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detopia:
"Heroin" sollte bei Bayer
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detopia-2024: Sprachverfall ist nicht schön, aber ich könnte damit leben, wenn nicht die Hauptwirkung wäre: Wir können nicht mehr reden über unsere Existenzprobleme (also Überlebensprobleme). Daher ist Sprachverfall genauso wirksam wie die anderen Todesfaktoren. (Atomabfall, Humusverfall, Brunnenvergiftung, Biowaffen, Biokalypse, Klimachaos, Dauerdepressionen, usw.)
detopia-2021: Das Unwohlsein damit, was mit unserer schönen deutschen - auch schweren, sagt man - Sprache gemacht wird, ist wie ein weites offenes Feld. Denglisch ("Jobcenter" - Eine deutsche Behörde mit Exekutivfunktion benennt - und benimmt - sich fremdländisch); Die "Sprache" der Reklame, der Bildzeitung, des Fernsehens mit etlichen "Mundarten" wie Blockbustersyncronisation: "Stirb' langsam", "Mord ist ihr Hobby"; die Sprache der Talkshows und die "Sprache des Frühstücksfernsehens"; die Sprache des Bundes- und der Landtage; bis hin zu Alltagsprachen, wie "Jugendsprache" und "Kanakisch". Neu hinzu kommt die "Trumpsprache", die ich schon länger in Übersetzung durch die AfD kenne. - Und ganz toll: Die "Lachsprache" - im Kommerzradio bei "Wetter und Verkehr", also das unmotivierte und permanente Dauerglucksen; zusätzlich verfeinert durch gespielte Unterdrückung des lustigen Lachens über das Wetter.
detopia-2021:
Im Wesentlichen teile ich hier (nur) mit, dass die (neue) rechtslastig-populistische Sprache selber ein "fake" ist. Es werden - auch im Kleinen - neue Zusammenhänge konstruiert (bzw. behauptet), die es so nicht gibt. Aber ich sehe die Entstehungsgeschichte schon in Vor-Internet-Zeiten, so dass ich mich heute nicht sehr über die Auswüchse aufrege ("Wahl gestohlen", "Wir sind Papst"). Die Ausdrucksweise von Reklame und Marketing haben den Boden bereitet. Als Kinder fanden wir das cool: "Dasch wäscht so weiß - weißer geht's nicht." Aber das war schon nicht ohne schlechte Wirkung. - Es geht auch nicht nur um die Wortwahl, sondern auch um das Wegreißen aus dem bisherigen Zusammenhang. Jemand bemüht sich, eine Argumentation aufzubauen, und die Rechtspopulisten "grätschen rein" - und zwar ohne Beachtung, wo der Sprecher gerade ist. Und oft auch, ohne Verantwortung für das Gesagte zu übernehmen, etwa, wenn der Grätscher seine Grätsche erläutern soll. - Aber wie gesagt: Im Bundestag wurde die verantwortungslos-gewalttätige Sprache seit Jahrzehnten ebenfalls "vorgemacht" und "kultiviert". Aber, was die AfD sich heute "traut", ist nochmal "einen Zacken schärfer". Das muss einen hoffnungslos machen, denn wenn das Sprachgefühl (einschließlich der Sympathie für Sprache und Wahrheit) futsch ist, dann fällt mir kein anderes Werkzeug ein, mit dem wir den Mehrheits- bzw. einen Volkswillen bilden und feststellen können.
