Warlam
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wikipe Autor *1907 in Wologda bis 1982 (74) DNB Schalamow (41) DNB Salamov (43) DNB nummer (30) DNB person Bunin, Sorokin |
deutschlandfunk.de/das-leben-im-zeichen-des-todes-schreiben-100.html 2022, dlf, zur Biografie
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"Es gibt zwei Autoren, mit deren Büchern ich - bei allen Unterschieden - meines vergleichen würde: Solschenizyn und Schalamow. Ich finde, Solschenizyn hat mit seinem <Archipel GULAG> eine Art Enzyklopädie der sowjetischen Arbeitslager geschrieben. Er ist zweifellos ein begabter Schriftsteller und ich schätze ihn sehr. Doch noch höher schätze ich Schalamow und dessen <Geschichten aus Kolyma>. Für mich ist er der größte Schriftsteller des ganzen <KZ-Universums>. Als Autor von <Welt ohne Erbarmen> ziehe ich vor ihm den Hut." Gustaw Herling
Ab 1966 erschienen die <Geschichten aus Kolyma> in New York, London, Paris und BRD. Erzählungen aus Kolyma - 1 bis 4
2007 Durch den Schnee 342 Seiten mit einem Nachwort von Franziska Thun 2008 Linkes Ufer DNB.Buch Inhalt.pdf Audio 2008 dlf 9min Brigitte Kann Lesebericht 2010 Künstler der Schaufel 603 Seiten mit einem Nachwort von Michail Ryklin DNB.Buch Inhalt.pdf 2011 Die Auferweckung der Lärche DNB.Buch 664 Seiten Audio Jörg Plath Audio Brigitte Kann Inhalt.pdf 2013 Das vierte Wologda und Erinnerungen. 557s. DNB.Buch Inhalt.pdf 2013 Leben oder Schreiben. Ausstellung. 254 Seiten 2016 Wischera Antiroman. Audio 6min 2018 Über die Kolyma. Erinnerungen.
Texte Briefe 1962 von Schalamow an Solschenizyn
1980 Sinjawski - Materialschnitt Essay 2007 von Michail Ryklin: Der "verfluchte Orden" über die Verbrecherwelt bei Solschenizyn und Schalamow
2011 Überleben und Schreiben - aktuelle Konstellationen - Von Franziska Thun Artikel in pdf
Warlam Schalamow - Erzählungen aus Kolyma I. + II. (glanzundelend.de) guter Lesebericht Schalamows radikaler und schonungsloser Erzählstil stellt die Frage nach dem Humanismus im 20. Jahrhundert tatsächlich völlig neu, legt aber zugleich das System Gulag schonungslos offen. Er lässt es allerdings als solches stehen, versucht nicht, einen Bezug zu den politischen Verhältnissen seiner Zeit herzustellen, ganz anders als dies Solschenizyn tat. Zugleich gibt Schalamow mit seinen Erzählungen den zehntausenden, zum anonymen Tod verurteilten Lagerinsassen Name und Stimme, so dass die unzähligen Schicksale des stalinistischen Terrors wieder einem Individuum zugeführt werden und nicht mehr namenlos und als kalte Zahl im Raum der Zeit schweben. Erklärt Solschenizyn den Gulag als Teil politischer Strategie, so deklariert Schalamow das Lager als Zeichen des zivilisatorisch-moralischen Verfalls im 20. Jahrhundert. Er offenbart das schwebende Dasein zwischen Leben und Sterben, in dem der Tod seine Würde verliert. Eine Existenz, deren Innerstes nach Erlösung schreit, die keiner wünscht und jeder herbeisehnt. |
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19.12.2003 Vom Nachttisch geräumt. Die Bücherkolumne. Von Arno Widmann Warlam Schalamow ist in Deutschland fast unbekannt - in Frankreich gilt er als großer Autor. Dort sind auch seine "Erzählungen aus Kolyma" erstmals vollständig erschienen. perlentaucher.de/artikel/1303.html Warlam Schalamow wurde 1907 als Sohn eines russisch-orthodoxen Priesters geboren. 1929 kam er das erste Mal ins Gefängnis. Er war dabei erwischt worden, wie er "Lenins Testament", jenen Brief, in dem der todkranke Lenin vor Stalin warnte, verteilte. 1931 wurde Schalamow aus der Haft entlassen, ging zurück nach Moskau. 1937 wurde er wegen "konterrevolutionärer Aktivitäten" erneut verhaftet und zu fünf Jahren Lagerarbeit verurteilt. Er wurde nach Kolyma geschickt, in jene kaum bevölkerte Zone im Osten Sibiriens, die das Zentrum des Gulagsystems war. Kaum entlassen, wurde er wieder dorthin geschickt. Seit 1947 arbeitete er nicht mehr in Minen, sondern als Arzthelfer. 