Konrad LorenzDer Abbau des Menschlichen
1983 im Piper-Verlag 1986 Neuausgabe, Piper-TB 1995 letzte Auflage bei Piper
143.000
Stück insgesamt plus zahlreiche |
1983 *1903 290 Seiten WEEBER.Buch mit Hintergrundinfos
detopia: |
Ein ganz kurzes Vorwort von Konrad Lorenz (Seite 11)
Zur Zeit sind die Zukunftsaussichten der Menschheit außerordentlich trübe. Sehr wahrscheinlich wird sie durch Kernwaffen schnell, aber durchaus nicht schmerzlos Selbstmord begehen.
Auch wenn das nicht geschieht, droht ihr ein langsamer Tod durch die Vergiftung und sonstige Vernichtung der Umwelt, in der und von der sie lebt.
Selbst wenn sie ihrem blinden und unglaublich dummen Tun rechtzeitig Einhalt gebieten sollte, droht ihr ein allmählicher Abbau aller jener Eigenschaften und Leistungen, die ihr Menschentum ausmachen.
Viele Denker haben dies gesehen, und viele Bücher enthalten die Erkenntnis, daß Umweltvernichtung und "Dekadenz"* der Kultur Hand in Hand gehen.
Nur wenige aber betrachten den Abbau des Menschlichen als eine Krankheit; nur wenige suchen, wie Aldous Huxley das tat, nach Krankheitsursachen und möglichen Gegenmaßnahmen. Das vorliegende Buch soll dieser Suche dienen.
*detopia-2023: "Dekadenz" in Anführungsstrichen vermutlich deshalb, weil oft im Hitlerismus gebraucht.
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detopia-2019: Bei WEEBER (Link oben) stehen Argumente für den heute angeratenen Wiederbesuch bei Konrad Lorenz.
Von Jürgen Hemmam - 2003 auf Amazon - Survival-Guide für eine Art
Im Vorwort zu diesem Buch gibt Lorenz uns einen Hoffnungsschimmer: "Die acht Todsünden der zivilierten Menschheit" könnten heute nicht mehr in ihrer pessimistischen Grundhaltung bestehen, da es allerseits Zeichen der Umkehr gibt. Wenn ich allerdings die Aussagen der Tagespolitik höre:
betrachte, komme ich fuer mich zu dem Schluss, dass dieses Buch nach wie vor wichtig ist. - Die Menschheit ist - und bleibt wahrscheinlich immer - in Gefahr, sich durch Erfolg zu ruinieren. Während es uns - zumindest in den Industriestaaten - in Sachen Reichtum und Komfort so gut geht wie noch nie, gerät die Menschlichkeit immer mehr ins Hintertreffen. Lorenz zeigt auf, wo die Ursachen für diese Irrwege liegen und wer allein den Schlüssel zur Lösung innehat: Wir alle sind es, die eigenverantwortlich daran mitwirken muessen, dasz das "Unternehmen Menschheit" nicht im Bankrott endet. Wer selbstkritisch dieses Buch liest und mit offenen Augen durch die Welt geht, wird manch unangenehme Wahrheit erfahren und auch "den Balken im eigenen Auge" bemerken. Lorenz belässt es aber nicht beim erhobenen Zeigefinger, sondern er bietet auch Auswege an. Diese sind "simple, but not easy - einfach, aber nicht leicht" und auch gar nicht "modisch". |
12-14
Erster Teil:
Viele Menschen glauben, daß der Verlauf des Weltgeschehens vorherbestimmt und zweckgerichtet sei. In Wirklichkeit vollzieht sich das Werden der organischen Schöpfung auf unvorhersagbaren Wegen. Auf diese Erkenntnis gründet sich sowohl unser Glaube an die Möglichkeit wahrhaft schöpferischen Geschehens wie auch an die Freiheit und vor allem an die Verantwortlichkeit des Menschen. Deshalb setzt sich der erste Teil des Buches die Aufgabe, die Annahme eines vorherbestimmten Weltgeschehens zu widerlegen, das im Grunde keine Schöpfungsgeschichte wäre.
Zweiter Teil:
Da alle moralische Verantwortlichkeit des Menschen von seinen Wertempfindungen bestimmt wird, muß dem epidemischen Irrglauben entgegengetreten werden, daß nur dem Zähl- und Meßbaren Wirklichkeit zukomme. Es muß überzeugend klargemacht werden, daß unsere subjektiven Erlebnisvorgänge den gleichen Grad von Realität besitzen wie alles, was in der Terminologie der exakten Naturwissenschaften ausgedrückt werden kann.
Dritter Teil:
Begriffliches Denken und Wortsprache haben ein Wachstum des menschlichen Wissens, Könnens und Wollens, mit anderen Worten, des menschlichen Geistes bewirkt, dessen exponentiell zunehmende Geschwindigkeit den Geist tatsächlich zum »Widersacher der Seele« werden läßt. Der menschliche Geist schafft Verhältnisse, denen die natürliche Veranlagung des Menschen nicht mehr gewachsen ist. Sowohl kulturelle wie »instinktive«, genetisch programmierte Verhaltensnormen, die in historisch jüngster Vergangenheit noch Tugenden waren, bringen unter diesen Umständen Verderben.
