Jean Liedloff The Continuum Concept Auf der Suche nach dem verlorenen Glück Gegen die Zerstörung unserer Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit
1977
by Jean Liedloff |
1977 230 Seiten Wikipedia.Autorin *1926 in New York bis 2011 (85) Bing.Buch Goog.Buch Qwant.Buch detopia: |
detopia-2022: Rainer Taeni und detopia standen im Kontakt.
Inhalt
Berichte und Überlegungen zur Neuauflage 1988 (207) — Über Eltern — Weshalb man sich nicht schuldig fühlen sollte — Über unsere merkwürdige Blindheit — Wenn sich alles ums Kind dreht — Neue Überlegungen zur Psychotherapie — Das Liedloff-Kontinuum-Network (220) Jean Liedloff ist in New York geboren und aufgewachsen. Nach dem Universitätsbesuch unternahm sie mehrere Expeditionen in den venezolanischen Urwald, auf denen sie die Gedanken dieses Buches entwickelte. Von 1968 bis 1970 gab sie die Zeitschrift <The Ecologist> heraus. Gegenwärtig lebt sie als Publizistin und Psychotherapeutin in London. Im Dschungel Venezuelas trifft eine junge Amerikanerin auf die Yequana-Indianer. Fasziniert vom offenkundigen Glück dieser "Wilden", bleibt sie insgesamt zweieinhalb Jahre bei dem Stamm und versucht, die Ursachen dieses glücklichen und harmonischen Zusammenlebens herauszufinden. Sie entdeckt dessen Wurzeln im Umgang dieser Menschen mit ihren Kindern und zeigt, wie dort noch ein bei uns längst verschüttetes Wissen um die ursprünglichen Bedürfnisse von Kleinkindern existiert, das wir erst neu zu entdecken haben. Die Autorin, die mehrere Jahre bei den Yequana-Indianern im venezolanischen Urwald gelebt hat, schildert eindrucksvoll deren harmonisches, glückliches Zusammenleben und entdeckt seine Wurzeln im Umgang dieser Menschen mit ihren Kindern: Sie zeigt, daß dort noch ein bei uns längst verschüttetes natürliches Wissen um die ursprünglichen Bedürfnisse von Kleinkindern existiert, das wir erst neu zu entdecken haben. Die Frankfurter Rundschau schrieb: "Ein menschliches und lebendiges Buch über das Leben, wie es lebenswert sein könnte. Es liest sich spannend wie ein Roman." |
1.
Wie sich meine Ansichten so grundlegend wandelten (11)
2.
Der Begriff "Kontinuum" (33)
3.
Der Beginn des Lebens (42)
4.
Das Heranwachsen (103)
5.
Die Versagung wesentlicher Erfahrungen (143)
6.
Die Gesellschaft (176)
7.
Die Rückkehr zum Kontinuum (193) |
Vorwort von Rainer Taëni (*1933)
detopia-2019: Ich war mit Rainer Taeni im Kontakt.
7-9
Es gibt Bücher, denen man den Explosivstoff, den sie enthalten, auch nach einigem Durchblättern und Überfliegen nicht ansieht. Liedloffs Auf der Suche nach dem verlorenen Glück gibt sich, oberflächlich betrachtet, wie ein Buch über indianische Lebensweise, oder vielleicht auch wie einer der üblichen praktischen Ratgeber zum Thema Kinderaufzucht, der Eltern berät, wie sie bei ihren Kindern dieses oder jenes verbessern oder verhindern können. Es ist jedoch weit mehr als das — wie viel mehr, wird erst dem aufmerksamen Leser, vielleicht gar erst beim zweiten Durchlesen, vollständig deutlich.
Ich selbst habe mich jahrelang mit der Erforschung des Phänomens der latenten Angst befaßt, seit ich eines Tages erkannte, wie so gut wie jeder von uns sein Lebtag eine Bürde von versteckter, ihm selbst zumeist unbewußter Angst, die mit körperlicher Verklemmung und mangelndem Selbstvertrauen gekoppelt ist, mit sich herumschleppt. Und je mehr ich dem nachforschte, umso deutlicher wurde mir, daß in der Tat auch unsere gesellschaftlichen Strukturen auf zerstörerische Weise von diesem Phänomen mitgeprägt sind. Die beunruhigende Frage, die sich in diesem Zusammenhang aufdrängt, ist, ob angesichts dieser Tatsache noch Hoffnung für die Menschheit bestehen kann — und worin.
