeressandkörnern. Anderes Beispiel: Allein in Florida, wo es an rund 800 Meilen Küste Strand gibt, sind mittlerweile gut 350 Meilen künstlich mit Sand aufgeschüttet.20 Strände wie die in Venice, Sarasota und Palm Beach wären sonst längst verschwunden. Zwischen 1970 und 2013 hat demnach die amerikanische Regierung 3,7 Milliarden Dollar in 469 Strandaufschüttungen investiert.

Sand wird aufgrund der zunehmenden Knappheit auch gestohlen. So ist in Jamaika fast über Nacht ein Strandstück von 400 Metern verschwunden, in Marokko ziehen endlose Eselskarawanen zur Küste, um Nachschub zu holen.21 Der britische Geologe Michael Weiland führt weiter aus:

Die Öffentlichkeit ist sich der dramatischen Lage nicht bewusst. Die meisten Menschen, leider auch politische Entscheidungsträger, nehmen Sand nicht als bedrohte Ressource wahr, die geschützt werden muss. Weltweit haben die Bedürfnisse der Wirtschaft und insbesondere des Bausektors Vorrang. Zudem werden die zaghaften Vorschriften, die zum Schutz von Stränden und Meeresböden ergriffen werden, oft nicht umgesetzt und sind damit nutzlos. Man kann nicht an jedem Strand Polizisten aufstellen. Und noch dazu unterhält die Sand-Mafia in vielen Ländern Beziehungen zu höchsten Kreisen und kann in aller Ruhe ihren illegalen Geschäften nachgehen wie im Senegal oder in Marokko: Dort baut die Mafia rund 45 Prozent der Sandstrände ab, radikal und profitorientiert - ein ökologisches Fiasko.22

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Schließlich werden auch Konflikte um die grundlegende Ressource Wasser zunehmen, wie sich dies z. B. im Südwesten der USA bereits zeigt23 oder in der Mittelmeerregion. Die Kombination aus Klimawandel mit steigenden Temperaturen und zunehmender Wasserverdampfung, aus ungebremstem Bauboom an den Küsten und wachsendem Tourismus wirkt sich hier wie an anderen Orten verhängnisvoll aus.24 Hinzu kommen absurde Produktions- und Konsumgewohnheiten. Für den fast ganzjährigen europäischen Erdbeerhunger müssen große Flächen Spaniens bewässert werden, teilweise aus illegal gebohrten Brunnen. Ähnliches gilt für kalifornische Mandelbäume, während die Bevölkerung dort wegen jahrelanger Dürre Wasser sparen muss.25 Und welcher Konsument weiß schon, dass zur Erzeugung nur eines Glases Weins 109 Liter Wasser benötigt werden, für ein Kilogramm Hühnerfleisch 4325 Liter, für ein Kilogramm Mandeln 8047 Liter oder für ein Kilogramm Rindfleisch gar 15.500 Liter Wasser?

Trotz Versechsfachung der Wasserentnahme im 20. Jahrhundert und einem geschätzten Anteil der globalen Erwärmung an der Wasserknappheit von 20 Prozent ist bisher nicht die Gesamtmenge des Wassers das Problem. Weltweit wird Wasser extrem unterschiedlich genutzt, so werden etwa 100 Liter davon pro Person täglich in unseren Breiten verbraucht (lebensnotwendig wären zwei Liter),26 aber auch die extrem ungleiche räumliche wie jahreszeitliche Verteilung etwa durch Regenzeiten und Dürren ist zu erwähnen.27 Die sich verschärfende Konkurrenz um die verschiedenen Nutzungsarten des Wassers bedroht die Armen in der Welt ganz existenziell. Schon jetzt müssen nahezu eine Milliarde Menschen verseuchtes Wasser trinken, weitere 2,3 Milliarden leiden unter Wassermangel.28


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70 Prozent des Süßwassers werden weltweit durch Landwirtschaft verbraucht, sie allein hat seit 1960 um 60 Prozent mehr Wasser verwendet -aber auch verschwendet, etwa mit wenig effektiven Bewässerungssystemen. Durch höheren Nahrungsbedarf wird für die Entwicklungsländer bis 2025 mit 50 Prozent mehr Wassernutzung gerechnet.29 Dementsprechend werden zunehmend Wasserentsalzungsanlagen eingesetzt, die viel Energie verbrauchen und den Salzgehalt des Meeres in den Küstengebieten durch die zurückgeleitete Sole erheblich verändern - somit keine gute Lösung.30

Zu bedenken ist auch, dass nicht nur Rohstoffe, Nahrungsmittel oder auch Fischbestände knapper werden, sondern am anderen Ende der Produktionskette die Müllberge wiederum immer größer werden. Knapp 40 Millionen Tonnen an Müll produzieren deutsche Haushalte jährlich, somit fast 500 Kilogramm pro Person, Tendenz weiter steigend.31 Weltweit werden jährlich 300 Millionen Tonnen Plastikmüll produziert, große Mengen davon sammeln sich insbesondere in den Ozeanen, wo sie sich über Jahrzehnte halten können. Zerbröselte Mikroteilchen können von vielen Seevogelarten nicht ausgewürgt werden, häufig lösen sie Entzündungen im Gewebe aus.32 Die Müllmenge am Meeresgrund hat sich innerhalb von zehn Jahren verdoppelt.33 Am Strand wiederum findet sich ebenso reichlich Plastikmüll, der Anteil der Plastikkörnchen am Sand beträgt an manchen Küsten Südenglands schon bis zu zehn Prozent.34

Knapp 70 Prozent des deutschen Mülls werden bereits wiederverwertet, ein Drittel somit aber nicht.35 Auch wenn daran geforscht wird, wie mehr Abfall als Ressource verwendet werden kann, etwa auch die riesigen Teppiche an Plastik in den Ozeanen, wäre Abfallvermeidung eigentlich die schlauere Lösung.

    Zunehmende Spannungen - drohende Rohstoffkriege  

Knapper werdende Ressourcen, dadurch steigende Preise und zunehmender Nahrungsmittelkrisen - das führt zwangsläufig zu sozialen Spannungen und Protesten. So provozierte die enorme Verteuerung für Mais in Mexiko 2006 die sogenannte »Tortilla-Krise«. Unruhen, ausgelöst durch die Lebensmittelkrise, wurden im April 2008 aus Afrika, Lateinamerika und dem Nahen Osten berichtet.35


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In den Supermärkten der USA musste im Frühjahr 2008 Reis rationiert werden, durch Angstkäufe kam es zu Verknappungen.37 Frankreichs Fischer protestierten gegen steigende Diesel-Preise,38 und für Bedürftige verdoppelte die Regierung in Paris die Heizölhilfe von 75 auf 150 Euro.39 Stark verteuerte Nahrungsmittel gelten auch als eine der Hauptursachen für die Aufstände im arabischen Raum 2011, die zum Sturz der Regime oder zu anhaltenden Instabilitäten führten.40 2014 mahnten nun die Vereinten Nationen eine Steigerung der Lebensmittelproduktion um 60 Prozent bis zur Jahrhundertmitte an, da sonst ein »weltweiter Bürgerkrieg« die Folge sein könnte.41