1953 kehrte er zurück nach Moskau. Seine Freundschaften mit Nadeschda Mandelstam, Pasternak und Solschenizyn zerbrachen. Von letzterem sagte Schalamow, er habe keine Lager gekannt und er habe sie überhaupt nicht verstanden. Schalamow schrieb Gedichte, Essays, eine Autobiografie und einen Antiroman. Vor allem aber arbeitete er von 1954 bis 1972 an seinen "Kolyma-Erzählungen". Teile davon wurden klandestin verbreitet. Eine erste russische Ausgabe erschien 1978 in London. Taub und blind starb Schalamow am 17. Januar 1982 in einer psychiatrischen Klinik in Moskau. Auf deutsch erschienen kleine Auswahlbände. Derzeit ist keiner lieferbar. Auf französisch liegen die Recits de la Kolyma jetzt vollständig auf 1515 Seiten vor. Der Umfang schreckt ab. Wann soll man 1500 Seiten lesen? Ich habe noch nicht mehr als 300 Seiten davon gelesen. Aber es handelt sich um keinen Roman, auch um kein durch argumentiertes Sachbuch, sondern um eine Sammlung von 146 Geschichten. Die meisten berichten von Personen, stellen sie in einer konkreten Situation vor und erzählen dann, wie sie dorthin kamen und was später mit ihnen geschah. Soweit Schalamow das herausfinden konnte. Man kann die sechs Seiten über Tante Polia lesen oder das Dutzend zur Schocktherapie, man kann auch die Bärengeschichte lesen oder die über Caligula. Schalamow bietet noch in der kleinsten Zelle seines Riesenwerkes die gesamte unverwechselbare DNA seiner Erzählkunst. In der Bärengeschichte zum Beispiel reagieren zwei Katzen höchst unterschiedlich auf die Erschießung eines Bären. Die eine verkriecht sich, als wolle sie mit der Gewalt nichts zu tun haben, die andere wirft sich auf den toten Riesen und leckt — wie triumphierend — sein Blut. Es ist immer beides möglich. Niemand ist dazu gezwungen, so zu reagieren, wie er reagiert. Schalamows Geschichten zeigen den Lageralltag. Der Leser gewöhnt sich an ihn, wie die Insassen sich an ihn gewöhnten. Das ist das Beunruhigendste an den Kolyma-Erzählungen. Schalamow macht klar, wie selbstverständlich der Mensch nach einem kurzen Erschrecken das Schreckliche nimmt. Da sagt ein Arzt zum Häftling, es müsse furchtbar sein, in einer der Baracken zu leben. Man könne sich nicht einmal eine Zigarette anzünden, schon blickten fünfzig Augenpaare neidisch, gierig auf einen. Das, was den Reiz einer Zigarette ausmache, dieser Augenblick der Ruhe, werde einem im Lager nicht gewährt. Man liest das und fragt sich und den Autor: Ist der Arzt verrückt? Gibt es nichts Genaueres über den Archipel Gulag zu sagen, als dass man sich dort nicht in Ruhe eine Zigarette anzünden kann? Es gibt — so zeigt uns Schalamow — Momente, in denen der Wunsch nach einer in aller Ruhe genossenen Zigarette alles andere auslöscht. Und es hat diesen Arzt gegeben, der in diesem Augenblick alles, was ihm an Mitleid zur Verfügung stand, in das Bedauern darüber goss, dass einem Häftling möglicherweise nicht die Zigarette, wohl aber ihr Genuss vorenthalten bleiben musste. Fünf Zeilen danach liest man, wie derselbe Arzt Patienten die Nägel von den abgefrorenen Gliedern schneidet. Man bekommt eine Ahnung davon, dass es Situationen gibt, die gerade die Betroffenen selbst nicht beim Namen nennen wollen und können. Das Gespräch über Zigaretten mag die Gräuel der Lager verschweigen, aber für die, die Bescheid wissen, ist es ein schreiendes Schweigen. Varlam Schalamows Kunst besteht darin, seine Geschichten immer wieder bis an den Rand des Schreckens zu treiben. Schalamow beschwört den Schrecken nicht. Er nennt ihn nicht beim Namen. Er versucht nie, ihn einzufangen. Er kreist ihn ein. Manchmal kommt Schalamow von ganz weit, aus Momenten, die denen des Glücks zum verwechseln ähnlich sehen, dann wieder ist er dem Schrecken vom ersten Satz an hautnah. Den Leser lässt der Erzähler niemals heraus aus dem Archipel Gulag. Er muss das Buch schon aus der Hand legen, um wieder in der Normalität anzukommen. Aber auch die ist nach der Lektüre nicht mehr, was sie ihm vorher schien. # |