Vierter Teil:
Er handelt von der Lage, in die wir durch die im dritten Teil besprochenen Vorgänge geraten sind. Sie ist bedrohlich, gibt aber noch Raum für Hoffnung, trotz mancher nicht reversibler Teufelskreise der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung. Der Technologie entstammende Denkgewohnheiten haben sich zu Doktrinen eines technokratischen Systems verfestigt, das durch Selbstimmunisierung geschützt ist. Die Technokratie hat eine Überorganisation zur Folge, deren entmündigende Wirkung mit der Zahl der zu organisierenden Menschen wächst.
Auch auf kulturellem Gebiet fehlt die Vielfalt der Wechselwirkung, die Voraussetzung jeder schöpferischen Entwicklung ist. In besonders kritischer Lage ist die heutige Jugend. Um die drohende Apokalypse zu verhindern, muß gerade in den jungen Menschen die Wertempfindung für das Schöne und das Gute neu erweckt werden, die von Szientismus und technomorphem Denken unterdrückt wird. Die Erziehungsmaßnahmen beginnen damit, die Gestaltwahrnehmung zu üben, welche allein die Empfindung für Harmonien vermitteln kann. Wenn sie richtig funktionieren soll, bedarf sie, wie jeder Verrechnungsapparat, der Einspeisung einer sehr großen Zahl von Daten. Möglichst enger Kontakt mit der lebendigen Natur in möglichst frühem Alter ist ein vielversprechender Weg, dies zu erreichen.
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Inhalt Inhalt.pdf
Ein ganz kurzes Vorwort (11-11)
Eine ganz kurze Zusammenfassung (12-14)
Nachwort:
Literaturverzeichnis (287-294)
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Erster Teil: Freiheitsgrade der Evolution 1. Kapitel: Der Glaube an eine zweckgerichtete Weltordnung 17 Seine demoralisierenden Folgen (17) Der Irrglaube an den sogenannten Fortschritt (19) Die Ablehnung einer nicht-zweckgerichteten Weltordnung (21) Die drei Arten zweckgerichteten Geschehens (22) 2. Kapitel: Die Ungeplantheit der Stammesgeschichte 27 Der Begriff der Teleonomie 27 Das Unzweckmäßige 29 Funktionswechsel 31 Zickzackwege der Phylogenese 35 Sackgassen der Evolution 44 Die Wirkung innerartlicher Konkurrenz 48 Abbauende Evolution oder »Sacculinisierung« 52 3. Kapitel: Die schöpferische Evolution Anpassung als kognitiver Vorgang 57 Der Weg zum Höheren 61 Kulturelle Evolution 67 Die Kultur als lebendes System 70 Vererbung und Veränderung in der Kultur 73 Die Ungeplantheit der Kulturentwicklung 78 Homo ludens (80) wikipedia Homo_ludens Zweiter Teil: Die Wirklichkeit des »nur« Subjektiven 4. Kapitel: Das Leib-Seele-Problem Die Legitimierung phänomenologischer Verfahren 87 Kritik des Szientismus und seiner Kritiker 89 Die Unbezweifelbarkeit des Erlebens 98 Die Kunst als Wissensquelle der Phänomenologie 103 Drei Hypothesen zum Leib-Seele-Problem 105 5. Kapitel: Die Phänomenologie der Wertempfindungen Teleonome Wertungsnormen 112 Überschuß und Mangel 113 Schönheitsempfinden und Domestikation 116 Bewertung von Domestikationserscheinungen im Verhalten 119 Wertempfindungen von recht und unrecht 122 Die Wertempfindungen für den Besitz 124 6. Kapitel: Die Frage nach nicht-teleonom programmierten Wertempfindungen Gibt es an sich Schönes? 128 Die Empfindung für Harmonien 132 Die relative »Höhe« von Harmonien 137 Die Wahrnehmung pathologischer Störungen 138 Die wirklich apriorische Wertempfindung 139 Dritter Teil: Der Geist als Widersacher der Seele 7. Kapitel: Das Unbehagen in der Kultur Die Diskrepanz der Geschwindigkeiten (145) Neigung und Moral (148) 8. Kapitel: Fehlleistungen ursprünglich sinnvoller Verhaltensweisen Die Definition von normal und pathologisch (155) Ordnungsliebe und Überorganisation (157) Die Freude am Wachstum (165) Die Funktionslust (169) Die Freude am Wettbewerb (172) Arbeitsteilung und Spezialisierung (174) Der erzwungene Verzicht auf Einsicht (178) Die Werbung (180) Kollektiv-aggressive Begeisterung und politische Propaganda (183) Indoktrinierung (191) 9. Kapitel: Irrgänge des menschlichen Geistes Überwertige Ideen und Neurosen (194) Theoretische und praktische Auswirkungen des Szientismus (196) Vierter Teil: Die gegenwärtige Lage der Menschheit 10. Kapitel: Das technokratische System Prinzipieller Optimismus (203) Stabilisierungsmechanismen des Systems (205) Der Wegfall der Selektion (208) Die pseudodemokratische Doktrin (211) Hospitalismus als Beispiel (214) Die Verschiebung des Wirklichkeitsbewußtseins (218) Der unerwünschte »autonome« Mensch (221) Dressurmethoden (224) 11. Kapitel: Die gegenwärtige Lage der Jugend Der kritische Punkt (229) Nationaler Haß (231) Die sensitive Phase der Gruppenwahl (233) Die Sinnentleerung (233) 12. Kapitel: Berechtigung zum Optimismus 241 Erreichbare Ziele der Erziehung (245) Du sollst nicht falsch' Zeugnis reden (263) Werte, die umgewertet werden müssen (270) Der erkenntnistheoretische Standpunkt (271) |