Auch Transport und Landwirtschaft sind von Rohstoffknappheit betroffen. In den USA werden 64 Prozent des Güterverkehrs über Trucks abgewickelt. Kunstdünger etwa wird überwiegend aus Erdöl gewonnen, hinzu kommt Benzin für den Traktor sowie die Energie für die Transport- und Kühlkette.42 Gemeldet wurde auch, dass die rasant steigenden Ölpreise in der Türkei die Nachfrage nach Eseln in ungeahnte Höhen gejagt hatten, deren Preise hatten sich zum Teil vervierfacht.43 Befürchtet wurde, vor zehn Jahren bereits, dass ein Bezug von Benzin und Öl 20 Jahre später nur noch über Bezugsschein möglich sein werde.44 In Frankreich und auch hierzulande boomte der Fahrradverkehr, in Indien wird das veraltete Schienennetz modernisiert und weiter ausgebaut, während die Brasilianer vermehrt Alkohol in den Tank kippen, hergestellt aus Zuckerrohrschnaps.45

Wer dagegen ein Beispiel sucht für eine gelungene Umstellung der Nahrungsproduktion für das Post-Öl-Zeitalter, findet es ausgerechnet in Kuba. Als dort nach dem Ende der Sowjetunion die Öllieferungen ausblieben, kollabierte die vom Öl abhängige Landwirtschaft. Es drohte eine Hungerkatastrophe. Heute haben Tausende Ochsengespanne Traktoren ersetzt, an den landwirtschaftlichen Fakultäten wurde nach Nützlingen und Bakterien geforscht, die ölabhängige Dünger und Pestizide ersetzen, überall gibt es Stadtgärten. Inzwischen ist Kuba in der Lage, sich selbst zu versorgen, ohne Luxus, aber auch ohne Hunger. Deswegen fahren Ökologen aus aller Welt dorthin, um das Programm zu studieren.46 Nach Verbesserung der Beziehungen zu den USA dürfte hier aber verzögert nun auch ein Anstieg des Ressourcenverbrauchs nach westlichem Muster einsetzen. 


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Der Kampf um die knappen Ressourcen dieser Erde wird sich in den nächsten Jahrzehnten weiter zuspitzen. Das Fehlen international anerkannter Regeln im Rohstoffhandel sowie Korruption und Misswirtschaft haben viele rohstoffreiche Länder in Chaos und Elend gestürzt. So starben schätzungsweise allein im Kongo in den Jahren 2005 bis 2008 beinahe vier Millionen Menschen im Kampf um Bodenschätze.47 Hugo Chavez, der frühere Präsident von Venezuela, durch Ölreichtum zu viel Geld gekommen, zündelte politisch, jagte ausländische Ölkonzerne aus dem Land und gefährdete damit die Energieversorgung. Russlands Präsident Putin geht ähnlich vor.48 So wird Nachbarländern schon mal der Gashahn zugedreht bei politischem Ungehorsam oder mangelnder Akzeptanz deutlich höherer Gaspreise. China wiederum unterstützt mit klarem Blick auf die sudanesischen Ölquellen das Verbrecherregime in Khartum.

»Es wird Verteilungskämpfe geben«, stellt Jakob von Uexküll, Gründer des Alternativen Nobelpreises, fest.49 Denkbar sind daher tatsächlich Kriege um Ressourcen. Der Zugang zu Schlüsselmärkten und strategischen Ressourcen wurde ab 2003 zum offiziellen Ziel der nationalen Sicherheitsstrategie der USA.50 2004 stellte eine geheime Studie des US-Verteidigungsministeriums fest, dass Klimaveränderungen weitaus größere Gefahren bergen als der internationale Terrorismus. Demnach wird der katastrophale Energie- und Wassermangel die Welt um 2020 in f weit verbreitete Kriege stürzen.51 Vier Jahre später, 2008, ging der Nationale Geheimdienstrat der USA davon aus, das um Rohstoffe, Energie und Wasser zukünftig mehr gestritten und gekämpft werde, zudem werde die Nachfrage nach Nahrungsmitteln bis 2030 durch das Wachstum der Weltbevölkerung und den Wunsch nach westlichem Lebensstandard um 50 Prozent steigen.52

Selbst der frühere Chef der amerikanischen Zentralbank, Alan Greenspan, hat zugegeben, dass Öl der zentrale Grund für den Krieg im Irak ab 2003 war. Zahlreiche Institute auf der Welt, die sich mit Fragen der Energie und der Verteidigung beschäftigen, stellten fest, dass die langen zähen Verhandlungen mit dem Iran weniger mit dessen Nuklearprogramm als mit dem Zugang zu dessen Öl zu tun haben.53 Ein syrischer Flüchtling bringt die Problematik auf den Punkt:


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Die vielen Konflikte im Nahen Osten sind kein Zufall. Die arabischen Länder waren früher eine Firma mit einem Produkt: Erdöl. Zerstückelt man eine Firma in viele Teile und schürt die Konkurrenz untereinander, kann man sie gegeneinander ausspielen. Das ist so passiert bei der Aufteilung des Osmanischen Reiches durch den Westen. Auch gibt es ein Interesse daran, Diktatoren an der Macht zu halten. Diese halten die Bevölkerung ungebildet, aber beschäftigt. Vom Chaos profitieren immer welche.54

Auch der mit erstaunlicher Eigendynamik eskalierte Konflikt zwischen Georgien und Russland im August 2008 hatte, neben historischen Streitigkeiten zwischen Bevölkerungsgruppen, auch einen energetischen Hintergrund: Das Interesse der Nato, Georgien aufzunehmen, entsprang weniger dem Wunsch, dort einen Leuchtturm der Demokratie zu errichten, als vielmehr der Nähe des Landes zum Öl- und Gasreichtum des Kaspischen Meeres.55 Durch Georgien führt von dort eine wichtige, Russland bewusst umgehende Pipeline. Die EU bezeichnet den Klimawandel mittlerweile als Sicherheitsrisiko und ist damit das erste internationale Staatenbündnis, das die Bedrohungen aus der Klimaverschiebung in ihre Sicherheitsstrategie einwebt. Ausdrücklich wird dabei betont, dass es einen Zusammenhang zwischen der Erderwärmung und dem Kampf um Rohstoffe gibt. Dabei könne es nicht nur Kriege um fossile Brennstoffe geben. Instabilitäten entstünden vor allem aus Wasser- und Nahrungsmittelknappheit, Überflutungen und Dürren.56