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2013 Das vierte Wologda und Erinnerungen 557s. DNB.Buch Inhalt.pdf aus der Verlagsmeldung ›Das vierte Wologda‹ ist Schalamows Buch der Erinnerungen an die Kindheit und frühe Jugend in seiner nordrussischen Geburtsstadt, deren besonderer freiheitsliebender Geist ihn für immer geprägt habe. Diesen Geist verdankt die Stadt den zahlreichen politisch Verbannten, die über die Jahrhunderte ihre Spuren hinterlassen haben. Als Sohn eines Priesters erlebte Schalamow dort mit zehn Jahren die Revolution und die nachrrevolutionären Wirren. In der lakonischen Erzählung gelingt es ihm, seine Abrechnung mit der autoritären Welt des Vaters mit eindrucksvollen Bildern aus dem Alltagsleben der Provinzstadt zu verbinden und auf diese Weise in die dramatische Umbruchszeit russischer Geschichte im 20. Jahrhundert einzubetten. Der Band wird durch die Fragment gebliebenen Erinnerungen an das literarische Leben im Moskau der 1920er–1930er Jahre ergänzt: ein Panorama jener Welt, die Schalamows Schreiben beeinflusst hat und an die er sich auch nach den Jahrzehnten der Lagerhaft mit erstaunlicher Präzision und Detailfreude erinnert. |
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Erinnerungen von Warlam Schalamow 2018 Lesebericht Audio von Rolf Schneider im dlf <Über die Kolyma> versammelt autobiografische Texte des russischen Schriftstellers Warlam Schalamow.
Anders
als in seinem Hauptwerk, den Erzählungen aus Kolyma, schreibt er hier
erkennbar
Seinen eigenen
Erlebnissen entnimmt er ein neues, erschreckendes Wissen über die
Die
hier erstmals übersetzten Texte lassen den Leser unmittelbar teilnehmen
an dem, Inhalt Inhalt.pdf Vorwort (7)
Wer wenig weiß — weiß viel 7 Das Gedächtnis 9 Die Sprache 12 [Die Verhaftung] 14 Der Weg in die Hölle 19 Furchtlosigkeit 26 Neunzehnhundertachtunddreißig 36 Das Waskow-Haus 54 Der Schwarze See 70 Sascha Konowalow 78 Kadyktschan, Arkagala 79 Dshelgala, Drabkin 94 Dshelgala. Gericht in Jagodnoje 99 Die Vitaminaußenstelle 107 Belitschja 113 Asja 120 Die schwarze Mama 129 Spokojnyj 134 Das Ende von Belitschja 141 Der Diamantenquell 143 Noch einmal Dshelgala 147 Sussuman 149 Pantjuchow 154 [An Kilometer 23] (158) Amossow und Belowa 159 Rogos 169 1953-1956 (179) Konakowo, Turkmen 182 Die großen Brände 188 [Die Rehabilitierung von 1956] 196 German Chochlow 198 Bersin 204
ANHANG Begegnungen mit Warlam Schalamow 221 Nina Sawojewa 223 Boris Lesnjak 226 Iwan Issajew 231 Jelena Mamutschaschwili 234 Franziska Thun-Hohenstein: »Die Kunst zu leben ist die Kunst zu vergessen« 239 Anmerkungen 259 Glossar 278 |
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2013 Leben oder Schreiben Der Erzähler Warlam Schalamow Warlam Schalamow wird in einer von Christina Links und Wilfried F. Schoeller kuratierten Ausstellung gewürdigt. Ende September im Berliner
Literaturhaus eröffnet, Der Ausstellungsband portraitiert
diesen Erzähler und zeigt
2013 - 254 Seiten |
Recits de la Kolyma |
Aus Wikipedia 2015 - Autor
Warlam Schalamow wurde in Wologda, einer Stadt rund 500 Kilometer nordöstlich von Moskau, geboren. Sein Vater, Tichon Schalamow, war orthodoxer Priester und hatte zwölf Jahre lang als Missionar in den Vereinigten Staaten gelebt, seine Mutter, Nadeschda Schalamowa, war Lehrerin. Er war der jüngste von insgesamt fünf Geschwistern, sein Name ist eine Vereinfachung des Namens eines Heiligen der orthodoxen Kirche, des Heiligen Warlaam von Chutyn (Warlaam Chutynski). 1923 beendete Warlam Schalamow die Schule und reiste ein Jahr später nach Moskau, wo er als Gerber in einer Lederwarenfabrik arbeitete. 