Ossip K. Flechtheim
Ist
die Zukunft
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1987 *1909 230 Seiten
DNB
Buch detopia: |
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Klappentext: Unter dem Eindruck der sich ständig verschärfenden Krise analysiert der weltbekannte Wissenschaftler die möglichen, wahrscheinlichen und wünschenswerten "Zukünfte" des Menschen und der Gesellschaft. Sieben Herausforderungen sind zu meistern — je nachdem, wie der Mensch auf diese Herausforderungen reagiert, ergeben sich drei denkbare "Zukünfte": das Ende der Menschheit, eine Robotergesellschaft oder eine solidarische Weltföderation.
Inhalt Einleitung 1987 (11) Namen- und Sachregister (229-235) Widmung: Meinen beiden Enkelkindern, Johannes und Julia.
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I. Der Griff nach der Zukunft 1 Der Mensch — ein zwiespältiges Wesen (15) 2 Zur Schlüsselrolle der Geschichte (26) 3 Futurologie, Futuristik und Utopie (36) 4 Prognostik (55) 5 Planung (67) 6 Die drohende Megakrise — Einsicht und Warnung (78-86)
II. Die sieben existentiellen Herausforderungen 1 Rüstungswettlauf und Krieg (87) 2 Bevölkerungsexplosion und Hunger (108) 3 Bedrohung der Umwelt (119) 4 Wirtschaftskrise und Überplanung (131) 5 Demokratiedefizit und Repression (141) Rechtsstaat, Juristerei 6 Kulturkrise (159) 7 Krise der Familie und Identitätsverlust des Individuums (167-177)
III. Die Qual der Wahl 1 Drei mögliche Zukünfte (179) Szenarien 2 Der Dritte Weg (193) 3 Gewaltlos gegen Gewalten — Auf der Suche nach der richtigen Strategie (222-228) |
detopia-2013
eine Gesamtschau auf die Gesellschaft und Zukunft,
auch auf
die möglichen Gegenmaßnahmen.
Es fehlt die organisierte Kriminalität; auch
der Weltgesundheitszustand kommt knapp weg.
Dafür finden wir mehr als
woanders über den Ausweg im Ökosozialismus und Ökohumanismus,
also in einer
besseren Gesellschaftsordnung.
Im selben Jahr erschien die "Logik der
Rettung" von Rudolf Bahro,
ein Jahr später dann Lafontaine's
Zukunftsgesellschaft.
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Aus Keßler, 2007, S. 202 1987 erschien Flechtheims letzte Monographie, Ist die Zukunft noch zu retten?. Er sah das Buch als Summe seines Schaffens und gewissermaßen als Vermächtnis an die jüngste, die übernächste Generation an. Es ist im besten Sinne populär geschrieben, voller Informationen, doch ohne Anmerkungsapparat und unter weitgehendem Verzicht auf die Wiedergabe komplizierter wissenschaftlicher Debatten. Er erinnerte seine Leser daran, dass bereits um 1950 in den USA erste warnende Stimmen auftauchten, die vor einem Raubbau an der Natur warnten und eine Politik des Umweltschutzes anmahnten. Flechtheim verwies auf damals wenig beachtete Arbeiten von Fairfield Osborn und William Vogt (der sogar vom Großindustriellen Bernard Mannes Baruch unterstützt worden war!). Das Buch enthält eine starke anthropologische Komponente. Der Mensch sei ein zwiespältiges Wesen, schrieb Flechtheim.
Eindringlich wiederholte Flechtheim die Botschaft seines Lebens: Der mögliche Dritte Weg zwischen etatistischem Kommunismus und ungehemmtem Privatkapitalismus in Richtung eines demokratischen Sozialismus müsse rechtzeitig beschritten werden. Dieser Sozialismus sei nicht mit der Überplanung der osteuropäischen Gesellschaften zu verwechseln. „Denn es gibt keinen Plan“, zitierte Flechtheim Günter Anders, „dessen Durchführung sich nicht im Raume des Ungeplanten vollzöge, und was aus diesem Raume des Unkalkulierbaren in die Plandurchführung hinein brechen könnte, das läßt sich nur schwer, oft überhaupt nicht kalkulieren.“ (S. 69) Im Streit der Ideologien sei die Idee einer geplanten und sozialisierten Wirtschaft, trotz ihrer nachlassenden Attraktivität, noch immer für viele Menschen mit Sozialismus identisch. Allerdings lasse sich ein ökosozialistisches oder ökohumanistisches System nicht nur durch wirtschaftliche Systemveränderungen erreichen. "Ein grundlegender Wandel in der Politik, Gesellschaft und Kultur muß hinzukommen. Schließlich muß sich der Produzent und Konsument von einem egoistischen <homo oeconomicus> zu einem dem Gemeinwohl verpflichteten <zoon politikon> entwickeln.“ (S. 140) „Ein optimales Verhältnis von Freiheit und Gleichheit scheint nur in einer Gemeinschaft möglich, die auch auf Brüderlichkeit und Gerechtigkeit, Mitmenschlichkeit und Solidarität beruht.“ (S. 144) Davon sei nicht nur der immer noch diktatorische Kommunismus Moskauer oder Pekinger Spielart weit entfernt. Auch die westlichen Parteien eines „Spätparlamentarismus“ würden mehr und mehr zum Spielball bloßer „Pressionsgruppen“ werden, die Parteien und Fraktionen unterwanderten und die politische Willensbildung letztlich lahmlegten. Die Parteiführer seien nur noch an Posten und Patronage interessiert. (S. 149) In diesem Sinne ist auch sein 1970 erstmalig erschienenes Werk "Futurologie - Der Kampf um die Zukunft" zu verstehen. Dem folgte 1974 "Zeitgeschichte und Zukunftspolitik". Dazwischen liegt eine ganze Palette weiterer Schriften. Der Autor dieser Zeilen erinnert sich voller Dankbarkeit an jene Wochenenden, an denen er als Herausgeber der letzten Ausgabe des fast schon testamentarischen Buches "Ist die Zukunft noch zu retten? Weltföderation - Der Dritte Weg ins 21. Jahrhundert" im Hause Flechtheim Gast sein durfte. Nicht nur die Diskussion über zukunftswissenschaftliche Konzepte, u.a. auch über Soziale Dreigliederung im globalen Rahmen, blieben mir hierbei in prägender Erinnerung. Als bleibendes Geschenk aus dieser Zusammenarbeit mit Ossip Flechtheim habe ich seine Zartheit und Herzlichkeit in der zwischenmenschlichen Begegnung wahr- und mitgenommen. Auch viele andere schätzten diese vom gesellschaftlichen Leben nicht korrupierte und weltoffene Menschheitlichkeit, verbunden mit der seltenen Kunst des echten Zuhörens, um den anderen als menschliches und im Werden befindliches Wesen wahrzunehmen. Am 9. August 1985 antwortete er in der FAZ auf die Frage, was er am meisten verabscheue: "Die Unmenschlichkeit" und den Krieg der Menschen gegeneinander. Ossip Flechtheim war einer von jenen sozialengagierten Kosmopoliten, Zukunftsforschern und Morgenlandfahrern, die unter Einsatz ihres Lebens den Samen des Menschlichen keimen lassen. Eine seiner Maxime findet sich in einem Vortrag von Rudolf Steiner (05.10.1919) wieder: "Soziale Ideen setzen voraus, daß sich der Mensch als Weltbürger empfindet."
Stephan
Mögle-Stadel |