Die EU warnt auch vor Konflikten durch Flüchtlingsströme und vor Verteilungskämpfen um Nahrungsmittel.57 Als Folge der Erderwärmung drohen vielen Ländern häufigere Dürren. Bis zum Jahr 2080 verlieren demnach weitere 1,8 Milliarden Menschen den gesicherten Zugang zu sauberem Wasser, 600 Millionen Menschen müssen Mangelernährung fürchten. Solche Verwerfungen könnten sich zu Sicherheitsrisiken auswachsen, befürchten deutsche Regierungsberater vom Wissenschaftlichen Beirat Globale Umweltveränderung. Der damalige deutsche Außenminister Steinmeier warnte schon Ende 2007, die Folgen des Klimawandels würden bereits jetzt die Spannungen zwischen einzelnen Staaten erhöhen und könnten zu Konflikten führen.58


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Exponentieller Anstieg überall

Das Lesen des Textes bis hierher war wirklich kein Vergnügen. Man könnte meinen, all diese zahllosen Fakten, die auch hier unvollständig bleiben müssen, wären doch längst bekannt. Sind sie auch, aber die Konsequenzen daraus sind längst nicht gezogen. Außer dass immer aufwändiger und tiefer geschürft wird, um die letzten Öl-, Wasser- und sonstigen Reserven aus Erde, Gestein und Meer zu holen. Was nötig wäre, nämlich eine Verhaltensänderung oder ein Wechsel des Lebensstils, ist nicht in Sicht.

Eine aktuelle Studie zeigt, dass seit Beginn der Industrialisierung vor 250 Jahren und beschleunigt seit 1950 die Entwicklung vielfach expo-nentiell nach oben ging (Abb. I)59. Dies betrifft Bereiche wie die Welt-und Stadtbevölkerung, Energieverbrauch, Telekommunikation, Transport, Tourismus, Papierproduktion und Wasserverbrauch genauso wie den Anstieg von Kohlendioxid und Methan, die Ozeanversauerung, den Meeresfischfang, den Bau von Aquakulturen wie auch den Landgebrauch und den Verlust der Biodiversität. Alles geht exponentiell steil nach oben. Parallel dazu verläuft auch die Beschleunigung im sozialen Wandel, der Weg von Postkutschen zu Briefen, Mails und Whatsapp, was auch erhebliche psychische Auswirkungen hat. Davon wird noch die Rede sein.

»In nur zwei Generationen ist die Menschheit zu einer geologischen Macht geworden, die auf den ganzen Planeten wirkt«, stellt Will Steffen von der australischen Nationaluniversität in Canberra fest,60 dessen Team mit den Studien zur globalen Beschleunigung und den planetaren Grenzen zeigt, dass nun wohl schon von einem »Anthropozän« gesprochen werden muss, worauf bei den Überlegungen zur Evolution noch eingegangen wird. Eine solche Entwicklung geht jedoch nur auf Kosten anderer Lebewesen, der Pflanzen sowie der Meere.


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Noch sterben nur die Tier- und Pflanzenarten aus

Bei der ökologischen Krise, wie sie sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, geht es nicht nur um den Klimawandel und die Rohstoffknappheit, auch wenn dies die Hauptthemen zu sein scheinen. Laut Umweltbehörde der Vereinten Nationen (UNEP) sterben jährlich sieben Millionen Menschen weltweit an den Folgen verschmutzter Luft oder des Genusses verunreinigten Trinkwassers, zumeist Kinder unter fünf Jahren.62

Die Zahl der jährlichen Smogtoten in Asien wird auf 500.000 geschätzt. 130.000 Menschen sterben allein durch Luftverschmutzung jährlich in den USA.63 Durch die Produktion und Freisetzung zahlreicher nur vom Menschen produzierter, daher »unnatürlicher« Chemikalien, deren Auswirkungen man größtenteils noch gar nicht kennt, ergeben sich schon jetzt zahlreiche Probleme, vor allem durch den langsamen Abbau von Giftstoffen und die Anreicherung in der Nahrungskette.

Wie eine in »Science« Anfang 2015 veröffentlichte Studie zeigt, sind bereits vier von neun planetaren Belastungsgrenzen überschritten. Dies gilt bereits für den Klimawandel, die Artenvielfalt, die Landnutzung sowie die Stickstoffdüngung der Böden.

30 Prozent der Fischbestände sind global bereits kollabiert.64 Die schon durch Überfischung bedrohten weltweiten Fischbestände werden durch Meeresverschmutzung und Klimawandel stärker gefährdet als bisher vermutet. Ein völliger Zusammenbruch der Fischbestände in den wichtigsten Fischfangzonen ohne Chance auf Erholung wird daher in absehbarer Zukunft befürchtet.65 Berichte und Reportagen über nahezu erschöpfte Fischgründe etwa im Pazifik bei Kanada, an der toskanischen Küste, in der Ostsee oder in vielen Gewässern Zentralasiens wie etwa in Usbekistan häufen sich.66

   Der Menschheit zu große Füße 

Gerne wird bei der Ursachenforschung für all diese Probleme auf die hohe Weltbevölkerung verwiesen. Das stimmt, einerseits. Über zwei Jahrtausende hinweg war diese von ca. 300 Millionen bis 1650 gerade auf  500 Millionen Menschen angestiegen, dann aber startete das exponenti-elle Wachstum:


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1804 war eine Milliarde erreicht, 1926 waren es schon zwei; bis zur dritten Milliarde im Jahr 1960 dauerte es keine hundert, sondern nur noch 34 Jahre. Weitere Milliarden-Zwischenstationen zu den aktuell gut sieben Milliarden Menschen auf dieser Welt waren die Jahre 1974 (4 Mrd.), 1987 (5 Mrd.), 1999 (6 Mrd.)67 und 2011 (7 Mrd.)68. Aktuell stehen wir bei etwa 7,5 Milliarden Menschen69.

Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die nun zur Verfügung stehenden Energieträger wie Kohle und später Öl. Aber auch effizientere Landwirtschaft und große Fortschritte bei Hygiene und Krankheitsbehandlung trugen erheblich dazu bei. Bis Mitte des Jahrhunderts sollen es neun Milliarden werden. All diese vielen Menschen wollen essen, sauberes Wasser trinken und ein Dach über dem Kopf haben. Für das Ende dieses Jahrhunderts wird ein Abflachen der Bevölkerungskurve bei elf Milliarden Menschen prognostiziert.

Andererseits liegt das Kernproblem heute im zunehmenden Streben nach mehr als nur diesen Basisbedürfnissen. Ein ähnlicher Wohlstand, wie ihn die Industriestaaten seit Jahrzehnten genießen, wird nun auch von bisher weniger entwickelten Nationen angepeilt. Die Produktion günstiger Autos für weite Bevölkerungsmassen in Indien sowie der steigende Energie- und Fleischbedarf in Indien und China sind hierfür Indizien. Dies verbraucht Energie, Flächen und Ressourcen.