Wie wir unsere Sprache kaputtmachen Ein aufhaltbarer Niedergang (2008) Von Paul-Hermann Gruner *1959 12.09.2008 deutschlandfunkkultur.de/wie-wir-unsere-sprache-kaputtmachen-100.html
Das Deutsche mit rund einhundert Millionen Muttersprachlern in Europa ist bedroht, nein: wird verkorkst durch eine sonderbare Form von Globalisierung. Die ältere Garde der Germanisten ist erfüllt von der dazu passenden "liberalen" Geisteshaltung; sie nimmt das sogenannte Denglisch - wegen dessen Verheerungen ja der "Tag der deutschen Sprache" ins Rollen kam - wenig ernst und säuselt vom "großen Magen", den das Deutsche doch habe. Diese Haltung kann man nur als Versuch werten, Selbstvergessenheit zu einer Tugend zu erklären. Die aggressive Invasion unnötiger - Betonung: unnötiger - englischer Termini ins Deutsche zählt zur Unkultur der mit Achselzucken verfolgten Verwahrlosung einer Sprache. Diese ist aber kein Werkzeug wie Messer und Gabel, sondern der zentrale deutsche Kultur-Ausdruck. Nach dem Zweiten Weltkrieg war hierzulande die Bahn endgültig frei für die pauschale Aufnahme von fast allem, was aus Westen kam. Da im Osten eines der hässlichsten Weltbeherrschungsregime der Historie sein pralles Unwesen trieb, war dies nicht verwunderlich. Essen, Trinken, Musik und Sprache - alles, was nach 1945 vor allem aus den Vereinigten Staaten von Amerika kam, war neu, war attraktiv. Care-Paket, Kaugummi, Coca-Cola - alles gut. Glenn Miller, Bill Haley, Elvis Presley - alle toll. Zusätzlich verlängerten die Alliierten ihren Sieg gegen NS-Deutschland auf Zelluloid. Und so bellte die deutsche Sprache durch eine Armada von Spielfilmen, vorwiegend als Maul-Kanonade einer Kreatur in SS-Uniform. Widerwärtig und unmenschlich. Leider ging auf diese Weise ein großer Teil des Ekels - bei Siegern wie Besiegten - auf die gesprochene Sprache über, weg vom Ungeist der sie Sprechenden. Heute betreiben Deutsche eine sprachlich-geistige Selbst-Kolonisierung ersten Ranges. Ersetzung des Deutschen heißt die Gefahr, keineswegs Ergänzung des Deutschen. Und ersetzt wird in einem Tempo, das geradezu besoffen macht. Das öffentliche Deutsch - zeitverzögert folgend das private - leidet unter Bulimie. Es frisst und frisst englische Brocken und Bröckelchen pausenlos in sich hinein, übergibt sich ebenso permanent und schaut hernach bedenklich abgemagert aus der Wäsche. Unser Sprachkleidchen umflattert einen ausgehungerten Leib. Vor allem das Deutsch der Medien, der Werbung, der organisierten Jugendsprache, der Wirtschaft, des Einzelhandels. Wichtig wäre nun zu erkennen, was man sich antut. Dazu müsste man Schmerz aber spüren. Bei Journalisten, bei Unternehmern, Politikern, Künstlern, allen beruflichen Sprachnutzern. Leider ist ein Wertebewusstsein gegenüber dem Eigenen - und damit Identitätsstärke - bei den zitierten Gruppen kaum noch im Kontor. Denglisch mache nur ein Prozent des deutschen Wortschatzes aus, trösten manche Germanisten. So zählen hauptamtliche Verharmloser. Wer's glaubt, wird nicht selig. Begrüßt wird stattdessen jedes frisch einverleibte Wort - etwa "Fashion-Week" statt Mode-Woche oder "Factory-Outlet" statt Fabrikverkauf - wie ein verlorener Sohn. Diese Art von Multi-Kulti-Gedöns kommt einem vor wie zu spät nachgeholter Widerstand gegen den Nationalsozialismus, vollzogen obendrein am falschen Objekt.
Worte wandern nicht ein, sie werden "eingepresst". Sie stehen im Kontext einer kalten Effizienzrechnung, die Vereinheitlichung auf Kosten der Vielfalt erzwingt. Deshalb sind auch alle Verweise auf frühere Wortwanderungen ins Deutsche hinfällig. Es geht nicht um Wortwanderung, es geht um den sprach- und technikhistorisch bis dato einmaligen Anpassungsdruck hin zur globalen Uniformität, der für alle Regional- und Kleinsprachen eine klare Existenzgefährdung darstellt. # |
Wo. Ist. Die. GottVerdammte. Sprach Polizei?
