Rolf Henrich

Ausbruch
aus der
Vormund-
schaft

Erinnerungen

 

2019 im Links-Verlag

Audio  2019 
Lesebericht

2019

375 Seiten

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Für jeden Menschen kommt der Augenblick, in dem der Lenker seines Sterns
ihm selbst die Zügel übergibt. Nur das ist schlimm, dass er den Augenblick nicht kennt,
dass jeder es sein kann, der vorüberrollt. Friedrich Hebbel (1813-63)

 

 

Inhalt

 

Vorwort  (11)

 

Personenregister (374)

Abkürzungsverzeichnis 

Bildnachweis

Audio dlf 2019 Lesebericht

dlf  henrich-ausbruch-
aus-der-vormundschaft


detopia-2024:
Ich habe an diesem Buch nichts auszusetzen,
auch die "Eitelkeit" nicht (andere Leseberichte),
die gar nicht so vorhanden ist; auch aus dem
Grund, weil ein Held sagen muss, dass er gut war
(weil die Normalen das sonst gar nicht wissen).

Eitelkeit hin oder her: Dieses Bericht aus der DDR
ist groß und wahr. Erst jetzt kann ich
begreifend zufrieden sein.

Mir fallen momentan keine neuen Lobesworte ein.
Also die alten: Lesen! Lesen! Und nochmal lesen!

Und zwar auch aus Öko- und aus
Friedens-Gründen.

Teil I

  • Philosophie oder Studium der Rechtswissenschaften? Ich höre auf Lore Nagel  (14)

  • Schulter an Schulter mit der herrschenden Klasse tausend Meter unter Tage  (20)

  • Am Horizont ein Silberstreif - Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung  (27)

  • Saale-Athen, im Tale liegend - 11. September 1964  (33)

  • Gesellschaftswissenschaftliches Grundstudium als Misstrauenstraining  (39)

  • Martin Posch und die Generalklausel Treu und Glauben 46

  • Eine von Hegel durchsäuerte Generation - ergriffen vom ehernen Gang der Geschichte 50

  • Gammler und zottelige Mähnen 56

  • »Sind Sie Pontius Pilatus?« 62

  • Gefährliche Parolen 66

  • Zum Einsatz an der unsichtbaren Front im Operationsgebiet West geeignet 70

  • In der Warteschleife 72

  • Auf, auf zum Kampf 75

  • Die letzten Semester in der Hauptstadt  (82)

  • Als Aushilfskellner in Ahlbeck 85

  • Panzer in Prag oder das Ende der »politisch-ideologischen Sorglosigkeit« 88

  • Das Tribunal 95

  • Mein amtliches Sündenregister 99

  • Von Stalin lernen  (102)


Teil II

  • Was tun?  (104)

  • Heiner Müller  (108)

  • Umrüstung vom Zivilisten zum Soldaten 111

  • Bloß weg 120

  • Neubeginn in Eisenhüttenstadt 122

  • Erste Tuchfühlung mit der Praxis 125

  • Ankunft in der Stahlstadt 127

  • Mein erster Mandant, unvergessen   (129)

  • Ein Ort vertraulichen Gesprächs -
    Die Schleusenmeisterei in Hammerfort  (132)

  • Halb im Verborgenen  (135)

  • Karl Heintze wird einbestellt  (139)

  • Kafkaeske Politprozesse  (142)

  • Kopfgeldjägerei oder salonfähiger Menschenhandel? 150

  • Das Ministerium wollte nicht gestört werden 155

  • 25. August 1977 - mein Thermidor  (159)  (Bahro, Maaz)

  • Gregor Gysi, Advocatus Diaboli? 166

  • Es war zu langweilig! 170

  • Auf der Suche / Ausweichmanöver Psychotherapie 174

Teil III


Teil IV

  • Tätigkeitsverbot und Parteiverfahren  (239)

  • Hinter den Kulissen 242

  • Achtung und Zuspruch 250

  • Unterwegs als Wanderprediger  (254)

  • Halle an der Saale 259

  • Gründertreffen des Neuen Forums in Grünheide 265

  • »Wir sind halt dieselbe Brut«  (274)

  • Ring frei zur ersten Runde 276

  • Fehlende Brücken 282

  • Kolumbische Seefahrerei oder Nüchternheit 285

  • »Henrich! Mir grauts vor dir!« - Treffen mit Kurt Masur  (289)


Teil V

  • Tollereien am Rande des Staatsbankrotts  (298)