Umgerechnet auf den einzelnen Menschen spricht man vom »Ökologischen Fußabdruck«. Das ist die Fläche, die pro Mensch für Ackerbau, Straßen oder Mülldeponien erforderlich ist, um alle die von ihm konsumierten Produkte herzustellen und entstehende Abfälle dauerhaft zu entsorgen. Pro Mensch stehen 1,8 Hektar zur Verfügung, doch die EU-Bürger nutzen im Durchschnitt 4,9 Hektar pro Person. Seit 1990 ist der Fußabdruck der EU jährlich um drei Prozent gewachsen, jeder Afrikaner jedoch nutzt nur etwa einen Hektar.

Untersuchungen haben ergeben, dass die drei Milliarden Menschen, die 1961 lebten, nur 50 Prozent der Gesamtressourcen verbraucht hatten, die das Ökosystem nachhaltig zur Verfügung stellen konnte. Die fünf Milliarden Menschen im Jahr 1986 brauchten bereits die gesamte nachhaltige Produktion auf. Von da an entstand ein Negativhaushalt.

Durch Überfischen, Überweiden, Waldzerstörung, Verschmutzung der Ozeane und der Atmosphäre sowie andere Grenzen überschreitende


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Eingriffe wurde anhaltend die ökologische Kapitalbasis geplündert.70

Umweltschulden dieser Art machte die Menschheit somit erstmals 1987, damals waren die Ressourcen kurz vor Jahresende, am 19. Dezember, aufgezehrt. Seitdem wird dieser Zeitpunkt immer früher erreicht. So wurde 2015 der »World Overshoot Day« bereits am 13. August erreicht.71 Im Jahr 2035 wären nun schon, wenn die Menschen weiter machen wie bisher, zwei Planeten nötig, um den Bedarf zu decken, hieß es im Umweltbericht 2008 des WWF.(72) 2016 brauchten wir die schon im Jahr 2030.73 Um den Verbrauch eines Jahres zu regenerieren, benötigen landwirtschaftliche Flächen, Wälder und Ozeane mittlerweile 15 Monate. Problematisch dabei ist, dass diese Zeit gar nicht zur Verfügung steht, weil die Nutzung in immer kürzeren Intervallen erfolgt.

Deutschland hörte 2006 schon am 29. Mai auf, von eigenen Ressourcen zu leben, und war für seinen Konsum auf den Rest der Welt angewiesen.74 Menschen in Europa haben einen Pro-Kopf-Verbrauch von 50 Tonnen Rohstoffen pro Jahr (Wasserverbrauch noch nicht mitgerechnet), in einigen Ländern Asiens und Afrika sind es weniger als zwei Tonnen pro Kopf. Diese Zahlen machen auch eine globale Schieflage in Gerechtigkeitsfragen deutlich. Wie in den Industrieländern eine (eigentlich nötige Dematerialisierung um den Faktor 10 im Laufe der kommenden 50 oder 100 Jahre erreicht werden soll, weiß jedoch niemand.

Die Zeit wird knapp - nur noch wenige Jahre bleiben

Noch wird uns vorgegaukelt, dass wir nicht ruckartig das Steuer herumreißen müssten, schließlich gäbe es einen behutsamen Weg zu einem neuen Gleichgewicht in der Welt.75 Vielleicht hätte es den noch vor 30 oder 50 Jahren gegeben - jetzt sicher nicht mehr. Es geht wohl nur noch um Schadensbegrenzung. Von mehreren Seiten wurde nur noch ein Zeitfenster von rund 15 Jahren für ein Umsteuern für möglich gehalten. So forderte der Uno-Klimarat schon 2007, dass die Menschheit beim Klimawandel eine Trendwende bis 2020 schaffen muss, ein radikaler Politikwechsel und gigantische Investitionen von etwa 16 Billionen Dollar seien hierfür nötig.76


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Ein »globaler Countdown« wurde ausgerufen.77 Die Menschheit steht am Scheideweg, schrieben hier die Journalisten Christiane Grefe und Harald Schumann 2008. Die Alternativen würden lauten: globale Kooperation oder globalisierte Katastrophen. Nach damaligem Wissensstand sahen auch sie nur noch einen Spielraum von zehn bis 15 Jahren, um die entscheidenden Weichen zu stellen. Allein was die globale Erwärmung angeht schätzte der Klimaforscher Mojib Latib 2015 die noch zur Verfügung stehende Zeit ähnlich ein:

Wenn der weltweite CO2-Ausstoß 2030 immer noch steigt, wird es zu spät sein. Seit Beginn der Verhandlungen zum Klimaschutz Anfang der 1990er stieg der globale C02-Ausstoß um 60 Prozent - das ist schon Wahnsinn.78

Ob es da reicht, dass die Klimakonferenz 2015 in Paris Maßnahmen beschlossen hat, die erst ab 2020 in Kraft treten und zudem freiwillig bleiben, erscheint fraglich. Formulierungen wie »Es geht um die Zukunft des Planeten« (der damalige französische Präsident Francois Hollande bei der Eröffnung der Konferenz)79 verkommen so zu leeren Worthülsen. Der weltweite Terror und die Erderwärmung seien die großen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssten, so Barack Obama beim selben Anlass. Dass beide teilweise zusammenhängen, und der Klimawandel nicht losgelöst von einer nötigen Änderung unserer Wirtschafts- und Lebensweise aufgehalten werden kann, blieb dabei undiskutiert. Auch Rohstoff- und Energiefragen wurden ausgeklammert.

Derweil ist schon die Rede vom »Geo-Engineering«, um die schlimmsten Folgen der globalen Erwärmung zu verhindern oder abzudämpfen. Dies will man mit künstlichen Eingriffen in das Klimageschehen erreichen. Diskutiert wird, 1,5 Millionen Tonnen Schwefeldioxid-Teilchen in die Atmosphäre zu blasen, um die Sonneneinstrahlung auf die Erde zu reduzieren - und damit auch die Erwärmung. Ebenso könnte man zum Strahlenmanagement großflächige Spiegel im Weltall anbringen. Oder es soll der Ozean großflächig mit Eisen gedüngt werden, um Algenwälder zu erzeugen, die Kohlenstoffdioxid aus der Luft absorbieren sollen.80


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Das klingt alles futuristisch und absurd, ist aber schon über die Stadien der Grundsatzforschung hinausgewachsen, wie man auch beim Büro für Technikfolgen-Abschätzung des Deutschen Bundestags beobachtet.81 China etwa setzte manche Idee bereits um und feuerte Anfang 2009 Tausende von Geschossen mit Chemikalien in den Himmel, um im Kampf gegen die Dürre für Regen zu sorgen.82 Auch andere Länder wie Russland und Indien, die besonders vom Klimawandel betroffen werden könnten, könnten versucht sein, eigenmächtig Maßnahmen zu ergreifen, die dann aber unkalkulierbare Folgen haben würden, häufig wiederum auch für weiter entfernte Regionen. Zudem könnte das Beenden solcher Maßnahmen, etwa aufgrund unerwünschter Nebenwirkungen, zu einem rasanten Aufholen der bekämpften Klimaveränderungen führen.