Von Patrick Spät am 26.01.2015 heise Wo-Ist-Die-GottVerdammte-Sprach-Polizei
Es nervt, wie Werbung und PR die Sprache verhunzen Ich bin kein Sprachfetischist. Es ist mir schnuppe, wenn der Bäcker um die Ecke die Substantivierung eines Verbs verhuddelt und auf sein Schild pinselt: "Kaffee zum mitnehmen." Es ist mir auch schnuppe, wenn mittlerweile jeder zweite Tagesschausprecher den Genitiv zum Teufel schickt und den Zuschauern mitteilt: "Wegen dem Sturm fielen zehn Züge aus." Der Genitiv klingt sowieso hölzern. Und ich will auch nicht, dass man "Klapprechner" oder "Rollbretter" sagt, wenn "Laptops" oder "Skateboards" gemeint sind. Etablierte Anglizismen sind okay. Falsche Anglizismen jedoch sind nervtötend: Wenn jemand zum "Public Viewing" geht, denke ich zuerst an tote Körper statt lebendige Fußballer - meint der englische Begriff doch die öffentliche Leichenschau. Die Deutsche Bahn schießt bekanntlich den Vogel ab mit ihrem "Service Point". Die gute alte "Information" würde man nicht nur im Deutschen, sondern auch im Englischen und vielen anderen europäischen Sprachen verstehen. Apropos Deutsche Bahn: Wer zum Kuckuck hat sich eigentlich die Schreibweise der "BahnCard" ausgeheckt? Die sogenannte Binnenmajuskel ist ein ungesühntes Verbrechen der Werber und PR-Macher. Wenn ich im Supermarkt einkaufen gehe, weiß ich nicht, was mein Hirn mehr zermatscht: die Weichspüler-Radiomusik aus den Lautsprechern oder die Sprachungetümer auf den Verpackungen. Es sind dann wohl doch die Produktnamen, genauer: deren Schreibweise. Da ist einmal besagte Binnenmajuskel, zum Beispiel beim "OlivenÖl" oder beim "SpezialSenf". Irgendwann im 18. Jahrhundert tauchte die Binnenmajuskel gelegentlich auf, etwa beim "BürgerMeister", aber diese Schreibweise war glücklicherweise schon bald völlig passé. Wer sie reanimiert hat, möge in der Hölle schmoren. Ebenso grausig ist das sogenannte Leerzeichen in Komposita, bekannter unter dem Schlagwort Deppenleerzeichen. Warum, liebe Sprachpolizei, ermittelst du nicht gegen das "Kartoffel Püree"? Warum dürfen Hersteller ihre Produkte straffrei als "Mate Tee" oder "Tafel Salz" bewerben? Klar, die Werbefuzzis gieren nur nach einem: Aufmerksamkeit. Wenn man dann Schnappatmung bekommt, weil sie einmal mehr die Sprache verhunzt haben, ist ihr Ziel erreicht: Aufmerksamkeit. Aber der PR-Mist nervt gewaltig. Und: Viele bekommen eben keine Schnappatmung, sondern übernehmen diese Schreibweisen, weil sie glauben, diese Verhunzungen seien korrekt. Und so haben wir den Sprachsalat, wenn wir bei Tankstellen von Angeboten lesen wie "Bremsen Dienst" oder "Wasch Anlage". Das Sahnehäubchen sind die nunmehr modischen Ein-Wort-Sätze. "Quadratisch. Praktisch. Gut." war ja noch ganz nett, aber wenn ganze Sätze zerhackt werden, nervt’s. Ein Paradebeispiel für solche Ein-Wort-Sätze ist der Slogan: "Wir. Dienen. Deutschland." Richtet sich die Werbung der Bundeswehr an Schimpansen? Vermutlich. Die Sprache gehört niemandem. Zum Glück. Wir können mit ihr schreiben, mit ihr reden und mit ihr spielen. Wie es uns gefällt. Doch manchmal wünsche ich mir doch eine Sprachpolizei, die den Werbefuzzis auf die Finger haut. Denn egal, ob Binnenmajuskel, Deppenleerzeichen oder Ein-Wort-Sätze: Solche Sprachkonstruktionen sind so elegant wie ein pinker Trainingsanzug auf einer Beerdigung.