1926 begann er ein Jurastudium an der Juristischen Fakultät der Moskauer Lomonossow-Universität. In der Folgezeit sympathisierte er zunehmend mit der sowjetischen Linken Opposition. 1927 nahm er an der Demonstration zum 10. Jahrestag der Oktoberrevolution teil, bei der Kritik zur politischen Entwicklung in der Sowjetunion vorgebracht wurde, die damals bereits sehr stark von Josef Stalin beeinflusst war. Schalamow trug auf der Demonstration ein Transparent mit der Aufschrift <Nieder mit Stalin>. Wenig später wurden auf dem XV. Parteitag der KPdSU (B) am 2. Dezember 1927 sämtliche führenden Oppositionellen aus der Regierungspartei ausgeschlossen (Trotzki, Sinowjew). Damit war der Machtkampf in der Sowjetunion bereits zugunsten Stalins entschieden worden. Trotzdem blieb Schalamow Anhänger der Opposition und beteiligte sich weiterhin - nunmehr in zunehmend konspirativer Form - an Aktionen, die gegen den Machtzuwachs von Stalin gerichtet waren. Er sah sich dabei durchaus als Erben der russischen revolutionären Bewegungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts an. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern hatte er jedoch einen viel höheren Preis für seine politische Meinung zu zahlen. Am 19. Februar 1929 wurde er in einer illegalen Universitätsdruckerei wegen der Verbreitung von Lenins Testament, eines Briefes Lenins vom Dezember 1922 an den XII. Parteitag der KPR (B), verhaftet. Sein Jurastudium war damit hinfällig. Bis März 1929 wurde Schalamow im berüchtigten Moskauer Butyrka-Gefängnis gefangengehalten. Im Anschluss wurde er zu drei Jahren Haft im Straflagersystem GULag und zu fünf Jahren Verbannung in den Norden der Sowjetunion verurteilt. 1929 bis 1931 war Schalamow Gefangener der Wischera-Abteilung des zu diesem Zeitpunkt als „Solowezker Sonderlager“ bezeichneten GULag (Lagerpunkt Krasnowischersk) und leistete dort in einer Holzfabrik Zwangsarbeit. Im Oktober 1931 wurde er vorzeitig aus dem Lager entlassen und fand beim Bau eines Chemiekombinats in Beresniki Arbeit. 1932 kehrte Schalamow nach Moskau zurück. 1933 starben sein Vater und nur ein Jahr später auch seine Mutter. Schalamow heiratete 1934 Galina Gudz. Ein Jahr später wurde ihre Tochter Galina geboren. In den Jahren von 1934 bis 1937 arbeitete Schalamow in Moskau als Journalist und veröffentlichte neben seinen Artikeln auch Essays und eine Kurzgeschichte.
Im Januar 1937 wurde Schalamow im Zuge des Großen Terrors wieder verhaftet, diesmal wegen <konterrevolutionärer trotzkistischer Tätigkeit>. Seine erste Frau ließ sich umgehend von ihm scheiden. Er wurde ohne Gerichtsverhandlung zu fünf Jahren Zwangsarbeit im <Besserungsarbeitslager> verurteilt. Im August gelangte Schalamow mit dem Schiff nach Magadan an der Nagajewo-Bucht des Ochotskischen Meeres im Nordosten Sibiriens, in der Kolyma-Region. Er musste im Goldbergwerk „Partisan“ Zwangsarbeit leisten. Im Dezember 1938 wurde Schalamow im Zusammenhang mit einer durch die Lagerverwaltung konstruierten „Juristenverschwörung“ verhaftet und in das Gefängnis von Magadan eingeliefert. Bis August 1940 arbeitete Schalamow in einem Lager am „Schwarzen See“ als Wasserkocher, als Helfer eines Topographen und als Helfer bei Erdarbeiten. Im August 1940 wurde Schalamow in den Lagerpunkt Arkagala verlegt und arbeitete dort in einem Kohlebergwerk. Obwohl seine Haftzeit 1942 endete, wurde seine Internierung ohne weitere Begründung bis zum Kriegsende verlängert. Von Dezember 1942 bis Mai 1943 wurde Schalamow in das Strafbergwerk Dschelgala verlegt. Im Mai 1943 wurde er in Jagodnoje (Oblast Magadan) noch einmal wegen „konterrevolutionärer Tätigkeit“ zu zehn Jahren <Besserungsarbeitslager> verurteilt. Der Grund für seine Verhaftung bestand darin, dass er den Autor Iwan Bunin, der 1920 nach Frankreich emigriert war, als einen klassischen russischen Schriftsteller bezeichnet hatte.