Hinsichtlich der zu Ende gehenden Energiequellen vermutete eine Expertin 2008, dass auch das Ölangebot aller Voraussicht nur noch bis 2020 reichen wird, um die weltweite Nachfrage zu decken.83 Meadows wiederum prophezeite zwei Jahre zuvor die Einführung von Bezugsscheinen für Benzin für in zwanzig Jahren, also etwa für 2026. Aufgrund der bald auftretenden Engpässe in der Produktion von Öl und Gas nahm Jörg Schindler, Geschäftsführer des Ludwig-Bölkow-Institutes für Systemtechnik, 2008 an, dass wir nach 2015 für zwei Jahrzehnte in ein Loch fallen würden, es würden sich globale Fragen der Verteilung und Gerechtigkeit stellen.84

Auch wenn es so schlimm noch nicht gekommen ist und weit in die Zukunft reichende Prognosen immer ungenau und oft auch falsch sind, wird eine nachlassende Ölproduktion zu sinkendem Konsum führen, und das wohl schon in den nächsten Jahrzehnten. Dementsprechend erscheint ein Kollaps in naher Zukunft aus heutiger Sicht wahrscheinlicher als noch vor 40 Jahren, als der erste Bericht an den Club of Rome veröffentlicht wurde.85

Hunger und steigende Preise machen jetzt schon wütend, das war in vielen Ländern bereits erkennbar. Auch vertreiben Terror und Klima viele Menschen aus ihren Heimatregionen. Am Tschadsee etwa, einem Binnensee in Westafrika, sorgen dafür die islamistische Terrorgruppe Boko Haram und ein Schrumpfen des Sees um 85 Prozent seit den 60er-Jahren.86


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Kurze Zeit nach Anschwellen der Flüchtlingsströme in Deutschland im Herbst 2015 erscheint eine Meldung, wonach zu den Ursachen des Syrien-Konfliktes neben dem Widerstand gegen das Assad-Regime auch die Dürre gehöre, die zwischen 2006 und 2010 die Region heimgesucht habe:

Viel öfter, als wir glauben, stecken hinter diesen Konflikten die Verschlechterung der Lebensbedingungen und der Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln. Wenn wir nichts tun, um den Klimawandel zu begrenzen, müssen wir mit immer größeren Wanderungen rechnen.87

Auch der US-Außenminister John Kerry hat drei Tage vor den Pariser Anschlägen vom 13. November 2015 bereits darauf hingewiesen, dass es womöglich »kein Zufall« sei, dass dem Bürgerkrieg in Syrien eine Dürrezeit vorausging.88 Er sprach von »vier Jahren ohne Regen«, was zwangsläufig zu steigenden Lebensmittelpreisen und Wanderungsbewegungen von Bauern in die Städte führt. Die Klima-, Rohstoff- und Nahrungsmittelkrisen bedingen einander somit gegenseitig stark, ebenso haben hier Terror und Flüchtlingskrise einen gemeinsamen Ursprung (wenn dies auch sicher jeweils nicht der einzige ist). Wenn erst einmal auch hier Energieengpässe auftreten, sei es an der Tankstelle, mit teurer werdendem Strom oder ausbleibenden Gasimporten für unsere Heizungen, wird das, was bisher oft wie ein theoretisches Szenario klingt, spürbar werden.

Der Klimawandel und die Nahrungsmittelkrise, ebenso kriegerische Konflikte vor dem Hintergrund knapper werdender Rohstoffe, sowie soziale Unruhen durch Flüchtlingsströme und Hunger sind bereits jetzt in vollem Gange. Die Ökokrise mit ihren vielfältigen Auswirkungen kommt also nicht erst irgendwann, wie oft angenommen wird, sondern hat längst begonnen. Effektive Lösungen sind kaum erkennbar, zumal globale Lösungsansätze auf etlichen Konferenzen immer wieder an nationalen Egoismen scheitern. Im Gegensatz dazu wurden 2008 im Rahmen der globalen Finanzkrise erstaunlich rasch große finanzielle Mittel bereitgestellt. So wurde in Deutschland im Oktober 2008 innerhalb einer Woche ein Gesetzespaket mit einem Finanzvolumen von 500 Milliarden Euro durch die Instanzen gepeitscht (zum Vergleich: Nicht einmal zehn Milliarden Euro waren bis dahin seit dem Umweltgipfel von Rio 1992 für den Erhalt der biologischen Vielfalt aufgebracht worden. 89).


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Die Chance, damit ein Umsteuern unserer Wirtschaftsweise anzustoßen, wurde jedoch vertan. Letztlich deutet sich jetzt sogar schon wieder eine neue Bankenkrise an. Die Kreditkrise in den USA damals, so der Wirtschaftswissenschaftler Jeremy Rifkin, war konkret, »tief, schmerzvoll und unmittelbar«,90 weshalb sie die entsprechende Aufmerksamkeit erhielt; die beiden anderen Krisen, die Energie- und Klimakrisen, hingegen sind viel tückischer, schleichen sich eher heran und werden langsam und erbarmungslos die Weltwirtschaft strangulieren - mit viel drastischeren Konsequenzen für unseren Lebensstil, vermutet Rifkin. Es stellt sich somit nicht die Frage, ob wir unseren Ressourcenverbrauch radikal senken werden, sondern nur, wann und unter welchen Umständen wir es tun werden bzw. tun werden müssen.91

  Gefährdete Demokratie 

Ein Umdenken setzt auf vielen Ebenen zumindest zaghaft ein, aber eine weitere enorme Gefahr stellt eine zunehmende Kluft zwischen Reichen und Armen dar. Neben der Umwelt gehören Geringverdiener hierzulande und viele Länder weltweit zu den Verlierern des mittlerweile globalisierten Kapitalismus. Die Schere zwischen Kapitalgewinnen und Lohneinkommen öffnet sich zunehmend seit gut 20 Jahren. Die 62 reichsten Menschen dieser Welt besitzen einer Studie zufolge genauso viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung.92 Während ein Prozent der Menschheit über 40 Prozent des gesamten Anlagevermögens verfügt und der Anteil der Kapitaleinkommen an der Wirtschaftsleistung weiter steigt, müssen immer größere Teile der Bevölkerung mit schrumpfenden Löhnen und wachsender Unsicherheit leben.

Das ist auch in unseren Breiten spürbar, die Mittelschicht ist von starken Abstiegsängsten befallen und schrumpft bereits. Die Gefahr wächst, dass Verbreiter einfacher und radikaler Lösungen mehr Zulauf bekommen, und schließlich das gesellschaftliche Klima aufheizende Affekte wie Wut wieder Eingang in die Politik finden.93 Als Beispiele sind zu nennen der Rechtsruck in Ungarn, Polen, Frankreich Dänemark und


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Österreich, der Brexit Großbritanniens aus der EU, die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, das Spiel mit den Wahrheiten in Russland und der Türkei, ein religiöser Fundamentalismus im Mittleren Osten, Südasien oder Amerika oder auch eine in Europa, speziell in Deutschland angespannte Stimmungslage angesichts der großen Flüchtlingswellen und terroristischer Anschläge.