  • Verlegenheitslösung Runder Tisch 305

  • Mein Leipzig lob' ich mir! 309

  • Christliche Tischgemeinschaft oder Insolvenzausschuss?  315

  • Lockende Angebote 327

  • Spurwechsel 332

  • Deutschsein in Europa  (338)

  • Verspäteter Widerstand durch herabsetzendes Nachstellen (349)

  • Zonen des Verdachts (359)

  • Wie sieht nun die Bilanz aus? (364-369)

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KLAPPENTEXT
Rolf Henrich gilt als einer der Wegbereiter der Friedlichen Revolution in der DDR. Sein Buch "Der vormundschaftliche Staat", das im Frühjahr 1989 in Hamburg und Anfang 1990 in Leipzig erschien, öffnete vielen Menschen in Ostdeutschland die Augen. Im September 1989 gehörte Henrich zu den Mitbegründern der Bürgerbewegung Neues Forum.In seiner Autobiografie beschreibt er seinen eigenen Wandlungsprozess vom Parteisekretär eines Rechtsanwaltskollegiums zum energischen Kritiker des sozialistischen Systems und gibt Einblicke in die dramatischen Umbruchprozesse auf dem Weg zur deutschen Einheit. Sein Buch schlägt eine Brücke in die Gegenwart. Es zeigt, wie Verantwortung gelernt werden kann.


Pressestimmen

  • Henrich schont andere nicht, schon gar nicht die unter dem Dach der Kirche versammelte Opposition, sich selbst aber auch nicht. Sein Buch ist ein Lehrbuch der Wende und des Wegs zur Einheit. Sehr lesenswert. -- Heribert Prantl

  • Henrichs nüchterne, aber auch nicht uneitle Beschreibung ist sowohl für seine Zeitgenossen als auch für später Geborene oder Außenstehende ungemein lesenswert. -- Henry Bernhard, Deutschlandfunk

  • Keine Helden-Litanei, keine Pathos-Fibel, sondern ein kluger, anregender, nämlich verstörend genauer Selbstbericht. -- Christian Eger, Mitteldeutsche Zeitung

  • Henrich hat mit seinen Erinnerungen die Situation in der DDR und vor allem die Wendezeit anschaulich beschrieben und kommentiert. -- Helmut Wolle, Das Goetheanum


perlentaucher.de/buch/rolf-henrich/ausbruch-aus-der-vormundschaft.html

zu Deutschlandfunk, 09.04.2019
Rolf Henrich erzählt in seiner Autobiografie von seinen Lebenslügen als ehemaliger Bürger der DDR. Als Anwalt war er SED-Mitglied, spitzelte sogar zeitweise für die Stasi, er verdiente gut und unterstützte nach außen den Sozialismus, auch als er längst erkannt hatte, wie marode dieses System war, schreibt Rezensent Henry Bernhard. Er benennt schonungslos die eigenen Verrenkungen, aber auch sein Blick auf die Oppositionellen, denen er als Mitbegründer des Forums begegnet war und die er wohl reichlich naiv fand, ist nicht gerade schmeichelhaft, so Bernhard, der diese Erinnerungen "erfrischend unsentimental" findet.

zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.2019
Jacqueline Boysen erträgt nur schwer die Eitelkeit des Dissidenten Rolf Heinrich. Seine Rückschau auf SED-Gehorsam, Berufsverbot, Neues Forum macht ihn für die Rezensentin dennoch zu einem wichtigen Zeitzeugen, sein Buch zu einem bedeutenden Debattenbeitrag über die Friedliche Revolution. Dass dem Autor sein eigener Fanatismus als <IM Streit> heute fremd ist, dass er über Oppositionelle und linke Westler hart urteilt und er genau Parteimilieu und DDR-Justiz nachzeichnet, macht die Lektüre für Boysen wertvoll.

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Unter den DDR-Oppositionellen wirkte Rolf Henrich wie ein Erwachsener unter Halbwüchsigen. Henrich maß in seinem Buch den DDR-Sozialismus an den Postulaten der Aufklärung und fand einen mickrigen Kretin vor, der vorgab, ein potenter Riese zu sein. Und der Autor gab sich selbstbewusst.

Zwar wirkte Henrich noch maßgeblich am Gründungsaufruf des Neuen Forums mit, saß mit am Runden Tisch, zog sich aber dennoch bald aus der Politik zurück, um wieder als Anwalt zu arbeiten. Nun ist Rolf Henrich 75 Jahre alt und schaut auf sein Leben zurück.

