Stefan Heym

Nachruf -
Lebens- und Zeitgeschichte

Die ebenso erregende wie amüsante
Autobiographie des großen alten
Mannes der DDR-Literatur.
 

Stefan Heym :  Nachruf   (1988)    Autobiographie    - 

1988    rund 900 Seiten 

Wikipedia Autor *1913 in Chemnitz bis 2001 (88) 

dnb.Name (800)  dnb.Person   dnb.Nummer (600+)

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Alex-Demo 1 am 4.11.1989    +   Alex-Demo 2 länger  

 

2013 zum 100sten Gebu:

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Lesung des Buches <Nachruf>, MDR Kultur, Kapitel:  01  (Sprecher?)

 

Stefan Heym:  12  Biermann 

 


 


Rede Stefan Heyms am 4.11.1989

 

Liebe Freunde, Mitbürger, 

es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen nach all den Jahren der Stagnation, der geistigen, wirtschaftlichen, politischen, den Jahren von Dumpfheit und Mief, von Phrasengedresch und bürokratischer Willkür, von amtlicher Blindheit und Taubheit. 

Welche Wandlung! Vor noch nicht vier Wochen: die schön gezimmerte Tribüne hier um die Ecke, mit dem Vorbeimarsch, dem bestellten, vor den Erhabenen! Und heute?! Heute hier, die Ihr Euch aus eigenem freien Willen versammelt habt, für Freiheit und Demokratie und für einen Sozialismus, der des Namens wert ist.

In der Zeit, die hoffentlich jetzt zu Ende ist, wie oft kamen da die Menschen zu mir mit ihren Klagen. Dem war Unrecht geschehen, und der war unterdrückt und geschurigelt worden. Und allesamt waren sie frustriert. Und ich sagte: So tut doch etwas! Und sie sagten resigniert: Wir können doch nichts tun. 

Und das ging so in dieser Republik, bis es nicht mehr ging. Bis sich so viel Unwilligkeit angehäuft hatte im Staate und so viel Unmut im Leben der Menschen, dass ein Teil von ihnen weglief. Die anderen aber, die Mehrzahl, erklärten, und zwar auf der Strasse, öffentlich: Schluß, ändern. Wir sind das Volk!

Einer schrieb mir - und der Mann hat recht: "Wir haben in diesen letzten Wochen unsere Sprachlosigkeit überwunden und sind jetzt dabei, den aufrechten Gang zu erlernen." - Und das, Freunde, in Deutschland, wo bisher sämtliche Revolutionen danebengegangen, und wo die Leute immer gekuscht haben, unter dem Kaiser, unter den Nazis, und später auch.

Aber sprechen, frei sprechen, gehen, aufrecht gehen, das ist nicht genug. Laßt uns auch lernen zu regieren. Die Macht gehört nicht in die Hände eines einzelnen oder ein paar weniger oder eines Apparates oder einer Partei. Alle müssen teilhaben an dieser Macht. Und wer immer sie ausübt und wo immer, muß unterworfen sein der Kontrolle der Bürger, denn Macht korrumpiert. Und absolute Macht, das können wir heute noch sehen, korrumpiert absolut. 

Der Sozialismus - nicht der Stalinsche, der richtige -, den wir endlich erbauen wollen zu unserem Nutzen und zum Nutzen ganz Deutschlands, dieser Sozialismus ist nicht denkbar ohne Demokratie. Demokratie aber - ein griechisches Wort - heißt: <Herrschaft des Volkes> !

 

 

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