Schalamow wurde krank und gelangte im Herbst 1943 in den Krankenlagerpunkt „Belitschja“. Vom Dezember 1943 bis zum Sommer 1944 musste er jedoch wieder in der Grube „Spokojnyj“ (deutsch: der Ruhige) arbeiten. Im Sommer 1944 wurde er erneut denunziert und wieder arrestiert. Im Frühjahr 1945 gelangte er in die Waldlageraußenstelle des Lagerpunktes von Jagodnoje. Er erkrankte erneut und wurde noch einmal nach „Belitschja“ eingeliefert. Im Herbst 1945 arbeitete Schalamow in einer Außenstelle der Holzfäller, der „Diamantenquelle“. Ein Fluchtversuch misslang, er wurde angeklagt und erneut ins Strafbergwerk versetzt. Schalamows Odyssee durch die Lager der stalinistischen Sowjetunion dauerte an: Zwischen 1945 und 1951 arbeitete er in Dschelgala, in Sussuman und am Fluss Duskanja. Er begann, Kurse für Arzthelfer zu besuchen, und erhielt eine leichte Tätigkeit in der chirurgischen Abteilung des Zentralen Lagerkrankenhaus im „Uferlager“. Schalamow begann heimlich Gedichte zu schreiben, die Kolymaer Hefte entstanden. Von 1950 bis 1953 war Schalamow Arzthelfer in der Aufnahme des Zentralen Lagerkrankenhauses. Am 13. Oktober 1951 wurde er aus dem Lager entlassen, blieb aber als Freigelassener bis zum August 1953 Arzthelfer des Lagerpunktes in Kjubjuma. Am 30. September 1953 beendete Schalamow seine Tätigkeit für die staatliche Berg- und Straßenbaugesellschaft Dalstroi des MWD, der die Straflager des Gebietes um Magadan untergeordnet waren. Er hatte von der sowjetischen Staatssicherheit die Erlaubnis erhalten, sich wieder im europäischen Teil der Sowjetunion niederzulassen. Nach seiner Rückkehr wurde er mit der Auflösung seiner Familie konfrontiert; seine inzwischen erwachsene Tochter weigerte sich, ihn als Vater anzuerkennen, da auch ehemalige Gulag-Häftlinge als Verbrecher galten. Vom November 1953 bis zum Oktober 1956 lebte Schalamow in der Gegend von Kalinin (heute Twer) in Zentralrussland. 1954 begann er heimlich mit der Arbeit an den Erzählungen aus Kolyma, an denen er bis Anfang der 1970er Jahre schrieb. Nach dem Tod Stalins 1953 und der offiziellen Distanzierung Nikita Chruschtschows vom Stalinismus wurde Schalamow am 18. Juni 1956 in Bezug auf die gegen ihn erhobenen Anklagen von 1937 rehabilitiert. Im selben Jahr heiratete er die Schriftstellerin Olga Nekljudowa (1909–1989) und zog wieder nach Moskau. 1957 erschienen erste Gedichte Schalamows in sowjetischen Literaturzeitschriften, von 1961 bis 1971 vier weitere Male. 1958 erkrankte der 51-jährige und wurde invalidisiert. 1966 ließ er sich von seiner zweiten Frau scheiden. 1968 bis 1971 arbeitete Schalamow an seinen Kindheitserinnerungen <Das vierte Wologda> und 1970 bis 1971 an <Wischera: Ein Antiroman.> Nach der Fertigstellung der Erzählungen aus Kolyma schmuggelte er das Manuskript aus der Sowjetunion in die Bundesrepublik Deutschland. Dort und in Frankreich erschienen sie bereits 1971 in deutsch und französisch. Eine Auswahl seiner Erzählungen aus Kolyma in russischer Sprache im Tamisdat in London folgte 1978. Nachdem diese Veröffentlichung der sowjetischen Staatssicherheit (ab 1954 KGB) bekanntgeworden war, wurde Schalamow gezwungen, eine Erklärung zu unterschreiben, in der er bekanntgab, dass die in den Kolymageschichten behandelte Thematik seit dem XX. Parteitag der KPdSU nicht mehr relevant sei. Schalamow war durch die Veröffentlichung neben Solschenizyn einer der im Westen bekannten sowjetischen Dissidenten geworden. Ab 1979 lebte Schalamow in einem Altersheim. 1980 erhielt er die Freiheitsprämie des französischen P.E.N.-Clubs. Schalamow starb am 17. Januar 1982 in einer Nervenheilanstalt. Nach dem Ende der Sowjetunion wurde Schalamow im Jahr 2000 auch in Bezug auf die Anklage von 1929 postum rehabilitiert. Von Cornelia Rabitz - Deutsche Welle