Unverständnis über eigene frühere Haltung
Henrich ist ein selbstbewusster, starker und eitler Charakter. Und das ist gut für das Buch. Er muss sich nicht verstecken, auch nicht seine Irrtümer. Henrich schreibt mit Mitgefühl, aber immer ohne Sentimentalität über sein junges Ich, betrachtet sich mal nachsichtig, mal mit hochgezogenen Augenbrauen. Am liebsten aber mit dem Skalpell die Lebenslügen und ideologischen Geschwüre freilegend. Mit Staunen, fast Unglauben und leichtem Ekel berichtet Henrich von dem Revolutionär, der er gern gewesen wäre, von dem Stasi-Werkzeug für Aufträge im Westen, das er war, damals vor Stolz fast berstend ob seiner Bedeutung. Dazu passt, dass seine „Kundschaftertätigkeit“ endete, als er sich weigerte, kleine Aufträge auszuführen oder Bekannte zu bespitzeln.

Damit stellt Rolf Henrich quälende Fragen an sich, die viele im Osten heute lieber unterlassen und stattdessen auf ihre Lebensleistungen jenseits der Ideologie verweisen. Henrich studierte Jura. Mit beißendem Spott stellt er die Verrenkungen dar, die ein Recht anstellen muss, wenn es nicht der Gerechtigkeit, sondern einer „Sache“, einer Klasse, einer Partei dienen soll.

Das Doppelleben als DDR-Anwalt und Dissident
Dennoch: Henrich wurde Anwalt, war selbstverständlich SED-Mitglied. Er verdiente gut, besser als ein Minister, berichtet er, und hatte doch Gewissensbisse, wenn er sah, dass er in politischen Verfahren als Anwalt nichts ausrichten konnte und dass auch in Zivilverfahren der Staat diktatorisch durchgreifen konnte. Henrich zog sich ins Private zurück, aufs Land, umgab sich mit Künstlern und Bohemiens – und musste schließlich doch erkennen, dass es auch dort kein „richtiges Leben im falschen“ gab. Rudolf Bahros Buch „Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus“ wurde 1977 für Henrich zum Erweckungserlebnis.

Fortan schrieb Henrich an seinem eigenen Buch, das ein ebensolcher Paukenschlag wie Bahros „Alternative“ werden sollte, mit Kritik nicht nur an der Ökonomie, sondern auch an Staat und Recht. In diesen Jahren führte er ein Doppelleben – blieb Anwalt, SED-Genosse, gar Parteisekretär seines Kollegiums. Die dafür notwendige Heuchelei entschuldigt er weit wohlwollender als etwa später den Weg der Bärbel Bohleys, die 1988 die zeitweise Ausreise aus der DDR dem Gefängnis vorzog. Er beschreibt aber auch anschaulich die bleierne Langeweile, den Stillstand der 80er Jahre. Seiner Geringschätzung gegenüber den meist unter dem Dach der Kirche versammelten Oppositionellen, ihrer moralischen Attitüde lässt er immer wieder freien Lauf.

Im Frühjahr 1989 veröffentlichte Henrich sein Buch „Der vormundschaftliche Staat“ im Westen. Ein Buch der klaren Sprache über die DDR. Im Osten, wo es nicht erscheinen konnte, reiste er daraufhin durchs Land und hielt in Kirchen Vorträge darüber. Zeit hatte er dank Berufsverbot. Im Herbst ´89 gründete er das Neue Forum mit. Seine Schilderungen dieser Zeit, auch die Psychogramme der Beteiligten setzen markante Schlaglichter.

Henrich wirft einen erfrischend unsentimentalen Blick auf die kurze Zeit der Anarchie zwischen Ende ´89 und Anfang ´90, in der die Oppositionellen versuchten, ihre individuellen Träume zu verwirklichen, was sie mit Politik verwechselten, und in der die großen Parteien des Westens, allen voran die CDU, klar auf Machtpolitik setzten, indem sie Gruppierungen und Parteien im Osten unterstützten und/oder vereinnahmten. Henrichs nüchterne, aber auch nicht uneitle Beschreibung ist sowohl für seine Zeitgenossen als auch für später Geborene oder Außenstehende ungemein lesenswert.

https://www.deutschlandfunk.de/rolf-henrich-ausbruch-aus-der-vormundschaft-erinnerungen-100.html  mit Audio (oder oben)

Von Henry Bernhard | 08.04.2019

 

 

(Ordner)   www.detopia.de     ^^^^ 

Rolf Henrich - Ausbruch aus der Vormundschaft - Erinnerungen - 2019 - 375 Seiten