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Sprachkritik 2021 Fake-News und Sprachmoral Die
Corona-Krise sorgt für zahlreiche neue Wortschöpfungen. sprachkritik-fake-news-und-sprachmoral.691.de.html?dram:article_id=490978 Jürgen Wertheimer war von 1991 bis 2015 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik in Tübingen. Eine Illustration zeigt vor rotem Hintergrund einen Politiker, der eine mit Bomben als Köpfen stilisierte Menge mit aufrührerischer Sprache anheizt. Mit ein paar kühnen Sätzen sprengte Donald Trump den Damm zwischen Lüge und Wahrheit, Fakten und Fiktionen, Fairness und Fußtritt, so Jürgen Wertheimer in seinem Essay
„Rückführungspatenschaft“ und „Coronadikatur“ stehen nun am semantischen Pranger. Vier Linguisten der Darmstädter Jury für das „Unwort“ des Jahres haben nach besten Kräften entschieden und sprachliche Entwicklungen und Fehlentwicklungen durchaus korrekt fixiert. Der Begriff der „Corona-Diktatur“, der seit Beginn des öffentlichen Diskurses um die Pandemie von „Querdenkern“ und Propagandisten häufig gebraucht wurde, um regierungspolitische Maßnahmen zur Eindämmung Pandemie zu diskreditieren, gehört zu den semantischen Errungenschaften des letzten Jahres, ebenso wie der der „Hochrisikogruppe“, der „Maskenverweigerer“ oder der „Systemrelevanz“. Wobei insbesondere der zuletzt genannte, eine Art semantischer Triage, zu Recht einigen Unmut hervorrief. Ernennung zum „Unwort“ reicht nicht Aber mit dem Markieren einiger schwarzer verbaler Schafe ist es heute nicht mehr getan. Die Probleme liegen tiefer und sind ernster. Es scheint, als stünden wir am Beginn eines „Linguistik turn“, der keinen Stein des alten grammatikalischen Systems mehr auf dem anderen lässt. Vorbei die Zeiten des viel zitierten Wittgenstein‘schen Schweigegebots nach dem Motto „Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“. Wie auch die Phase sprachkritischer Strenge in der Art von Karl Kraus oder Victor Klemperer. Heute erleben wir ein ganz anderes Szenarium, in dem sich forcierter Regelverstoß und sprachkosmetische Korrektur einen spannenden Wettlauf liefern – Ausgang ungewiss. Trump und die Twitterkultur Der Beginn der jüngsten Phase einer zerstörerischen Pandemie der Sprache lässt sich ziemlich genau datieren und an einem Namen festmachen: Donald Trump. Er durchbrach vorsätzlich alle bislang halbwegs gültigen Normen und Regularien des sprachlichen und sozialen Miteinanders. Mit ein paar kühnen Sätzen sprengte er den von ungezählten Philosophen, Theologen, Moralisten und Linguisten wieder und wieder thematisierten Damm zwischen Lüge und Wahrheit, Fakten und Fiktionen, Fairness und Fußtritt. Manche erschraken, viele staunten, kaum einer fiel ihm ernsthaft ins Wort. Fast gleichzeitig versuchte man auf anderer Ebene zu retten, was nicht mehr zu retten war: die Sprachpolizeien der „Me too“- und „Black live matters“- Bewegungen unternahmen und unternehmen noch immer verzweifelte und bisweilen skurrile Versuche, zumindest sprachlich zu sanieren, was faktisch gelaufen ist. Verbale RuinenbaumeisterInnen einer politischen Korrektheit, die längst unter den Fußtritten der Macher zermahlen wurde. So spiegelt einmal mehr der Zustand der Sprache auf groteske Weise den Gesamtzustand einer Gesellschaft im permanenten Angriffs- und Verteidigungsmodus – beides zusätzlich verstärkt durch die Pandemie: Aggressiv oder eingeschläfert, aufgebracht oder penibel: Dazwischen kaum mehr Raum für Kritik, Rationalität, Grautöne. Sprachreinigung und politische Korrektheit Wenn man jetzt aus heutiger Sicht Orwells „1984“ und dessen Idee einer Sprachtyrannei liest, wird man feststellen, dass uns Befürchtungen, von einer bösartigen, auf allgemeine Herrschaft getrimmten ominösem Supermacht dominiert zu werden, nicht beunruhigen müssen. Uns züchtigt keine Sprachpolizei, wir kontrollieren uns längst selbst. Um die Sprache zu entschärfen, auszubleichen und zu sterilisieren benötigen wir keine Obrigkeit. Eifrigdumme Sprachreiniger und Sprachreinigerinnen durchforsten, getrieben von einer imaginären Norm politischer Korrektheit, das Revier und merzen den Wildwuchs aus. Sie tun dies freilich mit ähnlicher Wut und teilweise ebenso verbissen wie ihre Gegner, die mit Wörtern ohne jede Bindung an Realitäten, frei von Verantwortung um sich schießen und die Menschen lustvoll ins Verderben reden. Die „Ordnung des Diskurses“ ist in Gefahr, verloren zu gehen. Es wäre das Gebot der Stunde, den nahezu verlorenen dritten Raum zwischen den verhärteten Positionen kraftvoll zu verteidigen und die Extremisten beider Seiten in die Schranken zu weisen.
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