Literaturwissenschaftler sprechen gerne von Warlam Schalamows "Poetik der Unerbittlichkeit“ — ein Ausdruck, der nicht nur die lakonisch-strenge und schnörkellose Sprache des Autors meint, sondern auch das, was er beschrieben hat: Das Gefangensein im Gulag, im stalinistischen Lager, in den eiskalten, weit abgelegenen, menschenfeindlichen Regionen der damaligen Sowjetunion. Unentrinnbar, aussichtslos, hoffnungslos. Warlam Schalamow hat alles als Häftling selbst erlebt: Die unmenschliche Zwangsarbeit, das brutale Regiment des Wachpersonals, die Schläge, den Hunger, die erbarmungslose Kälte und vor allem: Die zerstörende Wirkung des Gulag auf den Menschen, das Abstumpfen der Psyche, die Deformation des Humanen, der Rückfall in eine schaurige Primitivität — kurzum: Den Zusammenbruch all dessen, was unter Kultur und Zivilisation zu verstehen ist. Das Lager, so schreibt er, habe "die menschliche Seele zersetzt“. 17 unvorstellbar lange Jahre war er — wegen angeblicher "trotzkistischer“ oder "konterrevolutionärer Propaganda“ — Gefangener im Gulag und er blieb ein vom Lager Gezeichneter, auch nach seiner Freilassung und der teilweisen Rehabilitierung. Seine später verfassten Erzählungen sind der Versuch, das erlebte Grauen literarisch zu bewältigen, freilich im Wissen, dass kein noch so ausgefeilter Text jemals dem Erlebten und Erfahrenen wirklich nahe kommen kann. Immer hat sich Schalamow auch mit der Frage beschäftigt, ob die Ästhetik des Schreibens angesichts der Wirklichkeit des Gulag nicht an ihre Grenzen stößt. Uns zeigt er heute, wie fragil alle Regeln des menschlichen Zusammenlebens unter extremen Bedingungen sein können. Und wie wenig den Menschen dann vom Tier unterscheidet. Es sind düstere, beklemmende, zu Herzen gehende Texte über Not, Gewalt, Unterdrückung und Vernichtung. Über einzelne Menschen in den Weiten des grauenhaften Lager-Kosmos: Opfer wie Täter. Über ein unermessliches und jede Vorstellung übersteigendes Leid. Dass die "Erzählungen aus Kolyma“ — so der Untertitel — nun als erster Band einer Werkausgabe auf Deutsch erscheinen, dafür muss man der Herausgeberin, der Übersetzerin und nicht zuletzt dem Verlag Respekt zollen und dem Werk viele Leser wünschen. Denn Warlam Schalamow ist nicht nur ein herausragender — und für viele noch zu entdeckender — Vertreter der modernen russischen Literatur. Er reiht sich auch ein in die Reihe der großen literarischen Zeitzeugen: Primo Levi, Jorge Semprun und Imre Kertesz. |
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1990 Schocktherapie - Kolyma-GeschichtenDNB Buch Anthologie Warlam Schalamow - Šalamov, Varlam Tichonovic Aus dem Russ. von Thomas Reschke (vorbereitet von Christina Links) 1. Aufl. Verlag Volk und Welt, Berlin --- Erscheinungsdatum: 1990 - 190 Seiten Der Schock sitzt tief - beim Leser amazonleser Volkmar Wirth aus Deutschland vom 29. November 2017 Wer sich den Lebenslauf von W. Schalamanow ansieht, wird sich fragen, wie dieser Mensch es schaffte, über das Erlebte zu schreiben. Und wie er, anders als A. Solschenizyn, nach seinen Haftjahren nicht mit der Sowjetunion zu brechen. Der Autor wurde 1907 geboren und bereits 1927 das erste Mal verhaftet und verurteilt. Mit der Verurteilung begann seine unheilvolle Odyssee durch die verschiedensten Lager des großen Landes. Denn kaum war er in Freiheit, schob man ihm auch schon ein neues Vergehen unter. Wie die Vorwürfe immer sonderbarer wurden, wuchsen die Haftstrafen auf verbrecherischer Weise. Erst 1951 kam Schalamanow endgültig