Dieses Buch liefert Hoffnung. Es zeigt zunächst den Grund der latenten Angst überzeugend auf, indem es die These vertritt, daß das Wesen des Menschen selbst von uns — auch von den Autoritäten der Wissenschaft — nicht mehr verstanden und daher auch in der Säuglings- und Kinderaufzucht nicht ausreichend berücksichtigt wird. Sein eigentliches Thema ist das menschliche "Kontinuum" — und was ein Leben im Einklang damit bedeuten müßte.
Gemeint ist mit dem Begriff die uns angeborene, kontinuierliche Folge von triebenergetisch motivierten Erwartungen, die erfüllt werden müssen, ehe der Organismus sich unbeeinträchtigt auf seine nächste (evolutionär festgelegte) Entwicklungsstufe begeben kann. Werden sie es nicht — und dies beginnt mit dem ersten Atemzug des Neugeborenen —, so ist das schließliche Ergebnis ein Leben in Unzufriedenheit, Vertrauensmangel, Liebesunfähigkeit und verdrängter Angst: die fatale Art von Verklemmung, an der wir "Zivilisierten" durchweg leiden.
Um konkreter zu werden: Es gibt kein Tier, das nicht "wüßte" (unfehlbar und ohne Zweifel), was es braucht für sein Wohlbehagen und seine Gesundheit, was ihm bekömmlich ist — und vor allem: wie es seine Jungen behandeln muß, damit diese sich optimal entwickeln. Der Mensch in der Zivilisation jedoch weiß es nicht — er hat es vergessen.
Kleinkinder allerdings tragen dieses unfehlbare Wissen über die eigenen Bedürfnisse noch in sich. Und schreien es, da die Umstände dem generell nicht entsprechen, heraus in tiefer Seelenqual — zu einem Zeitpunkt, da sie noch nicht einmal sprechen, geschweige denn logisch denken können. Nur selten wird der Ausdruck dieser Qual als solcher von Eltern oder anderen Pflegepersonen verstanden und beachtet.
Schmerz, Angst, extreme Verstörung und Verunsicherung insbesondere hinsichtlich dessen, was richtig ist, sind auch dann die Folge, wenn sich keine besonders offenkundigen "neurotischen" Symptome einstellen.
Denn die früheste Erfahrung war: alles ist falsch. Also wird auch das eigene Verhalten falsch. Im günstigsten Fall ist das Resultat ein fanatisches Sich-Klammern an äußere Autoritäten. Im schlimmsten: Kriminalität, Sucht, Psychose, Selbstmord — all das, worunter wir als Einzelne wie als Gesellschaft immer deutlicher leiden.
Hier, in der Vernachlässigung der Erwartungen des Kontinuums zum frühesten Zeitpunkt, liegt die Ursache für unser aller Unglück.
Das wahrhaft Revolutionäre an Liedloffs Buch besteht darin, daß es diese Zusammenhänge am Beispiel einer Gesellschaft, die tatsächlich noch anders ist, verdeutlicht; und damit, wie gesagt, Hoffnung liefert — auch für uns —, daß alles wieder anders werden könnte weil die Fähigkeit zum Sich-Wohlfühlen im Hier und Jetzt unwiderlegbar in Reichweite des Menschen liegt, so wie er geboren wurde.
Nicht daß wir, um diesen Zustand wiederzuerlangen, nun selbst leben müßten wie südamerikanische Indianer. Das Leben der Yequana gilt in diesem Buch nur als Beispiel. Wesentlich ist, daß wir endlich beginnen, uns neue Gedanken zu machen über die Beschaffenheit des Menschen.
Tun wir es in dem Sinne, wie Jean Liedloff es uns nahelegt: unser Leben kann, ja muß sich von Grund auf verändern — besonders, was unsere Einstellung zu den Kindern betrifft, die ja die verkörperte Hoffnung der Menschheit sind. In diesem Sinne hat Auf der Suche nach dem verlorenen Glück uns sehr Wesentliches zu sagen — Dinge, die selbst der Schulwissenschaft bisher nicht bekannt sind.
Es ist Zeit, daß sie gesagt werden — und daß wir alle dementsprechend zu handeln beginnen, auf daß die Herrschaft der Angst in der Welt endlich eingedämmt werde.
9
Rainer Taëni
Liedloff, Jean