Eine zunehmende Politikverdrossenheit ist in Deutschland zudem schon seit Jahren erkennbar. Die Hoffnung, dass die enormen ökologischen und sozialen Probleme von oben her gelöst werden könnten, nimmt ab. Zu befürchten ist eine ernste Gefährdung der Demokratie durch die zunehmenden Konflikte und Spannungen und den daraus folgenden Zustrom zu den Rändern des politischen Systems. Dies zeigt sich bereits in den Pegida-Demonstrationen und der Etablierung einer Partei wie der AfD, sowie in der Suche nach »Schuldigen«, die dann erfahrungsgemäß in den etablierten Parteien, aber auch in Randgruppen der Gesellschaft gesucht werden.

Und wenn es doch zu einem Krisenmanagement kommt, so birgt auch dieses antidemokratische Gefahren. So waren bei den Maßnahmen zur Finanzmarktkrise nun Entscheidungsinstanzen wie die 15 Euroländer, die EU, der Internationale Währungsfonds und die spontanen Politikergipfel gefragt und exekutiv stark wirksam; diese sind aber demokratisch nur schwach legitimiert.94 Und plötzlich überließen die politikverdrossenen (vielleicht aber auch nur einfach müden und konsumbeschäftigten) Bürger in Deutschland den geschmähten Politikern die Macht, innerhalb einer Woche im Oktober 2008 ohne jede öffentliche Diskussion über 500 Milliarden Euro zu entscheiden, während sonst jede einzelne Milliarde wochenlang im Diskurs von allen Seiten beleuchtet wird. Schon der Antiterrorkampf nach 9/11 hatte die Selbstherrlichkeit der Exekutive verstärkt.

Gerne wird dann mit der »Alternativlosigkeit« der zu treffenden Entscheidungen argumentiert, Debatten sind somit nicht mehr nötig, vielleicht auch gar nicht mehr möglich, weil alleine schon die Zeit fehlt, die zunehmend komplexen Probleme genauer unter die Lupe zu nehmen. Der Autor Andreas Zielcke geht, ebenso bereits 2008, noch einen Schritt weiter:


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Im Hintergrund lauert bekanntlich der schlimmste Notstand, der auf der historischen Tagesordnung oben steht und nach schweren Eingriffen verlangt - die Klimakatastrophe: welche Form von Autoritarismus wird sie wohl mit sich bringen, wenn es eines Tages auch hier Anlass zur Panik gibt? Nur eines ist sicher: dieser Autoritarismus wird im Unterschied zur Maßregelung des Finanzmarktes nicht populär sein.95

  Alles nur Hysterie?  

Nicht nur der Markt mit Büchern zur ökologischen Krise boomt. Auch gegenteilige Meinungen drängen zunehmend in die Öffentlichkeit. Da ist von »Klimalüge« die Rede96, von »großem Selbstbetrug, der uns um die Zukunft bringt«97, ein »Freispruch für CO2«98 wird gefordert und ein »Öko-Nihilismus«99 kritisiert.

Letztlich lassen sich die hier angewandten Argumentationen in drei Gedanken zusammenfassen:

  • Die Apokalypse wird, auch durch die Medien, schon lange mit viel Aktionismus gepredigt, sie ist aber bisher nicht eingetroffen, im Gegenteil, der Menschheit geht es immer besser;

  • Phänomene wie Waldsterben oder Klimawandel hat es immer schon gegeben;

  • und: mit Weiterentwicklung und Fortschritt haben wir schon ganz andere Probleme gelöst, neue Techniken werden uns helfen.

Durch die noch folgende Betrachtung, wie wir evolutionär überhaupt an den heutigen Punkt gekommen sind, und welche Rolle biologische und psychologische Mechanismen dabei spielen, wird einiges zu diesen Fragen deutlich werden.

An dieser Stelle, gerade nach der Darstellung der Fakten der ökologischen Krise, soll aber auf die drei Gegenargumente bereits eingegangen werden.


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Gerne wird auf die »Angstkette« der Deutschen hingewiesen: erst würden aus Angst vor Atomkraft die Atomkraftwerke abgeschaltet, dann würden wir die globale Erwärmung fürchten, weshalb die Kohlekraftwerke Angst machen würden, und die dezentrale und unstete Stromerzeugung durch Windkraft würde dringend neue Hochspannungsleitungen benötigen, aber wir hätten ja auch Angst vor Elektrosmog. 10° So kann man natürlich mit ein paar rhetorisch geschickten Verknüpfungen ein grundsätzlich berechtigtes Unbehagen fast schon ins Lächerliche ziehen. Angst ist ja zunächst einmal ein nötiges Gefühl, ohne das wir gar nicht in der Lage wären, eine Straße zu überqueren. Sie kann aber auch in unangemessenem Übermaß vorhanden sein und uns zum Psychiater treiben, etwa bei Panikattacken oder Ängsten, überhaupt das Haus zu verlassen.

Was ist hier der Fall? Angemessene Vorsicht oder übertriebene Panik? Letztlich sind Gefühle eine individuelle Angelegenheit. Von einer kollektiven Hysterie aber sind wir weit entfernt. Weder rät die BILD-Zeitung in großen Buchstaben nun dringend wegen des Klimawandels das Auto sofort stehen zu lassen, noch lassen sich die Menschen aus der Ruhe bringen und verhalten sie sich aus Angst plötzlich »überökokor-rekt«. Und Demonstrationen zu umweltpolitischen Themen sind selten geworden. Durch Alltagssorgen und gut mögliche Ablenkung in der Freizeit lassen wir diese Themen gar nicht so nahe an uns heran.

Wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, gibt es eine Tendenz in der Entwicklung der menschlichen Kultur zu Komplexität und Spezialisierung, und diese Tendenz hat eine Eigendynamik: das, was gemacht werden kann, wird auch gemacht. So sind wir auch bei der komplexen Technik der Atomkraft gelandet, aus der Notwendigkeit heraus, neue Energiequellen zu finden. Es entspricht aber einer gesunden Reaktion, Techniken, die nur noch von wenigen Spezialisten überschaut und gehandhabt werden können, zu misstrauen. Nicht zufällig ist dieses Misstrauen bei der Atomkraft auch Jahrzehnte nach ihrer Einführung bestehen geblieben, also nicht zu vergleichen etwa mit anfänglichen Ängsten bei Einführung der Dampfeisenbahn.

Eine Technik, die bei den beiden glücklicherweise bisher einzigen Atombombenabwürfen 350.000 Menschen tötete und in Tschernobyl 1986 eine umstrittene Zahl zwischen 50 und 90.000 Opfern forderte, wird zu Recht von Millionen von Menschen abgelehnt. Prompt wurde sie rasch nach dem Unglück von Fukushima 2011 in Deutschland abgeschafft (wenn vielleicht primär nur aus wahltaktischen Gründen).