frei, das Lager verließ er zwei Jahre später. Er blieb, um als Arzthelfer zu arbeiten. Schließlich begann er, seine Kolyma-Geschichten zu notieren. War Alexander Solschenizyn der Epiker unter den Autoren, die über das Lager berichteten, war Warlam Schalamanow ein Meister der Kurzprosa. War Solschenizyn im Westen der Star mit der hässlichen Narbe auf der Stirn, war Schalamanow der große Unbekannte im eigenen Land, dessen Tochter sich von ihm, dem Volksfeind, losgesagt hatte. Seine Geschichten sind frei von Pathos und Weinerlichkeit, sie widmen sich den lichten Momenten in den Nächten, die sich über Jahre erstrecken. Es wird vom Glück, in der Tasche einen Brotkrümel zu finden, erzählt. Oder wie der Gefangene durch eine halsbrecherische Lüge zu ein paar Minuten mehr Schlaf gelangt. Die Geschichten benötigen keine aktionsgeladenen Handlungen: das Geschehen ist erdrückend genug. Die Protagonisten wissen zu gut, dass sie zum Ende des Tages mit der Hacke in der Hand umfallen und eins werden mit der Erde. |
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1996 Ankerplatz der Hölle Erzählungen, Gedichte, Dokumentation, Fotos Warlam Schalamow Herausgegeben von Nadja Hess und Siegfried Heinrichs Übersetzer: Barbara Heitkam, Kay Borowsky 253 Seiten, Oberbaum-Verlag 1996
wikipedia Siegfried_Heinrichs (1941-2012) Sterbejahr-K |
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2018 Schalamow - Lektüren Konferenzschrift zu 2016 174 Seiten Angaben aus der Verlagsmeldung Schalamow. Lektüren „Kunst ist nicht Abbild des Lebens, sie ist das Leben selbst.“ Dieser Schlüsselsatz Warlam Schalamows ist der Ausgangspunkt von Eva Geulens Reflexionen. Der Umweg, den sie dabei nimmt, um ins Herz der Prosa Schalamows vorzudringen, führt vom Roman des 18. Jahrhunderts über Lukács und Adorno hin zu aktuellen Formen der modernen Literatur. Ihre These, die Unvereinbarkeit von Realismus und Moderne könnte ein westlicher Sonderweg sein, eröffnet den Reigen dieser Essaysammlung zu Schalamows Werk. Es folgen Einlassungen u.a. zur Erzählethik Schalamows, zu seiner Lyrik, seinem Verhältnis zu Marcel Proust und den Kosmos der Lagerzivilisation. „Schalamow. Lektüren“ versammelt substanzielle und überraschende Auseinandersetzungen mit einem literarischen Jahrhundertwerk der Moderne. Ergänzt werden diese Beiträge von erstmals übersetzten poetologischen Texten Schalamows. |
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2012 Willi Beitz Warlam Schalamow - der Erzähler aus der Hölle von Kolyma 80 Seiten Leipziger Universitätsverlag |
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2014 Schreiben an den Grenzen der Sprache Studien zu Améry, Kertész, Semprún, Schalamow, Herta Müller und Aub von Marisa Siguan An Texten zu Diktatur- und Lagererfahrungen aus der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts untersucht der Band die Frage nach der Transformation von Terror, Gewalt und Schmerz in Literatur: Mit welchen erzählerischen Mitteln kommunizieren die Texte Grenzerfahrungen am Rande des Sagbaren, wie stellt sich das Spannungsverhältnis von Faktualität und Fiktion in ihnen dar, welches Zukunftspotential könnte dieser Erinnerungsliteratur innewohnen? Freiburg Institute for Advanced Studies, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg] Person(en) Siguan, Marisa (Verfasser) Verlag Berlin ; Boston, Mass. : De Gruyter Zeitliche Einordnung Erscheinungsdatum: 2014 Umfang/Format VII, 351 S. ; 24 cm |