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Weiterhin noch sind, wie oben erläutert wurde, viele technische Fragen ungeklärt, zudem wird vor einer Weiterverbreitung auch der zivilen Atomenergie gewarnt, da es dann nur eine Frage der Zeit ist, bis auch Terror­gruppen etwa mit Atommüll oder sogenannten »schmutzigen Atombomben« größeren Schaden anrichten.

Trotz aller - vielleicht manchmal auch berechtigter - Kritik an Unheils-verkündern sollte man sich nicht in Sicherheit wiegen. Auch moderne Gesellschaften sind anfällig und können untergehen. Der Physiologe Jared Diamond hat das mit seinen Studien zu den Maya, den Wikingern, den Bewohnern der Osterinsel und anderen Kulturen gezeigt;101 auch den Römern wurde schließlich die zunehmende Komplexität ihres größer gewordenen Staats­gebildes zum Verhängnis. Diamond arbeitete fünf entscheidende Faktoren für einen Zusammenbruch von Kulturen heraus: so gehen diesem fast immer Probleme mit der Umwelt oder mit einem zu starken Bevölkerungs­wachstum voraus, oft sind beide Faktoren gegeben. Eine wichtige Rolle spielen weiter ein sich wandelndes Klima, feindliche Nachbarn und geschwächte Handelsbeziehungen. Wenn dann die Gesellschaft auf all diese Herausforderungen nicht angemessen reagiert, sondern auf den ausgetretenen Pfaden weiter marschiert, scheitert sie. Bei Anwendung dieser Kriterien auf die heutige Zivilisation wird man nachdenklich, Diamond weist deutlich auf Parallelen hin.

Es muss nicht gleich zu einem Aussterben der Menschheit kommen. Der Historiker Johannes Fried etwa entwarf vor einigen Jahren ein Szenario, in dem beispielsweise die Hälfte der zum damaligen Zeitpunkt sechs Milliarden Menschen bei Kriegen oder Epidemien umkäme. Es würden dann immer noch drei Milliarden Menschen auf der Erde leben - mehr als zu früheren Zeiten. Die Krise hätte gleichzeitig eine Chance für die Überlebenden. Nach früheren Pestwellen z. B. seien die Menschen gegen Seuchen immunisiert gewesen und hätten eine bessere materielle Basis gehabt, um neu anzufangen. Optimistisch stimme ihn das nicht, denn er wolle sich nicht am Untergang orientieren.102

Und genau das ist der Punkt: es ist sinnlos, übertriebene Untergangsszenarien zu entwerfen, da diese nicht konstruktiv in die Zukunft weisen, lähmen und dadurch nötiges Engagement sogar verhindern können; bisher aber überwiegen in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch sehr einseitig Verleugnungsmechanismen hinsichtlich nun sehr wahrscheinlich gewordener schmerzhafter Anpassungen, nicht etwa unangemessene Angstreaktionen.


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Da hilft es dann auch wenig, darauf zu verweisen, dass es doch der Menschheit immer besser gehe, schließlich sei doch die Lebenserwartung deutlich gestiegen.103 Genau das aber könnte sich für die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen als fatal erweisen, wenn nämlich nicht nur immer mehr Menschen mit immer höherem Lebensstandard die Natur nutzen, ausnutzen und übernutzen, sondern sie dies dann auch immer länger tun.

Dennis Meadows ist wegen seiner Warnungen mittels des Berichtes an den Club of Rome und nachfolgender Veröffentlichungen oft als Apokalyptiker bezeichnet worden. Vorgeworfen wurde ihm oft, schlimme, dann aber nicht eingetroffene Prognosen über ökologische Katastrophen in die Welt gebracht und damit unnötige Ängste geschürt zu haben. Er selbst hat dazu schon mehrfach Stellung genommen und dabei klar gestellt, wie seine Analysen zu verstehen sind:

Wir haben mit unseren Computermodellen rund ein Dutzend möglicher Szenarien für die nächsten hundert Jahre entwickelt. Manche davon führen zum globalen Kollaps, andere nicht. Wir haben ganz bewusst nicht prognostiziert, wie sich die Welt tatsächlich entwickeln wird. Im Übrigen zeigten selbst unsere negativsten Szenarien, dass Wachstum bis in die frühen Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts möglich ist. Wachstumsgrenzen in Folge der Verknappung von Rohstoffen machen sich nach unseren Modellen erst vom Jahr 2030 an bemerkbar.104

Die von ihm dargestellten Szenarien und Modelle lesen sich außerordentlich nüchtern und sachlich, von Panikmache keine Spur. Ob die Kritiker des Club of Rome jemals einen der Berichte wirklich gelesen haben?

Auch die vermeintliche »Hysterie« um das Waldsterben in den 1980er Jahren oder die FCKW-Stoffe mit Schädigung der Ozonschicht in den 1990er Jahren wird gerne als Fehlalarm angesehen. Das Gegenteil ist der Fall: gerade durch die gewonnene Aufmerksamkeit für diese Probleme und den dadurch entstandenen Druck der Öffentlichkeit konnten Ansätze und Lösungen gefunden werden, die Probleme zu lindern. Das war beim Ozonloch nicht schwer, da Ersatzstoffe bereits vorhanden waren.


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Beim Waldsterben wiederum wurden aufgrund des öffentlichen Drucks die Schwefelemissionen der Industrie innerhalb eines Jahrzehnts um über 80 Prozent reduziert, zudem verbleites Benzin verboten. So stehen diese Themen heute nicht mehr im Vordergrund. Und: beide Bereiche betrafen nur einen klar fassbaren Aspekt, im Gegensatz zur heute vorherrschenden Komplexität mit in vielen Bereichen nötigen Maßnahmen, man denke nur an die erwähnten planetaren Grenzen.

Angemerkt werden muss aber auch, dass der Waldzustandsbericht immer noch unbefriedigend ist und die Regeneration der Ozonschicht in der Atmosphäre noch viele Jahrzehnte benötigen wird, da die FCKW dort oben nur sehr langsam abgebaut werden; dazu erschien vor einigen Jahren diese Zeitungsmeldung: »Ozonloch auf Rekordgröße, die Schutzschicht wird sich womöglich erst bis 2100 erholen«.105

Bis jetzt drängt sich umweltpolitisch jedenfalls nicht der Eindruck auf, als hätte es schon zu oft Fehlalarme gegeben. Es ist doch seltsam: wie oft wird die Feuerwehr umsonst gerufen, oder der Brand ist schon gelöscht, wenn sie eintrifft. Diese Fälle von oft auch falschem Alarm nehmen wir aber gerne hin, wir wissen, dass eventuell ein hoher Personen- oder Sachschaden entsteht, wenn ein Feuer außer Kontrolle gerät. Wir würden wegen der häufigen Fehlalarme die Feuerwehr jedenfalls nicht abschaffen.

Im Rückblick jedenfalls wäre es wünschenswert gewesen, wenn »Angstmacher« wie Rachel Carson(106) und die Autoren des Berichts an den Club of Rome in den 1960er- und 1970er-Jahren ernster genommen worden wären, etliche bereits eingetretene Umweltkatastrophen hätten vermieden werden können.