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2017 Lager überleben, Lager erschreiben Autofiktionalität und literarische Tradition / von Marisa Siguan Wie kann man Gewalt und Massenmord in den Lagern erzählen und eine adäquate Sprache finden, die das Erlittene weder banalisiert noch als überwunden beruhigend automatisiert? Der Band zeigt wie dieses Erzählen anhand von autofiktionalem Schreiben in Auseinandersetzung mit der literarischen Tradition geschieht. Die Autoren bezeugen unterschiedliche Gewalterfahrungen, Versehrtheiten, Fassungslosigkeiten. Ihre Texte gehen aus Diktaturerfahrungen des 20. Jh.s hervor. Sie sind nur dann vergleichbar, wenn man jedem in der Singularität seiner Erfahrung gerecht wird. Sie bezeugen Auschwitz, das Lager zur Deportation von Widerstandskämpfern, den Gulag, das Lager zur Deportation von spanischen Republikanern. An Beispielen aus ihren Werken wird gezeigt, wie die künstlerische und literarische Tradition radikal verworfen und neu erschrieben wird bei der Konstruktion von Fiktionen bzw. Autofiktionen. Inhalt.pdf 103 Seiten DNB Buch |
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2009 Lagererfahrung und Identität
Literarische
Spiegelungen sowjetischer Lagerhaft / von Karoline Thaidigsmann Während sich um den Holocaust ein eigenes literaturwissenschaftliches Forschungsgebiet gebildet hat, ist dies im Blick auf die literarische Verarbeitung der sowjetischen Straf- und Zwangsarbeitslager nicht der Fall. Die vorliegende Studie liefert einen Beitrag zur Schließung dieser Lücke. Wie sich die Gefangenschaft im stalinistischen Gulag und seinen Nachfolgelagern auf die Identität von Häftlingen auswirkt und wie sie sich literarisch spiegelt, wird anhand der Zeugnisse zweier bekannter und zweier bislang noch kaum entdeckter russischer Autoren untersucht. Die Analyse von Werken der Lager-Überlebenden Varlam Šalamov, Lev Konson, Naum Nim und Andrej Sinjavskij zeigt, dass die Literaturwissenschaft, indem sie die Erfahrung der Gefangenen aus dem Zusammenspiel von Inhalt, Form und Sprache der Texte erhellt, einen eigenständigen Beitrag zur Aufarbeitung der sowjetischen Lagervergangenheit leisten kann. |
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2009 Über Prosa Angaben aus der Verlagsmeldung Über Prosa / von Warlam Schalamow Um das Unerhörte der Lagererfahrung vermitteln zu können, entwickelte Warlam Schalamow eine einzigartige literarische Sprache. Er wollte den Leser hineinziehen in den Lageralltag und die Differenz zwischen Erlebtem und Erzähltem so gering wie möglich halten, um so nahe wie möglich an der Wahrheit zu bleiben: »Er wollte einzig ›authentische‹ Literatur schaffen, eine paradoxe ›nicht-literarische Literatur‹, eine Anti-Literatur. Für das Unsagbare der Lager-Erfahrung sollte eine neue, unerhörte Schreibart entstehen.« (Ralf Dutli, Literaturen) Briefsammlung, 1952-1972 Titel Über Prosa / Warlam Schalamow. Aus dem Russ. von Gabriele Leupold. Hrsg. und mit Anm. vers. von Franziska Thun-Hohenstein. Mit einem Nachw. von Jörg Drews Person(en) Šalamov, Varlam Tichonovic (Verfasser) Thun-Hohenstein, Franziska (Herausgeber) Ausgabe 1. Aufl. Verlag Berlin : Matthes & Seitz Zeitliche Einordnung Erscheinungsdatum: 2009 Umfang/Format 143 S. ; 18 cm |
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1975 Kolyma - Insel im Archipel / Warlam Schalamow. [Autoris. Übers. aus d. russ. Orig.-Ms. von Gisela Drohla] Person(en) Šalamov, Varlam Tichonovic (Verfasser) Verlag München, Wien : Langen-Müller Erscheinungsdatum: 1975 Umfang 195 S. |
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1983 Geschichten aus Kolyma
Warlam Schalamow Aus dem Russischen von Annelore Nitschke u. Anton Manzella Šalamov, Varlam Tichonovic (Verfasser) Ausgabe Dt. Erstausg. Verlag Ullstein Erscheinungsdatum: 1983 Umfang 349 S. |