Von mancher Seite wird den Medien eine Hysterie um den Klimawandel unterstellt,107 ohne hier jedoch seriöse Medien mit fundiertem Wissenschaftsteil ernst zu nehmen, die sehr sachlich über den Klimawandel berichten. Und zumeist wird bei dieser Kritik nicht erkannt, dass es außer um den Klimawandel um ein ganzes Bündel von sich parallel dazu zuspitzenden ökologischen Themen geht, die in der Summe zu einer Potenzierung von Krisen führen können und daher entsprechende Warnungen notwendig machen.

Phänomene wie Rohstoffkrisen oder Klimawandel hat es tatsächlich immer wieder gegeben, wie von den Ökooptimisten häufig angeführt.


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Der heutige Klimawandel unterscheidet sich aber von früheren dadurch, dass er sich in extrem kurzer Zeit vollzieht; ein Temperaturanstieg um ein Grad in hundert Jahren und ein weiterer noch um zwei bis vier Grad in diesem Jahrhundert, wie oben dargestellt, das hört sich harmlos an. Es macht aber auch beim Fieber einen großen Unterschied, ob die Temperatur sich um ein oder um vier Grad erwärmt. Am Ende der letzten Eiszeit bis vor ca. 13.000 Jahren hat sich das Klima um fünf Grad erwärmt - allerdings über einen Zeitraum von rund 5.000 Jahren, was Tieren und Pflanzen ausreichend Zeit gab, sich anzupassen. Der schnelle Temperaturanstieg jetzt liegt am menschlichen Einfluss, was noch gar nicht so lange für die entsprechenden Forscher feststeht. So viele Treibhausgase wie heute hat es in der Atmosphäre zuletzt vor 650.000 Jahren gegeben.108 Die sich zumeist über viele Jahrzehnte und Jahrhunderte vollziehenden natürlichen Zyklen schaffen es also nicht so rasch, einen Klimawechsel herbei zu führen.

Wenn dann Kritiker hierzulande sagen, dass es doch schön wäre, wenn bei uns Palmen wachsen würden und der Rotwein besser wäre, ist das fast schon zynisch. Übersehen wird dabei, dass andere Länder enorm unter den Veränderungen zu leiden haben, und das werden auch wir hier noch zu spüren bekommen, allein schon weil politisch, wirtschaftlich und finanziell die Welt heute eng zusammenhängt und miteinander vernetzt ist. Die Probleme sind heute globaler Natur und betreffen nicht mehr nur einzelne Kulturen oder Gesellschaften. Auch wenn die Apokalypse nicht ansteht: für die Betroffenen von Kriegen, die mit Rohstoffknappheit oder Klimawandel zu tun haben, wie in Afrika, Afghanistan oder Irak, oder für Klimaflüchtlinge bedeuten die Folgen schon heute eine Katastrophe.

Zum dritten Argument, der Hoffnung auf neue Techniken, die dann die derzeitigen Probleme lösen könnten: Die Hoffnung wird gedämpft durch die Tatsache, dass neue technische Verfahren, wenn sie denn überhaupt erfolgreich sind bei der Lösung von Problemen, erst zur Wirkung kommen, wenn sie nach Jahrzehnten der Entwicklung ausgereift sowie auf dem Markt akzeptiert und erschwinglich sind, wie das etwa bei der Gasheizung, den Autos, der Elektrik, dem Fernsehen oder dem Computer der Fall war.


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Und: sie werfen zumeist selbst wieder neue, unvorhergesehene Komplikationen auf, da sie immer komplizierter und unüberschaubarer werden, wie etwa bei Anwendung von Entsalzungsanlagen, der unterirdischen CO2-Lagerung oder dem künstlichen Eingriff ins Klimageschehen (von ethischen Problemen hierbei noch ganz abgesehen). Auch zur Frage der Atomkraft wurde dies schon diskutiert. Deutlich wird es ebenso am Verkehr: die Mobilität ist durch Autos und Flugzeuge schneller und bequemer geworden, hat aber zu Folgen wie Abgasproblemen, Luftverschmutzung, Feinstaub, Treibhausgasemissionen, Landschaftsverbrauch durch Straßen und Lärmbelastung geführt, von der Rohstoffabhängigkeit hier jetzt einmal ganz zu schweigen. Auch das Internet wird gepriesen als optimales Medium zur notwendigen Netzwerkbildung und Kommunikation; es ist dabei sehr hilfreich und liefert nahezu zu allen Fragen unendlich viele Informationen, aber die entstehenden Kontakte bleiben häufig oberflächlich, anonym und flüchtig, gekennzeichnet durch »schnelle Klicks«, und der Energieverbrauch wird zusätzlich angeheizt, von den Gefahren durch Überwachung und Machtkonzentration bei einzelnen Konzernen an dieser Stelle noch abgesehen.

Bei allen einzelnen Auswüchsen, die es bei Warnungen sicher geben mag oder gegeben hat: Noch also kann von Umwelthysterie keine Rede sein. Unsere Mechanismen, überhaupt die schon feststehenden Fakten nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, sind bisher eindeutig stärker. Doch dazu mehr in einem späteren Kapitel. Festzustellen bleibt: nicht der Alarmismus, sondern die alarmierenden Tatsachen selbst sind das Problem!

* * *

Obwohl also die Fakten der ökologischen Krise, hier vor allem zu Klimawandel und Rohstoffverknappung, mittlerweile einer breiten Bevölkerung bekannt sind, ändert sich nur wenig. Der Planet wird überbeansprucht, von seriösen Autoren und Wissenschaftlern wird ein Kollaps in irgendeiner Form für die nächsten Jahrzehnte für wahrscheinlich gehalten, sollte kein nachhaltiges Gleichgewicht gefunden werden, was wiederum mittlerweile sehr unwahrscheinlich erscheint.

Der Bewusstseinswandel insbesondere der Bevölkerung in den Industriestaaten ist noch zu gering, ebenso die Bereitschaft zum Überdenken bisheriger Werte und zur Änderung gewohnter Verhaltensweisen. Es drohen weiter zunehmende soziale Spannungen, Konflikte und auch Kriege, sei es durch die aufklaffende Schere zwischen Arm und Reich, die durch den Klimawandel zu erwartenden Flüchtlingsströme oder den Kampf um die verbleibenden Ressourcen.

Warum also verhalten die Menschen sich so widersprüchlich und pflegen einen Umgang mit der Natur, der einer »ökologischen Suizidvorbereitung« gleicht?(109) Das menschliche Zukunftsbild, das irrational die ökologischen Gefahren ausblendet, wird zumindest verständlicher, wenn man zunächst schaut, welche Mechanismen und Prinzipien uns überhaupt bis zur aktuellen Situation gebracht haben. Es ist kein Versagen der heute lebenden Menschen, dass die Welt jetzt so ist, wie sie ist.

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